Katzen und wir (eBook)
542 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-65952-0 (ISBN)
Epilog und Anhang: Übersicht über die Akteure und Akteurinnen
Vorbemerkungen
An der Spitze aller Videos, die im Internet aufgerufen werden, stehen solche mit Katzen. Es gibt of- fensichtlich ein großes Interesse, sich am Verhalten von Katzen zu erfreuen. Es handelt sich dabei meist um lustige und skurrile Situationen, die dokumentiert werden, oder um Katzen, die hinsichtlich ihres Aussehens oder Verhaltens von der Norm abweichen. Alles entspricht dem heute gängigen Schema, Aufmerksamkeit mit Außergewöhnlichem erregen zu wollen. Das mag Klickzahlen bringen und eine Webseite nach oben puschen, aber es trägt nicht viel zum Verständnis von Katzen bei. Da- rüber hinaus gibt es eine Menge an Literatur, die sich mit Katzen beschäftigt.1
Dabei besteht ein erster Zugang darin, dass Menschen einfach über „ihre“ Katzen berichten, also die, die bei ihnen wohnen (denn Katzen besitzt man nicht). Oft werden diese Erfahrungsberichte mit Empfehlungen für andere Katzenliebhaber angereichert. Und bei diesem ersten Zugang gabeln sich nun die Art der Berichte in solche, die auf Unterhaltung aus sind, mit denen, die wichtige Anregungen weitergeben wollen. Erstere sind zumeist lustige Erzählungen, die davon handeln, wie Katzen alles einnehmen und die Menschen „zurichten“, damit diese auf ihre Bedürfnisse eingehen. Ich nen- ne diese Blickrichtung die „Dosenöffner*innen-Perspektive“. Hier wird verherrlicht, dass Katzen eigenwilliger sind als Hunde (die anderen Haustierlieblinge der Menschen) und offensichtlich auch Einfluss auf „ihre“ Menschen haben. Die andere Linie verfolgt mehr die Empfehlungen. Hier werden in mehr, aber manchmal auch weniger wissenschaftlich untersetzte Ratgeber erläutert, wie mit Kat- zen umzugehen ist und wie man auf welche Probleme (von Krankheiten bis zu Verhaltensauffälligkei- ten) zu reagieren hat. Hier kann es sich um eine wertvolle „Ratgeber*innen-Betrachtungsweise“ handeln, vorausgesetzt, dass die Autor*innen ihre Erfahrungen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgerüstet haben.2 Allerdings ist Vorsicht geboten hinsichtlich aller Verallgemeinerungen, denn es darf nicht übersehen werden, dass es sich bei Katzen um Individuen handelt, wie wir später feststel- len werden. Was bei der einen vorzüglich passt, kann bei der anderen schon schiefgehen.
Der zweite Zugang verlässt die unmittelbare Erfahrungsebene (ohne auf die Erfahrungswerte zu ver- zichten, die mit Katzen gesammelt wurden) und wählt einen Kniff: Es wird so getan, also ob aus der Sicht von Katzen erzählt werden könnte. Also: wie wenn sie sich ihren Zugang untereinander und zu uns Menschen erzählen könnten. Die Geschichten aus diesem Blickwinkel füllen zwischenzeitlich auch Regale. Hier werden oft lustige Erzählungen literarisch aufgewertet. Mittlerweile kommen auch dramatische Erzählungen hinzu. Interessanterweise stehen hier nicht selten rallige, d.h. geile und egoistische Kater oder schlaue Mädels im Vordergrund. Oft sind es Autorinnen und ohne Frage wer- den hier nicht Katzenthemen, sondern menschliche Themen in verfremdeter Form abgehandelt. Den Zugang nenne ich einfach einmal die „Stellvertreter*innen-Erzählung“.
Beim dritten Zugang handelt es sich um eine „ästhetische Betrachtung“. Vorausgesetzt, dass es sich weder um eine Verkitschung noch um eine ideologische Aufladung von Katzen handelt, halte ich sie für wertvoll, denn in ihrer neutralen Form der Betrachtung, die nur wiedergibt, was gesehen werden kann und eventuell was wir damit assoziieren, kann sie Herangehensweisen und Fragen an die For- schung eröffnen.3
»Nicht-Katholischen Friedhof«, Petersberg (Imhof Verlag); Bonnefoy, Alexandre/ Vaufrey, Dephine (2015): Katzen in Japan. Eine Reise durchs Land der Schmusetiger, Aschaffenburg (Edition Reuss).
Der vierte Zugang ist die wissenschaftliche Betrachtung. Während mir früher hierzu Bilder von Kat- zen in schrecklichen Versuchsanordnungen eingefallen wären, entdecke ich heute spannende Unter- suchungen, die dem Verhalten und dem Wesen von Katzen gerecht werden.
Was ist nun aber meine Herangehensweise? Wie ist dieses Buch zu verstehen? Eindeutig einer dieser Rubriken zuordnen kann ich mich nicht. Mein Zugang ist ein individueller, den ich erläutern muss. Ganz zufällig sind meine Frau und ich in ein Umfeld geraten, das mir heute, nach mehr als 20 Jahren, die Möglichkeit eröffnet, weit über die Beobachtung einer Katze als Freigängerin hinaus, eine Be- schreibung von weit mehr als 30 Katzen in einem natürlichen und häuslichen Umfeld vorzustellen. Erst durch dieses Umfeld mit den beständig zuwandernden Katzen kam ich schon vor vielen Jahren auf die Idee, genauere Beobachtungen anzustellen und Notizen anzufertigen. Nach dieser langen Zeit hat sich einiges an Bildern und Beschreibungen angehäuft und ich fand nun endlich im Ruhestand die Zeit, dies alles zu sichten, zu strukturieren und die aktuelle Literatur über Katzen nachzulesen. Dabei verfolge ich ein erkenntnisleitendes Interesse, das mir erst im Laufe meiner Vertiefung in die Fachli- teratur immer klarer geworden ist. Mich interessiert die Fremdheit anderer Lebensformen und wie wir dazu eine Verbindung herstellen können. Deshalb suche ich nach Möglichkeiten, so fremde Le- benswesen wie Katzen, die sich selbst der Mühe unterziehen, mit uns Menschen in Kontakt zu tre- ten, zu verstehen, was impliziert, dass ich verstehen will, ob und weshalb uns das über die Grenze der Spezies hinweg gelingen kann.
Mit diesen Erweiterungen und Vertiefungen führt dieser Band über das illustrierte Erzählen von Ge- schichten „meiner“ Katzen hinaus. Mit der Sortierung des Materials und den dabei zwangsläufig ent- stehenden Fragestellungen sowie der Weiterverfolgung dieser unter Heranziehen von wissenschaftlichen Untersuchungen erhält die vorliegende Arbeit zunehmend einen wissenschaftlichen Charakter. Nachdem ich viel einschlägige Literatur gelesen habe, glaube ich, dass ich mich mit meinen Beobach- tungen in einer Grauzone bewege, zu der wenige Untersuchungen vorliegen. Bei den meisten Frage-Stellungen stehen einzelne Katzen im Fokus. Ich hatte es aber mit bis zu 14 Katzen zu tun, die zur gleichen Zeit um uns waren. Die Beobachtung solcher Katzen-Menschen-Gemeinschaften ist wenig erforscht. Und so würde es mich freuen, wenn ich mit Bildern und einigen Beobachtungen zur Erwei- terung des Blickfeldes der Katzenforschung beitragen könnte. Wir werden im zweiten Kapitel sehen, dass bis zu sieben Katzen mit mir weite Spaziergänge unternahmen. Wir werden im zweiten und fünften Kapitel sehen, dass Katzen zusammen jagten und anderweitig zusammenwirkten. Usw.
Die Dramaturgie dieses Buchs sucht die Logik meines Erkenntnisgewinns nachzuzeichnen:
• Begonnen wird mit der Perspektive meiner Frau und mir als unbedarften Menschen, die erst einmal zufällig mit einer Katze eng in Berührung kamen, wenige Jahre später aber voll konfrontiert, überrascht und überfordert wurden von der Wucht der Spezies, weil viele Katzen uns zu- wanderten und es plötzlich viele Geburten gab (siehe Kapitel „Kennenlenen“).
• In den folgenden Kapiteln versuche ich dann die Blickrichtung zu weiten und zunächst die Lebenswelt zu verstehen, in denen sich unsere Katzen bewegen, wobei ich feststelle, dass es meh- rere Lebenswelten sind, die sie zu meistern haben. Dabei vollziehen sie eine Trennung zwischen den Lebenswelten außer Haus und im Haus bei uns, aber sie übertragen auch Erfahrungen von der einen in die andere Lebenswelt (siehe Kapitel „Lebenswelten“).
• Verstört durch die in unseren Augen aus den Fugen geratenen Ereignisse einer „Geburtenexplo- sion“ von zugelaufenen Katzenmüttern suchten wir nach einem überschaubaren Zustand, der für die Katzen und für uns Menschen als befriedigend empfunden werden kann. Ich suche ihn hier mit dem Begriff „eingependelter Zustand“ zu fassen. Im Fortgang meiner Beobachtungen muss ich allerdings erkennen, dass dies kein langfristig stabiler sein kann. Wenn sich die Zusammen- setzung der Katzen verändert, muss sich alles immer wieder neu einpendeln. Dabei stellt sich die Frage nach der spezifischen Konstellation, die einen solchen Zustand begünstigt. Mir drängte sich hier die Hypothese vom Matriarchat auf, für die ich Anhaltspunkte in der Fachliteratur fand, aber leider keine endgültigen Beweise (siehe Kapitel „Eingependelter Zustand“).
• Waren bis dahin die Gesamtsituation und damit die vielen Katzen, die miteinander und mit uns lebten, im Blickfeld, so wurden die einzelnen mit ihren Besonderheiten und in ihrer Einmaligkeit nur ansatzweise gewürdigt. Sie als einmalige Wesen vorzustellen, bedarf wiederum eine Verän-
derung des Blickwinkels. Mit dem Fokus auf jede einzelne muss von ihrem ganzen Leben (von der Geburt bis zum Tod) erzählt werden (siehe Kapitel „Das ganze Leben“).
• Die Lebensgeschichten unserer Lieben, ihre Vorlieben und...
| Erscheint lt. Verlag | 3.8.2022 |
|---|---|
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
| Schulbuch / Wörterbuch ► Lexikon / Chroniken | |
| Technik | |
| Schlagworte | Evolutionsgeschichtliche Verbindung zwischen den Arten • Katzen • Katzen in der Mythologie • Katzenindividuen • Katzenkommunikation und -sprache • Katzen leben im Matriarchat • Katzenmeute • Katzenmythos Einzelgänger • Katzen - von der Geburt bis zum Tod • Können wir Tiere verstehen? • Natur • Naturschutz ist Menschenschutz • Tiere • Wie gehen wir mit Tieren um? • Wie kamen wir geschichtlich mit Katzen in Verbindung? • Wir sind eingebunden in die Natur • Zusammenwirken von Katzen |
| ISBN-10 | 3-347-65952-X / 334765952X |
| ISBN-13 | 978-3-347-65952-0 / 9783347659520 |
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