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Anderen wichtig sein (eBook)

Eine Philosophie des Lebenssinns | »Ein unzeitgemäßes und eben darum so wichtiges Buch.« Jonas Lüscher

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
346 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-78372-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Anderen wichtig sein - Michael Zichy
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Was ist der Sinn des Lebens? Seit Jahrtausenden stellen sich Menschen diese Frage, und doch hat sie in wissenschaftlichen Kreisen keinen sonderlich guten Ruf: zu schwierig und zu subjektiv sei sie, zu beliebig und unseriös, aber vor allem: unbeantwortbar. In seinem ebenso grundlegenden wie zugänglichen Buch zeigt der Philosoph Michael Zichy, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Frage nach dem Lebenssinn hat neben ihrer persönlich-existenziellen nämlich eine eminent politisch-gesellschaftliche Dimension, die bislang unbeachtet geblieben ist. Das verleiht ihr große Aktualität und Dringlichkeit. Und sie lässt auch eine klare Antwort zu!

In sorgfältiger Auseinandersetzung mit der Tradition entwickelt Zichy einen originellen neuen Ansatz, der der existenziellen Tiefe der Sinnfrage gerecht wird und ihre politische Tragweite deutlich macht. Am Ende, so sein präziser und mit viel Feingefühl argumentierter Vorschlag, geht es im Leben darum, aus den richtigen Gründen und um seiner selbst willen anderen wichtig zu sein. Diese Einsicht hat Folgen für unser Zusammenleben.



Michael Zichy, geboren 1975, ist ein österreichisch-ungarischer Philosoph. Nach Stationen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der New School for Social Research in New York und der Universität Salzburg ist er heute Professor für Philosophische Grundfragen der Theologie und Sozialphilosophie an der Universität Bonn. Für seine Forschungen wurde er u. a. mit dem Kardinal-Innitzer-Förderungspreis für Geisteswissenschaften und dem Kurt-Zopf-Förderpreis ausgezeichnet.

10

Einleitung


An »jeder beliebigen Straßenecke«, so heißt es, könne sie einen anspringen, die Frage aller Fragen, jederzeit könne sie einen unvermittelt überkommen und dann in schwere existenzielle Nöte, ja an den Rand des Selbstmordes bringen.1 Und wenn sie sich einem nicht stelle? Dann habe man sie nur gut verdrängt, denn im Grunde sei sie unausweichlich, ein jeder, eine jede mit ihr konfrontiert. Wer sich nicht mit ihr auseinandersetze, laufe seinem Leben nur davon – und damit Gefahr, es zu verfehlen. Gut tue daher, wer sich ihr stelle, auch wenn es schmerze.

Die Frage aller Fragen, das ist die nach dem Sinn des Lebens. Doch so schwer und existenziell dringlich sie auch daherkommen mag, einen guten Ruf hat sie nicht. Schon im Alltag riskiert, wer sie aufzuwerfen wagt, skeptische bis erstaunte Blicke, spöttisches Lächeln oder gar nur blankes Unverständnis. Als zu intim, aber auch als zu verstiegen gilt dieses Thema, als dass es öffentlich besprochen werden könnte; im Grunde ist man peinlich berührt davon. Allenfalls unter Vertrauten zu später Stunde (und nach ein paar Gläsern Wein) lässt es sich so einigermaßen – meist unergiebig – diskutieren.

In der Philosophie hat die Frage – obwohl sie gemeinhin als die philosophische Frage schlechthin gilt – einen nicht minder schweren Stand. Sie sei eher etwas für schwärmerische denn für wissenschaftliche Naturen, sperre sich der rationalen Durchdringung, lasse nur willkürliche subjektive oder religiöse Antworten zu und sei im Zeitalter des Pluralismus ohnehin nicht beantwortbar; möglicherweise – so das langgehegte Vorurteil im Fahrwasser des logischen Empirismus – sei sie überhaupt gänzlich sinnlos.2 Kein Wunder 11also, dass die Frage in der akademischen Philosophie eine Randexistenz führt. Wer sich mit ihr beschäftigt, droht, das Feld der »seriösen« Philosophie zu verlassen und in den Dunstkreis verstaubter Dogmatik, überholter, gar religiös geprägter Metaphysik, philosophisch verbrämter Lebensratgeberliteratur oder waschechter Esoterik zu geraten. In einer wissenschaftlich angelegten Philosophie, so eine verbreitete Meinung, habe die Frage nichts verloren.3

Noch nicht einmal auf eine ehrwürdige Geschichte kann sie zurückblicken, die Frage. Anders als die Frage nach dem guten Leben, die im Abendland bis in die vorsokratischen Ursprünge der Philosophie zurückreicht, taucht die Frage nach dem Sinn des Lebens erst im späten 18. Jahrhundert auf. So erstaunlich dies auf den ersten Blick erscheinen mag, so verständlich ist es auf den zweiten: Solange unzweifelhaft klar ist, dass es eine metaphysische Ordnung mit Gott an ihrer Spitze gibt, ist auch klar, dass sich der Mensch und alles, was sonst noch existiert, von dieser Größe her bestimmt und ihren Sinn von ihr bezieht. Solange Gott gewiss ist, stellte sich die Frage nach dem Sinn des Lebens schlicht nicht, weil sie von vornherein beantwortet ist. Was sich stellt, sind allenfalls regionale, begrenzte Sinnfragen, darunter vor allem die nach Sinn und Zweck des Leids.

Auf diese erste Etappe, in der die Frage einfach eine Nicht-Frage ist, folgt die zweite Etappe, die mit dem kulturgeschichtlichen Moment anbricht, in dem der Gottesglaube brüchig wird, er seine unhinterfragte Selbstverständlichkeit verliert. Es sind vor allem die frühen Romantiker – Novalis, Friedrich Schleiermacher, Friedrich Schlegel –, denen im Nachhall der kritischen Erschütterungen Immanuel Kants und angesichts eines rational nicht mehr einholbaren Gottes die Frage nach dem »Sinn«, dem »Zweck«, dem »Wert des Lebens« oder, in idealistischer Variante, nach der »Be12stimmung des Menschen« (Johann Gottlieb Fichte) entsteht.4 Dies ist auch der Moment, in dem sich die Frage nach dem Sinn des Leids von einer anklagenden Anfrage an Gott zu einer Anfrage an die Existenz Gottes ausweitet. »Die einzige Entschuldigung für Gott ist, dass es ihn nicht gibt«, so ein Stendhal zugeschriebenes Bonmot, um das ihn Nietzsche beneidete.5 Dass ein gottloses Universum möglicherweise auch ein irrationales und in seiner Irrationalität gänzlich sinnloses Universum ist, in dem der Mensch ganz auf sich selbst zurückgeworfen ist, geht dann erst Arthur Schopenhauer und vor allem Friedrich Nietzsche auf, bei denen die Sinnfrage in all ihrer existenziellen Dramatik hervorbricht. Seither ist die Sinnfrage ein zwar stets randständiges, aber immer wieder aufflackerndes Thema der Philosophie und einer philosophieaffinen Literatur, das in den 1930er Jahren einen lebensphilosophischen und in den 1960er Jahren einen existenzialistischen Höhepunkt erreicht.6 So unterschiedlich die Entwürfe im Einzelnen sind, so ist ihnen doch gemeinsam, dass sie vor dem Hintergrund der fraglichen oder für unmöglich gehaltenen Existenz Gottes Antworten auf die Sinnfrage zu entwickeln versuchen. Sie stellen ein Ringen mit der metaphysischen Unbehaustheit des Menschen dar.

In dem Maße, in dem sich die Menschheit entgegen allen Erwartungen doch in der metaphysischen Unbehaustheit heimisch zu fühlen beginnt, die Fraglichkeit Gottes nicht länger als Verlust, ein sinnloses Universum nicht länger als ein Skandalon empfunden werden, bricht die dritte Etappe in der Geschichte der Sinnfrage an: die des nachmetaphysischen Fragens nach dem Lebenssinn. Sich in manchen Invektiven der logischen Empiristen gegen die Sinnfrage schon ankündigend, wird spätestens ab den 2010er Jahren die metaphysische Frage nach dem Sinn des Lebens von 13der ethischen Frage nach dem Sinn im Leben abgelöst. Statt in der Transzendenz wird der Sinn nun in der Immanenz gesucht. Und so lässt sich seit einigen Jahren eine gewisse, wenn auch zaghafte Wiederkehr der Sinnfrage in der akademischen Philosophie beobachten. Zum einen ist dies eine Spätfolge sowohl der Rückkehr genuin praktisch-ethischer Fragen in das Zentrum der Philosophie seit den ausgehenden 1970er Jahren nach dem Scheitern des Programms des logischen Empirismus, der Wertfragen ja generell für unwissenschaftlich hielt,7 als auch der Renaissance der philosophischen Anthropologie, die in dieselbe Zeit fällt.8 Zum anderen ist das neuerwachte Interesse der Philosophie wohl auch eine Folge der Tatsache, dass sich die Psychologie für den Sinn des Lebens zu interessieren und ihn empirisch zu untersuchen beginnt.9 Auffällig ist, dass sich diese »kleine Renaissance der Sinnfrage«10 vornehmlich bei analytisch geprägten Autorinnen und Autoren aus dem angelsächsischen Raum zeigt. Am bekanntesten darunter sind sicherlich die Tanner Lectures von Susan Wolf, die 2010 unter dem Titel Meaning in Life and Why It Matters veröffentlicht wurden,11 sowie die Arbeiten von Thaddeus Metz, insbesondere seine 2013 erschienene Monographie Meaning in Life.12 Seither hat sich das Thema einen festen Platz in der analytisch geprägten Philosophie erkämpft, was sich an der enorm gestiegenen Zahl der Publikationen, dem immer höher werdenden Differenzierungsgrad der Debatte sowie daran zeigt, dass es mittlerweile Einführungen und ein Handbuch zur Thematik gibt.13 Im deutschen Sprachraum hat dieses neue Interesse inzwischen ebenfalls seine Spuren hinterlassen.14

Leider steht, wie bei der Herangehensweise der analytischen Philosophie nicht selten, der Aufwand in einem eher zweifelhaften Verhältnis zum Ertrag: Die Analysen sind aus14ufernd, der Differenzierungsgrad beträchtlich, die eingeführten Unterscheidungen ebenso zahllos wie feingliedrig, die Argumente gefinkelt und sehr subtil. Allein, man wird nicht recht viel schlauer, die eigentliche Frage, so scheint es oft, geht irgendwie unter. Von der existenziellen Dimension des Themas losgelöst ist die Diskussion verstrickt in hochabstrakte und hochtheoretische Analysen vorgelagerter und randständiger Fragen und bisweilen absurd anmutender Gedankenexperimente, deren Bedeutung sich nur noch philosophisch Eingeweihten erschließt, ganz so, als sei das Thema bloß ein weiteres Übungsfeld für die – in verbissenem Ernst geübte – theoretische Akrobatik. Ob die Analyse dem Phänomen, also dem, was wir im Alltag unscharf unter dem Sinn des Lebens verstehen oder vielmehr erspüren, überhaupt gerecht zu werden vermag, hat demgegenüber offenbar nur nachrangige Bedeutung. Es genügt der Diskussion, das Phänomen auf einige künstliche, holzschnittartige...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Ethik
Schlagworte aktuelles Buch • Bedeutung • Bücher Neuerscheinung • Existenzielle Fragen • Lebensfragen • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Philosophie • Sinn des Lebens • Sinnsuche • Teilhabe • Tradition • Werte • Zusammenleben
ISBN-10 3-518-78372-6 / 3518783726
ISBN-13 978-3-518-78372-6 / 9783518783726
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