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Wo Gritlis Kinder hingekommen sind (eBook)

Eine Kindergeschichte
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
160 Seiten
Musaicum Books (Verlag)
9788027208760 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wo Gritlis Kinder hingekommen sind -  Johanna Spyri
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In 'Wo Gritlis Kinder hingekommen sind' von Johanna Spyri tauchen Leserinnen und Leser erneut ein in die charmante Welt der Schweizer Alpen. Das Buch erzählt die Geschichte von Gritli, einer jungen Frau aus den Bergen, die nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern für ihre beiden Geschwister sorgen muss. Spyris literarischer Stil zeichnet sich durch eine warmherzige Erzählweise und detaillierte Beschreibungen der alpinen Landschaft aus. Das Werk ist ein Klassiker der Schweizer Literatur des 19. Jahrhunderts und bietet einen faszinierenden Einblick in das Leben und die Kultur der Bergbewohner zu jener Zeit. Johanna Spyri, eine der bekanntesten Schweizer Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts, war selbst in den Alpen aufgewachsen und fasziniert von der Natur und den Menschen ihrer Heimat. Ihr tiefes Verständnis für das Leben in den Bergen spiegelt sich in all ihren Werken wider. 'Wo Gritlis Kinder hingekommen sind' ist ein weiteres Meisterwerk, das das Herz der Leserinnen und Leser berührt und zum Nachdenken anregt. Für Liebhaberinnen und Liebhaber literarischer Schätze der Alpenliteratur ist 'Wo Gritlis Kinder hingekommen sind' ein absolutes Muss. Mit einer fesselnden Handlung, lebendigen Charakteren und einer authentischen Darstellung des Lebens in den Schweizer Bergen wird dieses Buch alle Leserinnen und Leser begeistern, die sich für zeitlose Geschichten und die Schönheit der Natur interessieren.

Zweites Kapitel.


Im Hause des Arztes.


Die Abendsonne schien lieblich auf die hellgrünen Blättchen der jungen Gemüse, welche in den zwei großen Beeten, die an den Blumengarten grenzten, emporkeimten und eine besondere Freude der Hausfrau waren. Wenn sie auch mit größerer Wonne zwischen all den duftenden Blumen des Gartens hin und her ging, so schaute sie doch immer zum Schluß mit einer besonderen Teilnahme nach den grünen Kräutchen, die sie alle selbst gesät und vom ersten zarten Keime an bewahrt und gepflegt hatte. Der Blumenkohl schien in diesem Jahr besonders wohl geraten zu wollen, denn mit großem Wohlgefallen schaute die Besitzerin auf ihre junge Pflanzung hin, die weithin frisch und unberührt dastand; nirgends waren die verderblichen Spuren gefräßiger Raupen zu sehen.

»Guten Abend, Frau Doktorin«, tönte es jetzt vom Wege herüber, der durch eine Hecke von den Beeten getrennt war. »Sie haben doch immer das schönste Gemüse; man sieht wohl, daß dazu gesehen wird.«

Die Frau Doktorin war an die Hecke hingetreten, und über diese herein streckte jetzt der Taglöhner Heiri seine schwielige Hand, denn er war ein alter Bekannter und wußte wohl, daß er das Recht zu einem guten Händedruck hatte. Er war ja schon mit der Frau Doktorin zur Schule gegangen, und wie oft war er seitdem bei ihr eingekehrt, um Trost und Rat von ihr zu empfangen!

Sie erwiderte freundlich seinen Gruß und fragte dann teilnehmend: »Und wie geht’s denn, Heiri; immer viel Arbeit? Ist alles wohl zu Hause, Frau und Kinder?«

»Ja, ja, gottlob!« entgegnete Heiri, indem er die schweren Werkzeuge, die er auf der Schulter trug, auf den Boden legte; »Arbeit gibt’s immer, ich muß mit dem Zeug noch in die Schmiede. Aber es braucht auch Arbeit, die Haushaltung wächst an.«

»Eure drei kleinen Buben sehen gut aus, ich habe sie gestern wieder gesehen mit dem Elsli«, fuhr mit freundlicher Teilnahme die Frau Doktorin fort. »Aber das Kind, das Elsli, ist gar so bleich und schmächtig. Ihr vergeßt doch nicht, woran seine Mutter gestorben ist, Heiri? Man darf das Kind gewiß nicht überanstrengen, es ist zu zart und jetzt im strengsten Wachsen. Ihr müßt beizeiten dazu sehen, Heiri, Ihr habt’s erfahren, wie bald es mit einem jungen Leben aus sein kann.«

»Ja, ja, das hab’ ich, und das vergess’ ich auch nicht, wie’s war! Ich konnte es nicht sehen, wie sie das Gritli in den Boden hineintaten, so jung noch, so jung! Die Marget ist eine währschafte Frau und brav, aber das Gritli kann ich doch nicht vergessen.« Heiri wischte mit seiner Hand ein paar Tränen weg.

Der mitfühlenden Frau kamen auch die Tränen in die Augen. »Ich vergesse es auch nicht, Heiri; wie gern wäre das arme Gritli noch bei Euch und seinen zwei kleinen Kindern geblieben. Es ging auch so unerwartet schnell mit ihm. Freilich sah es ja immer dünn und schmächtig aus, und ich kann sein Kind, das kleine, gute Elsli, nie sehen, ohne daß es mir Sorge macht, ob es auch nicht zu sehr angestrengt wird; es kann nicht viel aushalten, das ist wohl zu sehen.«

»Ja, es ist schon ein Schmales und Mageres«, stimmte Heiri bei, »aber sonst schlägt es mehr mir nach, es ist so nicht gerade das Hurtigste und so eher überdacht. Der Bub’ ist sonst mehr wie das Gritli selig und hat immer so etwas im Kopf und sitzt nicht gern still, und dann kann er’s nicht leiden, wenn die kleinen Buben nicht gerade besonders sauber sind, und sagt etwa, man müsse sie alle drei unter die Brunnenröhre stellen, denn darin ist er punktum wie das Gritli selig; er kann nicht sehen, was wüst ist und unsauber. Aber dann fangen die Buben an zu rufen und zu schreien, bis die Mutter kommt, und dann gibt’s noch mehr Spektakel, und so komm’ ich fast nie heim am Abend, daß mir die Marget nicht sagt, ich müsse dem großen Buben Ohrfeigen geben, weil er die Kleinen immer plage und mache, daß sie von der Arbeit weg müsse. Aber wenn der Bub’ dann so vor mir steht und mich akkurat mit seinen Augen ansieht, wie das Gritli tat, so kann ich ihm keine Ohrfeige geben; das macht dann die Marget bös und es gibt scharfe Worte, und mir ist es auch nicht recht, weil sie sonst eine brave und schaffige Frau ist. Ich habe schon manchmal gedacht, wenn Sie ihr etwa über die Ohrfeigen ein Wort sagen wollten, Frau Doktorin, so wäre ich froh; sie würde eher auf Ihre Worte hören, und Sie haben ja auch Buben aufzuziehen und wissen, was man mit ihnen etwa machen muß. Sie würden ihr gewiß einmal ein Wörtlein sagen, wenn sie etwa vorbeikommt, nicht wahr, Frau Doktorin?«

»Ja, das will ich schon gern tun; und wie ist es denn mit den Elsli, kann es die Mutter gut mit ihm?«

»Ja, sehen Sie, das ist so«, und der Heiri kam, um sich recht verständlich zu machen, noch ein wenig näher an die Hecke heran; »das Kind ist mehr so wie ich und gibt nach und hat nicht so seine eigenen Sachen im Kopf, wie das Gritli sie hatte, und so seinen Eigenwillen. Es tut akkurat, was die Marget will, und hat kein Widerwörtlein den ganzen Tag und klagt nie, und wenn es auch von dem an, daß es aus der Schule kommt, bis es ins Bett muß, immer zu helfen hat und die Buben hüten und das Kleine herumtragen muß.«

»Nur auch nicht zu viel, Heiri«, mahnte bekümmert die Frau Doktorin; »es ist mir eine rechte Sorge mit dem Kinde. Schickt mir die Marget bald einmal vorbei, ich möchte auch darüber ein Wort mit ihr reden; sagt ihr, ich habe ihr für die Kinder etwas abzugeben, entwachsene Röckchen von den meinigen.«

»Das will ich gern tun, und nun will ich, denk’ ich, wieder weiter. So schlafen Sie wohl, Frau Doktorin, und nichts für ungut und wünsche nur, daß alles gut weiter gedeihe im Gemüsegarten.«

»Danke! Gute Nacht, Heiri!« Noch einmal wurde über die Hecke hin ein Händedruck gewechselt, dann zog Heiri seine Straße weiter.

Die Frau Doktorin blieb sinnend zwischen den Gemüsebeeten stehen; aber ihre Gedanken waren nicht mehr mit den grünen Kräutlein beschäftigt, auf die ihre Augen niederschauten. Heiris Erscheinung und Gespräch hatte frühere Tage in ihrer Seele wachgerufen. Sie sah ein fröhliches Kindergesicht mit großen braunen Augen neben sich und schaute eben mit Verwunderung zu, wie zwei gewandte Hände ein Vergißmeinnicht vorn ins Röckchen und nun noch eins ins Haar steckten, und wie gut das aussah. Das Kind war das Gritli, das neben ihr am Bache saß, wo sie beide eben die blauen Blumen in Fülle gepflückt hatten und sie nun zu Sträußen banden. Das Gritli war armer Leute Kind, aber immer sah es gut und außerordentlich sauber und glatt gekämmt aus, und immer hatte es da und dort ein Blümchen oder ein Schleifchen aufgesteckt, und immer sah es aus, als sei es zu einem kleinen Fest geschmückt, wenn es noch so einfache Kleider auf sich trug. Viele schalten das Gritli darum und andere verlachten es; das änderte aber nichts: es war ein tiefes Bedürfnis in dem Gritli, etwas Schönes an sich zu haben, und was auch die Leute sagten, unausgesetzt ging das Gritli mit einem Blümchen oder Bändchen geschmückt einher und sah aus, als komme es eben vom Maler, der es zurechtgeputzt, um ein Bildchen aus ihm zu machen. Mit achtzehn Jahren heiratete es den gutmütigen Heiri, der das Gritli schon immer gern gehabt und ihm oftmals gesagt hatte, er wolle schon für beide arbeiten, wenn es nur seine Frau werden wolle. Schon nach fünf Jahren welkte das zartgebaute Gritli an der Schwindsucht dahin. Seine beiden Kinder, der vierjährige Stephan und das dreijährige Elsli, waren von der jungen Mutter vom ersten Augenblick an so schmuck und sauber gehalten worden, daß es den Kindern tief eingeprägt blieb. Der Heiri mußte aber für seine zwei kleinen Kinder wieder eine Mutter haben, und die Leute sagten ihm, er müsse die Marget zur Frau nehmen, denn sie werde ihm gut helfen in aller Arbeit. So wurde die Marget seine Frau und war tüchtig und fest in jeder Arbeit; aber auf Schmuck und Blumen hielt sie nichts und eine besondere Sauberkeit sah sie für unnötig und als eine Zeitvergeudung an, und so bekam Heiris Haushalt einen anderen Charakter. Die drei kleinen Buben und das Kleine in der Wiege sahen nicht aus, wie der Fani und das Elsli ausgesehen hatten als kleine Kinder und auch jetzt noch aussahen, denn die erste Gewohnheit war ihnen geblieben.

Aus diesen Gedanken, die so einer nach dem anderen in der sinnenden Frau aufgestiegen waren, wurde sie durch ein fürchterliches Geschrei aufgeschreckt, das vom Hause her ertönte. Jetzt stürzte, fortwährend aus vollem Halse schreiend, das achtjährige Rikli, um die Ecke kommend, auf sie los, hinter ihr her der Bruder Fred, ein großes Buch unter dem linken Arm, den rechten mit geschlossener Faust ausstreckend.

»Rikli, nicht so maßlos«, mahnte die Mutter; »komm doch zu dir. Was ist denn geschehen?«

Rikli schrie fort und steckte ihren Kopf ins Kleid der Mutter hinein.

»Jetzt sieh doch, Mama, warum das vernunftlose Wesen sich so gebärdet«, berichtete der herzugerannte Fred; »hier sieh, dieses niedliche Fröschlein habe ich gefangen und dem Rikli unter die Augen gehalten, daß es das Tierlein bewundern könne, und nun will ich dir gleich lesen, welch ein merkwürdiges Exemplar es ist. Sieh nur, sieh!« Fred hielt seine offene Hand hin, aus der ein grüner Frosch glotzte.

»Rikli, nun sei ganz still, es ist genug«, gebot die Mutter dem immer noch fortschreienden Kinde, »und du, Fred, weißt wohl, daß das Kind sich allerdings unvernünftig vor deinen Tieren fürchtet; warum mußt du diese gerade ihm unter die Augen halten?«

»Es war zunächst bei mir«, erklärte Fred, »und hör nur, wie interessant...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2017
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Kinder- / Jugendbuch Spielen / Lernen Abenteuer / Spielgeschichten
Schlagworte 19. Jahrhundert • Abenteuer • beschaulicher Erzählstil • deutsche Übersetzung • Die drei ??? • Else Ury • Enid Blyton • familiäre Tragödie • Gesundheitsprobleme • Hänsel und Gretel • Kinderbuch • Max und Moritz • nostalgische atmosphäre • Professors Zwillinge • Schweizer Alpen • Schweizer Autoren • Schweizer Kultur
ISBN-13 9788027208760 / 9788027208760
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