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Psychodynamisches und analytisches Arbeiten mit Gruppen - Stephan Alder

Psychodynamisches und analytisches Arbeiten mit Gruppen (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
248 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-037569-7 (ISBN)
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38,99 inkl. MwSt
(CHF 37,95)
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Gruppenpsychotherapie ist eine der wichtigsten Anwendungen psychodynamischer bzw. tiefenpsychologischer und psycho-/gruppenanalytischer Theorien in der stationären und zunehmend in der ambulanten psychotherapeutischen Praxis. Viele junge Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, auch die Psychiater und Psychosomatikerinnen wissen zu wenig darüber, wenn sie die ersten Therapiegruppen verantwortlich leiten sollen und wollen. Dieses Buch gibt Starthilfe und stellt aktuelles Wissen für psychodynamisch und analytisch verstandene Gruppentherapie zur Verfügung. Denk- und Erfahrungstraditionen mit Weiterentwicklungen der Analytischen Psychologie wie der Psychoanalyse, der Gruppenanalyse inklusive der OPD mit Beiträgen zum Weiterdenken sind nachzulesen.

Dr. med., Dipl. Med. Stephan Alder arbeitet seit über 30 Jahren in ambulanter Vertragsarztpraxis für Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie, Psychoanalyse (inklusive Gruppenanalyse) in Potsdam und ist zusätzlich als Dozent (IfP-Berlin, C. G. Jung-Institut Berlin), Gruppenlehranalytiker (Berliner Institut für Gruppenanalyse, zudem in Potsdam und Heidelberg) und Lehranalytiker (IfP-Potsdam, Ärztekammer Brandenburg) tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die psycho- und gruppenanalytische Arbeit für Menschen mit Angststörungen, Depression und dissoziativen Störungen durch Traumata und Psychosen. Mitglied ist er in mehreren Fachgesellschaften: DGAP-IAAP, DGPT, D3G, GASI, IAGP; er ist Initiator der psychohistorischen Trialog-Konferenzen. Preisträger der International Dialogue Initiative (IDI). Zudem Balintgruppenleiter der Deutschen Balintgesellschaft.

2 Theorie


Wir bio-psycho-sozial verfassten Menschen internalisieren und externalisieren ein Leben lang Interaktionserfahrungen9 mit zwei, drei und mehr Personen, wie auch Gruppenerfahrungen. Dazu benötigen wir als Individuen neben dyadischen, triadischen und selbstreflexiven Erfahrungen auch solche aus Kleingruppen (drei bis zwölf Personen), die eine dynamische »Interaktionsmatrix« (Foulkes, 1992, S. 33) ausbilden.

2.1 Gruppenpsychotherapie


2.1.1 Definitionsversuche


Zusammenfassung

Gruppenpsychotherapie ist eine Redekur in einer Gruppe mit klaren und hinreichend sicheren Rahmenbedingungen einander meist fremder Menschen (Patienten, Selbsterfahrungsteilnehmende und Gruppenpsychotherapeuten) mit einem therapeutischen Anliegen. Gruppenpsychotherapie ist ein interaktives und aufeinander bezogenes Lernen in einer Gruppe durch Kommunikation, gemeinsam geteilte Erfahrungen aller Teilnehmenden einschließlich ihrer persönlichen Begegnungsmomente.

Mit der tiefenpsychologisch fundierten und der analytischen Ausrichtung betonen die jeweiligen Autorinnen und Autoren (vgl. Foulkes, 1992; Pritz & Vykoukal, 2003; Hopper, 2011; Janssen & Sachs, 2018; Trautmann-Voigt & Voigt, 2019; Schlapobersky, 2016; Friedman, 2018; Lorentzen, 2014, 2020; Dorst, 2016, 2022; Haubl & Lamott, 2019; Dietrich & Fossel, 2022, Stumptner, 2022) die therapeutische Arbeit an und in der Bezogenheit zwischen Psychotherapeuten und Patienten. Diese therapeutische Arbeitsbeziehung, die von den Patientinnen und Patienten wegen einer psychisch krankheitswertigen Störung gesucht und aufgesucht wird, enthält neben dem neurotisch infantil primärprozesshaften oder psychotisch verzerrten psychischen Anteil stets einen realitätsbezogenen und gesunden Bereich, den Sigmund Freud »eine normale Person« nennt (Freud, 1941/1999, GW Bd. 17, S. 132).10 Ich verstehe diese Arbeitsbeziehung zwischen dem jeweils konkreten Patienten und seinem Psychotherapeuten gleichwohl erstens als Übertragung mit Gegenübertragung und Widerstand, wenn vom Patienten zum Therapeuten gedacht wird. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass parallel zu einer durch Übertragung und Dissoziation verzerrten Beziehungsgestaltung des Patienten zum Psychotherapeuten eine realitätsbezogene und kooperative Arbeitsbeziehung besteht.

Zweitens ist regelhaft eine als Ko-Übertragung zu beschreibende wechselseitige Bezogenheit zu beobachten, wenn Patient und Therapeut sich ko-kreativ, unbewusst und soweit möglich szenisch reflektiert eine regressive oder/und realitätsbezogene und dem Leben zugewandte Arbeitsbeziehung erlauben. Oder es ereignet sich drittens eine erneut inszenierende Wiederholung verinnerlichter szenisch konflikthafter (komplexhafter) und traumatischer Interaktionserfahrungen im Feld der Gruppe bzw. zwischen den Beteiligten. Für alle drei Ausprägungen verwende ich die Begriffe »Wiederholungszwang« (Freud) oder »traumatischer Wiederholungszwang« (Türcke). Die Beziehungsdynamik zwischen den beteiligten Personen, die auch mit dem Konzept der »dreigliedrigen Matrix« (Hopper & Nietzgen; zur Darstellung des Konzepts der »dreigliedrigen Matrix« ▸ Kap. 2.6.3) erfasst wird, geschieht über kulturübergreifende und durch Kultur geprägte allgemeinmenschliche archetypische Muster der Kommunikation.

Die Teilnehmenden an der Gruppentherapie11 fungieren – möglichst spielerisch bei aller Ernsthaftigkeit – füreinander als Projektions- bzw. Übertragungsangebote. Sie werden durch mehrfache Projektionen aufeinander und ineinander (interpenetrativ) zu szenischen Repräsentationen in der Gruppe und zu funktionalen oder auch zu dysfunktionalen Beziehungspersonen. Anders ausgedrückt entstehen eher positive oder eher negative Übertragungen. Der Psychotherapeut ist beispielsweise für den Patienten ein Hoffnungsträger oder im negativen Fall eine erneute Enttäuschung, die vielleicht zu Beginn verdrängt oder gar dissoziiert wird. Diese konflikthaften und durch Trauma geprägten verinnerlichten, dann nach außen gebrachten Beziehungserfahrungen werden durch die gegebene Sicherheit und Freiheit (Rahmenbedingungen) der Gruppe im Umgang miteinander sehr verschieden wahrgenommen, miteinander wertgeschätzt und so für möglich gehalten. Sie werden von den Beteiligten einschließlich der Gruppentherapeuten so benannt und als mögliche Re-Inszenierung von verinnerlichten Interaktionserfahrungen, von verinnerlichten intersubjektiven Netzwerken, sogenannten Matrizen verstanden (vgl. Foulkes, 1992; Foulkes & Antony, 1957; Schlapobersky, 2016; Bauer, 2022).

Hierzu gehört ebenso die Re-Inszenierung von unbewussten Fantasien (Freud), unbewussten Komplexen (Jung)12 oder wie im intersubjektiven Paradigma – von unbewussten »Selbst-mit-Anderen-Mustern« (Knox, 2011, S. 14). In diesem Prozess von Wechselwirkungen zwischen Figur und Grund bilden sich psychodynamische Konfigurationen (Foulkes, 1992, S. 193) bzw. Konstellationen im dynamischen Gruppenprozess ab. Diese sind für jeden Patienten einschließlich seiner intrapsychischen und körperlichen Reaktionen spezifisch.

2.1.2 Individuelle und gruppenbezogene Psyche


Zusammenfassung

Wenn wir Menschen als Personen und als aktive Subjekte verstehen wollen, stehen stets ihre Beziehungen zu anderen, zu sich selbst und der jeweilige Gruppenbezug als Perspektiven im Mittelpunkt. Vielheit in unseren individuellen Beziehungen (individuelle Psyche) und Einheit als Teil einer Gruppe mit ihren charakteristischen Mustern (gruppenbezogene Psyche) stellen zentrale Annäherungen dar, um Gruppen und ihre Individuen zu beschreiben und zu verstehen.

Es lassen sich eine individuelle Beziehungspsyche – »individual mind« – und eine gruppenbezogene Psyche »group mind« (Hobson, 1959, S. 140) – darstellen, die sich gegenseitig ergänzen. Die individuelle Psyche beschreibt die relevanten lebensgeschichtlich frühen und die aktuellen Beziehungsmuster interpersonal und gruppal. Die gruppenbezogene Psyche begreift dieselbe Person als kontingenten Teil einer Gruppe mit der Ausprägung eines bestimmten kommunikativen Musters. So kann eine Patientin in Gruppen regelhaft Spaltungen erzeugen. Dadurch entstehen in der Gruppe wie aus dem Nichts Muster von Zustimmung und Ablehnung. Zugleich kann diese Patientin durch ihre einerseits gewinnende und zugleich verachtende Beziehungsaufnahme zu Gruppenmitgliedern charakterisiert werden. Das kann die Therapiegruppe sein, in der solche kommunikativen Muster identifiziert werden oder es treten Erzählungen über die relevanten Herkunftsgruppen, etwa Ursprungsfamilie und Grundschulzeit, auf. Solche gruppalen Muster können nicht einfach generalisiert werden. So kann, um ein zweites Beispiel zu nennen, ein Mann in der Therapiegruppe, wie auch zu Hause, einen Außenseiterstatus haben, der ihn vor seiner Unsicherheit und Depressivität schützt und diese zugleich aufrechterhält. Beruflich hingegen tritt er anders in Erscheinung; dort kompensiert er und zeigt sich übermäßig aktiv. Individuelle und gruppenbezogene Psyche stellen notwendig zwei Perspektiven dar, um eine Person im therapeutischen Kontext zu beschreiben.

2.1.3 Rahmenbedingungen


Zusammenfassung

Je klarer der Rahmen und seine Bedingungen für eine Gruppe, umso sicherer können die Teilnehmenden in dieser Gruppe sein. Rahmen geht vor Inhalt. An den Rahmenbedingungen spielen sich die Erfahrungen mit Grenzstörungen und mit Autorität ab.

Klare und stabile Rahmenbedingungen in der Therapiegruppe bilden normierend die äußere Sicherheit für die innere Freiheit des Denkens und des Fühlens. Hinzu kommt ein fundamentaler Zuspruch von Seiten der rechtlich verfassten Gesellschaft, von der die Psychotherapie anbietenden Institution und von den realen Fachärzten und Psychotherapeuten. Ich meine die jeder Person zukommende Würde, deren Schutz das Grundgesetz in Artikel 1 und 2 ins Zentrum stellt. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit findet danach dort ihre Grenzen, wo sie jemand anderem schadet13. Diese rechtsstaatliche Rahmung betrachte ich als eine kulturelle Errungenschaft. Ich möchte an dieser Stelle aus aktueller, wie historischer Perspektive an die vielen Länder und Staaten erinnern, die die Würde von Einzelnen und Gruppen von Menschen aus imperialen oder anderen Gründen missachten. So war es in der Zeit der DDR, insbesondere von 1961 bis 1989, nicht selten kompliziert, die Schweigepflicht einzuhalten. Gefühlsbetonte Äußerungen zu Tabuthemen waren therapeutisch nicht möglich, ohne auf ein differenziertes Über-Ich-System einer kollektiven Zensur zu achten.

Ein imaginärer, reflexiver Raum (Knox, 2011, S. 171) kann in einem sicheren und geschützten Miteinander einer Gruppe mit freier respektvoller Kommunikation und Diskussion gefördert werden.14 Ein reflexiver Raum entsteht auf diese Weise potenziell und kann von jedem selbstreflexiv erprobt werden. Dabei stellen neue persönliche Erfahrungen immer...

Erscheint lt. Verlag 25.6.2025
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Ralf T. Vogel
Zusatzinfo 10 Abb.; 2 Tab.
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Archetypen • C. G. Jung • Gruppenanalyse • Gruppentherapie • jungianische Psychotherapie • Psychoanalytische Behandlung • Psychotherapie
ISBN-10 3-17-037569-5 / 3170375695
ISBN-13 978-3-17-037569-7 / 9783170375697
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