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Zwei Herzen im Goldfischglas (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016
cbj (Verlag)
978-3-641-17664-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwei Herzen im Goldfischglas - Sally Partridge
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(CHF 7,80)
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Nathan hat sich noch nie viele Gedanken darüber gemacht, ob er in der Schule zu den coolen Kids gehört. Dabei wäre es für ihn vermutlich ein Leichtes. Schließlich hat Nathan schon von klein auf die Entschlüsselung menschlichen Verhaltens systematisch studiert. Als jemand mit einer leichten Form des Asperger-Syndroms ist das seine einzige Chance, all diese unverständlich agierenden Wesen um ihn herum auch nur ansatzweise zu verstehen. Als seine beste Freundin, die wunderhübsche Olivia, gerne in den innersten Kreis der Schul-Highsociety eindringen möchte, steht Nathan ihr mit all seinem Wissen der menschlichen Verhaltensforschung zur Seite. Mit durchschlagendem Erfolg! Doch bald merkt Nathan, dass nicht alles sich mit wissenschaftlichen Checklisten erfassen lässt ...

Sally Partridge lebt und arbeitet in Cape Town in Südafrika. Sie schreibt als Journalistin für verschiedene Magazine und veröffentlicht Short Storys. Bereits ihr erster Jugendroman wurde preisgekrönt und fürs Theater adaptiert.

Nathan beobachtete Olivia von seinem Platz hinten im Klassenzimmer, nahe den Fenstern.

Sonst saßen hier nur die Null-Bock-Schüler, aber Nathan duldeten sie unter sich. Offenbar schützte ihn seine Unsichtbarkeit auch hier.

Er sah genervt zu den Mädchen hinüber, die sich über eine im Biologiebuch versteckte Zeitschrift beugten. Dabei interessierte ihn eigentlich nur eine von ihnen. Olivia seufzte, und Nathan verfolgte die winzige Bewegung, mit der sich ihr Rücken hob und dann wieder senkte, als sie tief durchatmete. Danach sackte sie zusammen und nahm eine demonstrativ lässige Haltung ein.

Er hielt die Luft an. Etwas stimmt nicht. Normalerweise saß sie aufrecht, konzentrierte sich auf den Unterricht und versuchte, alles mitzuschreiben, was Miss De Waal viel zu schnell an die Tafel kritzelte. Sie und er waren die Einzigen in der ganzen Klasse, die die Schule ernst nahmen. Das verband sie auf gewisse Weise, wie Mitglieder eines Geheimbunds. Noch nie war sie so unaufmerksam gewesen.

Auch die Haare trug sie anders. Statt sie wie sonst zu einem Zopf zu flechten, hatte sie sie unordentlich im Nacken zusammengesteckt, wie die Stars der Schule.

Nathan dachte so angestrengt darüber nach, was wohl hinter ihrem ungewohnten Verhalten stecken mochte, dass er unbewusst die Lippen bewegte.

Sie will so sein wie die anderen.

Nachdem er diese Erklärung gefunden hatte, konnte er sich wieder etwas entspannen, aber beunruhigt war er immer noch. Er hob den Kopf und bewegte wieder die Lippen – eine dumme Angewohnheit, die er nicht abstellen konnte. Wenn sein Gehirn Informationen verarbeitete, verlor er häufig die Kontrolle über den Rest seines Körpers.

Im nächsten Moment schüttelte er so vehement den Kopf, dass die anderen zu ihm herübersahen. Aber keiner sagte etwas. Seine Mitschüler hatten sich an sein Verhalten gewöhnt und verzichteten darauf, ihn deswegen aufzuziehen. Er war einfach Nathan, der Irre oder der Typ, der nicht ganz richtig tickt. Früher hatte er sich darüber schrecklich aufgeregt, aber inzwischen war es ihm egal. Er ließ die anderen reden und hielt sich von ihnen fern. Wenn sich direkter Kontakt einmal nicht vermeiden ließ, war er höflich, und mit dieser Strategie fuhr er gut. Er wurde nicht gemobbt und nicht einmal bemitleidet, sondern einfach nur ignoriert, und das passte ihm ausgezeichnet. Aber Olivia … Sie faszinierte ihn. Und behandelte ihn, als sei er vollkommen normal.

Er war sich sicher, dass er richtig erkannt hatte, was mit ihr los war. Er nahm es ihr nicht übel, aber es beunruhigte ihn, denn sie war die Einzige an der Schule, mit der ihn so etwas wie eine Freundschaft verband.

Er richtete sich ein wenig auf und dachte darüber nach. Falls sie sich bei den anderen beliebt machen wollte, ging sie nicht klug an die Sache heran. Die Frisur zu verändern reichte nicht. Sie brauchte eine Strategie. Es gab viel zu tun. Eine Checkliste musste her.

Er kaute an seiner Unterlippe. Sollte er ihr sagen, was ihm durch den Kopf ging? Sein Vater hatte ihm eingebläut, dass er seine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken sollte, und obwohl es ihn frustrierte, hielt er sich daran.

»Aber sie machen so viel falsch«, hatte er protestiert, als er mit seinem Vater darüber sprach. »Ich kann ihnen doch …«

»Nein. Lass sie zufrieden! Es geht dich nichts an.«

»Aber, Dad …«

»Das sind die Regeln, Nathan. Die Menschen müssen ihre Fehler selbst erkennen. Es steht dir nicht zu, sie darauf aufmerksam zu machen. Vor allem, wenn es deine Mutter betrifft. Es macht sie ganz nervös.«

Nach und nach lernte Nathan, seinen Mitmenschen vom Gesicht abzulesen, was sie empfanden. Wütend und traurig erkannte er inzwischen. Mit anderen Gefühlen tat er sich noch schwer, entsprechend unvorhersehbar waren die Reaktionen der anderen für ihn. Deswegen hatte er sich angewöhnt, ein Gespräch mit den Worten zu beginnen: »Sag mir, wenn ich aufhören soll.«

Das war ziemlich anstrengend. Er wünschte, andere könnten ihn verstehen und seine Aussagen akzeptieren, ohne sich emotional davon betroffen zu fühlen. Kurz: Er wünschte, sie hätten keine Gefühle. Dann wäre das Leben viel einfacher. Doch Menschen schienen komplizierte Wesen zu sein.

Er versuchte, sich auf den Unterricht zu konzentrieren.

Miss De Waal behandelte die Fortpflanzungsorgane. Zur Vorbereitung auf den Test, den sie darüber am Freitag schreiben würden, hatte er diesen Teil des Biologiebuchs bereits auswendig gelernt. Miss De Waal konnte ihm also nichts Neues mehr beibringen, aber sie hatte den Schülern eingeimpft, immer gut aufzupassen, weil sie jederzeit etwas Testrelevantes sagen könne, das nicht im Buch stand. Das tat sie jedoch nie. Es war nur ein Trick, um die Schüler zu disziplinieren, aber das hatten die anderen noch nicht durchschaut.

Einige der Jungen, die hinten in der Klasse saßen, lachten über eine Abbildung weiblicher Geschlechtsorgane, die Miss De Waal an die Wand projizierte. Nathan verstand nicht, was daran lustig sein sollte. Es war doch nur eine ganz gewöhnliche Körperpartie. So gewöhnlich, dass er sich nicht mehr zum Zuhören zwingen konnte. Außerdem beschäftigte Olivia ihn zu sehr. Jetzt zeichnete sie mit dem Bleistift etwas in ihren Collegeblock und hielt die andere Hand davor, damit niemand sehen konnte, was es war. Sie schien nicht zu wissen, dass sie die anderen mit ihrer Heimlichtuerei erst recht neugierig machte. Prompt konnte Nathan sehen, dass die anderen Mädchen das Interesse an der Zeitschrift verloren und die Hälse reckten, um zu sehen, was Olivia da zeichnete. Dann begannen sie, miteinander zu flüstern.

»Möchtest du uns zeigen, was du da tust, Olivia?«, sagte Miss De Waal plötzlich.

Olivia zuckte zusammen und setzte sich so abrupt auf, dass sich ein paar Haare aus ihrem Knoten lösten. Dann schaute sie sich ganz panisch um und sagte: »Nein, Miss.«

Mandy, die ganz vorne saß und für ihre ätzende Art bekannt war, schnaubte verächtlich.

Unruhig rutschte Nathan auf seinem Stuhl herum. Wenn er sich aufregte, fiel es ihm schwer stillzusitzen.

Mandys Reaktion hatte den gewünschten Effekt: Olivia wurde knallrot, schlug schnell eine neue Seite ihres Collegeblocks auf und setzte mit zitternden Fingern ihren Bleistift an, als wollte sie mitschreiben, was Miss De Waal als Nächstes sagte.

Nathan reckte gerade im richtigen Moment den Hals, um zu sehen, was sie gezeichnet hatte. Es war ein merkwürdiges Tier, so etwas wie ein Otter.

Olivia liebte Tiere, das wusste er. Es passte zu ihr. Und er war froh, dass sie nicht so etwas Albernes wie ein Herz gezeichnet hatte. Etwas, das bedeutet hätte, dass sie sich in jemanden verliebt hatte.

Plötzlich begannen sich seine Gedanken zu überschlagen – ein deutliches Anzeichen, dass er gleich eine Panikattacke bekommen würde. Er legte die Hände an den Kopf und schloss die Augen. Wenn er sich anstrengte, konnte er seine Gedankenflut manchmal bändigen. Zuerst merkte er gar nicht, dass er laut schrie, doch als er die Augen wieder aufschlug, starrten alle in seine Richtung. Aber keiner lachte. Nur Miss De Waals Stimme war zu hören und die anderen wandten sich wieder ihrem einschläfernden Vortrag zu.

Olivia lächelte ihm zu, bevor sie wieder nach vorne schaute. Aber es war nicht ihr übliches warmes Lächeln, und es verschwand so schnell, wie es gekommen war. Das verwirrte ihn noch mehr – ein Gefühl, das er hasste.

Nach der Stunde kam Olivia auf ihn zu, den schweren Rucksack mit Schulbüchern über der Schulter. Der Knoten in ihrem Nacken hatte sich inzwischen fast völlig aufgelöst und die schwarzen Haare standen nach allen Seiten ab. »Hey, Nathan! Alles in Ordnung? Was war denn im Unterricht mit dir los?«

Er fingerte am Träger seines Rucksacks herum und sah nach, ob er richtig saß – nur, um etwas zu haben, worauf er den Blick richten konnte. Menschen direkt anzusehen fiel ihm schwer, selbst wenn sie ihm nahestanden. »Gar nichts. Alles gut. Und du? Bei dir auch alles in Ordnung?« Er hatte zu schnell und zu viel geredet, aber das konnte er nun nicht mehr ändern.

Sie lächelte, dieses Mal auf die richtige Art. »Ja, alles in Ordnung.«

Ein Stück gingen sie nebeneinander durch den Schulflur. In der nächsten Stunde hatte er Mathematik, sie Buchhaltung. Er kannte die Stundenpläne seiner Mitschüler. Nicht dass er sie auswendig gelernt hätte, aber nachdem sie zum Schuljahrsbeginn am Schwarzen Brett ausgehängt worden waren, wie jedes Jahr, waren sie ihm im Gedächtnis geblieben. So funktionierte sein Gehirn nun einmal.

Als er eigentlich links abbiegen und die Treppe zum ersten Stock nehmen musste, ging er weiter mit Olivia auf den Teil der Schule zu, in dem die Wirtschaftsfächer unterrichtet wurden.

»Dein Haar sieht heute gut aus.«

Sie sah auf, und Nathan wagte einen kurzen Seitenblick, um ihre Reaktion zu prüfen. Ihr Gesicht erinnerte ihn an das seiner Mutter, als er ihr gestern seine Matheaufgaben zu erklären versucht hatte. War es ein ungläubiger Blick? Nein, ungläubig traf es nicht ganz. War sie verwirrt? Überrascht? Ja, wahrscheinlich überrascht.

Olivia strich sich eine Strähne hinters Ohr – wieder so eine Geste, die er nicht deuten konnte. »Ist das dein Ernst?«

Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet, und er wusste nicht, was sie zu bedeuten hatte. Misstraute sie seinem Urteil oder seiner Ehrlichkeit? Er dachte kurz darüber nach, kam aber nicht dahinter. Ihre Frage enthielt keine Anhaltspunkte. Dann beschloss er, dass es eine dumme Frage...

Erscheint lt. Verlag 9.5.2016
Übersetzer Edith Beleites
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Girl who chased Otters
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte ab 12 • Asperger-Syndrom • Autismus • Christopher Boone • eBooks • Graeme Simson • John Green • Jugendbuch • Jugendbücher • Liebesgeschichte • Mark Haddon • Rain Man • Rosie-Projekt • Sarah Dessen • Supergute Tage • Young Adult
ISBN-10 3-641-17664-6 / 3641176646
ISBN-13 978-3-641-17664-8 / 9783641176648
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