Der 14-jährige Ricky lebt auf der Straße. Ein hartes Leben, aber Ricky ist auch hart im Nehmen – bis er sein Diebesglück bei den falschen Leuten versucht … In letzter Sekunde rettet ihn ein mysteriöser Fremder und macht ihm ein erstaunliches Angebot: Ricky bekommt eine Wohnung und 100 £ pro Woche, wenn er sich von dem Typ namens Felix unterrichten lässt. Wozu er professionelles Kampftraining und Beschattungstechniken braucht, ist Ricky zwar ein Rätsel, aber er willigt ein – und findet sich plötzlich inmitten einer gefährlichen Mission wieder …
Chris Ryan wurde 1961 in Newcastle, England, geboren. Zehn Jahre lang war er für die SAS, die britische Eliteteinsatztruppe, tätig. Er war an verschiedenen militärischen und verdeckten Operationen beteiligt und Leiter eines Antiterrorteams. Im Golfkrieg war er das einzige Mitglied eines achtköpfigen Teams, dem die Flucht aus dem Irak gelang, und erhielt dafür eine Ehrenmedaille. In den letzten Jahren verfasste er mehrere Actionthriller, die sofort Einzug in die Bestsellerlisten hielten.
Trash-Kids
Trafalgar Square, London
Donnerstag, 11:30 Uhr
Polizisten!
Wie viele?
Zwei im Norden, drei im Süden.
Sind die ein Problem?
Hoffentlich nicht. Wir werden sie im Auge behalten. Wenn es aussieht, als würden sie Ärger machen, gehen wir woandershin.
Doch Ricky Mahoney wollte nirgendwo anders hin. Für das, was er vorhatte, war das hier der beste Platz in London.
Ricky war nicht wie andere vierzehnjährige Jungen. Er unterschied sich von ihnen nicht nur durch seine schäbige Kleidung und die Secondhand-Turnschuhe mit den Löchern. Es war auch nicht die Tatsache, dass er die letzten eineinhalb Jahre ohne Erwachsene allein in einem schäbigen Zimmer in einem überfüllten, verfallenen, alten viktorianischen Haus im Nordosten von London gelebt hatte. Auch nicht, dass er nach seiner eigenen Aussage ein Taschendieb und geschickter Einbrecher war.
Es war die Art, wie er mit sich selbst redete, die ihn zu der Ansicht brachte, dass er tatsächlich etwas sonderbar war. Den ganzen Tag besprach er alles mit einem imaginären Komplizen namens Ziggy. Völlig verrückt, aber Ricky war das egal. Denn wenn man keine wirklichen Freunde hatte, dann taten es manchmal auch die imaginären.
Ziggy widersprach gern. Im Augenblick kritisierte er eine von Rickys kleinen Lektionen über die Feinheiten der Kleinkriminalität.
Mann, diese Leute mit den Handys …, meinte Ricky. Er sprach nie laut mit Ziggy, ihre Gespräche fanden immer nur in seinem Kopf statt.
Wieso? Was ist denn mit denen?
Ricky hatte nie ein Handy dabei. Er brauchte keins. Doch wenn er es schaffte, ein vernünftiges Teil zu stehlen, dann kannte er einen Ort im East End, wo er es für bis zu fünfzig Pfund verkaufen konnte. Es kam ihm immer etwas seltsam vor, dass alle so davon besessen waren.
Na ja, wie viele Leute sehen wir hier? Fünfhundert? Und die Hälfte davon starrt auf ihren Bildschirm oder macht Selfies. Im Ernst, ich könnte jeden davon beklauen – das reinste Kinderspiel.
Und warum machst du es dann nicht? Morgen ist die Miete fällig und wir haben seit zwei Tagen nichts gegessen.
Das stimmte. Ricky knurrte der Magen. Er brauchte etwas zu essen.
Er lehnte an einem der steinernen Löwen auf dem Trafalgar Square. Schon vor Ewigkeiten hatte er herausgefunden, dass man dort praktisch unsichtbar war. Und genauso mochte er es. Unsichtbar war gut für einen Taschendieb.
Es waren viele andere junge Leute da. Einige planschten im Springbrunnen herum, andere jagten Tauben über den Platz. Wieder andere latschten hinter ihren Eltern her, als wäre es der langweiligste Tag der Welt. Niemand achtete auf einen weiteren Jungen, der sich bei den Löwen herumtrieb.
Außerdem hatte der Trafalgar Square noch einen weiteren Vorteil. Es gab dort immer Touristen. In Massen starrten sie die Nelsonsäule an und achteten kaum auf ihre Umgebung. Bei ihnen war Taschendiebstahl einfach. Sie waren wie Geldautomaten, an denen man nicht einmal eine Karte brauchte, um Geld abzuheben.
Moment mal! Wer ist das?
Wo?
Da drüben. Nordseite des Platzes. Ein paar Trash-Kids.
Trash-Kids nannte Ricky die obdachlosen Kinder, die sich auf den Straßen Londons herumtrieben. Sie waren überall, wenn man nur die Augen aufmachte und hinsah – was die meisten Menschen natürlich nicht taten. Nachts trafen sie sich an den schäbigeren Ecken von King’s Cross oder unter den Themsebrücken. Die Trash-Kids waren ein gemeiner Haufen, die sich zuweilen zu aggressiven, gewalttätigen Gangs zusammentaten. Ricky hielt sich von ihnen lieber fern. Er war nur ein einziges Mal wirklich mit ihnen aneinandergeraten. Er sah auf sein linkes Handgelenk hinunter, von dem sich eine blasse weiße Narbe über seinen Arm zog und davon zeugte, wie schlecht diese Begegnung für ihn ausgegangen war.
Blinzelnd sah er über den Platz. Ein Mädchen in seinem Alter stand hinter einem Japaner, der seine Freundin fotografierte. Ein Junge kam rasch auf sie zu. In fünf Sekunden würde er sie erreicht haben. Sie sahen sich kurz an.
Pass auf. Der älteste Trick der Welt.
Das Mädchen streckte die linke Hand aus, schob sie in die Seitentasche des Leinenjacketts des Japaners, zog sie wieder heraus und hielt etwas fest. Eine Brieftasche. Sie war so schnell gewesen wie eine hervorschnellende Geckozunge.
Der Junge war jetzt direkt hinter ihr und ging weiter. Selbst Ricky konnte den Moment, in dem die Brieftasche weitergereicht wurde, nicht erkennen. Schon war der Junge wieder in der Menge verschwunden. Möglicherweise hatte er die Brieftasche bereits einem dritten Komplizen weitergegeben. Ein paar Sekunden später bat der Japaner das Mädchen, ein Foto von sich und seiner Freundin zu machen.
Ziemlich gut, gab Ricky widerwillig zu.
Du könntest bei den Trash-Kids mitmachen, wenn du wolltest. Du könntest mit einem Partner arbeiten. Das wäre sicherer.
Nein, das will ich nicht. Wenn wir einen Partner hätten, würde er uns verraten, sobald es schwierig wird. Und bevor wir’s uns versehen, haben uns die Gutmenschen in den Krallen.
Und außerdem, dachte Ricky, war er kein Trash-Kid. Er war von zu Hause – wenn man das so nennen wollte – aus freien Stücken weggegangen. Und er war auch genau genommen nicht obdachlos. Er wohnte nicht in einem Hauseingang, in einer Pappschachtel oder unter einer Brücke, nicht einmal in einem Wohnheim. Er hatte eine Bleibe. In seiner Lage war das ein feiner Unterschied. Es war eine Frage des Stolzes – selbst wenn es bedeutete, jemanden wie Baxter als Vermieter zu haben.
Er beobachtete weiter die Menge und ignorierte das bohrende Hungergefühl in seinem Bauch. Ziggy hatte recht. Heute war Donnerstag. Er hatte seit Dienstagmittag nichts mehr gegessen. Es war nicht so, dass er untätig gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Er hatte seitdem drei Brieftaschen gestohlen. In der ersten waren vierzig Pfund gewesen, in der zweiten zwanzig und in der dritten fünfzig. Ein gutes Ergebnis, aber es reichte noch nicht, um die Monatsmiete an den alten Baxter zu zahlen. Rickys bösartiger Vermieter würde morgen Abend seine Miete eintreiben. Und das bedeutete, dass Ricky noch einen letzten guten Griff tun musste. Vor allem, wenn er auch noch etwas essen wollte.
Er hielt nach möglichen Opfern Ausschau. Dort schob eine Mutter ihr Kind in einem Buggy vor sich her. Junge Mütter bestahl Ricky nie. Es kam ihm irgendwie nicht fair vor. Dann fiel sein Blick auf einen gestressten Lehrer mit einem Haufen Schulkinder. Auf keinen Fall. Der Lehrer war nicht das Problem, aber Ricky wusste, dass Kinder viel aufmerksamer waren als Erwachsene. Sie sahen alles.
Dann greif dir einen von den Idioten mit den Handys, schlug Ziggy vor, wenn das bei denen so leicht ist.
Nee. Das ist ja wie Fische im Aquarium angeln! Man muss seine Fähigkeiten trainieren …
Oh, komm schon, Ricky. Du musst doch schon mindestens zweihundert Brieftaschen gestohlen haben. Und du wurdest noch nie erwischt.
Weil ich meine Fähigkeiten trainiere.
Er beobachtete weiterhin die Menge. Ein paar Sekunden später heftete er seinen Blick auf einen Mann, der von der Nordwestecke des Platzes zur Nelsonsäule kam. Es war ein großer Schwarzer mit kahlem, glänzendem Schädel und einer blauen Regenjacke, obwohl keine Spur von Regen zu bemerken war. Er schien heftig zu schwitzen, denn beim Laufen tupfte er sich den kahlen Kopf mit einem Taschentuch ab. Und was noch wichtiger war, seine Regenjacke stand offen und die Reißverschlüsse der Außentaschen auch. In seiner Hosentasche konnte er einen U-Bahn-Fahrplan sehen.
Ein Tourist, dachte Ricky. Er bückte sich und zog seinen rechten Schnürsenkel auf. Dann sprang er vom Sockel des steinernen Löwen und lief schnell zwanzig Schritte nach Norden. Dann wandte er sich um neunzig Grad nach links. Nach schätzungsweise zehn Schritten würde er den Weg seines Opfers kreuzen. Aus dem Augenwinkel beobachtete er den Mann und konnte selbst aus dieser Entfernung erkennen, wo die Brieftasche war – die rechte Jackentasche hing leicht herunter, so als befinde sich etwas Schweres darin. Und was Ricky anging, so waren schwere Brieftaschen die besten. Außerdem sah er etwas, was er vom Sockel aus nicht bemerkt hatte. Der Mann trug einen kräftigen Gehstock in der rechten Hand und hinkte leicht.
Fünf Schritte.
»Los geht’s!«
Etwa einen Meter vor dem Mann »stolperte« Ricky über seinen offenen Schnürsenkel. Es war, fand er, ein sehr gelungener Sturz – einer, den er hundert Mal geübt hatte, bis er ihn beherrschte, ohne sich selbst zu verletzen. Doch jetzt verzog er das Gesicht vor Schmerz und begann zu zittern, als er direkt vor den Füßen des Mannes auf dem Asphalt landete.
Der Mann blieb stehen und starrte den Jungen vor sich an. »Was soll das denn?«, fragte er. »Willst du dich für die Rolle von Coco dem Clown bewerben?«
Er klang, als habe er etwas im Mund, und Ricky sah, dass er ein Bonbon lutschte.
»Auuh!« Er wischte sich mit dem Handrücken eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. Dann streckte er die Hand aus, damit ihm der andere aufhelfen konnte. Ein wenig amüsiert sah der Mann ihn an.
Tu es nicht, warnte Ziggy. Beklau ihn nicht....
| Erscheint lt. Verlag | 13.6.2016 |
|---|---|
| Übersetzer | Tanja Ohlsen |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Agent 21 # 1 - Undercover |
| Themenwelt | Literatur |
| Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre | |
| Schlagworte | ab 14 • Abenteuer für Jungs • action • Agent 21 • Agententhriller • Bodyguard • Bücher für Jungs • Chris Bradford • eBooks • gefährliche Mission • Joe Craig • Jugendbuch • Jugendbücher • Kampftraining • Kinderkrimi • London • Robert Muchamore • Spannung • Thriller • Top Secret • Überlebenstraining • Young Adult |
| ISBN-10 | 3-641-17438-4 / 3641174384 |
| ISBN-13 | 978-3-641-17438-5 / 9783641174385 |
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