Skater Boy (eBook)
Wesley »Big Mac« Mackenzie, der eingeschworene Bad Boy der Stonebridge High, fällt in der Abschlussklasse durch. Als seine Mutter ihn dann noch zu einer Winteraufführung des »Nussknacker« schleppt, ist Wes daher wenig angetan ... bis er Tristan Monroe sieht. Mr Nussknacker persönlich. Wes weiß, dass er einen Typen wie Tristan nicht attraktiv finden sollte, schließlich ist der Balletttänzer, und Wes verbirgt seine eigene Sexualität, so gut er kann. Aber als sie anfangen, Zeit miteinander zu verbringen, bekommt Wes Tristan einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und Tristan bringt Wes dazu, sich und sein Verhalten infrage zu stellen. Durch Tristan motiviert, nimmt Wes deshalb an einem Fotowettbewerb der Schule teil und ist fest entschlossen, sich bis zum Ende des Schuljahres zu bessern. Kann Wes seine alten Freunde gegen die Fotokids, die er einst verachtet hat, eintauschen? Und den Ruf als Bad Boy, den er von Anfang an nicht wollte, aufgeben?
Ehrlich und authentisch – ein queerer Debütroman über Romantik, Freundschaft und das Ablegen von Stereotypen.
Anthony Nerada wurde Schriftsteller, nachdem ihm sein Lehrer in der fünften Klasse gesagt hatte, dass dies seine Bestimmung sei. Seitdem hat er zu viele Bücher gelesen (falls es so etwas gibt) und Welten erforscht, die weit hinter den Grenzen seiner eigenen liegen. Anthony hat einen Bachelor in Psychologie und zwei Diplome (eines in Public Relations, das andere in Publishing), die es ihm ermöglichen, den ganzen Tag zu schreiben und gleichzeitig seine Freunde zu psychoanalysieren. Anthony lebt in Vancouver, British Columbia, auf dem traditionellen, angestammten und nicht übereigneten Land der Coast Salish Peoples. »Skater Boy« ist sein Debütroman.
1.
God Save The American Idiot
Ich hasse die Menschen.
Sie sind falsch und überheblich, sie stellen ständig irgendwelche Vermutungen auf, und auch wenn sie sich anfangs noch so sehr bemühen, am Ende lassen sie dich immer hängen. Und um ehrlich zu sein, es ist mir auch ganz egal, ob sie mich mögen. Aber als ich den Jungen am Kragen seines Captain-America-T-Shirts packe und ihn gegen die Spinde drücke, ist das nagende Gefühl in meiner Brust fast so stark, dass ich mich frage, was ich hier eigentlich mache.
Fast.
»Her damit«, fauche ich ihm ins Ohr, während ich mit der freien Hand seine Taschen abtaste.
Was soll ich sagen? Der Kleine ist selbst schuld. Ich hab ihn während der dritten Stunde entdeckt, wie er hinter einem Müllcontainer hervorspähte. Als er auf den Auslöser seiner Handykamera drückte, war ich gerade dabei, mit meinem Schlüssel die Seite von Rektorin Cohens Auto entlangzukratzen. Er hatte mich auf frischer Tat ertappt. Typen wie der, die verkehren nicht in denselben Kreisen wie ich. Die haben die Angewohnheit, mich zu verpfeifen. Aber zum Glück war es ein Leichtes, ihn vor dem Büro der Direktorin abzufangen.
Der Typ hat natürlich nicht gefragt, warum ich es getan habe. Dann hätte ich ihm nämlich erzählt, dass ich heute Morgen mitgekriegt habe, wie Rektorin Cohen mich einen Proll genannt hat. Aber ich bezweifle, dass ihn das gekümmert hätte. Die Wahrheit zu sagen, ändert überhaupt nichts. Es hat noch nie etwas geändert.
»Bitte, i...ich hab das Bild gar nicht mehr, ich schwör’s. Tony hat mich schon zusammengeschissen und mich gezwungen, es zu löschen.« Sein Blick schießt Hilfe suchend durch den Flur.
Es ist nicht so, dass ich ihm nicht glaube – das klingt auf jeden Fall wie etwas, was Big Cheese tun würde –, aber ich kann ihn nicht einfach laufen lassen. In der sozialen Rangordnung der Stonebridge High gelte ich als Schlägertyp, seit ich zum ersten Mal einen Fuß in diese Stadt gesetzt habe. Ob es mir gefällt oder nicht, ich muss mein Image wahren.
Ich will nicht lügen. Mal abgesehen von den gelegentlichen Schulverweisen hat es auch seine Vorteile, der Bad Guy von Stonebridge zu sein. Nicht nur habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr selbst für mein Mittagessen zahlen müssen; es hat mich auch noch nie jemand davon abgehalten, in den Pausen mit dem Skateboard durch die Korridore zu fahren. Wenn man mal vom letzten Halbjahr absieht, als eine Mitschülerin Pausenaufsicht hatte, die ich für ihr Schweigen mit einem Joint bestechen musste. Man sollte meinen, rebellische Typen wären in diesem Zeitalter des My-Chemical-Romance-Revivals beliebt, aber das sind wir nicht. Niemand will sich mit dem wütenden Rothaarigen in der schwarzen Lederjacke und den ausgeblichenen Skaterschuhen anlegen. Abgesehen von diesem Jungen anscheinend.
Ich stoße ihn fester an die Wand und balle die Faust um den Stoff seines T-Shirts.
Zuerst versucht der Junge, sich zu wehren, mit einem schwachen Schlag gegen meinen Arm und einem Tritt über meinem rechten Knie. Aber er gibt schnell auf, denn er weiß, dass er keine Chance hat. Er ahnt nicht, dass er nur etwas härter hätte treten müssen und ich wäre vor Schmerzen zusammengebrochen. Meine Kniescheibe ist meine Achillesferse, mehr Trauma als Knochen.
Ich fordere ihn auf, seine Taschen auszuleeren. Ich würde den Jungen nie wirklich verletzen, aber die Angst in seinen Augen sagt mir, dass er das nicht weiß.
»Das soll wohl ein Scherz sein, was?«
Ich werfe einen Blick über die Schulter. Mr Hamilton, der Beratungslehrer, steht in der Tür seines Büros. Seine weißen Nikes leuchten im Neonlicht des Flurs. Wenn er nichts gesagt hätte, hätte ich ihn ganz übersehen – mit seinem beigefarbenen Hemd und seiner braunen Cordhose scheint er mit den Schulwänden zu verschmelzen.
Er verschränkt die Arme. »Willst du wirklich auf dem Weg zu unserem Termin jemanden zusammenschlagen?«
»Unserem was?«, frage ich verwirrt.
Was glaubt Mr Hamilton eigentlich? Dass ich tatsächlich daran gedacht habe und sogar vorhatte hinzugehen – zu diesem Psycho-Gespräch, das Rektorin Cohen mir verordnet hat, weil ich letzte Woche die Turnhalle mit Graffiti besprüht habe? Wenn meine besten Freunde Tony und Brad nicht gewesen wären, wäre ich jetzt überhaupt nicht in dieser blöden Situation. Sicher, streng genommen war ich derjenige, der die Sprühdosen gekauft hat, aber wenn Tony sich nicht aus jeder Situation herausreden würde und Brad nicht so verdammt schnell wäre, wäre ich nicht der Einzige gewesen, der erwischt wurde. Außerdem, warum den ganzen Beratungsquatsch durchkauen, wenn Mr Hamilton doch genauso gut weiß wie ich, dass meine Zukunft schon längst für mich entschieden wurde?
Mr Hamilton stemmt die Hände in die Hüften und ich reiße in gespielter Kapitulation die Arme hoch und lasse den Jungen auf den Boden rutschen.
Ich bin nicht wie Tony und Brad. Ich weiß, wann ich die Stellung halten und wann ich aufgeben sollte. In meinen siebzehn Jahren hab ich gelernt, dieses ganze Hände-in-die-Hüften-Getue als verräterisches Zeichen zu deuten. Jetzt muss ich mich vorsehen, wenn ich nicht für den Rest des Halbjahres meine Mittagspause als offizieller Mülleinsammler verbringen will. Genau wie im Junior-Jahr.
Ich greife nach meinem Skateboard, während der Junge auf allen vieren seine Schulbücher zusammensucht und dann eilig von der Bildfläche verschwindet.
Mr Hamilton sieht mich durch seine Hornbrillengläser an und lächelt, als wären wir die besten Freunde, was geradezu eine Ironie ist, wenn man bedenkt, dass ich ihm eigentlich scheißegal bin. Ich bin nur ein weiterer Name auf der Liste von straffälligen Schülern, die er bis zum Ende des Schuljahres abhaken muss.
Seufzend zwänge ich mich an ihm vorbei, setze mich auf einen Stuhl und lasse mein Skateboard vor mir auf den Boden fallen. Mr Hamiltons Büro hat die Größe eines Dixi-Klos mit altmodischen lackierten Holzpaneelen an den Wänden und kaum genug Platz für den Aktenschrank in der Ecke. Das kleine Fenster neben dem Schreibtisch mit Computer ist vergittert – eigentlich zu unserem eigenen Schutz, aber es erinnert mich daran, dass ich hier in Haft bin.
Was die Sache noch schlimmer macht, ist, dass Mr Hamilton immer wie eine Wolke von Bodyspray riecht. Er glaubt wahrscheinlich, dass ihn das sympathischer macht.
»Ich werde nichts beschönigen, Mr Mackenzie«, sagt er und schwingt auf seinem Drehstuhl zu mir herum. »Ihre Noten sind katastrophal …« Seine Stimme verebbt, und er blickt über seinen Nasenrücken auf mich herab, als sollte ich überrascht sein. Entsetzt sogar.
Aber das bin ich nicht. Nicht so recht. Ich habe in diesem Halbjahr mehr Unterrichtsstunden geschwänzt als besucht.
Ich weiß auch nicht.
Schule ist sinnlos.
Warum soll ich mir freiwillig stundenlang das Gelaber eines Lehrers anhören, wenn ich in weniger als zehn Minuten auf Google jede Antwort finden kann, und das alles, ohne jemals mein gemütliches Bett zu verlassen? Man muss im Unterricht nur einen ganz kurzen Blick auf sein Handy werfen oder sich ablenken lassen und heimlich ein Foto vom ersten Schneefall des Winters machen, und schon wird es für den Rest des Tages einkassiert. Totaler Mist. Und wenn besagter Lehrer dann vor der ganzen Klasse verkündet, dass aus dir nie etwas werden wird, ist es auch egal, wie viel Mühe du dir gibst, wo du doch sowieso immer nur ein C und ein »verbesserungsbedürftig« bekommst.
Es ist auch nicht so, dass die Schule einen auf das wahre Leben vorbereitet. Die Schule hat mir nicht beigebracht, wie man mitten in der Nacht auf dem Standstreifen der Autobahn einen Reifen wechselt. Oder wie man jeden Monat ein paar Extradollar für schlechte Zeiten zurücklegt. Das hat mir alles Ma beigebracht. Und noch mehr. Im Ernst jetzt, wann würde ich je wissen müssen, wie lang ein Dreieck ist? Dazu hat man doch ein Lineal.
Mr Hamilton mustert mich mit einem schiefen Blick.
In diesem Moment wäre es schlau, so etwas zu sagen wie: »Ich nehme ihre besorgten Worte zur Kenntnis, Sir, aber die Bedeutung des zugrunde liegenden Sachverhalts erschließt sich mir nicht ganz.«
Erwachsene lieben so was. Diesen blumigen Sprachmüll.
Aber ich nicht.
»Was wollen Sie damit sagen?«, frage ich achselzuckend. Mein Blick bleibt an dem einzelnen Barthaar am Kinn hängen, das er heute Morgen beim Rasieren vergessen hat.
»Ich will damit sagen, Mr Mackenzie, wenn Sie sich nicht am Riemen reißen, wird das nichts mit Ihrem Schulabschluss.«
Er benutzt ständig meinen Nachnamen, als wäre es eine Drohung, als könnte mich die Anrede mit dem Namen meines Vaters einschüchtern. Doch der Schuss geht nach hinten los, denn ich kannte den Typen kaum.
Trotzdem spüre ich, wie sich mein Magen zusammenkrampft.
Ich weiß, ich sollte etwas Besorgnis zeigen angesichts meines bevorstehenden Verderbens. Ich sollte höflich sein und einem Erwachsenen Respekt entgegenbringen. Das ist zumindest das, was man uns beibringt.
Stattdessen sage ich: »Wollen Sie mich verarschen?«
»Passen Sie auf, was Sie sagen, Mr Mackenzie.«
Wenn ihr es nicht schon erraten habt – ich habe es nicht so mit Worten. Zumindest nicht, wenn es darum geht, mit Leuten zu reden. Wenn ich witzig sein will, treffe ich den falschen Ton, und die Leute denken, ich will mich über sie lustig machen. Wenn ich intellektuell klingen will, komm ich launisch und taktlos rüber.
Bei Autoritätspersonen ist das...
| Erscheint lt. Verlag | 1.3.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Mareike Weber |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Skater Boy |
| Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
| Schlagworte | ab 14 • Adam Silvera • Alice Oseman • Am Ende sterben wir sowieso • Avril Lavigne • becky albertalli • Coming of Age • Coming out • Diversity • eBooks • gay romance • heartstopper • Jugendbuch • Jugendbücher • lgbtqi+ • Love Simon • Nur fast am Boden zerstört • only mostly devastated • Pubertät • Queer • Red White and Royal Blue • Selbstwert • Sex Education • skater boy deutsch • Sophie Gonzales • They Both Die at the End • Young Adult • Young Royals |
| ISBN-10 | 3-641-30963-8 / 3641309638 |
| ISBN-13 | 978-3-641-30963-3 / 9783641309633 |
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