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Witch Hunter - Johns Geschichte (eBook)

Eine Witch Hunter Novella
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
60 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42998-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Witch Hunter - Johns Geschichte -  Virginia Boecker
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Kurze Novella, die Johns Ankunft bei Nicholas Perevil und das Kennenlernen von Elizabeth und John aus seiner Sicht schildert John Raleigh ist einer der jüngsten, aber auch einer der begabtesten magischen Heiler in ganz Anglia. Doch seit seine Schwester und seine Mutter als Hexen auf dem Scheiterhaufen starben, verbringt er die Nächte mit Albträumen und die Tage in tiefer Trauer. Bis zu dem Tag, an dem er zu Nicholas Perevil gerufen wird, dem größten Zauberer des Landes, der an einer seltsamen Krankheit leidet. John erkennt auf der Stelle, dass Nicholas verflucht ist. Und der einzige Hinweis zur Heilung ist ein Name: Elizabeth Grey. Wer ist dieses Mädchen und was hat sie mit diesem Fluch zu tun? Als Elizabeth aus dem Gefängnis zu ihm gebracht wird, scheint sie mehr tot als lebendig. Und John muss all seine Kräfte aufbieten, um sie und Nicholas zu retten. Aber vielleicht bekommt auch sein eigenes Leben durch dieses Mädchen eine neue Hoffnung ...

Virginia Boecker hat ihren Abschluss in Englischer Literatur an der University of Texas gemacht. Sie lebte vier Jahre in London, während der sie sich auf jedes kleinste Detail zur mittelalterlichen Geschichte Englands gestürzt hat, die die Grundlage für 'Witch Hunter', ihren ersten Roman, bildet.

Virginia Boecker hat ihren Abschluss in Englischer Literatur an der University of Texas gemacht. Sie lebte vier Jahre in London, während der sie sich auf jedes kleinste Detail zur mittelalterlichen Geschichte Englands gestürzt hat, die die Grundlage für "Witch Hunter", ihren ersten Roman, bildet.

   2   


Wie Paukenschläge hämmert es an der Tür. Mit einem Satz bin ich aus dem Bett.

»Zum Teufel noch mal«, murmele ich. »Ich komme ja schon.« Dann reiße ich die Tür auf. Mein Vater steht auf der Schwelle, vollständig angezogen, in einer Wolke aus Tabak und Brandy. Der Kragen seines weißen Leinenhemds ist ausgefranst, ein Knopf fehlt, am Aufschlag ist ein Fleck. Ich muss unbedingt daran denken, es für ihn zu waschen und zu flicken.

»Was soll der Lärm?«, frage ich. »Du kannst doch einfach hereinkommen.«

Mein Vater zieht seine dunklen Augenbrauen hoch. »Wenn ich mich recht erinnere, hast du mich das letzte Mal, als ich einfach eintrat, nachdrücklich gebeten, in Zukunft zu klopfen.«

Ich zucke bei diesem Tadel zusammen, denn er hat recht: Als er das letzte Mal ohne zu klopfen in mein Zimmer kam, habe ich ein Buch nach ihm geworfen.

Ich stöhne auf und reibe mir über das Gesicht.

»Schlimme Nacht?« Er betrachtet mich von oben bis unten. Bemerkt das Fehlen meines Hemdes, meine zerknitterten Hosen. Ich brauche keinen Spiegel, ich weiß auch so, dass meine Haare nach allen Seiten abstehen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich sie das letzte Mal habe schneiden lassen. »Willst du darüber reden?«

»Mir geht’s gut«, sage ich und zucke mit den Schultern. »Ich war bloß lange auf. Hab gearbeitet.« Ich wedele mit der Hand zu den Büchern auf dem Schreibtisch.

Seine Miene wechselt rasch, aber ich bemerke es. Er runzelt kurz die Stirn zum Zeichen, dass er es satthat, mich zu fragen, weil ich immer behaupte, es ginge mir gut, dass er es satthat, mir seine Hilfe anzubieten, weil ich sie immer ablehne. Ich weiß nicht, wann ich aufgehört habe, mit ihm zu reden, aber es geschah mit Sicherheit aus demselben Grund, aus dem ich nicht in das Tagebuch schreiben will. Ich habe Angst vor dem, was ich sagen würde.

»Aha.« Er lächelt, spielt mir etwas vor, so wie ich ihm etwas vorspiele. »Der ewige Student. Tja, wenn du schon nicht mehr weißt, wie man schläft, dann kannst du dich hoffentlich noch daran erinnern, wie man isst, oder? Du siehst ein bisschen mager aus.« Wieder betrachtet er mich von oben bis unten.

Ich nicke.

»Unten gibt’s was zu futtern. Vielleicht wäschst du dich vorher. Wir brechen bald auf.«

»Aufbrechen?« Wieder reibe ich mir das Gesicht. Gestern Nacht, als ich Schlaf brauchte, konnte ich nicht schlafen, und jetzt, wo ich schlafen will, darf ich nicht. »Wo gehen wir denn hin?«

»Zu Nicholas Perevil.«

Nicholas Perevil. Der mächtigste Zauberer in Anglia und der Anführer der Reformisten, wie wir, die wir Magie praktizieren und unterstützen, uns selbst nennen. Vater trat den Reformisten vor zwei Jahren bei und seitdem ist er ständig in Nicholas’ Auftrag unterwegs: Er erledigt Botengänge, nimmt an geheimen Treffen teil, konspiriert mit anderen Magiern. Aber er tut es immer allein, mich nimmt er dabei nie mit. Ich will ihn schon fragen, warum das diesmal anders ist, als er mir zuvorkommt und sagt: »Eigentlich bist du es, den Nicholas zu sehen wünscht.«

»Ich?«, frage ich. »Warum?«

»Er braucht einen Heiler.«

»Einen Heiler?«, wiederhole ich. »Ist er krank?«

Mein Vater blickt zur Decke, blinzelt einmal, zweimal, und noch bevor er ein Wort sagt, weiß ich, dass er lügt: »Er hat ein gesundheitliches Problem.«

»Ein gesundheitliches Problem«, wiederhole ich. »Aber warum ausgerechnet ich? Es gibt doch unzählige Heiler in Harrow, die ihm helfen können und die noch dazu viel erfahrener sind als ich. Galen Bray …«

»… ist ein aufgeblasener Esel und das weißt du genau.«

»Na gut.« Ich muss schmunzeln. »Was ist mit Servetus? Der ist kein Esel.«

»Nein. Aber er ist fast siebzig, John. Der Mann kann nicht mehr sehen, wo er seine Füße hinsetzt. Als Nicholas ihn das letzte Mal konsultiert hat, hat er die Tränke verwechselt und ihm etwas gegeben, was ursprünglich für eine Frau in den Wechseljahren gedacht war. Nicholas’ Stimme ist über Nacht eine Oktave höher geworden.«

Aus meinem Schmunzeln wird ein breites Grinsen. »Also schön, auch nicht Servetus. Aber es gibt doch andere, die …«

»Und er war bei allen«, unterbricht mich mein Vater. »Nicholas verlangt nach dir. Er sagt, du hättest eine Gabe.«

»Eine Gabe?« Mein Lächeln verwandelt sich in ein Stirnrunzeln. »Ich habe niemandem einen Grund gegeben, so etwas von mir zu behaupten.«

»Oh doch, oft genug, und das solltest du nicht abstreiten. Was ist zum Beispiel mit Gareths Sohn?«

»Gareths Sohn ist gestorben.«

Mein Vater lächelt. Es ist ein echtes, ehrliches Lächeln, das ihm kleine Fältchen um die Augen zaubert und ihn älter erscheinen lässt, als er ist. Oder so alt, wie er tatsächlich ist, was mich daran erinnert, dass auch er eines Tages sterben wird, vielleicht früher, vielleicht später. Dann bin ich wirklich und wahrhaftig allein. Dann sind alle aus meiner Familie tot, bis auf mich.

»Du hast mehr für ihn getan als jeder andere«, sagt mein Vater. »Gareth war bei zwölf Heilern, ehe er zu dir kam.«

Es gibt außer mir nur zwölf Heiler in Harrow.

»Du hast mir nie gesagt, dass ich seine letzte Hoffnung war.«

»Damals warst du sechzehn«, erinnert mich mein Vater freundlich. »Du warst tatsächlich seine letzte Hoffnung. Und du hast den Jungen noch zwei Jahre am Leben gehalten. Zwei Jahre, die er ansonsten nicht gehabt hätte.«

Ich lege die Fingerspitzen auf die geschlossenen Augen und versuche, das Bild des kranken Jungen fortzudrücken. Sein rostbraunes Haar, die Sommersprossen, die strahlend blauen Augen, die immer trüber und trüber wurden, bis ihr Leuchten ganz erlosch, bis er an einer Krankheit starb, die mit einer Wassersucht begann, sich dann aber überall in seinem kleinen Körper ausbreitete. Eins nach dem anderen versagten seine Organe. Erst die Leber, dann der Magen, die Lungen und schließlich das Herz.

Er hieß William. Im Grunde will ich mir ihre Namen nicht merken. Es ist viel schwieriger, wenn man die Namen kennt. Sie alle bleiben bei einem, aber wenn man nicht weiß, wie sie hießen, kann man sich nicht so gut an sie erinnern.

Das rede ich mir zumindest ein.

Ich fahre mit der Hand durch meine Haare. »Also schön. Ich hole meine Tasche, dann können wir gehen.«

Ich will mich abwenden, aber mein Vater hebt die Hand.

»Diesmal musst du ein bisschen mehr packen«, sagt er. »Nicholas ist nicht in Harrow. Er ist zu Hause in Crouch Hill.«

Meine Augen werden schmal. Crouch Hill ist gleich außerhalb von Upminster. Wo der König ist, wo der Inquisitor ist, wo sich das Zentrum der antimagischen Bewegung befindet. Und dort sind auch die Hexenjäger, jene elende Bande von Söldnern, die in sämtliche Dörfer und Weiler im Umkreis von fünfzig Meilen zur Stadt einfallen und Reformisten gefangen nehmen, wo sie welche finden. Es sind willige Handlanger der hartherzigen Politik des Königs.

Ich habe noch nie jemandem den Tod gewünscht, noch nie in meinem Leben. Aber wenn ich jemals einem aus dieser Mörderbrut gegenüberstehe, dann werde ich dafür sorgen, dass er seinen Atem aushaucht.

»Da sollte er sich aber nicht aufhalten«, sagte ich. »Dort ist es nicht sicher. Weder für ihn noch für uns.«

Wieder schaut mein Vater zur Decke. »Er würde uns nicht darum bitten, wenn es nicht wichtig wäre. Und es ist wichtig, glaub mir. Er kann dir alles selbst erklären, viel besser als ich.« Er senkt den Kopf und lächelt. »Er wird sich freuen, dich zu sehen. Und dir würde es guttun, mal aus dem Haus zu kommen. Ein paar Freunde zu treffen. Dich zu amüsieren. Du weißt schon.«

Er umfasst mit seinen Händen meinen Hinterkopf und schüttelt ihn sanft. Das hat er seit Jahren nicht mehr gemacht. Dann dreht er sich um, geht hinaus und zieht die Tür hinter sich zu. Ich stehe einen Moment lang da und frage mich, was los ist. Mein Vater verschweigt mir etwas, so viel ist sicher. Was immer es auch sein mag, allein diese Tatsache beunruhigt mich mehr als der Gedanke, nach Upminster zu gehen.

Ich packe meine Sachen.

Ich nehme nicht viel mit, auch wenn ich nicht weiß, wie lange wir weg sein werden. Eine Tasche mit Kleidungsstücken, eine mit Arzneimitteln. Da ich keine Ahnung habe, was ich brauche, nehme ich alles mit: sämtliche Kräutersäckchen, Tinkturen, Pulver und Samen und die Wollbeutel zum Entsaften. Dann fällt mir noch das Tagebuch in die Hände. Ich will das verdammte Ding schon aus dem Fenster werfen, doch dann überlege ich es mir anders und packe es ein. Den nach Zypresse und Zimt duftenden Brief lasse ich auf meinem Schreibtisch liegen. Ich habe mich in den vergangenen Monaten nicht um die Sache gekümmert, da kann ich sie auch noch ein paar Wochen länger aufschieben.

Ich werfe meinen alten und abgetragenen Reisemantel über, entdecke ein Loch im Ärmel und nehme mir vor, es zu flicken. Oder einen neuen Mantel zu kaufen. Das ist eins der tausend Dinge, um die ich mich jetzt selbst kümmern muss, wo mein Vater und ich allein sind. Unsere Kleidung muss gewaschen und ausgebessert werden. Im Dach ist eine undichte Stelle und auf dem Dachboden nisten Vögel. Die Hennen legen keine Eier mehr. Ich würde jemanden einstellen, der sich um all diese Dinge kümmert, es ist ja nicht so, dass wir arm wären. Aber so jemanden im Haus zu haben würde mich ständig daran erinnern, dass jemand anderer eigentlich hier sein sollte, der diese Dinge erledigt. Es ist einfacher, alles so zu lassen, wie es ist.

Meistens jedenfalls.

Vater wartet unten auf mich. Er ist zwar kein Pirat mehr, aber einige Gewohnheiten legt man nur schwer ab. Seine Kleidung ist zu edel für einen einfachen Reformisten, er trägt...

Erscheint lt. Verlag 22.7.2016
Reihe/Serie Die Witch Hunter-Novellen
Übersetzer Alexandra Ernst
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Anglia • Fantasy • Fluch • Heiler John Raleigh • Hexenjägerin • Magie • Zauberer
ISBN-10 3-423-42998-4 / 3423429984
ISBN-13 978-3-423-42998-6 / 9783423429986
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