Deutsche Hoheitszeichen (eBook)
180 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-9012-1 (ISBN)
PROLOG
Bis in die heutige Zeit fußt das Selbstverständnis Europas auf dem Einheitsgedanken des antiken Römischen Reiches (Imperium Romanum); jenem von etruskischer Kultur geprägten, ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. weitgehend kontinuierlich zu einem Weltreich expandierenden ursprünglichen Stadtstaat Rom im Herzen Italiens. Auch heute wird Rom zumindest von der katholischen Christenheit als eine Art Mittelpunkt der Welt empfunden, den es im Altertum zumindest für Europa und dessen engeren Dunstkreis gebildet hatte. Dieses das Mittelmeer einschließende Römische Imperium und vor allem seine Rechtssetzung sollte neben der griechischen Kultur und der jüdischen Religion für Europa wie auch für die freie Westliche Welt bis heute kulturprägend bleiben.
Mit der Teilung des Reiches und der Absetzung des letzten Kaisers des Römischen Westreiches (Hesperium Imperium), Romulus Augustulus,1 im Jahre 476 blieb lediglich das Ostreich als der antike Zeuge einer römischen Einheit Europas unter der Pax Romana, also einer Befriedung unter römischer Oberhoheit und nach römischem Recht erhalten. Dessen Benennung als Byzantinisches Reich wurde ihm erst während des 19. Jahrhunderts zugeteilt. Die Byzantiner selbst bezeichneten dagegen ihr immer stärker auf die griechische und dann auch christlich-orthodoxe Kultur ausgerichtetes Imperium weiterhin als das Römische Reich, während bei ihnen mit den »Griechen« einzig die vorchristlichen Griechen der Antike gemeint waren. Der Anspruch, das antike Römische Imperium zu repräsentieren, blieb im Byzantinischen Reich bis zu seiner Zerschlagung durch das Osmanische Reich im Jahre 1453 erhalten, während man im westlichen Europa für Ostrom die abwertende Bezeichnung »Reich der Griechen« bevorzugte und die Byzantiner allgemein als Griechen betrachtete. Untermauert wurde diese Nichtachtung des fortbestehenden Reichsgedankens bei den Oströmern durch die »Translatio imperii«, also die Theorie von der »Übertragung des Reiches«, nach der das antike Römische Reich mit der Kaiserkrönung des Frankenkönigs – namentlich Karl I. der Große – im Jahre 800 durch diesen weitergeführt wurde und der Titel des Römischen Kaisers zuerst auf die Könige der Franken über die Könige des Ostfränkischen Reiches bis hin zum Kaiser und König des Heiligen Römischen Reiches überging.
Hinzu kam die mit dem Morgenländischen Schisma2 von 1054 eingeleitete, bis heute anhaltende tiefe Spaltung zwischen den westlichen und den östlichen Kirchen und also auch des westlichen und östlichen politischen Selbstverständnisses. Mit dem Ende des Byzantinischen Reiches betrachtete sich der Großfürst von Moskau als der Wahrer des Römischen Reiches; was durch die Ehe zwischen Großfürst Johannes III. dem Großen3 und Sofia Palaiologa, der Nichte des letzten Kaisers von Byzanz, Konstantin XI. Dragasis Palaiologos,4 im Jahre 1472 aus Sicht der Moskowiter bestätigt und unterstrichen wurde.
Die 1147 urkundlich erstmals erwähnte, wohl von dem späteren Großfürst Juri I. Dolgoruki5 von Kiew gegründete, womöglich etwas ältere Stadt Moskau wurde allerdings erst 1263 Zentrum eines anfangs zum Großfürstentum Wladimir-Susdal gehörenden Fürstentums Moskau, welches 1328 das Großfürstentum Wladimir-Susdal beerbte und zum Großfürstentum Moskau avancierte. Dessen Großfürsten verleibten sich 1478 die Republik Nowgorod mit deren Unterwerfung durch einen von Großfürst Johannes III. den Großen6 erzwungenen Gewaltfrieden ein.
In Nowgorod hatte der warägische Fürst Rjurik nach Angaben der zwischen 1113 und 1118 verfaßten Nestorchronik um 862 ein Fürstentum errichtet, dessen Sitz 882 in das zuvor eroberte Kiew verlegt und somit der Grundstein für das Fürstentum Kiew, ab 978 Großfürstentum Kiew gelegt wurde. In diesem etablierte sich ab 1136 die Republik Nowgorod, die weiterhin unter der Oberhoheit von Kiew stand. Ab etwa 1150 wurde das Großfürstentum Kiew zunehmend destabilisiert, und es bildeten sich mehrere, miteinander konkurrierende Teilfürstentümer. Nach den Verwüstungen durch die Mongoleneinfälle 1240 gelangte es ab 1252 auf Betreiben von Alexander I. Newski, der 1236 Fürst von Nowgorod, 1249 Großfürst von Kiew und 1252 Großfürst von Wladimir-Susdal geworden war, unter die formelle Oberhoheit des Großfürsten von Wladimir-Susdal, welches damals den Mongolen unterstand. Faktisch war das Großfürstentum Kiew damals ein Vasallenstaat der Goldenen Horde, die es nach der Schlacht am Irpen 1321 und endgültig in der Schlacht am Blauen Wasser 1362 an das Großfürstentum Litauen verloren, von dem die alte Ordnung von vor 1240 unter litauischer, ab 1569 polnisch-litauischer Herrschaft weitgehend wieder hergestellt wurde. Mit dem Russisch-Polnischen Krieg von 1654 bis 1667 und den Polnischen Teilungen Ende des 18. Jahrhunderts verlor Polen-Litauen das Gebiet des Großfürstentums Kiew an Rußland. Maksim, der Metropolit von Kiew und der ganzen Rus hatte seinen Sitz 1299 von Kiew nach Wladimir, sein Nachfolger Peter von Rata wiederum 1321 von Wladimir nach Moskau verlegt. Hierdurch gilt der letztgenannte als Begründer des Moskauer Patriarchats.
Im Jahre 1328 wurde Fürst Johannes I. Danilowitsch Kalita7 von Moskau vom Großkhan des mongolischen Khanats der Goldenen Horde, Muhammed Usbek Khan,8 als tributpflichtiger9 »Großfürst von Moskau« zum Oberhaupt der Rus10 proklamiert. Fürst Johannes IV. Wassiljewitsch der Schreckliche11 erhob sich schließlich 1547 selbst zum Zaren von Rußland. Innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche wurde aus der beanspruchten Vormacht Moskaus auf die Rus und dem Ende des Byzantinischen Reiches die Lehre vom »Dritten Rom« entwickelt, in der das Römische Reich das Erste Rom, das Byzantinische Reich das Zweite Rom und letztlich das Großfürstentum Moskau, ab 1547 das Zarenreich Rußland das Dritte Rom sei.
Nicht nur in diesem Anspruch der Wahrung und Fortführung des Römischen Reiches existieren zum Teil recht unselige Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Russen. Während sich das von den Russen dominierte Moskau und dann Rußland mit seinem bis heute währenden Expansionsdrang zu der größten Macht, aber auch zu der größten Bedrohung des östlichen Europa entwickelte, übernahm das von den Deutschen dominierte Heilige Römische Reich diese Rolle im westlichen, dem zentralen Europa. Im Gegensatz zu der fortwährend expandierenden Großmacht Rußland erfuhr der einstige Mittelpunkt des westlichen Europa über die Jahrhunderte eine zunehmende Erschlaffung und wurde zentraler Schauplatz der untereinander konkurrierenden europäischen Mächte wie auch ihrer Kriege, zu deren traurigen Höhepunkten der Deutschland bis heute prägende Dreißigjährige Krieg gehörte. Des Reiches wichtige westliche Nachbarn England und Frankreich entwickelten sich grundsätzlich diametral zu diesem von einem anfangs eher schwachen Königtum mit zumindest in Frankreich nur sehr kleinem Eigenbesitz zu starken Zentral- und Nationalstaaten. Innerhalb des als Heiliges Römisches Reich bekannten Kolosses im westlichen Zentrum Europas erstarkten dagegen die regionalen Mächte und suchten sich immer stärker vom Kaiser unabhängig zu machen. Unterstützt wurde dieses Streben durch die Reformation im 16. Jahrhundert. Und am Ende des Heiligen Römischen Reiches stand 1806 seine schlichte Auflösung. Dem deutschen Volk verwährte diese folgenschwere Rolle der dominierenden und innerlich zerrissenen Großmacht die Selbstfindung als Nation. Auch die zu ihrer nördlichen Hälfte diesem größten Reich des westlichen Europa zugehörigen Italiener teilten mit den Deutschen dieses Schicksal der verspäteten Nation ebenso wie das der in jedem Fall auch damit zusammenhängenden nationalistischen Entartungen durch den italienischen Faschismus und durch das deutsche Naziregime. Und in ihrem unbewußten Selbstverständnis scheinen die Deutschen als das noch immer zahlenmäßig größte Volk der Europäischen Union sowie Europas ohne Rußland und die Türkei in vielerlei Hinsicht weiterhin die »Wahrer« des Römischen Reiches und somit der Oberlehrer seiner Nachbarvölker geblieben zu sein wie auch der Wunsch nach Dominanz ungebrochen; ähnlich der russischen nationalen Lüge einer Rolle als »Wahrer« des rechten (orthodoxen) Glaubens gegen die angebliche Verderbtheit des Westens und des damit verbundenen Willens zur eigene Vorherrschaft.
So viel die Deutschen und Russen nicht immer zum Wohle Europas emotional auch verbindet, sind desgleichen aber auch entscheidende Unterschiede erkennbar. Während sich für Rußland vergleichsweise spät das Machtzentrum Moskau und die Dominanz der Russen über ihre slawischen Brüder und andere unterworfene Völker herauskristallisiert und dann fundamentiert wird, finden die Deutschen in der frühen Reichsbildung als vorwiegend germanische Stämme zusammen, ohne...
| Erscheint lt. Verlag | 18.7.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Mittelalter |
| Schlagworte | Deutscher Adler • Flaggen • Heraldik • Vexillologie • Wappen |
| ISBN-10 | 3-8192-9012-5 / 3819290125 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-9012-1 / 9783819290121 |
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