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Der Zorn des Feuers (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
240 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43028-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Zorn des Feuers -  Henning Mankell
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Sofia ist glücklich - doch dieses Glück wird bald getrübt. Sofia ist inzwischen neunzehn Jahre alt und glücklich mit Armando, ihrem »Mondjungen«, verheiratet. Doch dann gerät ihre Welt erneut ins Wanken, als sich Armando so seltsam zu verhalten beginnt. Henning Mankells Jugendbuch-Afrika-Trilogie erstmals als eBook!

Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, war einer der großen schwedischen Gegenwartsautoren, von Lesern rund um die Welt geschätzt. Sein Werk wurde in über vierzig Sprachen übersetzt, es umfasst etwa vierzig Romane und zahlreiche Theaterstücke. Nicht nur sein Werk, sondern auch sein persönliches Engagement stand im Zeichen der Solidarität. Henning Mankell lebte abwechselnd in Schweden und Mosambik, wo er künstlerischer Leiter des Teatro Avenida in Maputo war. Er starb am 5. Oktober 2015 in Göteborg. Seine Taschenbücher erscheinen bei dtv.    

Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, war einer der großen schwedischen Gegenwartsautoren, von Lesern rund um die Welt geschätzt. Sein Werk wurde in über vierzig Sprachen übersetzt, es umfasst etwa vierzig Romane und zahlreiche Theaterstücke. Nicht nur sein Werk, sondern auch sein persönliches Engagement stand im Zeichen der Solidarität. Henning Mankell lebte abwechselnd in Schweden und Mosambik, wo er künstlerischer Leiter des Teatro Avenida in Maputo war. Er starb am 5. Oktober 2015 in Göteborg. Seine Taschenbücher erscheinen bei dtv.    

1.


Sofia läuft durch die Dunkelheit. Sie hat große Angst und muss so schnell laufen, wie sie kann. Sie weiß nicht, wovor sie wegläuft, weshalb sie Angst hat oder wohin sie läuft. Hinter ihr ist etwas Gefährliches, etwas Grausames, das näher und näher kommt.

 

Sie läuft durch die Nacht. Sie ist allein und voller Angst …

 

Sofia lag mit geschlossenen Augen da, während sie über den entsetzlichen Traum nachdachte. Sie hatte ihn nach dem schweren Unfall geträumt, bei dem Maria gestorben war und sie selbst ihre Beine verloren und schwere Verbrennungen erlitten hatte. Jetzt zuckte sie zusammen und öffnete die Augen, als erwachte sie tatsächlich aus einem Traum. Als wäre sie in eine vergangene Zeit zurückversetzt worden. Sie warf einige Zweige auf das Feuer. Seit dem Unfall waren zehn Jahre vergangen. Damals war sie neun Jahre alt gewesen, jetzt war sie fast zwanzig.

 

Es war schon spät. Normalerweise schlief sie längst um diese Zeit. Aber an diesem Abend war es ihr unmöglich. Hinter ihr in dem kleinen, braunen Haus aus Ziegelsteinen schlief der Rest ihrer Familie. Sie hörte das schwere Schnarchen ihrer Mutter Lydia und eines der Kinder, das im Traum wimmerte.

Sofia saß auf einer Bastmatte am Feuer. Auf der anderen Seite der Flammen lag, den Kopf auf den Pfoten, ihr Hund Lokko mit geschlossenen Augen. Wenn Sofia sich bewegte oder ein Insekt an seiner Schnauze vorbeiflog, schlug er die Augen auf und schaute sie an.

Manchmal fand Sofia es genauso faszinierend, in die Augen des Hundes zu sehen, wie direkt in die zuckenden Flammen des Feuers zu starren, aus dem sich knisternde Funken lösten und in der Nacht verschwanden. Lokkos Augen waren wie die Öffnungen zu dunklen Höhlen, in denen sich Aufregendes und Seltsames verbarg. In den Flammen des Feuers tanzten Erinnerungen und Gedanken an das, was vor langer Zeit geschehen war …

Das Dorf um sie herum schlief. Weit entfernt hörte sie ein Kind weinen. Sie lauschte. Es klang, als wäre das Kind krank. Vielleicht hatte es Fieber, vielleicht etwas anderes.

Das Weinen versetzte ihr einen Stich. Jetzt, da sie selbst zwei kleine Kinder hatte, wusste sie, dass es der Ausbruch einer bösen Krankheit sein konnte, wenn ein Kind anfing zu weinen. Es musste nicht so sein, aber man konnte ja nie wissen. Sie hatte allzu viele Kinder sterben sehen, am Fieber, an Durchfall oder Malaria. Arme Leute wie sie, die in diesem Dorf lebten, konnten nie sicher sein, dass es einen Arzt gab, der ihnen helfen würde, oder dass sie genügend Geld hatten, um die nötigen Medikamente zu kaufen.

Sie lauschte wieder. Jetzt war das Kind verstummt. Sofia zog mit einer Krücke einige Holzscheite zu sich heran und schob sie ins Feuer. Lokko sah sie an.

»Ist das nicht schön?«, flüsterte sie. »Die Flammen hüpfen und tanzen, genau wie ich früher, bevor ich meine Beine verlor. Ich habe getanzt wie die Flammen.«

Lokko sah sie mit seinen großen Augen an.

»Ich möchte wissen, was du denkst«, sagte Sofia. »Wenn du nur eine Minute zu mir sprechen und mir erzählen könntest, was in deinem Kopf vor sich geht.«

Sie legte die Krücke in den Sand und lehnte sich gegen den Holzschemel, der ihren Rücken stützte. Noch einmal lauschte sie in die Dunkelheit. Aber das Kind, das eben noch geweint hatte, war nun endgültig verstummt.

 

Wie ist das alles so geworden?, dachte sie. Ich bin selbst einmal ein kleines Kind gewesen. Und plötzlich bin ich erwachsen. Was bedeutet es eigentlich, kein Kind mehr zu sein?

Sofia schloss die Augen und kehrte in Gedanken in die Vergangenheit zurück. Es war, als gäbe es in ihrem Gehirn einen gut ausgetretenen Pfad. Häufig ging sie diesen Pfad entlang und mit jedem Tag, den sie lebte, wurde der Pfad etwas länger. So würde es weitergehen, bis sie alt war und so müde, dass der Pfad ihr zu lang werden würde. Dann würde sie keine Kraft mehr haben, den ganzen, langen Weg in Gedanken zu gehen …

 

Sie dachte an Maria und Rosa, ihre beiden toten Schwestern. Immer dachte sie an die beiden, wenn sie sich an früher erinnerte. Sie wusste ja, dass sie ihnen auf diesem Pfad in ihrem Kopf begegnen würde. Sie würden an verschiedenen Stellen am Wegrand stehen und auf sie warten. Auch ihrem Vater Hapakatanda würde sie dort begegnen. Er war gestorben, als sie noch so klein gewesen war, dass sie sich fast gar nicht mehr an ihn erinnerte.

 

»Jetzt bin ich erwachsen«, sagte sie zu sich selbst. »Aber ich weiß noch immer nicht, was das bedeutet.«

Plötzlich hatte sie das Gefühl, nicht mehr allein zu sein auf der Bastmatte am Feuer. Sie war umgeben von schattenähnlichen Gestalten, Kindern verschiedenen Alters. Eins war erst drei, vier Jahre alt, ein anderes acht, eins vielleicht zehn.

Alle waren sie selbst! Sofia stellte sich vor, sie könnte die Hand ausstrecken und die Achtjährige, Sechsjährige oder das kleine Kind, das noch nicht einmal laufen konnte, berühren, sich selbst, das Kind, das sie einmal gewesen war.

Aber sie war natürlich allein. Sie sah sich als Kind, jedoch nur in ihrem Kopf, in der Erinnerung.

 

Was war die erste Erinnerung ihres Lebens? Ihre am weitesten zurückliegende Erinnerung? Sie war mit Mama Lydia am Fluss gewesen. Die Frauen hatten gewaschen und Sofia hatte am Ufer gespielt. Vielleicht war Maria damals auch dabei gewesen? Daran konnte sie sich nicht erinnern. Lydia hatte zusammen mit den anderen Frauen bis zu den Knien im Wasser über die Kleider gebeugt gestanden und sie gerubbelt. Sofia wusste, dass es gefährliche Tiere im Fluss gab. Krokodile konnten sich unter der Wasseroberfläche anschleichen, nur die Augen waren zu sehen. Dann schnappten ihre riesigen Kiefer zu und zogen einen Menschen unter Wasser. Lydia und die anderen Frauen spähten ständig wachsam über das Wasser. Die Krokodile waren da, sie waren heimtückisch, und man wusste nie, wann sie sich näherten.

Plötzlich hatte ein Krokodil die Wasseroberfläche durchbrochen und seinen Rachen mit den glänzenden Zähnen aufgerissen. Es hatte eine der waschenden Frauen am Arm gepackt. Bevor jemand reagieren konnte, hatte das Krokodil sie unter Wasser gezogen. Einmal noch war die Frau aufgetaucht. Sie hatte geschrien, Sofia erinnerte sich noch immer an den Schrei. Dann war die Frau verschwunden und es war niemals eine Spur von ihr gefunden worden.

 

Das ist meine allererste Erinnerung, dachte Sofia. Ich habe dieses Krokodil gesehen und ich habe die Frau schreien hören. Das hat mir Mama Lydia oder jemand anders nicht nur erzählt. Ich kann mich selbst daran erinnern. Ich saß am Ufer und sah die Frau im Wasser verschwinden.

Es ist merkwürdig, dachte sie, richtig erschreckend. Die erste Erinnerung meines Lebens ist der Tod. Ich habe einen Menschen sterben sehen, gefangen im Rachen eines Krokodils.

 

Sofia verscheuchte eine Mücke, die sich auf ihren Arm gesetzt hatte, bevor sie zustechen und ihr Blut aus der Haut saugen konnte. Mehr Erinnerungsbilder stürmten auf sie ein. Fast immer war Maria dabei. Sie waren unzertrennlich gewesen. Zwischen ihnen war nur ein Jahr Altersunterschied gewesen und oft hatten sie sich vorgestellt, sie wären eigentlich Zwillinge. Obwohl sie immer arm gewesen waren und abends hungrig schlafen gingen und Mama Lydia weinte, weil sie nichts zu essen hatte für ihre Kinder, lag dennoch eine Art Glanz über ihrer Kindheit. Oder tauchte sie die Erinnerung absichtlich in diesen Glanz?

 

Eigentlich wollte Sofia nicht an das denken, was geschehen war. Aber sie konnte die Gedanken nicht aufhalten. Es war dieser entsetzliche Morgen, an dem all das Furchtbare passiert war, das ihr ganzes Leben verändern sollte.

 

Sie und Maria liefen den Pfad entlang. Es war früher Morgen, die Sonne war gerade über dem Horizont aufgegangen. Jeden Morgen ermahnte Mama Lydia sie, niemals vom Pfad abzuweichen, niemals die Felder oder Boden zu betreten, wo niemand ging. Dort verbargen sich kleine, gefährliche Tiere, Erdkrokodile, die den Rachen aufreißen und kleinen Kindern, die nicht darauf achteten, wohin sie ihre Füße setzten, Beine und Arme abreißen. Sie und Maria liefen den Pfad entlang. Sofia begann auf einem Bein zu hüpfen. Maria stand neben ihr auf dem Pfad. Sofia hüpfte auf dem linken Fuß. Dann setzte sie den rechten Fuß wieder ab, um auf den Pfad zurückzukehren.

 

Danach erinnerte sie sich an nichts anderes als an einen brennenden Schmerz und eine große Dunkelheit. Im Krankenhaus hatten sie in zwei Betten nebeneinandergelegen. Maria war sehr schwer verletzt und eines Nachts, als Sofia ihre Hand hielt, hatte sie plötzlich gesagt: »Ich geh jetzt nach Hause.« Dann hatte sie die Augen geschlossen und im selben Moment wusste Sofia, dass Maria tot war.

 

Sofia saß am Feuer und dachte, dass es noch immer genauso schmerzhaft wie damals war, obwohl sie sich schon so oft daran erinnert hatte. Ihr traten Tränen in die Augen, wenn sie an Maria dachte, als hätte sie eben noch gelacht. Sie sah sie vor sich, die lachende Maria in ihrem weißen Kleid auf dem Pfad.

Sofia fiel es schwer zu begreifen, wie wenig Leben und Tod voneinander trennte. Eigentlich sollten nur alte Menschen sterben, keine kleinen Mädchen wie Maria und sie, die noch nicht einmal zehn waren.

 

Sie wischte sich über die Augen. Maria war schon zehn Jahre tot. Wenn sie noch lebte, wäre sie jetzt zwanzig. Vielleicht hätte sie auch Kinder? Sofia versuchte sich vorzustellen, wie Maria heute aussehen würde. Aber das war unmöglich. Selbst wenn sie sich Marias erwachsenen Frauenkörper vorstellen konnte, mit runden Hüften und...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2016
Reihe/Serie Die Sofia-Reihe
Übersetzer Angelika Kutsch
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Afrika • Afrika-Roman • Afrika-Trilogie • All Age • Band 3 • Doppelleben • Familie • Flüchtlingsmädchen • Geliebte • Jugendbuch • Lebensgeschichte • Lebensmut • Mondjunge • Mosambik • Romanbiografie • Schicksalsroman • schiefe Bahn • Schneiderin • Selbstbewusstsein • Sofia
ISBN-10 3-423-43028-1 / 3423430281
ISBN-13 978-3-423-43028-9 / 9783423430289
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