Birdie (eBook)
400 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-78468-5 (ISBN)
Das Mädchen Birdie zieht zu ihrer Großtante und ihrem Großonkel aufs Land. Sie ist aufgeregt, was sie dort erwartet. Doch ihre Adoptivfamilie ist kühl und auch die Dorfgemeinschaft abweisend. Als einziges Schwarzes Mädchen im Dorf ist Birdie einsam. Bis sie eines Tages einen Freund findet: ein Pony. Doch das schwebt in großer Gefahr. So fasst Birdie einen gewagten Plan, um es zu retten.
Eine bewegende Geschichte über Familie und Zugehörigkeit, über Rassismus und eine außergewöhnliche Freundschaft, die alle Hindernisse überwindet.
J. P. Rose wurde in Manchester geboren und wuchs nach ihrer Adoption im ländlichen Yorkshire auf. Sie erlebte Rassismus und Diskriminierung, doch fand Halt bei den Tieren, insbesondere Pferden, und im Schreiben von Geschichten. Heute lebt sie mit ihrer Familie und zahlreichen Pferden, Hunden und Katzen in London. Als ehrenamtliche Trauerbegleiterin hilft sie Menschen dabei, den Verlust ihrer Haustiere zu verarbeiten.
8
Birdie hatte nicht vorgehabt zu lauschen, wirklich nicht. Aber als sie am nächsten Morgen zum Frühstück nach unten kam, hörte sie in der Küche zwei Stimmen. Die eine gehörte eindeutig ihrer Tante, die andere kannte sie nicht. Und nachdem ihre Neugier einmal geweckt war, gab es kein Zurück mehr.
»… komm mir so dumm vor«, hauchte ihre Tante gerade atemlos. »Was soll jetzt bloß werden? Kein Auge hab ich zugetan letzte Nacht. Wissen Sie eigentlich, in was für einer unmöglichen Lage ich stecke?«
»Alles, was ich sehe, ist, dass sie ein Geschöpf Gottes ist, Mrs Winterbottom, so wie wir alle.«
»Tja, das sagt sich so leicht, aber Tatsache ist nun mal, dass ich ein etwas anderes Geschöpf erwartet hatte. Sonst hätt ich mir die Sache vielleicht noch mal überlegt.«
»Und Sie hatten wirklich keine Ahnung, dass dieses Heim, aus dem sie kommt, eines für Kinder mit, nun ja … einem bestimmten Hintergrund ist?«
»Das versuch ich Ihnen ja die ganze Zeit begreiflich zu machen: Nichts hab ich geahnt, gar nichts! Wie denn auch? In den Briefen stand ja nichts davon, kein Wort!«
Birdie, die sich fragte, worüber die beiden sich da drinnen wohl unterhielten, spürte mit einem Mal ein leichtes Kitzeln in der Nase, das rasch stärker wurde. Sie versuchte, es zu unterdrücken, aber davon wurde es nur noch schlimmer, und am Ende musste sie gleich mehrmals hintereinander kräftig niesen.
Die Tür schwang auf.
»Birdie?«
Birdie wurde knallrot.
Seltsamerweise blickte ihre Tante drein, als wäre sie selbst auf frischer Tat ertappt worden. »Wie … wie lange stehst du da schon?« Ihre Miene war genauso streng wie am Abend zuvor, was es Birdie nicht gerade erleichterte, die Frage zu beantworten.
»Na?« Ihre Tante stemmte die Hände in die Hüften. »Man lauscht nicht an Türen, hat dir das denn keiner beigebracht?«
Birdie biss sich auf die Wange und überlegte kurz. Sie war nicht sonderlich gut im Flunkern, anders als ihre Freundin Rita, die stets die wildesten Geschichten erfand und anschließend behauptete, es wäre alles genau so passiert, was dann strenggenommen doppelt gelogen war. Doch der missbilligende Blick ihrer Tante ließ ihr die Wahrheit im Hals stecken bleiben. »Ich … ich glaub, ich … also …«
»Na, lass gut sein, bis du deine Zunge entwirrt hast, sind wir wahrscheinlich alle alt und grau.« Birdie war froh, dass die Ungeduld ihrer Tante sie vor einer Antwort bewahrte. »Zumindest hast du die Kleider gefunden, die ich dir rausgelegt hab.« Mit einem zufriedenen Nicken begutachtete sie Birdies graues Schürzenkleid, den grünen Pullover und die weißen Kniestrümpfe. »Ach, und Birdie, das hier ist übrigens Reverend Hepplewaite, unser Pfarrer.«
Der Reverend sprang auf und brachte dabei seine Teetasse auf dem Tisch zum Scheppern. Er nahm Birdies Hand zwischen seine und schüttelte sie so stürmisch, dass ihr die Schulter wehtat.
»Willkommen, Birdie, ganz herzlich willkommen in Barrington Dale. Deine Großtante hat mir schon eine Menge von dir erzählt.« In seinen buschigen grauen Haaren und Augenbrauen hätten Mr Dudleys Tauben sich sicher gern ein Nest gebaut. Und seine freundlichen Augen wurden durch die dicken Gläser seiner Hornbrille so stark vergrößert, dass sie beinahe die Ausmaße eines Bierdeckels annahmen.
In dem Moment ertönten laute Schritte im Flur und sie alle fuhren herum.
Eine vollbusige Frau mit ziemlich krummem Rücken platzte in die Küche. Sobald sie Birdie sah, blieb sie wie angewurzelt stehen, als hätte sie gerade noch rechtzeitig gemerkt, dass sie am Rand einer Klippe angelangt war. Ihr Mund ging auf, und sie wippte ein paarmal auf den Fußballen vor und zurück, ehe sie sich auf einen der Küchenstühle fallen ließ.
»Mrs Bradley, was kann ich für Sie tun?«, fragte Birdies Tante mit glühenden Wangen.
»Darf man denn nich einfach mal gesellig sein?« Die Frau hob die Augenbrauen und schenkte sich, ohne dazu eingeladen worden zu sein, eine Tasse Tee ein. Während sie einen Schluck trank, musterte sie Birdie eingehend.
Birdies Tante nahm Mrs Bradley Tasse und Untertasse aus der Hand und stellte beides zurück auf den Tisch. »Sicher darf man das, aber nich bloß als Vorwand. Also sagen Sie schon, was gibts?«
»Na ja, Mrs Crabtree hat mir erzählt, was sie von Mr Earnshaw wusste, der die Neuigkeit von Mrs Holdsworth hatte, und da dacht ich mir, komm ich doch lieber gleich selbst rüber, wo wir doch schließlich Nachbarinnen sind, nich wahr?« Sie hielt inne. »Muss mich ja schon wundern, dass Sie mir nich selbst von Ihrem … Gast erzählt haben.« Mrs Bradley wandte sich langsam Birdie zu und ihre Augen wurden schmal.
»Ich würd meinen, das geht Sie nichts an«, antwortete Birdies Tante knapp.
»Mag sein, aber die Leute wird trotzdem interessieren, was hier los ist.«
Birdies Tante senkte unbehaglich den Blick. »Ich … Man hat mich gefragt, ob ich für ne Weile ein Kind aus einem Heim drüben in Leeds aufnehmen würde. Und das hab ich getan.«
»Na, und was sagen Sie dazu, Reverend?«, wandte Mrs Bradley sich an den Pfarrer.
»Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Mit anderen Worten, Mrs Bradley: Richten Sie nicht, damit Sie nicht gerichtet werden.«
Mrs Bradley verdrehte die Augen und seufzte. »Also, wenn Sie mich fragen, ist da doch irgendwas faul.«
»Sie fragt aber keiner.« Birdies Tante baute sich zu voller Größe auf, während Mrs Bradley weiter Birdie beäugte. Diese fühlte sich unangenehm daran erinnert, wie sie und die anderen Kinder angestarrt worden waren, wenn Mrs Dudley mit ihnen Ausflüge in die Innenstadt von Leeds gemacht hatte. Zwar hatte Mrs Dudley ihnen stets eingeschärft, sich nicht daran zu stören, aber Birdie hatten die Blicke trotzdem verunsichert. Einige Leute hatten regelrecht die Nase gerümpft, und Birdie hatte sich gefragt, was denn mit ihr und ihren Freunden nicht stimmte.
Wann immer sich etwas in der Art zugetragen hatte, war Mrs Dudley flugs mit den Kindern zurück nach Hause gefahren und hatte ihnen zum Tee eine besondere Leckerei serviert. Erklärt hatte sie Birdie und ihren Freunden diese seltsamen Blicke jedoch nie, nicht mal, wenn sie danach gefragt hatten. Oder nein, einmal hatte sie es tatsächlich versucht, aber Birdie hatte nur Bahnhof verstanden. Irgendwas mit der Sonne und dem Mond.
»Und von den ganzen Waisen«, fuhr Mrs Bradley gedämpft fort, »war das das Beste, was zu kriegen war?«
»Also wirklich, Mrs Bradley!« Die Schärfe in Mrs Winterbottoms Stimme ließ die Nachbarin verstummen. Birdies Tante verschränkte die Arme. »Ich glaub, Sie gehen jetzt besser.«
»Ich bin ja bloß besorgt um Ihr Ansehen im Dorf, Mrs Winterbottom. Manche Leute haben halt Vorurteile – was mir natürlich nie einfallen würde.«
»Was Sie nich sagen, Mrs Bradley.«
Mrs Bradley zupfte am Saum ihrer grauen Tweedjacke, die um die Taille ganz schön spannte. »Ich mein ja nur, dass den meisten hier schon alles, was südlich von Leeds liegt, nich mehr geheuer ist.«
»Jetzt reichts aber wirklich … Raus mit Ihnen. Na los.« Mrs Winterbottom schnappte sich ein kariertes Geschirrtuch und scheuchte ihre Nachbarin vor sich her wie ein ausgebüxtes Huhn.
»Wer wird denn gleich so unhöflich werden?«, ereiferte sich Mrs. Bradley.
»Ich«, entgegnete Mrs Winterbottom. »Gehen Sie sich anderswo das Maul zerreißen.« Sie schob Mrs Bradley Richtung Flur.
Birdie drehte sich um – und erschrak. Eine ganze Horde Kinder drückte sich die Nasen am Küchenfenster platt.
»Weg da, aber dalli!«, blaffte Mrs Winterbottom sie an.
Auch Mrs Bradley wurde plötzlich ungehalten, als ihr Blick auf eines der Kinder fiel, das etwa in Birdies Alter war.
»Julie, was hab ich dir gesagt? Du sollst im Bett bleiben! Willst du, dass sich das ganze Dorf von dir die Windpocken holt? Ab nach Hause mit dir!«
»Aber Mam …«
»Keine Widerrede, junge Dame, sonst erzähl ich deinem Vater, was du dir wieder geleistet hast.«
Die Kinder nahmen...
| Erscheint lt. Verlag | 1.10.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Sandra Knuffinke, Jessika Komina |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
| Schlagworte | ab 9 Jahre • Adoption • aktuelles Buch • Außenseiterin • Birdie Bagshaw • Birdie deutsch • Bücher Neuerscheinung • buch-geschenk • England • Freundschaft • Geschenke für Jungs • Geschenke für Kinder • Geschenke für Mädchen • Großtante • Grubenpferd • Kinderbuch • Kohlemine • Michael Morpurgo • Minen-Pferd • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Nord- und Nordost-England • Pferde-Geschichte • Pferde-Roman • Pony • Vereinigtes Königreich Großbritannien • Westeuropa • Yorkshire |
| ISBN-10 | 3-458-78468-3 / 3458784683 |
| ISBN-13 | 978-3-458-78468-5 / 9783458784685 |
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