Das Geheimnis des Maya-Tempels (eBook)
160 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-3725-3 (ISBN)
Damaris Kofmehl ist gebürtige Schweizerin und schreibt Romane, Fantasy und Thriller, die auf wahren Begebenheiten beruhen. Die Serie "Abenteuer in Südamerika" schrieb sie als junge Erwachsene, als sie selbst eineinhalb Jahre im Dschungel von Costa Rica lebte und anschliessend alleine quer durch Südamerika reiste.
Ein neues Abenteuer
Im Restaurant des costaricanischen Flughafens San José saßen vier Personen um einen kleinen Tisch. Wer sie noch nie gesehen hatte, war wohl auf den ersten Blick ziemlich erstaunt über die Zusammenstellung. Es kam nicht alle Tage vor, daß sich drei so unterschiedliche Nationalitäten an einem einzigen Tisch befanden. Der älteste der vier war ein Mann um die vierzig, ein Japaner mit glattem schwarzem Haar und schmalen Augen. Direkt neben ihm saß ein etwa sechzehnjähriger Junge, dem älteren wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hatte einen kurzen Stoppelhaarschnitt und trug eine schmale Brille auf der Nase. Ihm gegenüber hampelte ein kleiner schwarzer Junge von vielleicht sieben Jahren mit großen Kulleraugen und einem Wuschelkopf auf seinem Stuhl herum, und daneben saß ein ungefähr vierzehnjähriges Indiomädchen. Die Konstellation dieser Gruppe war um so verblüffender, weil alle dieselbe Sprache sprachen und es außerdem eine Sprache war, die man ihrer Hautfarbe niemals zugeordnet hätte: schweizerdeutsch.
Im Augenblick drehte sich das Gespräch um ein Foto in der costaricanischen Tageszeitung La Nación. Das Bild zeigte einen Japaner, einen kleinen Afrikaner und eine Indianerin neben einem gutgekleideten Herrn mit Krawatte, der gerade im Begriff war, den jungen Leuten die Hand zu schütteln. Als jeder seinen Kommentar zu dem Bild abgegeben hatte, nahm das Indio-Mädchen die Zeitung an sich und begann den spanischen Text, der daneben stand, zu übersetzen.
„Noch nie in der Geschichte des Schwarzhandels ist es der Polizei in so kurzer Zeit gelungen, den führenden Köpfen eines internationalen Tierschmuggelringes das Handwerk zu legen. Die lange gesuchten Tierhändler hatten es vor allem auf exotische Vögel, überwiegend Papageien und Tukane, abgesehen, die sie in Costa Rica illegal einfingen, nach Europa verschifften und dort teuer verkauften. Dank des vorbildlichen Einsatzes dreier junger Touristen aus der Schweiz konnten am vergangenen Freitag mehrere Männer in Untersuchungshaft genommen werden, die unter dem dringenden Verdacht stehen, mit dem Schmuggelring in Verbindung zu stehen. Die Regierung von Costa Rica überreichte den jungen Touristen als Zeichen ihrer Dankbarkeit einen Scheck über mehrere tausend Dollar sowie Gratisflugtickets für einen zweiwöchigen Aufenthalt in Guatemala.”
Steffi legte die Zeitung auf das kleine Tischchen und faltete die Hände hinter dem Kopf zusammen, während sie sich lässig zurücklehnte.
„Na”, stellte sie zufrieden fest, „was haltet ihr davon?”
„Ein bißchen übertrieben ist es schon”, meinte David, der junge Japaner. „Immerhin sind wir rein zufällig in die Geschichte verwickelt worden. ,Vorbildlicher Einsatz’, das klingt ja, als wären wir James Bond höchstpersönlich.”
„Also, ich finde, sie hätten ruhig noch mehr schreiben können”, meldete sich Nick, der kleine Schwarze, zu Wort, „vor allem von meinem Einsatz. Schließlich habe ich ganz allein...”
„Wir kennen deine Ruhmestaten”, fiel ihm Steffi ins Wort, „eine Aufzählung ist völlig überflüssig. Es war pures Glück, daß wir heil davongekommen sind.”
„Glück?” wiederholte Herr Nakamura mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ich glaube, Glück sollte man es nicht nennen. Gott hat seine Hand über euch gehalten. Deshalb ist alles gut ausgegangen. Mit Glück hatte das nichts zu tun.” Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Unser Flug geht in einer halben Stunde. Vielleicht sollten wir langsam aufbrechen.” Er winkte der Bedienung und bezahlte die Ge-tränke. Dann begaben sich die vier mit ihrem Handgepäck zum Zoll.
Es war kurz vor halb neun Uhr morgens. Steffi, Nick, David und sein Vater hatten früh aufstehen müssen. Ein Taxi hatte sie zum Flughafen etwas außerhalb von San José gebracht, und hier warteten sie nun auf ihren Flug nach Guatemala City. Zwei Ferienwochen in Costa Rica lagen bereits hinter ihnen, zwei spannende Wochen, in denen sie viel gesehen und viel erlebt hatten. Eigentlich hatten sie geplant gehabt, vier Wochen in diesem faszinierenden Land zu verbringen, aber als sie durch ihr Tukan-Abenteuer unverhofft zu Flugtickets nach Guatemala gekommen waren, hatten sie ihre Pläne kurzfristig geändert.
„Ich kann es noch kaum glauben”, sagte Steffi, als sie dem Zollbeamten ihren Paß hinstreckte. „Zwei exotische Länder in nur vier Wochen.” Sie blickte zu David hinüber. „Und wenn deine Mutter sich nicht den Fuß verstaucht hätte, wäre ich jetzt im Tessin beim Wandern.”
„Glaub bloß nicht, sie hätte das deinetwegen getan”, bemerkte der Junge darauf, „Mutter wäre für ihr Leben gern mitgekommen. Aber mit geschwollenem Knöchel hätte ihr die Reise wenig Spaß gemacht, das ist klar.”
„Dafür habe ich endlich mein Heimatland kennen-gelernt”, meinte Steffi grinsend. „Deine Mutter hat mir mit ihrem kaputten Fuß eine große Freude gemacht.” Sie warf ihr langes schwarzes Haar zurück und lachte vergnügt. Ihre weißen Zähne hoben sich deutlich von ihrer dunklen Haut ab.
Steffi war im costaricanischen Urwald zur Welt gekommen, im Stamm der Guaymie-Indianer. Sie hatte allerdings nie dort gelebt. Ihre jetzigen Eltern hatten sie als Baby adoptiert, und so war sie in der Schweiz aufgewachsen. Ihrem Vater verdankte sie es, daß sie trotzdem gut spanisch sprechen konnte, da er sich mit ihr zu Hause oft auf spanisch unterhielt. Darauf war Steffi sehr stolz, nicht zuletzt Davids wegen, der ansonsten immer alles besser konnte als sie. David wohnte ebenfalls in Zumikon und kannte Steffi von der Schule. Er besuchte wie sie das Gymnasium und war in Steffis Augen das, was man sich unter einem Universalgenie vorstellt. Er war einfach gut. Er spielte Geige wie ein Virtuose, konnte zeichnen wie ein Künstler und hatte ein Gedächtnis wie ein Lexikon.
Und dann war da noch Nick, der kleine Afrikaner. Er konnte weder lesen noch schreiben und hatte nichts als Flausen im Kopf. Er wohnte im selben Wohnblock wie Steffi, ein Stockwerk tiefer, zusammen mit seiner Mutter und fünf älteren Geschwistern, die ihn immer herumkommandierten. Nick wich dem gern aus und hielt sich daher oft bei Familie Kamm auf. Steffi war davon nicht gerade begeistert. Sie konnte sich Schöneres vorstellen, als auf einen kleinen schwarzen Jungen aufzupassen. Aber ihre Mutter sah das etwas anders, und so mußte das Mädchen häufig auf Nick Rücksicht nehmen, wenn es seine Freizeit plante.
Daß der kleine Wirbelwind sie bis nach Costa Rica verfolgen würde, hätte sich Steffi allerdings nicht träumen lassen. Als David sie kurz vor den Sommerferien gefragt hatte, ob sie Lust hätte, anstelle seiner Mutter mit in die Ferien zu kommen, hatte sie begeistert zugesagt. Davids Vater spielte beim Tonhalleorchester Zürich. Eine Konzerttournee nach Costa Rica stand auf dem Programm, und Herr Nakamura sah dies als einmalige Chance für einen außergewöhnlichen Familienurlaub. Als sich Frau Nakamura kurz vor Ferienbeginn den Fuß verstaucht hatte, erlaubte Herr Nakamura seinem Sohn, jemand anders mitzunehmen, und David fragte Steffi. Damals wußte noch niemand, was für ein Abenteuer sie in Costa Rica erwartete. Daß Nick sich als blinder Passagier ins Flugzeug hatte schmuggeln können, war für Steffi und David geradezu lebensrettend gewesen. Nicht zuletzt seinetwegen war die gefährliche Geschichte glücklich ausgegangen.
Und in wenigen Minuten sollten sie also nach Guatemala fliegen, das schönste Land Lateinamerikas, wie es hieß. Kein Wunder, daß sie alle etwas aufgedreht waren. Sie redeten und lachten, machten Witze und neckten sich, als sie um kurz vor neun an Bord des Flugzeuges gingen. Kaum hatten sie ihre Plätze eingenommen, kramte David in seinem Rucksack und holte einen Reiseführer hervor. Steffi lugte ihm neugierig über die Schulter.
„Und?” fragte sie, nachdem sich der Junge ein paar Minuten in das Buch vertieft hatte. „Was weiß das große Genie nun über Guatemala?” David klappte das Buch zu und schob sich seine Brille zurecht.
„Es ist ja schmeichelhaft, daß du mich als Genie bezeichnest. Doch ich muß dich wohl leider enttäuschen. Ich weiß nur wenig.” Und dann begann er in kurzen Worten aufzuzählen, was er soeben gelesen hatte. „Guatemala ist eine Republik südöstlich von Mexiko, hat 9,5 Millionen Einwohner und ist gut doppelt so groß wie die Schweiz. 6 Millionen der Bevölkerung, also knapp so viele Menschen, wie die Schweiz Einwohner zählt, sind Indios, Nachkommen der Mayas, der Rest sind Mischlinge aus Spaniern und Indios sowie Schwarze, Mulatten und Weiße. 70 Prozent der Bevölkerung sind trotz allgemeiner Schulpflicht Analphabeten. In Guatemala gibt es große Ruinenstätten aus der Mayakultur, 1524 wurde es von den Spaniern erobert, seit 1839 ist es unabhängig. Willst du sonst noch etwas wissen?”
Steffi war unfähig, eine Antwort zu geben. Sie starrte David mit offenem Mund an und staunte einmal mehr über sein unvergleichliches...
| Erscheint lt. Verlag | 14.1.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
| ISBN-10 | 3-7583-3725-9 / 3758337259 |
| ISBN-13 | 978-3-7583-3725-3 / 9783758337253 |
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