Die Erfüllung des Gesetzes (eBook)
204 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-2238-2 (ISBN)
Alexander Basnar ist Lehrer in Wien und dient in einer Hausgemeinde im Waldviertel/Niederösterreich.
Ach, diese Streitfragen!
Irenäus von Lyon schrieb einen Brief an Florinus, einen Bruder in Rom, dessen Sonderlehren die Gemeinde zu spalten drohten:
„Diese deine Lehren, Florinus, sind — um mich schonend auszudrücken — nicht gesunder Anschauung entsprungen. Diese Lehren widersprechen der Kirche; sie stürzen ihre Bekenner in die größte Gottlosigkeit. Selbst die außerhalb der Kirche stehenden Häretiker haben niemals solche Lehren aufzustellen gewagt. Auch die vor uns lebenden Presbyter, die noch mit den Aposteln verkehrten, haben dir diese Lehren nicht überliefert. Denn als ich noch ein Knabe war, sah ich dich im unteren Asien bei Polykarp; du hattest eine glänzende Stellung am kaiserlichen Hofe und suchtest die Gunst Polykarps zu erwerben. Ich kann mich nämlich viel besser an die damalige Zeit erinnern als an das, was erst vor kurzem geschah; denn was man in der Jugend erfährt, wächst mit der Seele und bleibt mit ihr vereint. Daher kann ich auch noch den Ort angeben, wo der selige Polykarp saß, wenn er sprach, auch die Plätze, wo er aus- und einging, auch seine Lebensweise, seine körperliche Gestalt, seine Reden vor dem Volke, seine Erzählung über den Verkehr mit Johannes und den anderen Personen, welche den Herrn noch gesehen, seinen Bericht über ihre Lehren, ferner das, was er von diesen über den Herrn, seine Wunder und seine Lehre gehört hatte. Alles, was Polykarp erfahren von denen, die Augenzeugen waren des Wortes des Lebens, erzählte er im Einklang mit der Schrift. Seine Worte habe ich durch die mir gewordene Gnade Gottes damals mit Eifer aufgenommen; nicht auf Papier, sondern in mein Herz habe ich sie eingetragen. Ich erinnere mich auch immer wieder durch die Gnade Gottes genau daran. Vor Gott kann ich bezeugen, dass, wenn jener selige, apostolische Presbyter solche Irrlehren gehört hätte, er laut aufgeschrien, sich die Ohren verstopft und seiner Gewohnheit gemäß ausgerufen hätte:
O guter Gott, für welche Zeiten hast du mich aufbewahrt, dass ich solches erleben muss!
Er wäre fortgeeilt von dem Orte, an dem er sitzend oder stehend solche Lehre vernommen hätte. Diese Wahrheiten werden bestätigt durch die Briefe, welche Polykarp teils an benachbarte Gemeinden, die er zu befestigen suchte, teils an einzelne Brüder, die er mahnte und ermunterte, geschrieben hat.“ (Brief an Florinus, zitiert in Eusebius‘ Kirchengeschichte V,20)
Irrlehren sind ein Ärgernis. Sie verursachen Streit, zerstören Freundschaften, zerreißen Familien, spalten Gemeinden und belasten die Gemeindeleiter mit der Ausarbeitung von Stellungnahmen und Entgegnungen, die sie von ihren wichtigeren Diensten im Reich Gottes abhalten. Warum?! Man kann Polykarps müden Verzweiflungsschrei in diesem Brief gut nachvollziehen, besonders, wenn man selbst schon jahrelang durch solche Minenfelder wandern musste. Es bleibt uns nicht erspart. Die Gemeinde ist Angriffen von vielen verschiedenen Seiten ausgesetzt; das war seit den Tagen der Apostel so und wird auch so bleiben, bis der Herr wiederkommt. Die Zurückweisung falscher Lehren gehört zu den unerfreulichsten Aspekten des Dienstes am Wort.
Positiv betrachtet können sie durchaus dazu beitragen, das Schriftverständnis zu schärfen. Andererseits bewirken solche Kontroversen nicht selten die Verzerrung oder Übertreibung an sich richtiger Lehrpunkte. Allzu oft ist man auf der anderen Seite vom Pferd gefallen und war am Ende nicht wesentlich besser als jene, die man abwehren wollte. Streitfragen können auch von persönlichen Eitelkeiten oder Ehrgeiz befeuert werden, sodass der geistliche Kampf sehr fleischlich geführt wird. Ich selbst habe in den letzten bald 40 Jahren genug erlebt, um mich nur mehr mit allergrößtem Widerwillen auf diese Schlachtfelder zu begeben. Als Gemeindeleiter muss ich aber diese Verantwortung übernehmen, wenn es notwendig ist, und die Geschwister in meiner Obhut müssen im Glauben soweit gefestigt werden, dass sie nicht von jedem Wind der Lehre hin und her getrieben werden.
„So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch zu Aufsehern gesetzt hat, um die Gemeinde Gottes zu hüten, die er durch sein eigenes Blut erworben hat! Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied räuberische Wölfe zu euch hineinkommen werden, die die Herde nicht schonen; und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen in ihre Gefolgschaft.“ (Apostelgeschichte 20,28-30).
Polykarp war solch ein „Wächter“ in der Gemeinde, und auch er hatte sichtlich wenig Freude an solchen Auseinandersetzungen. Aber er stellte sich ihnen ebenso mutig entgegen wie den Verfolgern, die ihn in der Arena verbrannten. Irenäus hebt in diesem Brief dessen bibeltreue Haltung besonders hervor, und Polykarp hatte zudem noch persönlichen Kontakt mit den Aposteln und Augenzeugen des Herrn: „Alles, was Polykarp erfahren von denen, die Augenzeugen waren des Wortes des Lebens, erzählte er im Einklang mit der Schrift.“ Er hatte nicht nur das geschriebene Wort als Waffe, er hatte auch vertrauten Umgang mit denen gehabt, die es verfasst hatten und die den Herrn Jesus selbst gehört hatten. Er wusste daher aus erster Hand, wie die Schriften, über die wir uns heute so oft streiten, zu verstehen sind. Es ist daher von größtem Wert, die Einsichten der frühen Christen in alle Diskussionen mit einzubeziehen. Das ist es, was „Ad fontes!“1 bedeutet. Das werde ich in diesem Buch daher immer wieder tun.
Nicht erst nach dem Abscheiden der Apostel, sondern schon zu Lebzeiten derselben traten zwei schwerwiegende Irrlehren auf, die im Neuen Testament engagiert und nachdrücklich diskutiert werden.
- Die gesetzlichen Irrlehren (1. Timotheus 1,6-7)
- Die Behauptungen der fälschlich so genannten „Erkenntnis“ (1. Timotheus 6,20-21).
Beide Irrlehren hatten katastrophale Auswirkungen und haben dies bis heute, denn sie treten immer wieder in verschiedenen Variationen auf, ohne dabei jedoch wesentlich Neues zu verkünden. Irenäus übertreibt nicht, wenn er schreibt: „Diese Lehren widersprechen der Kirche; sie stürzen ihre Bekenner in die größte Gottlosigkeit.“ Paulus sagt im Grunde nichts anderes:
„Zu dieser haben sich etliche bekannt und haben darüber das Glaubensziel verfehlt.“ (1. Timotheus 6,21).
Das Motiv für die Behandlung dieser Irrlehren ist „Seelsorge“, die Sorge um das Heil der einzelnen Gläubigen, die der Satan verwirren und vom Herrn abbringen möchte. Satan, nicht die selbst verwirrten und verführten Menschen, denen man mit Barmherzigkeit und Wohlwollen begegnen muss, ist der Gegner. Die Geschwister oder Fleisch und Blut sind nie und nimmer unser Feind. Darum schreibt Paulus:
„Die törichten und unverständigen Streitfragen aber weise zurück, da du weißt, dass sie nur Streit erzeugen. Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern milde sein gegen jedermann, fähig zu lehren, geduldig im Ertragen von Bosheiten; er soll mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweisen, ob ihnen Gott nicht noch Buße geben möchte zur Erkenntnis der Wahrheit und sie wieder nüchtern werden aus dem Fallstrick des Teufels heraus, von dem sie lebendig gefangen worden sind für seinen Willen.“ (2. Timotheus 2,23-26).
Da habe ich mich in meiner Vergangenheit auch oft nicht richtig verhalten, sondern verbissen gestritten, um auf Biegen und Brechen Recht zu behalten. Dass auf diese Weise keine gute Frucht entstehen kann, ist offensichtlich. Paulus hält hier eine feine Balance:
- Gib den Irrlehren keine allzu große Bühne.
- Versuche, die Verführten mit der gesunden Lehre und herzlicher Freundlichkeit zu gewinnen.
- Kümmere dich nicht darum, wenn man dir Bosheiten und böswillige Unterstellungen an den Kopf wirft.
Weiters sollen wir nicht zu viel Zeit für jene aufwenden, die sich nichts sagen lassen wollen:
„Die törichten Streitfragen aber und Geschlechtsregister, sowie Zwistigkeiten und Auseinandersetzungen über das Gesetz meide; denn sie sind unnütz und nichtig. Einen sektiererischen Menschen weise nach ein- und zweimaliger Zurechtweisung ab, da du weißt, dass ein solcher verkehrt ist und sündigt und sich selbst verurteilt hat.“ (Titus 3,9-11).
Ein sektiererischer Mensch ist nicht dasselbe wie ein ehrlich suchender, aber verwirrter, und man darf diese auch nicht auf dieselbe Weise behandeln. Hier sind Unterscheidungsvermögen und Weisheit gefragt. Häufig sind es gerade jene, die besonders um eine konsequente Nachfolge oder ein geisterfülltes Leben ringen, oder die ein sehr feines Gewissen haben, die zum Opfer von Verführern werden und dadurch in Gefahr geraten im Glauben zu scheitern. Dieses Anliegen ist ja nur zu loben, zu fördern und zu unterstützen! Aber jenen, die gezielt eindringen, um diese schwachen Geschwister mit ihren Sonderlehren zu umgarnen und so die Gemeinde zu spalten, muss man entschiedener entgegentreten. Damit will ich auch den Ton festgelegt haben, der die folgenden Kapitel prägen soll.
Dieses Buch befasst sich mit nur einer der beiden...
| Erscheint lt. Verlag | 29.7.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
| ISBN-10 | 3-8192-2238-3 / 3819222383 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-2238-2 / 9783819222382 |
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