Druidenkraft (Mysterious 2) (eBook)
372 Seiten
Impress (Verlag)
9783646301137 (ISBN)
Jess A. Loup versteht Deutsch, obwohl sie in Bayern lebt. Wenn sie nicht im Kopf mit imaginären Leuten spricht (oder über sie schreibt), ist sie auf dem Bogenparcours zu finden, lässt sich von ihren Katzen terrorisieren oder fotografiert wilde Tiere in Afrika. Solange der Brief aus Hogwarts verschollen bleibt, erschafft sie ihre eigenen magischen Welten.
Jess A. Loup versteht Deutsch, obwohl sie in Bayern lebt. Wenn sie nicht im Kopf mit imaginären Leuten spricht (oder über sie schreibt), ist sie auf dem Bogenparcours zu finden, lässt sich von ihren Katzen terrorisieren oder fotografiert wilde Tiere in Afrika. Solange der Brief aus Hogwarts verschollen bleibt, erschafft sie ihre eigenen magischen Welten.
Prolog
Der Sturm hatte die ganze Nacht lang getobt, jedoch zum Morgen nachgelassen. Als der kleine Junge den schmalen, steinigen Strandstreifen erreichte, zerzauste der Wind ihm die langen Haare, kühlte sein vom Rennen verschwitztes Gesicht und sang ihm das Lied der Wellen vor, das ihn begleitete, seit er denken konnte. Er löste den kurzen Lendenschurz von der Hüfte und warf sich in das Wasser. Wie immer durchfuhr ihn bei der beißenden Kälte ein kurzer Schauer, bevor sich sein Körper daran gewöhnte. Seine schmächtigen Arme teilten das Nass mit erstaunlich kräftigen Zügen, und schon bald hatte er das Ufer hinter sich gelassen und befand sich kurz vor dem offenen Meer. Die Bucht verjüngte sich und er wusste, dass sich an dieser Stelle einige gefährliche Strudel befanden, aber auch, wie sie zu überwinden waren. Auf Suatie hatten weder Feiglinge noch Dummköpfe einen Platz und jeder, der des Schwimmens mächtig und gesundheitlich in der Lage war, stellte sich täglich diesem Kampf mit dem Meer. Allein schon wegen des jährlichen Rennens, einem Wettbewerb, bei dem alle Kinder und Jugendlichen der Insel gegeneinander antraten, schwamm er jeden Tag. Als Sohn des Häuptlings käme es einer Schmach gleich, nicht zu den Besten zu gehören.
Als der Sog ihn erfasste, wehrte sich der Junge nicht, sondern ließ sich mitziehen, hinunterreißen, bis er den steinigen Grund erreichte, vorbei an rauen und bösartig spitzen Felsen, an denen man sich leicht verletzen konnte. Erst hier ließ das heftige Ziehen nach, und wenige Schwimmzüge später konnte er sich vom Boden abstoßen und wie ein Fisch durch das Wasser schießen, bis er schließlich auf der anderen Seite der Bucht die Meeresoberfläche durchbrach. Er rang nach Atem; nur weil er dieselbe Strecke jeden Tag schwamm, bedeutete das nicht, dass sie jeden Tag gleich lange dauerte. An stürmischen Tagen waren die Wellenbewegungen heftiger und man brauchte viel mehr Kraft, um an den Strudeln vorbeizukommen.
Langsam beruhigte sich sein Herzschlag, während er den Blick schweifen ließ. Nie durfte man in seiner Aufmerksamkeit nachlassen, hatte ihm sein Vater erklärt. Nicht nur Raubfische konnten ihn leicht mit einem ihrer bevorzugten Beutetiere verwechseln, auch die riesigen Rokhs mit ihren gewaltigen Schwingen und armlangen, eisenharten Schnäbeln wussten selten einen Menschen von einer Robbe oder einem jungen Delfin zu unterscheiden. Er hatte bis jetzt erst ein einziges Mal einen von Weitem gesehen; sie waren seltener geworden, hatte die Vatersmutter berichtet. Doch damals – und er war noch so jung, dass ihm jeder Zeitraum, der länger als ein paar Tage dauerte, ewig vorkam – war er gleichzeitig zutiefst erschrocken und fasziniert gewesen.
»Wenn ich groß bin, werde ich einen fangen und auf ihm zu den fremden Ländern fliegen«, hatte er gesagt und war empört über das Gelächter der Erwachsenen gewesen. Was wussten die schon? Er würde es ihnen zeigen!
Der Junge schüttelte sich die Tropfen aus dem Gesicht und war soeben im Begriff, umzudrehen und zurückzuschwimmen, als die Morgensonne etwas in der Ferne reflektierte. Was war das? Manchmal näherten sich Wale oder Riesenschildkröten der Insel, und allein bei dem Gedanken daran lief ihm das Wasser im Mund zusammen, während sein leerer Bauch freudig grummelte. Er kniff die Augen zusammen, um im Gegenlicht besser sehen zu können, während er sachte Schwimmbewegungen machte, um nicht abzudriften. Das Grummeln in seinem Magen wurde zu einem Klumpen, noch bevor sein Verstand begriff, was er dort sah: Langboote. Drei, vier, fünf … Nicht die rundlichen, robusten Schiffe der Fischer, wie sie auf der Nordseite Suaties lagen: Dort, wo auch die Meereswächter permanent Ausschau hielten nach Feinden von den anderen Inseln. Nein, das hier waren Kampfboote, leicht, wendig, schnell! Das Aufblitzen, das ihn auf sie aufmerksam gemacht hatte, stammte von den metallenen Beschlägen der kleinen, runden Schilde, welche diese Krieger an der Reling befestigt hatten.
Wie ein Hai warf sich der Junge herum und tauchte ab, tief, tief in das Meer. Er musste schneller als der geflügelte Seeaal sein, um sein Dorf und seine Familie zu warnen. Niemand erwartete einen Angriff von dieser Seite, man glaubte sich durch die Bucht und die Gefährlichkeit der Durchfahrt sicher, doch der Junge wusste, dass es für zu allem entschlossene Seefahrer und Krieger nicht unmöglich war, die Meerenge zu überwinden. Der Strudel riss ihn mit sich, doch in seiner Panik hatte er nicht aufgepasst und den falschen Winkel des Eintauchens erwischt. Mit atemberaubender Brutalität schabte er über die mitleidslosen Felsen, welche die Bucht einrahmten; vor Schreck schluckte er Wasser. Die Luft wurde ihm knapp, die Schmerzen drohten, sein Bewusstsein schwinden zu lassen, doch er gab nicht auf, kämpfte sich zurück an die Wasseroberfläche, riss den Mund auf, hustete und keuchte. Der Blick über die Schulter ließ ihn beinahe erstarren – das erste Boot schoss kraftvoll über die heftigen Turbulenzen, schrammte am Felsen entlang und schwankte stark, stand kurz davor zu kentern. Doch die erfahrenen Seemänner mit ihren grauenvoll schwarz bemalten Gesichtern brachten mit kurzen, kontrollierten Ruderstößen das Boot durch, hin in das ruhigere Gewässer der Bucht. Dorthin, wo der Junge das Rennen seines Lebens schwamm. Er fegte durch das Meer, als wären ihm Flossen gewachsen, so wie es erzählt wurde über Nuralgar, den Fischgott, der einst auch ein gewöhnlicher Sterblicher war, bevor er wundersame Fähigkeiten entwickelte. Und wäre es um den reinen Wettbewerb gegangen, hätte der Junge es dieses Mal tatsächlich mit den Besten der Besten aufnehmen können, so schnell war er.
Doch hinter ihm ertönten bereits Rufe, rau und grob wie die Männer, die sie ausstießen. Sie hatten ihn gesehen und wussten, dass er nicht entkommen durfte. Er tauchte unter, arbeitete mit heftigen Bein- und Armschlägen, blieb so lange unter Wasser, bis ihm die Lunge brannte und es vor seinen Augen zuckte. Rechts und links von ihm prasselte etwas ins Meer, und er wusste, dass sie mit Kurzspeeren und Rajtas nach ihm warfen. Sie durften ihn nicht erwischen – nein, sie würden ihn nicht erwischen!
Noch im selben Moment, als er mit verbissener Entschlossenheit diesen Gedanken zuließ, traf ihn etwas an der Seite. Die Spitze eines dreizackigen, mit einer langen Wurfleine versehenen Speeres schlug eine tiefe, reißende Wunde in seine Hüfte und an seinem Bein entlang. Für einen entsetzlichen Moment dachte er, nicht einen Schwimmzug mehr machen zu können. Dann rollte er sich zur Seite, bevor der Krieger, der ihn getroffen hatte, durch einen geschickten Ruck die Spitze direkt in seinem Fleisch verankern und ihn wie einen wehrlosen Fisch aus dem Wasser reißen konnte. Im selben Augenblick erreichte er den flachen Bereich der Bucht, schabte mit den Knien über den körnigen Sand und sprang auf, hechtete in Richtung seines Dorfes. Wasser spritzte auf, als er ohne Rücksicht auf scharfe Muscheln und spitze Steine unter seinen Füßen losstürmte. Seine rechte Seite brannte, als hätte ihm jemand den Schürstock des Ewigen Feuers hineingestoßen, und einmal gab sein Bein unter ihm nach, sodass er stürzte und sich mehrmals überschlug. Doch er hörte auch den Rumpf des Bootes über den Sand schaben und wusste, ohne sich umzusehen, dass die anderen Boote folgen würden.
Er schrie, während er rannte. Es waren keine Worte, jedenfalls keine, die man verstehen konnte, die Hauptsache war nur, dass ihn jemand hörte, dass sein Dorf, seine Familie, sein Volk aufmerksam wurden und nicht hinterrücks überfallen werden konnten. Das gehässige Zischen von Rajtas ertönte, und er schlug Haken wie die mageren Feldhasen, die gelegentlich in den Dünen auftauchten, rannte Zickzack, ohne sich von seinem Kurs abbringen zu lassen. Endlich, endlich!
Die Spitze des Wehrturmes tauchte vor ihm auf, und er mobilisierte seine letzten Kräfte, warf sich regelrecht dem Schutz der Wächter entgegen. Noch einmal brüllte er aus vollen Lungen, spürte, wie ihm die Stimme brach, hörte seine Verfolger den Ton ändern; jetzt nicht mehr ärgerlich wegen des Jungen, der ihnen entkommen war, wurden sie tiefer, dumpfer, grollender. Kriegsgeheul, so alt wie die Welt, so grausam wie die Beben, die vor allem im Winter Suatie packten und schüttelten.
Schnüre wickelten sich um die Beine des Jungen, ließen ihn haltlos stürzen. Noch im Fallen warf er sich herum, starrte den fremden Kriegern entgegen. Der Aufprall nahm ihm die restliche Luft, und er schluchzte lautlos auf. Seine Finger krampften sich in den Boden, suchten nach einer Waffe und fanden doch nur karge, salzige Erde. Die ersten Verfolger setzten einfach über ihn hinweg, als wäre er lediglich ein Hindernis auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Ziel. Kaum einer von ihnen schenkte ihm einen Blick, ihre kräftigen Beine wirbelten Staub und Dreck auf, als sie über ihn sprangen oder an ihm vorbeihetzten; ihre Augen starr nach vorn auf das Dorf gerichtet, ihre Finger so um ihre Waffen geklammert, dass der Junge ihre weiß verfärbten Knöchel erkannte. Sie rannten an ihm vorbei, als wäre er weniger als nichts, nicht einmal ihrer Beachtung wert, kein Feind, kein ernst zu nehmender Gegner, nur ein Kind.
Bis der letzte Krieger kam. Trotz der dicken schwarzen Streifen auf seinen Wangen sah der Junge, dass er schon alt war, mit tiefen Runzeln und Falten, die sich in seine von Wind und Wetter gegerbte Haut gegraben hatten. Dieser Mann blieb stehen, nahm ihn wahr. Einen Moment lang sahen sich der Junge und der alte Mann in die Augen, und in den braunen Tiefen des fremden Kriegers tauchte etwas auf, das Mitleid oder gar Bedauern sein mochte, als er seinen kurzen Speer hob und für zwei oder drei Herzschläge über dem Jungen...
| Erscheint lt. Verlag | 28.2.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Enchanted | Enchanted |
| Verlagsort | Hamburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre | |
| Schlagworte | Annie-j-dean • Barbaren • Bedrohung • Bittersweet • Buch • Bücher • Call-it-bliss • Call-it-magic • Cat-Dylan • dark-age • Dark Diamonds • Dark-Diamonds • Dark Romance • das-magische-ende • Die-Unbestimmten • Drachen • Elements • Elfe • Elfen • Elfenprinz • Elfenprinzessin • elfenschicksal • enchanted • England • erblühen • Ewa-A. • Eyrisha-Summers • Fantasy • Fantasy-Abenteuer • Fantasy-Liebesroman • Fantasyroman • Feen • Frauenroman • für Frauen • Für Junge Erwachsene • Geschichte • heroische-fantasy • Herzensbuch • Hexen • High-Fantasy • im-licht-der-drei-monde • impress ebooks • Insider-Tipp • Irland • Jenna-Liermann • Jugendbuch • Junge Erwachsene • König • Königin • Königsblau • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesromane für Junge Erwachsene • Lieblingsbuch • Magie • Magierin • Märchen • mysterious • Mystic-Highlands • New Adult • New-Adult-Fantasy • Pan • Pan-Spin-off • Paranormale-Fantasyromane • Paranormal-Romance • Prinz • Prinzessin • Raywen-White • Regnier • Roman • Romantasy • Romantik • romantisch • romantische-Fantasyromane • romantische Literatur • Romanzen • Romina-Gold • Sabine-Schulter • Schottland • seasons-of-magic-e-box • Übersinnlich • Übersinnliche Liebesromane • Übersinnliches • Unter-den-drei-Monden • Urban-Fantasyromane • wenn-tag-und-nacht-sich-berühren • Young Adult • zeitgenössisch • Zeitgenössische-Fantasyromane • Zeitgenössische-Liebesromane • Zwerge |
| ISBN-13 | 9783646301137 / 9783646301137 |
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