Die Wunderlaterne (eBook)
140 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1056-7 (ISBN)
E.L.Dascalu wuchs als Kind eines pädiatrischen Onkologen in Kiel auf, studierte dort und unterrichtet an einer internationalen Schule in Süddeutschland.
1
In einem kleinen Haus inmitten eines alten Gartens lebte Peter.
Von seiner Dachkammer aus konnte er auf eine hohe Lärche blicken, die sich im Herbst gelb färbte, bevor sie ihre Nadeln wie Kupferspäne abwarf. Rund um den Stamm jagten manchmal zwei Eichhörnchen hinauf und hinunter, als spielten sie Fangen. Dann flitzten sie durch das Gras, blieben stehen, huschten weiter und suchten Nüsse und Kerne, die sie in den heimlichsten Winkeln und Verstecken vergruben.
An einem Abend, als Peter am Fenster stand und zusah, wie der Mond sich aus den Wolken hervorschob, hörte er hinter den Baumwipfeln den Ruf einer Eule. Es war, als locke sie ihn. Eine Weile war es still, dann rief sie wieder. Aber sie blieb nicht an einer Stelle, sondern flog im Dunkeln von Wipfel zu Wipfel. Lange horchte er, wie ihr „Tuhu“ durch den Wald schallte. Dann entfernte sich ihre Stimme allmählich, und obwohl Peter noch aufmerksam in die Nacht hinaus lauschte, konnte er sie bald nicht mehr hören.
Nur der Mond lächelte ihm zu wie ein guter alter Freund. Sein silberner Strahl glittins Zimmer, als wolle er Peter den Weg in sein Bettweisen. Denn es war spät. Und wer am nächsten Tag wieder Verstecken spielen und mit den anderen Kindern draußen herumrennen möchte, der muss schlafen. Das wusste der gute alte Mond, denn er kennt alle Kinder dieser Welt, in deren kleine Winkel er freundlich hineinleuchtet. Sobald er sah, dass Peter warm unter seiner Bettdecke lag, verkroch er sich lächelnd hinter einer großen Wolke.
Ein einziger Tag veränderte Peters Leben.
Vielleicht war es nicht wirklich nur dieser Tag gewesen. So jedoch schien es.
Es war der sorgenvolle Blick des Arztes, der alles verändert hatte. Nicht das Kopfweh. Nein, dieser Blick. Die großen, warmen Hände hatten auf seinem Kopf gelegen, als der Arzt ihn so ansah. Dann hatte er etwas gesagt, das Peter nicht verstand, und viel aufgeschrieben. Wichtige Papiere mussten das sein, denn sie wurden sorgsam aufbewahrt und überall vorgezeigt, wohin Peter nun kam.
Die rauschenden Baumwipfel und der Vogelgesang vor dem Fenster schienen unendlich weit weg von der fremden Welt, die Peter nun durchwandern musste.
Lange, kahle Gänge ging er entlang. Von oben waren sie mit Neonröhren beleuchtet. Und er betrat große Räume voller Geräte. Die Papiere des Arztes wurden überall entgegengenommen von Menschen, die meistens blau gekleidet waren. Diejenigen aber, die die Papiere lasen und Peter danach sorgenvoll anblickten, trugen immer Weiß. Sie legten ihre großen, warmen Hände auf seinen Kopf.
„Wir werden dich gesund machen“, sagten sie.
„Aber ich bin doch nicht krank“, entgegnete Peter, „ich bin doch überhaupt nicht krank!“
Doch die weißen Menschen lächelten nur traurig, strichen ihm über das Haar und wandten sich wieder den Papieren zu. Sie wussten ja nicht, dass er noch gestern Verstecken gespielt hatte und mit den anderen Kindern draußen herumgerannt war.
In einigen der hellen Räume wurde Peter in große Geräte geschoben. Lange musste er still liegen und schloss die Augen so fest, bis er vor sich seine Lärche sah, die sich grün im Sommerwind wiegte. Und es war, als kämen die Eichhörnchen zu ihm, als setzten sie sich auf ihn, um ihn mit ihren dunklen Knopfaugen zu betrachten. Da streckte er beide Hände nach ihnen aus. Er wollte ihr seidiges Fell streicheln, so nah waren sie.
Mit einem Ruck hielt das Gerät an. Seine Liege wurde herausgefahren, bis jemand dicht neben ihm stand.
„Lieber Peter“, sagte eine blau gekleidete Krankenschwester zu ihm, „es ist schwer still zu liegen, wenn man acht Jahre alt ist. Aber versuch es noch einmal. Es ist sehr wichtig.“
„Da waren meine Eichhörnchen“, erwiderte Peter, „und ich wollte sie streicheln.“
„Sag ihnen, sie sollen ganz still sitzen und warten, bis du fertig bist“, entgegnete die Schwester. „Wenn sie dir helfen wollen, müssen sie jetzt brav sein.“
Und das waren sie. Geduldig warteten sie auf Peter und sahen ihn nur mit ihren dunklen Knopfaugen an.
So ging es Tag für Tag. Lange, kahle Gänge stapfte Peter entlang, betrat große Räume voller Geräte, von oben mit Neonröhren beleuchtet.
Nichts war mehr so, wie es gewesen war.
Er durfte nicht mehr in die Schule gehen, und draußen spielen konnte er immer seltener. Nur wenn er rechtzeitig nach Hause kam.
„Aber ich bin doch nicht krank“, dachte Peter verzweifelt, als einer der verspäteten Abende heraufdämmerte. Er hatte wieder nicht mit den anderen Kindern spielen können. Er hatte seine Freunde in der Schule nicht gesehen, war nicht dabei gewesen, wie die Lehrerin ihnen die Getreidesorten erklärte. Er wusste, dass sie alle gemeinsam Brot backen würden. Nur er war nicht dabei. Und er wusste, dass er auch dann nicht dabei sein würde, wenn die Weihnachtswichtel kämen, wenn alle Kinder die großen Fenster mit bunten Sternen schmückten und die Lehrerin jeden Tag eine Adventsgeschichte vorlesen würde.
„Ich bin nicht krank“, wiederholte er verzweifelt, und die kühle Dämmerung strich um sein Fenster. Das nagende Kopfweh kam doch nur manchmal. Dass er dann oft einschlief, merkte er ja nicht. „Das ist kein Grund, dass ich nicht in die Schule gehen darf und nicht mehr draußen mit den anderen Kindern spielen kann“, sagte er.
Doch der Mond, sein guter alter Freund, war heute nicht da und hörte ihn nicht. Da rollte eine schwere Träne Peters Wange hinunter, so groß wie die unerträgliche Last in seinem Herzen. Eine zweite Träne rann hinab, und in ihm war ein riesiges Unglück, so tief, dass kein Schluchzen es aus ihm herausbringen konnte.
Plötzlich aber hielt er inne, denn ihm war, als hätte er etwas gesehen.
Alles war still. Nur vor ihm, auf einem Ast nahe am Fenster, sah er etwas Kleines sich bewegen. Der letzte Tagesschimmer ließ es sachte leuchten, und er erkannte ein Rotkehlchen. Es blickte ihn aufmerksam an.
„Möchtest du mir etwas sagen?“, fragte Peter leise.
Da hüpfte das Rotkehlchen näher und neigte den Kopf zur Seite.
„Soll ich dir folgen?“, fragte Peter.
Wieder nickte der kleine Vogel.
Und in Peter war ein solches Sehnen, dass Haus und Garten vor seinen Augen entschwanden. Dichter Nebel erhob sich um ihn. Darin war nur ein heller roter Fleck zu sehen. Er tastete sich voran und folgte dem flatternden Vogel, bis ein feiner Sonnenstrahl das Weiß um ihn durchdrang. Wie ein Streifen Himmelslicht sickerte er durch den Schleier und wies den Weg zu einer mit Moos gepolsterten Lichtung im Wald. In ihrer Mitte lag reglos ein Teich, in dem sich ein Stück des blauen Himmels spiegelte. In tiefer Ruhe schienen die Bäume zu schlummern, eingehüllt in ihren grünen Duft .
Selbst das Rotkehlchen saß jetzt unbeweglich auf einem Zweig über einem Baumstumpf, den das Alter mit einem dicken Moosteppich überzogen hatte, geziert von kleinen Sternenblüten.
Obwohl ihn noch immer ein Nebelschleier umgab und er nicht wusste, ob er sich wirklich an diesem geheimnisvollen Ort befand, spürte Peter doch bald Boden unter seinen Füßen und roch den Wald um sich herum.
Da tauchte in der Ferne zwischen den dunklen Zweigen ein kleiner Lichtfleck auf, näherte sich langsam, wankte hin und her und wurde allmählich größer. Eine kleine Laterne war es, die das Tannendunkel durchleuchtete, schwankend in der Hand eines Wichtels, der sie behutsam vor sich hertrug.
Alt war er, so alt wie die Zeit, und runzelig wie eine Wurzel. Langsam stapfte er durch das Moos und trat an den Teich heran, bis der Lichtfleck sich im Wasser spiegelte.
„Grüß dich, Peterle“, sagte er mit einer Stimme, so alt wie die Erde.
Peter war ganz verblüfft und wusste nicht, was er antworten sollte.
Schließlich fand er Worte und sagte höflich: „Guten Tag, lieber Wichtel.“
„Es ist gut, dass du gekommen bist“, nickte der.
„Warum?“
„Du wirst etwas sehen, was wichtig ist für dich.“
Auf dem Wasser des Teiches schimmerte wie vorher das Licht der Laterne, doch jetzt entstand ein Bild. Tief öffnete sich die Erde, bis hinab in ihr Innerstes. Leises Hämmern war dort zu hören, ein Feuer warf seinen flackernden Schein an die Wände einer Höhle im Berg. Davor stand ein Zwerg und schmiedete, zierlich und kunstvoll, wie nur Zwerge es können. In seiner Zange hielt er einen feinen Griff aus Gold und setzte darauf eine schmale Klinge aus Diamant.
Bald verschwammen Zwerg und Schmiede, ein Schleier verbarg sie, zog sich wie ein Vorhang vor die Höhle und ließ nur noch etwas sehen, das weich und rosa war. Ganz zart lag es vor Peters Augen. Doch da entdeckte er einen schwarzen Punkt mitten darin, der langsam wuchs, länger und breiter wurde, bis er wie eine knorrige Wurzel mitten in dem Weichen steckte. Das war ganz verkehrt und durfte nicht sein. Peters Herz begann zu pochen, er sah sich um, als wolle er Hilfe herbeirufen. Da entdeckte er, wie sich etwas zwischen die schwarze Wurzel und das Weiche schob, glänzend wie...
| Erscheint lt. Verlag | 7.3.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
| Schlagworte | Bücher über Heilung durch Fantasie bei Kindern • Einfühlsamer Roman zur Krebsbewältigung bei Kindern • Emotional berührendes Kinderbuch mit Heilungsthema • Emotionaler Roman über krebskrankes Kind • Geschichten über den Umgang mit Krebs für Grundschulkinder • Geschichte über Trost und Magie bei Krankheit • Heilende Geschichten für betroffene Familien • Heilung • Hilfe • Hirntumor • Hirntumor bei Kindern literarisch erzählt Kinderkrebshilfe • Hoffnung für schwerkranke Kinder ab 8 Jahren • Hoffnungsgeschichte für schwerkranke Kinder • Hoffnungsspendende Literatur für Eltern krebskranker Kinder • Inspirierende Literatur für Eltern von schwerkranken Kindern • Kinderbücher mit magischen Symbolen bei Krankheit • Kinderbuch über schwere Lebenssituationen • Kinderliteratur über Leben und Tod • Krebs • Märchenhafte Bücher mit therapeutischem Charakter • Märchenhafte Krankheitsverarbeitung in Kinderperspektive • Märchen über krebskrankes Kind mit spiritueller Reise • Märchen zur Trauerbewältigung • Mutmach Literatur für Kinder und Erwachsene • Roman über ein Kind mit Krebs und innerer Reise • Rotkehlchen als spirituelles Symbol in Kinderliteratur • Seele • Spirituelle Kinderbücher mit medizinischem Hintergrund • Trostbuch für Angehörige krebskranker Kinder • Trostbuch für Familien mit krebskranken Kindern |
| ISBN-10 | 3-7597-1056-5 / 3759710565 |
| ISBN-13 | 978-3-7597-1056-7 / 9783759710567 |
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