Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Mit wachen Sinnen

Mit wachen Sinnen

62 Portraits von jungen Freunden der Salzburger Festspiele
Buch | Hardcover
140 Seiten
2009
Muery Salzmann (Verlag)
978-3-99014-001-7 (ISBN)
CHF 54,60 inkl. MwSt
Kunst kann bei jungen Menschen die Sinne fürs ganze Leben öffnen: mit dieser Über- zeugung führt die Theaterenthusiastin Elfi Schweiger ihre Jungen Freunde seit 15 Jahren allsommerlich ins Gesamtkunstwerk Salzburger Festspiele ein. Die schön ausgestattete Dokumentation stellt 62 erwachsene AbsolventInnen ihrer Schule der Sinne in Text und Bild vor.
Der Jugend gehört nicht nur die Zukunft, sie kann auch eine wunderbare Brücke bilden von der hohen Kunst zur einfachen Bevölkerung. Es genügte, dass bei Jean-Pierre Ponnelles Zauberflöte für Kinder in der Felsenreitschule einige Hundert Kinder in die Schlangenhaut schlüpften, und die Salzburger empfanden die Festspiele plötzlich nicht mehr nur als Brotgeber, sondern entdeckten sie als künstlerisches Ereignis. Der direkte Kontakt mit Kindern, Jugendlichen, mit Schülern und Studenten war daher ein wichtiges Anliegen seit meinem Amtsantritt bei den Festspielen. Immer wieder entdeckt man sei es in Brüssel, in Salzburg, im Ruhrgebiet und sogar in Paris, dass die Jugendlichen durch das Theater viel leichter zu verzaubern sind als man glaubt. Mozart hat das genau gewusst. Sie sind sogar aufgeschlossener für das Neue als die so genannten Liebhaber. Sie entdecken, dass man in der Oper und bei den Festspielen viele Berufe ausüben kann: vom Schreiner zum Orchestermusiker, vom Maler zum Korrepetitor. Sie bekommen Gänsehaut bei einer großen Chorszene, wundern sich, dass die Musik auch toll klingt ohne Verstärkung, trauen sich zu, Plakate zu entwerfen oder Produktionen originell zu fotografieren kurz und gut, sie merken, dass die Kunst und die Musik auch ihre Sache ist und nicht nur den Alten und Reichen vorbehalten. Das allerdings lässt sich nur umsetzen, wenn engagierte Partner von außen die Vermittlung leisten. Elfi Schweiger ist ein Musterbeispiel dafür. Was in Salzburg anfing mit meiner Intendanz, hat inzwischen europaweit Schule gemacht. Das Mittel ist einfach: die eigene Passion weitergeben. Das verlangt Energie und Überzeugungskraft, aber es gab für mich nichts Schöneres, als nach einer Generalprobe der Salzburger Festspiele begeisterte junge Leute mit strahlenden Augen zu sehen. Da weiß man um die Kraft der Kunst.

Bernd Uhlig (geb. 1951) lebt in Berlin. Seit 1977 Arbeit in den Bereichen Reportage, Porträt, Film und Theater, ab 1980 mit dem Schwerpunkt Theater, Oper und Tanz. Seine eigenständige Sichtweise auf das Bühnengeschehen dokumentieren neben diesem Band seine Ausstellungen und der Katalog 'Theater und Fotografie' (1989).

von Gérard Mortier Der Jugend gehört nicht nur die Zukunft, sie kann auch eine wunderbare Brücke bilden von der „hohen“ Kunst zur „einfachen“ Bevölkerung. Es genügte, dass bei Jean-Pierre Ponnelles Zauberflöte für Kinder in der Felsenreitschule einige Hundert Kinder in die Schlangenhaut schlüpften, und die Salzburger empfanden die Festspiele plötzlich nicht mehr nur als Brotgeber, sondern entdeckten sie als künstlerisches Ereignis. Der direkte Kontakt mit Kindern, Jugendlichen, mit Schülern und Studenten war daher ein wichtiges Anliegen seit meinem Amtsantritt bei den Festspielen. Immer wieder entdeckt man – sei es in Brüssel, in Salzburg, im Ruhrgebiet und sogar in Paris –, dass die Jugendlichen durch das Theater viel leichter zu verzaubern sind als man glaubt. Mozart hat das genau gewusst. Sie sind sogar aufgeschlossener für das Neue als die so genannten Liebhaber. Sie entdecken, dass man in der Oper und bei den Festspielen viele Berufe ausüben kann: vom Schreiner zum Orchestermusiker, vom Maler zum Korrepetitor. Sie bekommen Gänsehaut bei einer großen Chorszene, wundern sich, dass die Musik auch toll klingt ohne Verstärkung, trauen sich zu, Plakate zu entwerfen oder Produktionen originell zu fotografieren – kurz und gut, sie merken, dass die Kunst und die Musik auch ihre Sache ist und nicht nur den Alten und Reichen vorbehalten. Das allerdings lässt sich nur umsetzen, wenn engagierte Partner von außen die Vermittlung leisten. Elfi Schweiger ist ein Musterbeispiel dafür. Was in Salzburg anfing mit meiner Intendanz, hat inzwischen europaweit Schule gemacht. Das Mittel ist einfach: die eigene Passion weitergeben. Das verlangt Energie und Überzeugungskraft, aber es gab für mich nichts Schöneres, als nach einer Generalprobe der Salzburger Festspiele begeisterte junge Leute mit strahlenden Augen zu sehen. Da weiß man um die Kraft der Kunst.

Stockwerk „K“ – Ein Lob des Enthusiasmus von Thomas Oberender Ich war 16 Jahre alt und besuchte eine Berufsschule mit Abiturzweig in Weimar. Mein Deutschlehrer war zugleich unser Sportlehrer und vernachlässigte in beiden Fächern regelmäßig seinen Lehrplan, um die geniale Erfindung des Taschenbuchs zu preisen und uns über den Segen einer Lektüre im Park oder auf Bahnfahrten aufzuklären. Bei diesen Gelegenheiten zog er sogleich ein solches Taschenbuch aus seinem Jackett hervor und trug uns Berufsschülern eine Passage aus Thomas Manns Tonio Kröger oder Stendhals Rot und Schwarz vor. Im Kreis seiner Kollegen, die uns in Maschinenbau und Werkstoffkunde unterrichteten, blieb dieser Lehrer eine exotische, auch von meinen Mitschülern beargwöhnte Erscheinung. Eines Tages fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, den Jugendklub des Nationaltheaters zu besuchen. Und es ist ihm zu verdanken, dass ich eines Abends, nachdem ich im Lehrlingsheim vergeblich nach Verstärkung gesucht hatte, alleine die Tür zu jenem Jugendklub öffnete und mich an einen Tisch setzte, an dem Schauspieler und viele junge Leute saßen, während eine Dramaturgin über die Aufführung von Schillers Don Carlos sprach. Diese Runde selbstbewusster junger Menschen und einer ganz anders gearteten Begegnung mit der Literatur und einer Aufführung zog mich über die Schwelle ins Innere des Theaters. Fortan wurde mir diese Runde zur zweiten Heimat, und ich nahm an den Gesprächen mit Künstlern, den Probenbesuchen und Projekten des Jugendklubs teil. Gegen Ende meiner Lehrzeit spielte ich in der Inszenierung eines Schauspielers am Nationaltheater die tragende Rolle eines der Vögel aus Aristophanes’ gleichnamigem Stück, und kurz nach meinen Abiturprüfungen fragte ich die Jugendklubleiterin, was ich denn studieren könne, um am Theater zu arbeiten. Sie sagte: Theaterwissenschaft. Ich fand tatsächlich eine Universität, die dieses mir rätselhafte Fach unterrichtete, studierte zum Erstaunen meiner Eltern fünf Jahre an der Humboldt-Universität und später, nachdem ich begonnen hatte, eigene Stücke zu schreiben, noch einmal an der Universität der Künste, und irgendwann rief ein werdender Intendant an und nahm mich mit auf seine Theaterreise. Wo immer mich diese Reise hingeführt hat – an ihrem Anfang stand der einsame Enthusiasmus eines Lehrers für das Theater und die Arbeit jener Leiterin eines Jugendklubs, die die Lebenswege einiger meiner Freunde aus jener Zeit in Bahnen lenkten, die für immer dem Theater verbunden blieben. Beiden Figuren, dem Lehrer und der Programmgestalterin, begegnete ich in Elfi Schweiger wieder, als ich vor einigen Jahren meine Arbeit bei den Salzburger Festspielen begann. Und nicht nur ihr, sondern vielen jungen Menschen, die durch sie dem Theater näher kommen, als dies besuchsweise gemeinhin möglich ist. Auch in ihnen begegne ich mir selbst, meinem Fasziniertsein von der Welt der Künstler, ihren Ideen und ihrer scheinbar ganz anderen Lebensart, die mir die Augen öffneten und mich erwachsener fühlen ließen, als ich es damals war. Jugendarbeit, so lernte ich später von meinem ersten Intendanten, ist die Arbeit an unserem Publikum von morgen. Aber über diesen pragmatischen Satz hinaus bedeutet der Jugendklub von damals für mich bis heute eine Art Lebensschule, wie sie nirgends sonst zu finden war. Und doch ist ihr Lehrplan fakultativ und beruht auf einer schwer zu ergründenden Passion. Elfi Schweiger sieht pro Jahr mehr Inszenierungen, als ich sie trotz meiner beruflichen Verpflichtungen besuchen kann. Gefragt, woher sie diese Energie nimmt, sagte sie mir unlängst im Tone eingestandener Ratlosigkeit: „Ich lerne ja so viel im Theater.“ Und zwischen ihren zahllosen Theaterreisen begleitete diese Professorin der Mathematik Generationen von Schülern erfolgreich zur Matura, ist sie die Mutter einer großen katholischen Familie und einer unübersehbaren Schar von Theaterkindern. Eine gewisse Asozialität wohnt dieser unbedingten Leidenschaft fürs Theater und Theatervolk inne, die mich ihr für immer verbindet. Sie ist, wie mein Lehrer in Weimar, eine Enthusiastin des Metiers und übt ihr Amt als Kunstverführerin um der Sache selbst willen aus. Sie entwickelte eine Kennerschaft, die frei vom Dünkel des Betriebs und unabhängig von Moden der Saison das gute Theater, auch in seiner scheinbar gotteslästerlichsten Form, so unfehlbar erkennt wie ein Bauer den Tag der Ernte. Ich habe Elfi Schweiger auf diesem Weg unterstützt, wo immer ich es konnte, und umgekehrt hat auch sie dem Schauspiel oft geholfen. Obgleich sie keine öffentlichen Zuwendungen erhält, ist sie es, die überraschend eine Premierenfeier in Hallein sponsert, Jugendtheatertreffen samt Reisen, Unterkünfte und Buffets organisiert oder ein Buch drucken lässt, wie eben jenes, für das ich diese Zeilen schreibe. Die etwas exzentrische, institutionell nur lose assoziierte Position, die ihre Jugendarbeit für die Salzburger Festspiele seit Jahrzehnten darstellt, hat sie dennoch unfehlbar in die Mitte des Geschehens geführt. Elfi Schweigers Enthusiasmus und Zugriff konnten sich, obgleich sie durchaus wählerisch ist, selbst die heikelsten Persönlichkeiten unter den Festspielmachern und Künstlern nicht entziehen – sie alle nahmen irgendwann Platz am Tisch der Jungen und ließen sich befragen und zur gemeinsamen Arbeit in Workshops verführen. Unbezahlt, aber hoch belohnt. Elfi Schweiger und ihre Gruppen sind nun schon seit 15 Jahren Teil der Festspielsommer – sie sah Intendanten, Schauspiel- und Konzertdirektoren kommen und gehen, aber sie blieb. Der Buchstabe „K“ im Aufzug zum Mönchsberg im Toscaninihof wurde zum Kürzel ihrer Präsenz. Es ist die einzige Zwischenstation auf dem Weg nach oben – in die Etage der Presseabteilung, zu den Freunden der Festspiele und der Schauspielabteilung –, bei der die kleine Lampe im Lift nur aufleuchtet, wenn Elfi Schweiger oder Besuch für die Jungen Freunde im Hause sind. Hier hat sie sich inzwischen ein kleines Büro erobert, zur Hälfte belegt mit Lagerräumen, aber auch mit einem Schreibtisch und einer eigenen E-Mail-Adresse. Gerard Mortier hat diesen Weg geebnet, wie so viele andere auch. Einen anderen Weg ebnet Elfi Schweiger ihren Jugendlichen – sie entwickelt und vertieft ihre Liebe zur darstellenden Kunst, zum selbstbewussten Mitdenken und Dabeisein wo immer unsere Welt im Spiel erprobt wird. Durch ihre Arbeit mit den Jungen Freunden haben sich inzwischen mindestens zwei Generationen von Jugendlichen engstens mit dieser Festspielgeschichte verbunden. Und es sind aus den stillen Lauschern von einst nicht wenige Macher der Kunst von morgen hervorgegangen – Schauspieler, Regisseure und Dramaturgen, die an jene Tage zurückdenken werden, da ihnen im Stockwerk „K“ ein paar Eintrittskarten und Gesprächskreise zugänglich wurden, die sie für immer in den Bann dieser Welt gezogen haben.

Erscheint lt. Verlag 6.8.2009
Illustrationen Bernd Uhlig
Vorwort Gérard Mortier
Zusatzinfo mit zahlreichen Farbabbildungen
Sprache deutsch
Maße 171 x 290 mm
Gewicht 750 g
Einbandart Leinen
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Kunst / Musik / Theater Film / TV
Kunst / Musik / Theater Theater / Ballett
Schlagworte Festspiele • Freunde • Hardcover, Softcover / Sachbücher/Musik, Film, Theater/Biographien, Autobiograph • Jugend • Jugendkultur • Junge Freunde • Mensch (Motiv) • Salzburger Festspiele
ISBN-10 3-99014-001-9 / 3990140019
ISBN-13 978-3-99014-001-7 / 9783990140017
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
meine Geschichte

von Alexej Nawalny

Buch | Hardcover (2024)
S. Fischer (Verlag)
CHF 39,90
die Autobiografie

von Papst Franziskus

Buch | Hardcover (2025)
Kösel (Verlag)
CHF 35,90
unser Eingliederungsversuch in eine geschlossene Gesellschaft

von Tahsim Durgun

Buch | Softcover (2025)
Knaur (Verlag)
CHF 25,20