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Gestorben, um zu leben -  Simon Lindo

Gestorben, um zu leben (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
296 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-6951-5019-9 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
(CHF 8,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
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»Wenn du jetzt sterben würdest, wer würde zu deiner Beerdigung kommen?« Ein Fußballspiel. Ein Fehler. Und plötzlich gibt es keine Hemmungen mehr. Manuel war Luft. Jetzt wird er zur Zielscheibe. Seine Mitschüler spucken ihm ins Gesicht, lachen über seine Tränen. Und niemand hält sie auf. Nicht einmal er selbst. Melissa dagegen lebt für die Momente mit Louis. Sie träumt von Nähe, Anerkennung, Liebe. Und sie tut alles, um ihm zu gefallen. Selbst wenn sie sich dabei selbst verliert. Zwei Jugendliche. Zwei Leben, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch kreuzen sich ihre Wege. In einem Moment, der alles verändert. Einem Moment, in dem der Schmerz zu laut wird, um weiter zu schweigen. »Gestorben, um zu leben« ist ein Jugendroman über Mobbing, Sehnsucht, Mut und das leise Aufbegehren gegen das eigene Zerbrechen.

Simon Lindo, geboren 2002, hatte in seiner Schulzeit lange mit Mobbing zu kämpfen. In dieser schwierigen Zeit begann er, seine Gedanken und Gefühle in Geschichten zu verarbeiten. Nach dem Abitur studierte er Soziale Arbeit und arbeitete an verschiedenen Schulen, wo er nicht nur Lernbegleiter, sondern auch Zuhörer und Vertrauter wurde. Eine Schülerin beschrieb ihn als »sehr herzlichen Menschen, zu dem man immer kommen und ihm seine Sorgen anvertrauen kann.« Heute ist er Erzieher im Kinderheim und begleitet die dort lebenden Kinder und Jugendlichen auf ihren Lebenswegen. »Gestorben, um zu leben« ist sein erster Jugendroman.

Kapitel 1 Manuel


Versagt

Wieso tat er sich das an?

Manuel saß fröstelnd unter dem Blechdach der Ersatzbank, auf das der Regen ohne Erbarmen trommelte, als spiele er ein Schlagzeugsolo. Jeder Tropfen glich einem heftigen Faustschlag gegen die Metallplatten, so laut, dass es in seinen Ohren dröhnte, als wolle der Regen ihm das Trommelfell zerfetzen.

Manuel zog den Kragen seiner Jacke höher. Warum konnte er nicht einfach zu Hause vor dem Kamin sitzen, umgeben von der Wärme des Feuers und den beruhigenden Klängen seiner Gitarre? Stattdessen saß er hier fest, gefangen in einem Spiel, das er nie gewollt hatte.

Was war noch gleich das Hauptargument seines Vaters gewesen, dem örtlichen Fußballverein beizutreten? Anschluss. Allein dieses Wort hätte ihn schon abschrecken müssen, denn die Hälfte der Mannschaft ging in seine Klasse – als hätte er nicht schon genug Probleme.

Über dem Dach der Schule erhellte ein Blitz den Himmel. Den nachfolgenden Donner hörte Manuel kaum. Zu laut war es unter dem Blechdach, das von den Tropfen als Trommel missbraucht wurde. Um dem Lärm zu entkommen, waren all seine Mitspieler aufgestanden und hatten sich in den Regen gestellt. Manuel aber blieb alleine sitzen, lauschte dem Himmelfahrtskommando und schlang die Arme noch enger um sich, als würde er in einer Zwangsjacke stecken.

Die Schlussviertelstunde brach an. Noah legte sich den Ball in vielversprechender Position zum Freistoß zurecht – zentral, etwa 18 Meter vor dem Tor. Breitbeinig wie Cristiano Ronaldo lief er an und jagte den Ball über die Mauer. Kurz darauf bebte die Latte unter der Wucht des Schusses.

Ein Raunen, das selbst das Plätschern des nachlassenden Regens übertönte, erstreckte sich über den Sportplatz des Gymnasiums, an dessen Seitenlinie vermutlich mehr Eltern standen, als je zu einer Infoveranstaltung der Schule gekommen waren. Kein Wunder, denn es handelte sich um das wichtigste Spiel der Saison. Heute entschied sich, welches Team im nächsten Jahr in einer höheren Liga antreten dürfe – und dafür benötigte Manuels Mannschaft unbedingt einen Sieg.

Plötzlich rannten alle los. Manuels Mitspieler stürmten quer über das Spielfeld zur Eckfahne. Dort wurde Noah von einer Jubeltraube verschlungen. Er hatte das Tor zum 3:2 erzielt – das Tor, das ihnen den Aufstieg bescherte.

Manuel sprang nicht auf. Aus dem Augenwinkel beobachtete er seinen Trainer, der mit konzentrierter Miene farbige Magnete auf der Taktiktafel verschob. Dann hob er den Kopf und sagte etwas, das Manuel aufgrund des trommelnden Regens nicht verstand. Aber er konnte es an den Lippen ablesen – es war sein Name!

Schwerfällig erhob er sich und trat hinaus in den Regen. Sofort schlugen die Tropfen wie Eiswürfel in seinen Nacken ein und glitten langsam den Rücken hinunter. Die Kälte drang in seine Wirbelsäule und von dort aus in jede Haarspitze.

Stimmte das wirklich? Er sollte spielen? Den Blick auf seine Fußspitzen gerichtet, trottete er auf seinen Trainer zu. Würde er nicht die Kälte spüren, hätte er es als Traum abgestempelt. Er spielte erst seit ein paar Monaten für den Verein und war bisher nur zu Kurzeinsätzen gekommen, wenn das Spiel längst entschieden gewesen war. Doch jetzt wollte der Coach ihn beim so wichtigen Aufstiegsspiel, bei der knappen Führung von 3:2, für die letzten zehn Minuten aufs Feld schicken. Wie kam er auf diese absurde Idee? Es gab weitaus bessere Alternativen – Janik, zum Beispiel. Er war zwar klein, aber dafür ein echter Künstler am Ball. Würde er nicht für diesen Dorfverein kicken, sondern in der Jugend eines Proficlubs spielen, würden ihn die Medien sicherlich als „den neuen Messi“ bezeichnen. Das würde auch viel besser zu seinem Ego passen, fand Manuel. Außerdem hätte er ihn dann von der Backe.

»Trainer, ich weiß nicht.«

»Jetzt ist nicht die Zeit zum Zweifeln!« Er legte Manuel die Hand auf sein durchnässtes Trikot, als würde er ihm Energie und Zuversicht spenden wollen – doch das sorgte nur dafür, dass ihm gleich ein weiterer Schauer über den Rücken lief. Vielleicht lag es aber auch an dem Gedanken, gleich eingewechselt zu werden. »Pass auf, wir stellen auf Fünferkette um. Du spielst rechts. Hau einfach die Bälle nach vorne. Hoch und weit bringt Sicherheit! Denk daran, ein Gegentor und wir können den Aufstieg vergessen!«

Manuel nickte nur. Wie konnte der Trainer so etwas verlangen? Er war kein begnadeter Spieler, kickte nur ab und zu auf der Straße vor seinem Haus und besuchte einmal wöchentlich das Training, wobei er sich meistens doch lieber mit seiner Gitarre im Bandraum der Schule verschanzte als auf den Sportplatz zu kommen. Dass Manuel das rot-blaue Trikot trug, war ohnehin nur der Beharrlichkeit seines Vaters geschuldet. Mit Argumenten wie »Anschluss finden« und »sportliche Aktivität ist wichtig« hatte er ihm so lange in den Ohren gelegen, bis er schließlich nachgegeben hatte. Doch als er beim ersten Training seine zukünftigen Mitspieler gesehen hatte, hatte er es sofort bereut. Warum hatte er sich nur belabern lassen?

Mit dieser Frage im Kopf trabte Manuel durch die Pfützen, die sich an der Seitenlinie angesammelt hatten und bei jedem seiner Schritte laut platschten. Er spürte, wie sich seine abgetragenen Fußballschuhe mit Wasser vollsogen. Der Matsch sammelte sich zwischen den Stollen, sodass seine Beine mit jedem Schritt schwerer wurden. Manuel versuchte vergeblich, das Profil mit den Fingern zu säubern. Dann rief ihn der Trainer schon wieder zu sich. Jetzt wurde es ernst.

Manuel positionierte sich an der Seitenlinie und sprang auf und ab, um die Kälte abzuschütteln. Sein Coach gab Ruben, dem großgewachsene Stoßstürmer, ein Zeichen, dass dieser das Feld verlassen sollte.

»Soll das ein Witz sein?«, nörgelte Janik. »Man kann doch nicht ›gefährlich‹ gegen ›unfähig‹ eintauschen.«

Der Trainer ignorierte die Bemerkung.

Manuel streckte die Hand aus, so wie es die Fußballer im Fernsehen immer machten, doch Ruben schlug nicht ein. Stattdessen trat er gegen eine herumliegende Wasserflasche, sodass der Deckel im hohen Bogen davonflog. Mehr bekam Manuel nicht mehr mit, denn er lief bereits quer über den Platz, um seine Position als rechter Verteidiger einzunehmen.

Der Einwurf wurde ausgeführt. Manuel war als Erstes beim Gegenspieler und versuchte, ihm den Ball abzunehmen. Doch als er zum Tackling ansetzte, rutschte er im Schlamm aus. Krachend landete er rücklings im Dreck – er musste aussehen wie ein Schwein, dass sich liebend gern im Matsch wälzte.

»Aufstehen! Hinterher!«, hörte er seinen Trainer rufen. Auf allen vieren rappelte sich Manuel auf, was ihm jedoch kaum gelang, da er keinen Halt fand. Als er es wieder auf die Beine geschafft hatte, rollte der Ball direkt auf ihn zu. Überrascht kickte er den Ball in einem hohen Bogen aus der Gefahrenzone.

Sein Trainer applaudierte an der Seitenlinie, doch der nächste Angriff rollte schon. Klar, denn die Gegner hatten keine Zeit zu verlieren. Sie brauchten unbedingt ein Tor, wenn sie aufsteigen wollten. Blieb es bei diesem Spielstand, würde Manuels Mannschaft in der kommenden Saison in einer höheren Liga spielen. Alle hier träumten davon – selbst Manuel.

Die Gegner kombinierten sich auf der linken Seite entlang. Flüssig lief der Ball durch die Reihen, mit maximal zwei Berührungen. Kurze, schnelle Pässe, um Lücken in die Verteidigung zu reißen. Dann versuchten sie eine Flanke in die Mitte. Abgeblockt. Das Leder landete wieder beim Gegenspieler. Eine weitere Hereingabe segelte in den Strafraum –viel zu hoch für den Mittelstürmer.

Der Ball flog direkt auf Manuel zu und für einen Moment schien alles in Zeitlupe abzulaufen. Er überlegte, wie er den Ball am besten unter Kontrolle bringen konnte. Sollte er ihn mit der Brust stoppen? Oder einfach mit dem Fuß kontrollieren? Oder gar mit dem Kopf den Rückpass zum Torwart wagen? Oder ducken! Manuel hatte eine Idee. Wenn er den Ball einfach ins Aus fliegen lassen würde, gäbe es Abstoß für sein Team. Das war der Plan! Manuel zog den Kopf ein wie eine Schildkröte. Doch dann hörte er schnelle Schritte hinter sich.

Adrenalin schoss durch seine Adern. Er sprang – zu spät. Der gegnerische Spieler erhob sich über ihn wie ein düsterer Schatten, während Manuel sich mühsam in die Höhe stemmte. Sein Herz hämmerte wild in seiner Brust und seine Muskeln fühlten sich an wie gelähmt, als er den dumpfen Aufprall des Balls auf dem Kopf seines Gegners hörte. Die Leere in seinem Inneren wuchs mit jeder Millisekunde, die der Ball brauchte, bis er in den Maschen einschlug.

»Manu, du Idiot!«, schimpfte der Torwart. »Spring doch hoch, verdammt!« Die Worte durchbohrten Manuel wie giftige Pfeile. Seine Arme hingen schlapp herunter und zogen ihn gen Abgrund. Die Schuld drückte ihn noch tiefer, als er hilflos dabei zusehen musste, wie sein Mitspieler den Ball aus dem Netz fischte. Die Welt um ihn herum verschwamm zu einem undurchdringlichen...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-6951-5019-X / 369515019X
ISBN-13 978-3-6951-5019-9 / 9783695150199
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