Das Vermächtnis - Der 7. Oktober im Fokus von 2.000 Jahren Antisemitismus (eBook)
568 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-5316-4 (ISBN)
Die Autorin (Jg. 1968) begleitete als Traumatherapeutin viele Jahre kindliche und erwachsene Überlebende von physischer, psychischer und sexueller Gewalt sowie Folteropfer. Sie lebt mit ihrer Familie im geographischen Westen Deutschlands.
1. Der 7. Oktober 2023
Die Würde des Menschen ist antastbar, wenn er Jude ist
Während viele Menschen in Westeuropa noch darüber nachdenken und Prognosen darüber anstellen, ob und wann der Dritten Weltkrieg ausbricht, hat er vielleicht schon längst begonnen. Haben die Menschen, welche am 28. Juli 1914 und/oder am 1. September 1939 auf dieser Welt lebten, realisiert, dass an diesen Daten jeweils der Erste bzw. der Zweite Weltkrieg begonnen hatte oder können wir das nur aus der Retrospektive so wahrnehmen? Werden Menschen in 50 Jahren sagen: „Der Dritte Weltkrieg begann am 7. Oktober 2023!“?
Das Barzilay-Hospital in Ashkelon liegt nur etwa zwölf Kilometer von der Grenze zum Gaza-Streifen entfernt. Es ist ein Bezirkskrankenhaus mit 600 Betten und verzeichnet jährlich mehr als 100.000 Einweisungen.
Barzilay-Hospital in Ashkelon, eigene Aufnahme
Als die Mitarbeiter des Frühdienstes am Schabbat dem 7. Oktober 2023 im Barzilay-Hospital in Ashkelon im Süden Israels ihren Dienst antraten, rechneten sie mit nichts Besonderem: Ein Frühdienst wie immer – stressig, da am Schabbat nur die Feiertagsbesetzung arbeitet, und man rechnete natürlich mit einigen Alkoholgeschädigten vom nahe gelegenen Nova-Festival in Re’im. Aber viel wichtiger war, dass man am Nachmittag nach Dienstende noch Gelegenheit haben würde, mit seiner Familie den Schabbat nach dem Ausklang des Sukkot – des jüdischen Laubhüttenfestes – zu feiern.
Dazu sollte es nicht kommen. Die Mitarbeiter des Frühdienstes im Barzilay-Hospital werden diesen Tag niemals in ihrem Leben mehr vergessen.
Denn spätestens nach einer Stunde wurde klar, dass dies kein normaler Arbeitstag werden würde: Es begann mit Raketengeräuschen, welche den Menschen im Süden Israels nicht fremd sind, Sirenen und im Krankenhaus eingehenden Anrufen, aus denen hervorging, dass in den Grenzgebieten zu Gaza im Süden Israels ungewöhnliche, beunruhigende Dinge vor sich gingen. Kurz darauf trafen schon die ersten Raketen das Krankenhaus. Eine davon schlug unmittelbar neben der Neonatologie – also der Frühchenstation – ein. Noch bevor Ärzte und Pflegepersonal gewahr wurden, dass es sich hier nicht nur um einen Raketenbeschuss aus der Luft handelte, trafen auch schon die ersten panischen und verletzten Flüchtlinge vom Nova-Festival im Klinikum ein.
Was sich hier in den folgenden Stunden abspielte, ist kaum in Worten wiederzugeben: Schwerverletzte, vollkommen aufgelöste, schreiende und traumatisierte Menschen, denen die Flucht vom Gelände des Nova-Festivals gelungen war, überrannten das Krankenhaus auf der Suche nach Schutz und Hilfe. Das Blut floss durch die Flure. Innerhalb von Minuten mussten Ärzte und Pflegepersonal in diesem eskalierenden Chaos, in dieser sich abzeichnenden menschlichen Tragödie ein Krisenmanagement organisieren, welches gleichzeitig die Versorgung der bereits vorhandenen Patienten sowie von Hunderten eintreffender, mitunter lebensgefährlich verletzter Notfälle im Trauma-Modus sicherstellte. Dies alles unter Dauerbeschuss aus der Luft. Patienten mussten in Windeseile evakuiert und die vulnerabelsten von ihnen in eigens dafür vorgesehenen Kellerräumen zu Schutz vor dem Raketenbeschuss untergebracht werden. Und während Ärzte und Pflegepersonal im Krisen- und Notfallmodus funktionierten und Leben retteten, mussten sie gleichzeitig mit der aufdämmernden Erkenntnis klarkommen, dass eventuell grade ihr eigenes Zuhause zerstört und ihre Familienangehörigen verletzt oder ermordet wurden. Ärzte und Pflegepersonal schliefen tagelang nicht. Sie lebten quasi für Wochen im Krankenhaus. Zum einen, da sie dort benötigt wurden und zum anderen, da sie teilweise nicht mehr in ihr von der Hamas komplett zerstörtes Wohnumfeld zurückkonnten. Dies alles geschah unter der Prämisse, dass sie selber durch den Terroranschlag vom 7. Oktober und den Massakern, welche die Hamas an diesem Tag im Süden Israels angerichtet hatte, Angehörige, Kinder, Ehemänner, Ehefrauen etc. verloren hatten.
Ärzte und Pflegepersonal, die hier quasi inzwischen wohnten und wohnen, schliefen und schlafen nach wie vor mit der Waffe unter dem Kopfkissen. Im Barzilay-Hospital werden – wie in allen anderen israelischen Krankenhäusern auch – auch Gazaner behandelt: schwer kranke Krebspatienten und andere, die schon vor dem Krieg hier waren. Und sie erhalten die gleiche hervorragende Versorgung wie israelische Patienten. Es gibt zwar ein Abkommen mit dem „Gesundheitsministerium“ der Hamas zur Kostenübernahme der gazanischen Patienten, aber die Hamas hält sich nicht an dieses Abkommen.
Das heißt: In israelischen Krankenhäusern werden gazanische Patienten kostenlos hervorragend medizinisch behandelt und versorgt – unter anderem von Menschen, deren Liebste und Angehörige am 7. Oktober von den Angehörigen dieser palästinensischen Patienten ermordet oder als Geisel nach Gaza verschleppt wurden, was leider an ihrer ideologischen Haltung zu den Israelis überhaupt nichts ändert.“
Traurige Fußnote: Eigentlich war das Barzilay-Hospital in Ashkelon primäres Ziel der gazanischen Terroristen. Dorthin waren sie nach ihrem Grenzübertritt eigentlich hin auf den Weg. Unterwegs stießen sie zufällig auf das Nova-Festival und „nutzten die Gelegenheit“ zum Massaker, die sich ihnen bot. Ansonsten wäre das Barzilay-Hospital mit all seinen Patienten dran gewesen. Die Toten und Geiseln von Nova haben ihnen das Leben gerettet. Ein halbes Jahr später, als ich das Barzilay-Hospital besuchte und mir Dr. Moshe Schaffer, der dort als Arzt arbeitet, das alles erzählte, ist von den Zerstörungen durch die Raketenbeschüsse nichts mehr zu sehen. Mit einer unfassbaren Schnelligkeit, Profession und Organisation, die ihresgleichen sucht, haben die Israelis das beschädigte Krankenhaus wieder vollkommen hergerichtet.
Mit einer Krisenfestigkeit und -resilienz, wie sie nur Israelis zu eigen ist, wurden im Keller Luftschutzräume mit hochprofessionalisierten Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten errichtet, um auf Wiederholungen vorbereitet zu sein. Das beschämende Gefühl, welches ich hatte, als ich realisierte, wie sehr die Israelis die für sie ständig präsente lebensgefährliche Bedrohungslage als „normal“ in ihren Alltag integriert haben, lässt mich bis heute nicht los.
Der 7. Oktober 2023 markiert den Tag der schlimmsten und grausamsten Pogrome an Juden und Israelis seit dem Holocaust: Über 1.200 Menschen wurden in einer vollkommen entfesselten Mordorgie vergewaltigt, ermordet, massakriert und abgeschlachtet. 251 Menschen wurden als Geiseln nach Gaza verschleppt und 59 von ihnen sind dort bis heute den grausamen tagtäglichen Dehumanisierungen der Hamas-Terroristen sowie der Gazaner ausgesetzt. Ihre Täter machten keinen Unterschied zwischen Säuglingen, Kindern, Frauen, Männern, Alten und Kranken. Sie vergewaltigten, folterten, ermordeten, köpften und entmenschlichten jeden, den sie greifen konnten. Sie verbrannten Menschen bei lebendigem Leib und vergewaltigten auch Kinder. Jene in ihren Verstecken mussten die bestialischen Schreie ihrer Nachbarn im Todeskampf über Stunden hinweg mit anhören und werden davon nach wie vor tagtäglich bis in den Schlaf verfolgt.
Bis heute verschonen das israelische Militär und die israelische Regierung die weltweite Öffentlichkeit mit den grausamsten und unerträglichsten Bildern dieses unfassbar barbarischen Verbrechens an der Menschlichkeit – und müssen sich dafür anhören, dass die Ereignisse ja gar nicht wie geschildert vorgefallen sind, sondern dass das israelische Militär sich das alles nur ausgedacht hat, um seinen eigenen „Völkermord“ an den Gazanern zu legitimieren. Die Hamas- Terroristen, gazanischen Zivilisten – unter ihnen auch Teenager und Frauen – sowie nachweislich UNRWA-Mitarbeiter griffen in Israel jedoch keine militärischen Ziele an. Was ihren Überfall so verwerflich macht, ist, dass sie unschuldige, wehrlose Zivilisten überfielen: Unschuldige, schöne junge Menschen, die einfach nur Spaß auf einem Musikfestival haben wollten und denen das ganze Leben mit all seiner prallen Zukunft noch offenstand. Menschen aus den Kibbuzen in Grenznähe zu Gaza, welche die Palästinenser als ihre Freunde betrachteten. Vollkommen arglose Menschen, bei denen sie als Kibbuz-Mitarbeiter am Tisch saßen, denen sie Freundschaft vorgaukelten, während sie Informationen über Lage und Ausstattung der Häuser an die Hamas weitergaben, um den Überfall präzise vorbereiten zu können.
Ein Überfall, bei welchem Hamas und Gazaner ein Blutbad an unschuldigen israelischen Zivilisten anrichteten, wie es Israel und die Welt seit dem Holocaust vorher noch nie erlebt hat: Sie massakrierten in den Grenzgebieten zum Gaza-Streifen und in den Kibbuzen wahllos Säuglinge, Kinder, Frauen, Männer, Alte und Kranke. Sie vergewaltigten Frauen und Mädchen vor den Augen anderer Menschen, vor ihren Kindern und Männern. Sie amputierten gefesselten Eltern bei vollem Bewusstsein Gliedmaßen und zwangen deren ebenfalls gefesselte Kinder, dabei zuzuschauen, während sie sich selber aus deren Kühlschrank bedienten. Sie vergewaltigten Frauen und Männer, während sie...
| Erscheint lt. Verlag | 2.5.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Neuzeit (bis 1918) |
| Schlagworte | 7. Oktober 2023 Israel Angriff • Analyse Hamas-Terror • Antisemitismus erkennen • Antisemitismus erkennen lernen • Antisemitismus im 21. Jahrhundert • Buch für politisch Interessierte • Erinnerungskultur Antisemitismus • Erinnerungskultur für Erwachsene • Gesellschaftskritik jüdische Perspektive • Hamas Terrorangriff Analyse • Holocaust und Gegenwart • Israel Angriff 2023 Zeitgeschichte • Israelkritik oder Antisemitismus • Judenhass heute • Kritik an Israelkritik • Nahostkonflikt aktuelle Bücher • Neue Formen des Antisemitismus • Politische Analyse Israel Angriff • Sachbuch Lehrer jüdische Geschichte • Shoa Parallelen Hamas • Terrorismus Israel politische Reaktionen • Verantwortung übernehmen • Warum ist der Terror vom 7. Oktober so bedeutend? • Was geschah am 7. Oktober 2023? • Wer steht hinter dem Angriff auf Israel? |
| ISBN-10 | 3-8192-5316-5 / 3819253165 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-5316-4 / 9783819253164 |
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