Angenommen, es gäbe ein Wundermittel … (eBook)
168 Seiten
Carl-Auer Verlag
978-3-8497-8527-7 (ISBN)
Frederic Linßen, Dipl.-Psych.; Dozent für Systemische Beratung (SG/DGSF), lehrender Supervisor (SG), lehrender Coach (SG); Berater, Coach und Trainer für lösungsfokussierte Kommunikation; Mitbegründer und Institutsleitung des ILK in Bielefeld und Institutsleitung des IBS in Aachen; Mitinitiator der Ausbildung Systemische Psychotherapie; Erfinder der Changers-Intervention und Mitbegründer von mind-changers; seit 2001 in privater Praxis mit Schwerpunkt Coaching und Supervision.
Frederic Linßen, Dipl.-Psych.; Dozent für Systemische Beratung (SG/DGSF), lehrender Supervisor (SG), lehrender Coach (SG); Berater, Coach und Trainer für lösungsfokussierte Kommunikation; Mitbegründer und Institutsleitung des ILK in Bielefeld und Institutsleitung des IBS in Aachen; Mitinitiator der Ausbildung Systemische Psychotherapie; Erfinder der Changers-Intervention und Mitbegründer von mind-changers; seit 2001 in privater Praxis mit Schwerpunkt Coaching und Supervision.
1 Einleitung
1.1 Neulich beim Bäcker …
Vor einigen Jahren erzählte mir mein finnischer Kollege und Freund Ben Furman bei einem guten Glas Rotwein von seinem Projekt zu einer Placebo-Intervention – eines der zahlreichen Projekte, die dieser kreative Geist im Laufe der letzten Jahre entwickelt hatte. Ben experimentierte eine Zeit lang mit seinen als Suggestin benannten Placebopillen, die er in einem braunen Glasfläschchen verpackt Klient:innen1 mit einer individuell entwickelten Suggestion auf den Weg gab. Als Psychiater ausgebildet, war es ihm nicht fremd, Medizin zu verschreiben. Er kannte den Zauber, den die Rituale des Arztbesuches, der Diagnose und der Verschreibung eines Präparats mit sich brachten, und nutzte ihn gezielt für sein offenes Placebo. Leider wurde dieser vielversprechende Ansatz nicht weiterentwickelt und nicht zur Marktreife gebracht. Es blieb bei einem eher experimentell angelegten Pilotprojekt. Mich aber begeisterte seine Idee. Als lösungsfokussiert praktizierender Coach und Lehrender faszinierte mich die Idee, Klient:innen ein mit Suggestionen gespicktes, offenes(!) Placebo mitzugeben, das den begonnenen Veränderungsprozess begleiten sollte. Der Gedanke, meine Klient:innen über das Coachinggespräch hinaus mit einem Präparat zu unterstützen, das mehrere Sinne anspricht und den Coachingprozess in den Alltag hineintransportiert, ließ mich nicht los.
Wenige Wochen nach meinem Treffen mit Ben kaufte ich nach meiner sonntäglichen Joggingrunde beim Bäcker die wohlverdienten Frühstücksbrötchen. In der Auslage wurden verschiedene Backwaren feilgeboten. Neben den frisch duftenden Brötchen gab es allerlei ansprechende Torten, Kuchen und Teilchen. Aus dem Augenwinkel erspähte ich Muffins, die mit kleinen runden Oblaten belegt waren. Mein Blick streifte nur kurz dieses runde Stück Esspapier, auf dem mit Lebensmittelfarbe ein Smiley gedruckt war. »Der Nächste bitte« lenkte meinen Aufmerksamkeitsfokus auf die freundlich lächelnde Verkäuferin. Ich war an der Reihe. Ich bestellte und verließ mit frischen Brötchen im Gepäck die Bäckerei, vorfreudig auf das traute Sonntagsfrühstück mit meiner Liebsten.
Einige Tage später, in einer meiner frühmorgendlichen Wachphasen, in denen mein Körper eigentlich noch schlafen will, mein Geist aber oft schon wach und kreativ wird, fügten sich die Puzzlestücke zu einer Weiterentwicklung von Ben Furmans Suggestin-Projekt zusammen …
»Könnte man nicht Oblaten mit individuellen Zielbildern bzw. Ressourcenbildern bedrucken und Menschen in Veränderungsprozessen als ›psychologische Medizin‹, als eine Art ›Suggestivum‹ mit auf den Weg geben? Vielleicht könnte man diese Oblaten sogar in ein individuell bedrucktes Tablettenröhrchen verpacken, auf dem die spezifischen, individualisierten Ziele bzw. Wirkungen stünden?«2
Besessen davon, eine Intervention zu entwickeln, die für Coachee und Coach gleichermaßen hilfreich sein könnte, recherchierte ich in den nächsten Tagen nach Druckereien, die Esspapier bedrucken, nach medizinisch anmutenden Döschen und passenden bedruckbaren Etiketten. Ich fing an, Oblaten mit individuellen Zielbildern beschriften zu lassen, Dosenetiketten mit meinen Coachees individuell zu erarbeiten und in meiner Praxis auszudrucken. Ich wurde mutiger und setzte bald bei den meisten Veränderungsprozessen, die ich begleiten durfte, früher oder später meine Changers ein. Die meist positiven Reaktionen der Klient:innen in den Sitzungen, in denen wir ihr individualisiertes Präparat entwickelten, und die Berichte über den Nutzen durch die Einnahme, bestärkten mich, weiterzumachen. Ich sammelte immer mehr Erfahrungen mit unterschiedlichsten Klient:innen mit verschiedensten Themen, Problemen und Störungsbildern. Ich fing an, Kolleg:innen davon zu berichten, und erntete sowohl reges Interesse als auch unverständige Blicke. Ab Ende 2020 begann ich, Teilnehmenden in meinen Weiterbildungen und Online-Kursen von der Changers-Intervention zu berichten und sie in Livedemonstrationen vorzustellen. Im darauffolgenden Jahr gründeten mein damaliger Partner Andreas und ich die Firma mind-changers, entwickelten das Produkt weiter und erstellten die Website www.mind-changers.de, auf der seitdem Coachs, Therapeut:innen und Endkund:innen Changers bestellen können. Inzwischen ist die erste Wirksamkeitsstudie abgeschlossen und ich habe begonnen, auf Konferenzen und Kongressen Kolleg:innen darin zu schulen, diese neuartige Intervention einzusetzen.
Mit dem vorliegenden Buch möchte ich
-
meine praktischen Erfahrungen teilen,
-
die der Intervention zugrunde liegenden Wirkprinzipien erklären,
-
einen Leitfaden zur Anwendung mitgeben,
-
typische Anwendungsfragen beantworten und
-
den Stand der Forschung berichten.
Ich habe versucht, dieses Buch in einer sinnvollen Reihenfolge aufzubauen. Wenn du3 aber interessiert bist, gleich zu einem anderen Kapitel zu springen, bist du eingeladen, dies zu tun. Dennoch empfehle ich, dieses Buch vollständig zu lesen, da sich durch die Lektüre nur einzelner Kapitel nicht ein Gesamtverständnis der Möglichkeiten, Risiken und positiven Nebenwirkungen der Changers-Intervention erschließt.
1.2 Erkenntnis allein reicht nicht
Die Erkenntnisse, die Menschen in therapeutischen oder Coachingprozessen über sich, ihr Werden, über ihre heutigen intrapsychischen Problemmuster und interpersonellen Beziehungsdynamiken erlangen, können ein wichtiger Startpunkt sein. Sie können sinnstiftend und klärend wirken. Das Verstehen und die gewonnenen Erkenntnisse über sich können ein Teil der Veränderung, der »Heilung« sein. Aus diesen Reflexionen und Analysen von Problemen können Ideen zu Zielen und Veränderungen entwickelt werden.
Erkenntnisse und konstruktive Veränderungsideen, die, unabhängig von einer eingehenden Problemanalyse, eher lösungsorientiert auf der Basis von Wünschen, Zielen, Ressourcen und »guten Momenten« entwickelt werden können, sind meist ein wichtiger Bestandteil des Wandels.
Doch woraus auch immer sich Ideen für Ziele und Impulse für Veränderung speisen – aus Problem-, Ziel- oder Ressourcenanalyse –, oft reichen sie nicht aus, um nachhaltige Veränderungen zu gestalten.
Auch ohne professionelle Hilfe wissen viele Menschen oft schon, was eigentlich gut für sie wäre. Auf die Frage »Was müsste sich ändern, was müssten Sie denken, fühlen oder tun können, damit sich etwas ändert/verbessert?« haben die meisten Menschen Antworten:
-
Ich sollte meine eigenen Grenzen besser wahrnehmen, wahren und für mich einstehen.
-
Ich müsste mutig sein, rausgehen und mal neue Menschen ansprechen.
-
Ich könnte mich gesünder ernähren und mehr bewegen.
-
Ich müsste dreimal tief ein- und ausatmen, bevor ich meinem Kollegen antworte.
-
Ich sollte mit meinen Kindern ruhig und klar sprechen, wenn die Situation mal wieder zu eskalieren droht.
-
Ich könnte mich daran erinnern, dass mir jetzt, heute nichts mehr passieren kann und alles gut ist.
Was braucht es, damit wir es tun, damit wir die guten Dinge, die wir bereits wissen oder mit professioneller Hilfe entwickelt haben, wirklich umsetzen?
Das Wissen über eine Problem- sowie Lösungssituation allein reicht allerdings nur selten aus, um die Veränderung in den Alltag zu bringen und dauerhaft neue Muster aufzubauen.
Die Changers schließen die Lücke zwischen Erkenntnis und Umsetzung. Sie helfen nicht nur zu klären, sondern auch umzusetzen, was wir bereits wissen. Sie bieten Unterstützung, uns bewusst und unbewusst auszurichten und zu steuern. Sie helfen uns dabei, uns im Alltag emotional, gedanklich und verhaltensmäßig auf unser Ziel zu fokussieren, uns daran zu erinnern, wohin die Reise gehen soll, und auf dem Weg zu bleiben.
1.3 Eine Wunderpille?
Absurd!
Beim Wort »Wunderpille« schießen einem vermutlich gleich mehrere Fragen durch den Kopf:
-
Ist das ethisch vertretbar?
-
Verspreche ich meinen Klient:innen nicht zu viel?
-
Darf ein offenes Placebo überhaupt anwenden, wenn ich nicht Mediziner:in bin?
-
Reicht eine »Pille« überhaupt zur Lösung dieser komplexen Problemlage aus?
-
Und was, wenn nicht?
-
Möchte ich der Klientin suggerieren, sie brauche etwas von außen, während ich überzeugt bin, dass sie alle Ressourcen in sich trägt?
Absurd?
Vielleicht ist das gemeinsame Entwickeln eines bald materialisierten Wunderpräparats nicht weniger absurd, als eine Klientin zwanzig Minuten und mehr explorieren zu lassen, was sich alles verändern würde, wenn über Nacht ein Wunder geschähe.
In meiner über zwanzigjährigen Praxis und Lehre in lösungsfokussierter Kommunikation in den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern, von Psychotherapie über Beratung zu Coaching und Supervision, haben mich immer wieder zwei Fragen...
| Erscheint lt. Verlag | 29.4.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Reden reicht nicht!? |
| Verlagsort | Heidelberg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften |
| Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
| Schlagworte | Alltagshilfe • Autosuggestion • changers • Coaching • Coachingmethode • hypno • hypnotherapeutisch • Hypnotherapeutische Prinzipien • Impact-Intervention • Individuelle Zielbilder • Lösungsfokussiert • Lösungsfokussierte Ansätze • Lösungsorientiert • Nachhaltige Veränderung • Offene Placebos • Placeboforschung • Praxisanleitung • Psychologie • systemisch • Therapieunterstützung • Verhaltensänderung • Wirksamkeitssteigerung |
| ISBN-10 | 3-8497-8527-0 / 3849785270 |
| ISBN-13 | 978-3-8497-8527-7 / 9783849785277 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich