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Die letzte Fee (eBook)

Ein Märchenklassiker

(Autor)

mehrbuch Verlag (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
260 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-9147-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die letzte Fee -  Honoré de Balzac
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Es war einmal ein Chemiker, der mit seiner Frau in Eintracht und glücklich lebte. Der Chemiker war stets beschäftigt, hatte seine Brille auf der Nase, und erhielt das Feuer in seiner Oefen und fachte es einige Mal täglich mit einem abgenutzten und geschwärzten Blasebalge an; er sprach kein Wort, und seine Frau, welche in dem Laboratorium saß, beklagte sich weder über den Rauch, noch über den Kohlendunst oder die andern Gerüche; sie sprach selten und ihre gewöhnlichste Rede war das liebenswürdige lächeln, welches über ihre schönen Lippen schwebte, wenn es dem von seiner Arbeit ermüdeten Chemiker einfiel, einen Blick auf das geliebte Weib zu werfen. Sie war schon und hatte nichts unangenehmes in ihrer ganzen Person; da sie aber Beide den ganzen Tag in ihrem Laboratorium zubrachten, da sie sich nicht oft anblicken, wohl aber sich anbeteten, so dachten sie nur wenig an ihren Anzug und ein Fremder würde ihre beiderseitige Schönheit nicht auf den ersten Blick bemerkt haben.

Honoré de Balzac war ein französischer Schriftsteller. In den Literaturgeschichten wird er, obwohl er eigentlich zur Generation der Romantiker zählt, mit dem 16 Jahre älteren Stendhal und dem 22 Jahre jüngeren Flaubert als Dreigestirn der großen Realisten gesehen.

Honoré de Balzac war ein französischer Schriftsteller. In den Literaturgeschichten wird er, obwohl er eigentlich zur Generation der Romantiker zählt, mit dem 16 Jahre älteren Stendhal und dem 22 Jahre jüngeren Flaubert als Dreigestirn der großen Realisten gesehen.

1. Der Chemikers.


Es war einmal ein Chemiker, der mit seiner Frau in Eintracht und glücklich lebte. Der Chemiker war stets beschäftigt, hatte seine Brille auf der Nase, und erhielt das Feuer in seiner Oefen und fachte es einige Mal täglich mit einem abgenutzten und geschwärzten Blasebalge an; er sprach kein Wort, und seine Frau, welche in dem Laboratorium saß, beklagte sich weder über den Rauch, noch über den Kohlendunst oder die andern Gerüche; sie sprach selten und ihre gewöhnlichste Rede war das liebenswürdige lächeln, welches über ihre schönen Lippen schwebte, wenn es dem von seiner Arbeit ermüdeten Chemiker einfiel, einen Blick auf das geliebte Weib zu werfen. Sie war schon und hatte nichts unangenehmes in ihrer ganzen Person; da sie aber Beide den ganzen Tag in ihrem Laboratorium zubrachten, da sie sich nicht oft anblicken, wohl aber sich anbeteten, so dachten sie nur wenig an ihren Anzug und ein Fremder würde ihre beiderseitige Schönheit nicht auf den ersten Blick bemerkt haben.

Das Laboratorium, welches sie bewohnten, hatte eine ziemliche Aehnlichkeit mit einem Keller. Die Wände der Mauern hätten dreißig Centner Kienruß liefern können, wenn man sie hätte abkratzen wollen. Die Scheiben der Fenster, welche in Blei gefaßt waren, hatten ein veto gegen das Tageslicht erlangt, und ließen dasselbe nicht mehr durchfallen, da sie völlig mit Staub bedeckt waren. Ein heiterer Rebstock, welcher außerhalb an der Mauer stand, hatte überdieß ein Netz von seinen verschlungenen Zweigen vor die Fenster geworfen. Der Fußboden, welcher feucht und schmutzig war, bot ein eigenes Ansehen dar: hier und da bemerkte man ein rundes oder viereckiges Stück desselben, welches so blank war wie ein Geldstück, das eben erst aus der Münze kommt, weil ein physikalisches Objekt an dieser Stelle gelegen hatte. Furchen, welche durch den Besen in den Staub gezogen waren, bewiesen, wie oft eine edelmütige Hand dieses Chaos aufzulösen versucht hatte. Oft hörte man die Stimme eines Heimchens, welches sich freute, daß es in seinem Idyl nicht gestört wurde, und mehr als eine Maus lief ruhig durch diesen Wohnsitz der Unschuld, des Friedens und der Chemie, ohne die trügerischen Fallen fürchten zu dürfen.

Der Chemiker saß zwischen seinem Bollwerk von Tischen, Flaschen und Instrumenten, die Haare bedeckt mit den weißlichen Ueberresten der auf dieselben geflogenen Kohlen, und blickte auf eine Retorte, während die Hellniß der Flamme, durch welche Alles geröthet wurde, auf der Frau des Chemikers erstarb, die abwechselnd arbeitete und dann wieder das Innere mit einem befriedigten Blicke überschaute. Das schwarze Gewölbe, die Abwesenheit der Sonne, deren Licht man nur durch den schmalen Raum erblickte, welcher zwischen der Thür und dem Boden war, der chemische Apparat, ein chemischer Ehemann, das Alles würde nicht jeder Frau gefallen da aber der Chemiker und seine Frau sich glücklich fanden, so darf Niemand dieselben mit Strenge beurtheilen, denn man könnte sonst glauben, das Glück hinge von einem Kehrbesen, von dem Tode eines Heimchens, von der Entfernung eines Spinnengeweben, oder von dem Schwanze eines armen Mäuschens ab: das Glück hängt dagegen von ganz anderen Dingen ab.

An einem Frühlingsmorgen hatte man ein Fenster geöffnet, die reine Luft zirkulierte, und die Sonne, welche einen ihrer schönsten Strahlen in das Laboratorium warf, bildete durch denselben eine leuchtende Linie, in welcher eine Menge kleiner Atome von Staub schwammen, die einander haschen zu wollen schienen und durcheinander flogen, gleich den Mückenschwärmen, welche über dem Wasser an einem schönen Sommerabende spielen. Die Gedanken des Chemikers waren eben so zahlreich und durchkreuzten sich ebenso vielfach wie die Staubteilchen, so daß der wohltuende Einfluß der Luft ihnen eine solche Richtung gab, welche völlig derjenigen entgegengesetzt war, in der sie sich gewöhnlich aus dem Gehirne erhoben. Der Chemiker schaute daher auf seine Frau. Diese saß auf einem wurmstichigen Stuhle und belustigte sich damit, zum tausendsten Male die Kupferstiche in dem Feenkabinet zu betrachten; der Ausdruck der Unschuld lag auf ihren Zügen, ihre Haare, welche von bleicher Goldfarbe waren, erschienen nach jungfräulicher Weise geordnet und warfen einen Heiligenschein der Unschuld um ihre sanften blauen Augen. Sie erriet, daß sie von ihrem Manne angeblickt werde und legte ihr Buch hinweg. Der Chemiker dachte während dieses Augenblicks darüber nach, daß das junge Mädchen, welches er bisher nur mit seinen Augen geliebt und als eine süße Erholung während seiner langen Arbeit betrachtet habe, durchaus nicht so viel Anteil an den Versuchen und Studien, die ihn ganz und gar fesselten, nehmen könne wie er.

Von diesem Tage an zeigte er sich weit sorgfältiger gegen die junge Gattin, deren Glück ihm anvertraut war; er widmete ihr nun an manchem Tage eine ganze Stunde.

Nach einem Jahre empfingen diese edlen Opfer eine süße Belohnung. Die Frau des Chemikers brachte ein Kind zur Welt, welches schön war wie der Tag.

Nun wurde das Laboratorium zu einem Schauspiel von Scenen, welche rührender und mannichfaltiger waren, als diejenigen, von welchen wir eine kurze Uebersicht erteilten: das schwarze Gewölbe erschallte von kindlichem Geschrei, und der Chemiker konnte nichts dagegen einwenden. Caliban, der alte und einzige Diener des Hauses, setzte seinen Grabspaten hinweg und eilte herbei, um durch das Fenster zu schauen, seinen grausigen Zügen ein Lächeln abzuzwingen und eine sanfte Stimme anzunehmen, während er mit dem Kinde plauderte. Die Frau des Chemikers, die noch immer auf ihrem wurmstichigen Stuhle saß, tätschelte das kleine Kind auf ihren Knieen und bedeckte es mit Küssen, wenn es ihr zulächelte. Sie brachte das Kind zum Lachen, und wenn es eine Phiole zerbrach, so lachte der Chemiker selbst darüber, ohne sich über den Verlust seiner Elixiere zu betrüben. Kurz, seine Frau, diese junge Bäuerin, die er wegen ihrer Unschuld und wegen seines Mangels an Bekanntschaften geheirathet hatte, entfaltete die ganze Kraft ihres Geistes für ihr Kind und wurde selbst geistreich, wenn es sich um das Kind handelte; sie lebte von dem Athem dieses kleinen Wesens, welches’ an ihrem Busen spielte, und der glückliche Chemiker bemerkte, daß die Natur Schmelztiegel habe, welche schöner seien, als die seinigen, und eine Weise besitze, um weit vollkommnere Mischungen zu veranstalten, als ihm möglich war.

Dieser Chemiker war einer von den originellsten und wunderbarsten Geistern, welche das Sonnenlicht je beschienen hat. Wenn die Ideen von der innern Form des Gehirns abhängen, so mußte das seinige den wunderlichen Anblick jener chemischen Produkte gewähren, welche von den Apothekern in ihren Fenstern ausgestellt werden und die glänzendsten Krystallisationen darstellen. Seit seiner frühesten Jugend hatte er nur den Künsten gelebt und die Naturwissenschaften mit Eifer studiert. Daher hatte er eine so tiefe und genaue Kenntnis von der menschlichen Natur erlangt, daß er zunächst, wie wir gesehen haben, ein Kind zu erlangen wußte, dann aber die physischen Kräfte unserer Maschine so trefflich kennen lernte, daß er durch einen einzigen Blick die Symptome, den Verlauf und die Ursachen einer Krankheit entdeckte, dann aber diese Krankheit schnell zu heilen wußte. Diese vollendete Wissenschaft bezog sich nicht nur auf den Körper, sondern auch auf den Geist, und er entdeckte die Ursache unserer Leiden und Freuden, unserer Neigungen und Jugenden mit einer solchen Ueberlegenheit, daß er zunächst mit seiner Frau ein vollkommenes Glück erreicht hatte, dann aber mit einem Blicke Alles überschaute, was Diesem oder Jenem zu seinem Glücke fehlte; er brauchte nur den Schädel eines Menschen zu betasten, den Fuß oder das Rückgrat zu befühlen, und wußte dann schon zu sagen, was derselbe in einer bestimmten Lage thun und sogar sagen mußte.

Besonders erkennt man die außerordentliche Weisheit und Größe seines Geistes daraus, daß er, welcher den Höhenpunkt menschlicher Wissenschaft erstiegen hatte, in seinem Laboratorium zwischen einem Heimchen, einer Maus, Caliban, einigen Spinnen, seiner Frau und seinem Kinde lebte. Gewiß, der Chemiker hätte nach Paris gehen sollen, wo er sich ein Bündel Ruhm gesammelt haben würde, so dick, daß es für hunderttausend Menschen hingereicht hatte; allein er hatte nachgedacht und eingesehen:

Daß, wenn er die ganze Welt heilte, die ganze Welt zu ihm kommen würde; daß es dann keine Kranken mehr geben würde, folglich auch keine Aerzte mehr, und daß ihn die Aerzte dann nach der dritten Halbkugel wünschen dürften;

Daß, wenn er den Nutzen eines jeden erriethe, auch alle Prozesse hinwegfallen würden, und die Anwalte den Aerzten nachahmen dürften, worauf ihn seine Wissenschaft in die Gefahr bringen möchte, in die Hände der Procuratoren zu fallen, welche noch grausamer waren, als die Aerzte;

Daß, wenn die Regierung erführe, er könne Diamanten machen, dieselbe ihn einschließen würde, wie den Esel der Prinzessin Eselshaut, damit er ihr fortwährend Diamanten mache; oder daß man ihm vielleicht auch die Augen ausstechen würde, damit er keine machen und in diesem Falle fand er die Regierung noch grausamer, als die Aerzte und Procuratoren;

Daß endlich die Vervollkommnungsfähigkeit der menschlichen Vernunft zu dem Grunde des Unterganges der menschlichen Gesellschaft werden dürfte, weil dieselbe nur durch die Narrheiten, die Krankheiten, die Leidenschaften, die Verschwendungen und Beiträge eines jeden besteht. Nun war er so unglaublich vernünftig, den Ruhm, welchen er erlangt haben würde, mit dem Rauche seines Ofen zu vergleichen, die Reichthümer mit den Kohlen, welche die Hände schwarzen und deren Dunst endlich tödtet; anstatt...

Erscheint lt. Verlag 7.5.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Sachbücher
Schlagworte ebook-beststeller • Gute-Nacht-Geschichte • Kinderbuch • kindle-ebook-deutsch • lestmalbittemehrbuch • märchen-deutsch • märchen-für-erwachsene • märchen-für-kinder • mehrbuch • Vorlesebuch
ISBN-10 3-7541-9147-0 / 3754191470
ISBN-13 978-3-7541-9147-7 / 9783754191477
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