Meditation (eBook)
108 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-8220-4 (ISBN)
2. Geistiges
2.1. Loslassen – Verdrängen
Mit «Verdrängen» wird der grundlegende Widerstand gegen Unangenehmes bezeichnet: Das Bewusstsein wehrt Inhalte ab, die als bedrohlich empfunden werden, indem es versucht, diese aus der bewussten Wahrnehmung auszuschliessen. Es glaubt, die Furcht (den realen Gegebenheiten entsprechendes Warnsignal) oder die Angst (verzerrtes, nicht realitätsgerechtes Warnsignal) nicht aushalten oder handhaben zu können. Angst vor unliebsamen Empfindungen, wie Schmerz, Trauer, Scham, Schuld etc. ebenso wie Angst vor äusseren Gegebenheiten, die solche Empfindungen auslösen, führen nicht selten zu Verdrängung und den aus ihr folgenden, weiteren Abwehrmassnahmen, wie Projektion etc … Da das Bewusstsein die Mittel nicht hat oder nicht zu haben glaubt, um mit diesen Ängsten konstruktiv umzugehen, befürchtet es, überschwemmt zu werden und seine Funktionsfähigkeit einzubüssen. Das Bewusstsein verhält sich dann in seiner Not ähnlich wie ein Kleinkind, das seine Augen verdeckt, und glaubt, so von seiner Umwelt nicht mehr gesehen zu werden. So hofft das Bewusstsein, Schwierigkeiten «aus der Welt zu schaffen», zu erledigen, indem es Massnahmen trifft, um diese Schwierigkeiten nicht mehr wahrzunehmen. Die Realität entfaltet jedoch auch ihre Wirkung, wenn man die Augen vor ihr verschliesst, und die Verdrängung führt nur zu Wahrnehmungsverzerrungen, die sich schliesslich bis zu «krankhaften» Symptomen verdichten können.
Am radikalsten ist die Verdrängung dann, wenn sie unwillkürlich, reflexhaft, also unbewusst geschieht. Und da unsere Erziehung wenig Wert auf gewaltlose Strategien zur Konfliktlösung legt, bleibt, mangels besserer Mittel, das Verdrängen ein naheliegendes, scheinbar einfaches Mittel zur kurzfristigen Erhaltung des psychischen Gleichgewichtes. Kurzfristig und scheinbar ist die Lösung deshalb, weil das verdrängte Problem als Problem bestehen bleibt, somit nicht entschärft ist, seine beunruhigende Wirkung also behält, und den Verdrängenden «auf Umwegen» über Wahrnehmungslücken und Realitätsverkennungen wieder einholt. Die zugrundeliegende Schwierigkeit kann nun aber nicht mehr gelöst werden, da sie eben verdrängt wurde, und damit der bewussten Wahrnehmung, die Voraussetzung für einen Umgang mit Problemen ist, entzogen bleibt. Zudem würde die Aufhebung der Verdrängung eben jene Ängste aufleben lassen, vor denen sich der Verdrängende zu schützen trachtet. Daraus ergibt sich der bekannte Widerstand gegen das Aufgeben der Verdrängung, der wiederum nur durch Angstlinderung aufgeweicht werden kann.
Was verdrängen bedeutet, können wir besser zeigen, wo es bewusst oder halbbewusst geschieht: Ein für bedrohlich gehaltener Inhalt soll abgewehrt werden, durch einen aktiven Vorgang des «Bei-Seite-Schiebens» oder (R)unterdrückens, und das Unterfangen gilt dann als «gelungen», wenn man sich gegen das Wiederauftauchen des unterdrückten Inhaltes verschlossen hat.
Es findet also zuerst einmal ein Kampf zwischen dem Bewusstsein und dem bedrohlichen Inhalt statt. Das bedeutet Anspannung und Kraftaufwand. Zudem will das Bewusstsein unterdrücken, dem Bedrohlichen die Existenz absprechen, was soviel heisst wie Gewalt ausüben. Gewalt erzeugt aber immer Gegengewalt, und dementsprechend wehrt sich das Bedrohliche gegen die Unterdrückung, wird, nicht zuletzt durch die Abwehrversuche, «aufgeladen» und drängender. Das heisst, dass auch bei scheinbarem Gelingen der Unterdrückung, die bedrohende Kraft (energetische Ladung) erhalten bleibt, und somit die Barriere, die das Wiederauftauchen ins Bewusstsein verhindern soll, auch stets mit Gegen-Kraft geladen sein muss. Letztendlich ist die verdrängte Problemenergie doch stärker, und der Wahrnehmungsbarriere gelingt nur eine Verfälschung: Im Bewusstsein erscheinen neue Schwierigkeiten, deren Ursprung im Verdrängten schwer aufzudecken sind. Der Abwehrkampf, wie auch das Aufrechterhalten der Verdrängung, kosten also dauernd viel Energie, und zudem wird die Angehbarkeit des Problems, durch die schwer nachvollziehbare Verfälschung, erschwert.
Da die verdrängte, ängstigende Energie nicht erlischt, bleibt auch die Bedrohung potentiell erhalten. Damit kann sich auch die Angst vor einem möglichen Wiederauftauchen nicht richtig auflösen. Dafür gibt sie die Motivation ab zum Erhalten der Verdrängung und zum Schutz gegen Wahrnehmungen, die das Verdrängte aufrufen könnten. Mit Abwehr wird also letztlich die Angst nicht aufgelöst.
Abwehrender Schutz bedeutet immer auch Begrenzung. Um es mal extrem zu sagen: Am sichersten ist man in einem Bunker. Aber man hat dort auch am wenigsten Bewegungsfreiheit und ist vom Leben abgeschnitten. Abwehrender Schutz mag manchmal notwendig sein, es gilt aber stets auch zu bedenken, dass er eigene Freiheit und Flexibilität beschränkt.
Abwehr heisst Kampf. Und kämpfen kann man nur, wenn man mit dem Bekämpften im Kontakt ist. Kein Kampf ohne Kontakt mit dem Gegner bzw. solange gekämpft wird, besteht Kontakt. Das bedeutet, dass gerade der Abwehrkampf dazu führt, dass die Bindung an das Abgewehrte erhalten bleibt. Oder anders gesagt: Indem man kämpfend irgendwelche Inhalte loswerden möchte, hält man sie gerade fest.
Man kann sich aber gegen die Wahrnehmung von Inhalten verschliessen. Nach obigen Ausführungen kann man sagen, dass das dauernd viel Energie kostet, zu Spannung bis Verkrampfung, defensiver Ängstlichkeit, Wahrnehmungsverzerrung und Unbeweglichkeit führen kann.
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«Loslassen» meint, auf der geistigen Ebene, ein am aufmerksamkeitserheischenden Inhalt vorbeisehen oder -hören, daran vorbeigehen, sich nicht um den Inhalt kümmern, ihn sein lassen. Der Inhalt wird also nicht beiseite gedrängt, sondern einfach stehen gelassen, jedoch wird ihm die Aufmerksamkeit entzogen bzw. nicht geschenkt.
Dieser Vorgang ist also weniger ein aktiver (etwas abdrängen), kräfteraubender, als vielmehr ein passiver (sich nicht kümmern). Die Aktivität besteht lediglich darin, dem bedrängenden Inhalt die Aufmerksamkeit nicht zu schenken bzw. zu entziehen, sie dafür aber auf das Meditationsmedium zu richten und dort zu halten.
Indem der übende Mensch den auftauchenden Inhalt nicht beiseiteschiebt, sondern beiseite-lässt, also sein lässt, wird nichts abgeschoben oder verdrängt (tabuisiert), sondern der Inhalt darf weiterhin sein, auch wenn er zur Zeit nicht beachtet wird. Er bleibt also bewusstseinsfähig und, wenn er wichtig ist, kann er zu gegebener Zeit, bewusst und aus freien Stücken, bearbeitet werden. Dieser Vorgang trägt also nicht durch Anstrengung zur Spannung, sondern durch sich-nicht-kümmern zur Entspannung bei, und die Inhalte bleiben dem Bewusstsein zugänglich.
Dieses Sein-lassen, Sich-nicht-kümmern muss allerdings geübt werden: Unzählige Male muss die Aufmerksamkeit den auftauchenden Inhalten wieder entzogen und erneut auf das Medium gerichtet werden, bis sie über längere Zeiträume hinweg in der gewünschten Richtung gehalten werden kann: Gedanken, Gefühle, Bilder kommen, «einfach so», scheinbar ohne eigenes Zutun, und üben einen starken Sog aus auf die Aufmerksamkeit. Sie enthalten die, oft nicht bewusst wahrgenommene, Aufforderung «Ich bin wichtig, Du musst Dich mit mir beschäftigen». Je problematischer und beunruhigender der Inhalt ist, umso drängender ist diese Aufforderung, und da ihr unbemerkt sehr oft nachgegeben wird, beschäftigt sich der Mensch oft mit Inhalten, für die er sich gar nicht bewusst entschieden hat und oft sogar, ohne sich überhaupt darüber klar zu sein, dass er sich damit beschäftigt. Daraus entsteht oft ein nicht sehr konstruktives Sich-im-Kreise-drehen, das die Stimmung beeinflusst und der Alltagsbewältigung Kräfte entzieht. Mit dieser Übung geht es also auch darum, die Herrschaft über seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Für dieses Loslassen kann es eine Hilfe sein, wenn der auftauchende Inhalt kurz wahrgenommen und definiert wird. Der Mensch kann besser loslassen, wenn er weiss, was er loslässt, und falls es sich um etwas Bearbeitungswürdiges handelt, kann er es sich so auch merken, um sich später bewusst und absichtlich damit zu beschäftigen.
Der übende Mensch bleibt also grundsätzlich offen für das Auftauchen von Inhalten. Auch, wenn diese nicht beachtet werden und mit der Zeit und Übung vielleicht immer weniger auftauchen, so wird doch kein Verbot gegen das Auftauchen errichtet, und es findet kein Abwehrkampf statt. Er bleibt also offen und flexibel und gerät nicht in defensive, ängstliche Anspannung oder Verhärtung. Da kein Kampf stattfindet, der, wie erwähnt, den Kontakt mit dem Gegner (Inhalt) unabdingbar macht, kann eben dieser Kontakt aufgegeben werden. Somit kann man sich von dem, was man loswerden möchte, auch wirklich entfernen. Damit sind allfällige Probleme zwar nicht gelöst, aber sie sitzen einem nicht mehr hautnah «im Nacken», und man kann sich später mit etwas Abstand und Absicht mit ihnen auseinandersetzen.
Kampf bedeutet auch Gewalt und das Aufrufen von Gegengewalt. Mit dem Bekämpfen wird also die drängende...
| Erscheint lt. Verlag | 9.10.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Allgemeines / Lexika |
| Schlagworte | Energieförderung • Entspannung • geistige Stärkung • Meditation • Persönlichkeitsentwicklung |
| ISBN-10 | 3-7693-8220-X / 376938220X |
| ISBN-13 | 978-3-7693-8220-4 / 9783769382204 |
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