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Der Klang der Monarchie (eBook)

Eine musikalische Geschichte des Habsburgerreichs | Inklusive dreimonatigem kostenlosen Zugriff auf die Musik-Streaming-Plattform Idagio

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
576 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-78352-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Klang der Monarchie - Philipp Ther
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Die multinationale k.u.k. Monarchie stieg seit dem späten 18. Jahrhundert im Konzert der Großmächte unaufhaltsam ab und stand intern vor tiefen Zerreißproben. Doch die Habsburger rappelten sich immer wieder auf, überstanden Napoleon, einen Staatsbankrott, die Revolution von 1848 sowie die Niederlagen gegen Italien und Preußen. Haydn, Mozart und Beethoven hielten das weite Reich ebenso zusammen wie seine Walzerkönige, Operettenfürsten und Militärkapellmeister. Der »Habsburg-Pop« erreichte die Massen und wurde zu einem globalen Exportartikel. Das Habsburgerreich hummte und summte, sang und tanzte, wirbelte und trommelte und ging erst unter, als seine musikalischen Mittel im Großen Krieg versagten.

Musik ist ein Motor der Geschichte, und Philipp Ther nutzt sie als historische Quelle. Der »sozialhistorische Prosakünstler« (Gustav Seibt) blickt auf das enge Verhältnis von Macht und Musik und zeigt, wie Walzer, Polka und die Vorläufer des Austro-Pop den Staat zusammenhielten. Die Habsburgermonarchie, so Ther in seinem beschwingten, berührenden und am Ende tragischen Buch, mag 1918 untergegangen sein, doch das Reich der Musik lebt weiter.

Kooperation mit der Musik-Streaming-Plattform Idagio: Per QR-Code drei Monate kostenloser Zugriff auf die behandelten Musikbeispiele, inklusive erstmals eingespielter Stücke.



<p>Philipp Ther, geboren 1967, ist ein deutscher Sozial- und Kulturhistoriker. Nach Stationen u. a. an der FU Berlin, der Viadrina in Frankfurt/Oder, an der Harvard University und am European University Institute in Florenz ist er seit 2010 Professor am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien. Seine Bücher <em>Die dunkle Seite der Nationalstaaten. »Ethnische Säuberungen« im modernen Europa</em> (2011), <em>Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa</em> (2014) und <em>Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa</em> (2017) wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, <em>Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent</em> u. a. mit dem Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse 2015. 2019 erhielt Philipp Ther den Wittgenstein-Preis, den höchstdotierten Wissenschaftspreis Österreichs.</p>

7

Präludium


Ein Reich der Musik

Johann Strauss Vater, »Radetzky-Marsch« (op. 228); Joseph Haydn, »Kaiserlied« (Hob. XXVIa:43)

https://www.suhrkamp.de/qr/43246_01_004_Ther_Inhalt_abb060Ta-ta-taa, ta-ta-taa, ta-ta-tat-tat-tamm, ta-ta-taa, ta-ta-taa, ta-ta-tat-tat-tamm – so beginnt eine der bekanntesten Melodien der Welt, die alljährlich den Goldenen Saal des Wiener Musikvereins zum Beben bringt. Das meist schon silbergraue Publikum des Neujahrskonzerts klatscht den Rhythmus begeistert mit. Die Musik zaubert vielen Zuschauerinnen und Zuschauern ein Lächeln ins Gesicht, und zu Hause vor den Fernsehgeräten wippen Zigtausende Füße mit. Der »Radetzky-Marsch« , inoffizielle österreichische Nationalhymne, klingendes, schwingendes, fast tanzbares Symbol der 1918 untergegangenen Habsburgermonarchie.[1] 

Am 27. Juni 1866 hatte der Marsch aller Märsche eine ganz andere Funktion: An diesem Tag stürmten 4787 österreichische Soldaten zum Sound von Strauss Vater in den Tod oder blieben schwer verletzt auf dem Schlachtfeld liegen. Die preußische Armee war am Vortag in Böhmen eingefallen und hatte damit den Deutschen Krieg begonnen. In der Schlacht von Trautenau stellten sich vier österreichische Brigaden mit 25000 Mann den Feinden aus dem Norden entgegen. Angetrieben von einer Militärkapelle, wie ein Offizier berichtete:

8Die Musik unseres Regimentes marschierte auf den Höhen zwischen den feuernden österreichischen Batterien auf und intonierte den Radetzky-Marsch. Die Officiere traten, wie es nach uralter österreichischer Sitte beim Sturme üblich war, vor die Front und an die Flügel ihrer Compagnien, und mit flatternden Fahnen, unter stürmischen Éljen-Rufen setzten sich die österreichischen Sturmsäulen in Bewegung.1

Der ungarische Schlachtruf »Éljen« heißt so viel wie »Heil«, was angesichts des Unheils der Gefallenen und Versehrten etwas makaber klingt. In der Einheit des Augen- und Ohrenzeugen dienten überwiegend ungarische Soldaten – ein Beleg für die multinationale Zusammensetzung des kakanischen Militärs. Sie kämpften tapfer, trotz der gewaltsamen Niederschlagung der Revolution in den Jahren 1848 und 1849, an die sich noch viele erinnerten. Die k.k. Armee zwang die Preußen zum Rückzug nach Schlesien. Trautenau, die Heimatstadt meiner böhmischen Großmutter, war befreit.

Der schwer erkämpfte Sieg forderte jedoch einen hohen Blutzoll. Die habsburgische Armee verlor in der ersten großen Schlacht des Deutschen Krieges (dessen großdeutsche Bezeichnung die Opfer der anderen Nationalitäten unterschlägt) fast viermal so viele Soldaten wie der Feind. Das lag an den preußischen Zündnadelgewehren, die sich schneller laden ließen, deren Kugeln weiter flogen und häufiger trafen.

9Abb. 1: Die Schlacht von Trautenau im Jahr 1866; Gemälde (1906) im Heimatmuseum von Trutnov

Der Maler des übergroßen Schlachtenbildes, das im Museum von Trautenau hängt, überging die vielen Gefallenen. Nur der tote Trommler erinnert an den Schrecken der Schlacht und symbolisiert die heroische Rolle der Musiker, die sich für ihr Vaterland, die Habsburgermonarchie aufopferten. Eine Woche später entschieden die moderne Waffentechnik und nicht die Militärmusik die Schlacht von Königgrätz. Dort flohen die kakanischen Soldaten derart hastig vor dem Kugelhagel, dass die Preußen sogar einen Paukenwagen erbeuteten. Sie präsentierten das Gefährt dann auf ihrer Siegesparade voller Spott als Kriegstrophäe.

Hier der aufstrebende Industriestaat mit seinen modernen Waffen, dort die rückständige Habsburgermonarchie, die mit Mitteln von anno dazumal kämpfte: Dieses Bild eines überholten, dem Untergang geweihten Staatsgebildes sollte die Historiographie im gesamten 20. Jahrhundert prägen. Demnach hatte das multinationale Reich keine Chance gegen die Nationalismen und Nationalstaaten, es musste auf der Strecke bleiben. Alt gegen neu, imperial gegen national, Autokratie gegen Demokratie – so lautete die dialektische Fortschrittserzählung marxistischer und national-liberaler Historiker.

Der Zerfall der Habsburgermonarchie im Jahr 1918 bleibt ein Faktum. Doch man soll die Geschichte nicht zu sehr von diesem Ende her denken. Gut einhundert Jahre später wirkt das Habsburgerreich lebendiger denn je. Wien hegt und pflegt seine imperiale Kulisse, auch in Budapest rühmen die Stadtführer das habsburgische Erbe. Prag huldigt Maria Theresia mit einem neuen, eleganten Denkmal; im rumänischen Temeswar oder im ukrainischen Czernowitz ist eh alles Habsburg. Die meisten Reiche verblassen mit wachsendem Zeitabstand, die Habsburgermonarchie erstrahlt in einem warmen Licht. Worauf beruht diese Faszination mit einem Staat, der lange Zeit als reaktionär galt? In der Zeit des Kalten Krieges und des Staatssozialismus gab es darauf eine einfache Antwort: Es kam nichts Besseres nach.

Das änderte sich mit dem Umbruch von 1989 und der Erweiterung der Europäischen Union, die eine politische Renaissance des Habsburgerreiches mit sich brachten. Fast alle Nachfolgestaaten sind in der EU wiedervereint, nur die Ukraine mit dem habsburgischen Ostgalizien 10und der nördlichen Bukowina sowie die seit 1920 zu Serbien gehörende Vojvodina fehlen noch. Auch in Westeuropa wird das alte Österreich immer öfter als Vorbild für einen multinationalen Staat genannt, der einen Ausgleich zwischen seinen Völkern und eine einzigartige kulturelle Blüte ermöglichte.2 Die Vergleiche zwischen der EU und dem Habsburgerreich hinken indessen, denn die Europäische Union ist kein Staat und erst recht kein Imperium. Brüssel verfügt über keine eigene Armee, seine Verwaltung ist in den Mitgliedstaaten kaum präsent, und an der Spitze Europas steht kein Kaiser.

Habsburg-Nostalgiker denken dabei gern an Franz Joseph, der bereits zu Lebzeiten als »lieber, guter, alter Herr von Schönbrunn« verklärt wurde. Diese Refrain-Zeilen dachten sich der jüdische Kabarettist Fritz Grünbaum und der Operettenkomponist Ralph Benatzky für ihr kriegslüsternes Singspiel Anno 14 aus. Das ist eines der gut zweihundert musikalischen Werke, die ich für dieses Vertonte Buch herangezogen habe. Selbstverständlich muss man diese für Historiker ungewohnten Quellen ebenso kritisch betrachten wie die verhängnisvolle Kriegserklärung des Kaisers an Serbien am 28. Juli 1914. Auch in jungen Jahren war Franz Joseph gar nicht lieb und gut. Er ließ die Revolution von 1848/49 blutig niederschlagen und regierte anschließend, so lang es ging, autokratisch. Nach der Niederlage gegen Preußen schwenkte er um, genehmigte 1867 die Dezemberverfassung, baute den Rechtsstaat aus und demokratisierte mit der großen Wahlrechtsreform von 1906 das politische System. Das war einmalig unter den kontinentalen Reichen Europas und beweist die Fähigkeit der Habsburgermonarchie zu Reformen. Die Wirtschaft lief ebenfalls besser als in den meisten europäischen Ländern und wuchs in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts überdurchschnittlich stark. Davon zeugen die zahlreichen Prachtbauten an der Wiener Ringstraße und in anderen Großstädten des weiten Reiches.

Die alte Frage nach den Ursachen des Zerfalls ist daher einem neuen Interesse gewichen: Was hat das Habsburgerreich so lange zusammengehalten? Wie bei allen großen Imperien liegen einige Antworten auf der Hand: seine Herrscher und somit die Habsburger, das Militär und die schiere Macht der Tradition. Ich gebe in diesem Buch eine 11andere Antwort, ohne die vorherigen Erklärungen zu ignorieren: Die Habsburgermonarchie war ein Reich der Musik. Die dort entstandenen Symphonien, Opern, Tondichtungen, Walzer, Polkas und Militärmärsche trugen wesentlich dazu bei, die heterogenen Kronländer zu integrieren. Das war auch notwendig, denn die Habsburger hatten die meisten von ihnen durch Heirats- und Erbverträge erworben. Vor allem Ungarn und Böhmen konnten einen Teil ihrer Autonomie bewahren und leisteten Widerstand gegen jegliche Zentralisierung. Die Kultur im Allgemeinen und die Musik im Speziellen waren Instrumente in den Konflikten um die Macht und hatten daher stets eine besondere Bedeutung.

Im Lauf des 19. Jahrhunderts half die...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
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ISBN-10 3-518-78352-1 / 3518783521
ISBN-13 978-3-518-78352-8 / 9783518783528
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