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Mut tut gut. Warum wir unseren Kindern mehr zutrauen können (eBook)

Wie es Eltern gelingt, sich vom Erwartungsdruck zu befreien | Für Leserinnen und Leser von Philippa Perry, Nora Imlau, Jonathan Haidt
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
272 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
9783749908363 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mut tut gut. Warum wir unseren Kindern mehr zutrauen können - Maria M. Bellinger, Norbert F. Schneider
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Immer besser, immer gestresster? Die Herausforderung moderner Elternschaft


Warum stehen Eltern und Kinder heute so unter Druck, warum ist Familie so kompliziert und herausfordernd geworden?

Eltern wollen die Entwicklung ihrer Kinder möglichst optimal unterstützen und bei der Erziehung keine Fehler machen. Die gegenwärtige Tendenz, Kindern möglichst viel abzunehmen, um sie vor den Gefahren der Welt zu bewahren, führt dazu, dass Kinder nicht lernen, Verantwortung zu übernehmen, und deutlich unter ihren Möglichkeiten bleiben - die Bedürfnisse der Erwachsenen bleiben dabei oft auf der Strecke.

Kinder sind viel robuster, als wir sie heute sein lassen. Fundiert erläutern die Autoren nicht nur die vielschichtigen Gründe für unsere Kultur der Überbehütung, sondern auch, wie es uns gelingt, sich aus ihr zu lösen.



<p><span>MARIA M. BELLINGER ist promovierte Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Nach 20 Jahren klinischer Tätigkeit leitete sie bis 2025 die Psychosoziale Beratungsstelle eines Bundesministeriums. Sie schreibt Fachliteratur an der Schnittstelle von Gesundheit, Arbeit und Familie. Als Senior Coach (DBVC) unterstützt sie Führungskräfte, Teams und Organisationen in ihrer Entwicklung<span>.<span/></span></span></p>

1
Familie


Ein Drahtseilakt

Idyll und Konflikt. Über das Wesen von Familie


»Familie ist Liebe und immer mal wieder ein bisschen Ärger«, antwortet ein Zehnjähriger auf unsere entsprechende Frage. Knapper ist das Wesen der Familie kaum auf den Punkt zu bringen. Familie ist ein Sehnsuchtsort, kann aber auch sehr belastend sein. Familie kann freudvoll, wohltuend, aber auch schmerzvoll und sehr anstrengend sein. Das ist nicht neu, das war schon immer so.

Jede und jeder kennt es, viele haben es am eigenen Leib erfahren: Die Ambivalenz der Familienbeziehungen. Liebe, Harmonie, Zugehörigkeit, Geborgenheit und Lebenssinn sind ebenso Teil von Familie wie Ärger, Eifersucht, Konflikt, Gewalt oder gar Misshandlung. Die negativen Seiten werden in den Klischees von Familie gerne ausgeblendet.

Familien haben eine Geschichte und ein Gedächtnis. Ein Gedächtnis, weil sie Schicksalsschläge, Verletzungen, Freuden und Glücksfälle in einer Art kollektiver Familiengeschichte speichern; einer Geschichte, die auf die Familienbeziehungen einwirkt und die Eigenarten der Familienmitglieder prägt.

Familien haben Perspektiven. Familienleben findet in der Gegenwart statt, ist aber häufig auch zukunftsorientiert. Gemeinsame Vorhaben wie Hausbau, Schulabschluss der Kinder, beruflicher Aufstieg der Eltern oder Urlaubspläne machen Familien aus. Perspektiven halten Familien lebendig.

Familie. Wer gehört da eigentlich dazu? Auf diese Frage können die meisten Menschen eine, ihre, Antwort geben. »Mama, ihr neuer Freund, meine Oma, unser Hund und ich«, sagt uns ein achtjähriger Junge zum Beispiel, und eine 14-Jährige antwortet: »Mein älterer Bruder, seine Frau und ich.« Viele sagen einfach: Vater-Mutter-Kind. Familie entsteht und besteht, wo Menschen zusammenleben und wirtschaften, füreinander sorgen, sich verbunden fühlen, gemeinsam Zeit verbringen und ihren Alltag gestalten. Familie findet auch dort statt, wo Menschen täglich aneinander leiden und sich verletzen. Familie ist, was Menschen daraus machen. Familie ist aber auch, das Wort klingt altertümlich, Blutsverwandtschaft. Ihr entkommt man nicht, auch wenn man sich nicht mag, nicht zusammenlebt und sich nicht versteht. Das Familienrecht schweißt Familie zusammen, ob der Einzelne das möchte oder nicht.

Familie. Bei diesem Thema prallen romantische Vorstellungen und nüchterne Realität aufeinander. Das Idealbild eines perfekten Familienlebens trifft auf einen Alltag, der sich oftmals als stressig, belastend und konflikthaft darstellt.

»Familien sind Eltern-Kind-Gemeinschaften«, sagt die amtliche Statistik. Familien sind hier also stets Haushaltsgemeinschaften, unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind, ob sie das gleiche Geschlecht haben oder nicht oder ob sie alleinerziehend sind. Wohnen Menschen, die sich als Familie verstehen, aus welchen Gründen auch immer, nicht zusammen, gelten sie statistisch nicht als Familien. Die statistische Annäherung ist daher nicht so richtig lebensnah, denn so manche Familie lebt in mehr als einem Haushalt, etwa wenn das erwachsene Kind zum Studium ausgezogen ist. Amtlich handelt es sich dann um ein kinderloses Ehepaar und einen Ein-Personen-Haushalt. Im richtigen Leben verstehen sie sich weiterhin als Familie – weil sie sich zusammengehörig fühlen, solidarisch verbunden sind und wechselseitig Verantwortung füreinander übernehmen. Aus rechtlicher Sicht können Familien durchaus in unterschiedlichen Haushalten wohnen.

»Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung«, besagt Art. 6, Abs. 1 des Grundgesetzes. Bis in die 1990er-Jahre war Ehe eine Grundvoraussetzung für Familie, nichteheliche Lebensformen mit Kindern galten nicht als Familie. Heute gilt das »Diskriminierungsverbot« der Ehe, sie darf gegenüber anderen Lebensformen nicht schlechter gestellt werden, aber andere Lebensformen können ihr (nahezu) gleichgestellt sein. Die gesetzliche Antwort auf die Frage ›Was ist Familie‹ ist von besonderer Bedeutung, weil sie regelt, welche Lebensformen als schutz- und förderungswürdig gelten und welche nicht.

Ist Familie etwas Natürliches, Biologisches, eine Art Konstante der menschlichen Zivilisation? Oder gar eine Stiftung Gottes? Die sozialhistorische Perspektive sagt hier ganz klar: Jein! Familie hat biologische Grundlagen, lässt sich darauf aber nicht reduzieren. Vielmehr können wir uns Familie als ein kulturelles Konstrukt vorstellen, gekennzeichnet durch Wandlungsfähigkeit und Formenvielfalt. Zugespitzt: Jede Kultur, jede Zeit und jede Gesellschaft bringen die Grundformen von Familie hervor, die zu ihnen passen. Die Menschen gestalten in den jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen ihre eigene Familie so, wie sie es für richtig erachten. Oder, etwas pessimistischer, wie sie aufgrund ihrer Lebensumstände gezwungen werden, Familie zu organisieren.

Familie. Nichts ist selbstverständlich. Variationen von Familie über die Kulturen hinweg sind nahezu grenzenlos. Was aus unserer heutigen westlichen Kulturperspektive als unverbrüchlich für Familie erscheinen mag, etwa dass Ehen monogam sind, verliert schon bei einem kurzen Blick über die Grenzen seine Eindeutigkeit. Derzeit gelten weltweit in über vierzig Ländern polygame Eheverfassungen. In manchen außereuropäischen Kulturen ist es nicht ungewöhnlich, dass der Bruder oder die Schwester als Sexualpartner einspringen, wenn ein Ehepaar ungewollt kinderlos bleibt. Solche Beispiele zeigen: Fast alles ist möglich. Familie ist formbar wie ungebrannter Ton, bis sie Gestalt annimmt in den Brennöfen der Kulturen.

Als kulturelle Leitidee unterliegt Familie einem steten Wandel. Aber auch jede einzelne Familie verändert sich permanent. Familienphasen beginnen und enden, etwa wenn ein Kind geboren wird, ein Familienmitglied verstirbt, sich die Partner trennen oder ein Kind auszieht. Auch die emotionalen Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern verändern sich stetig. Familie ist daher besser als Entwicklungsverlauf zu begreifen denn als statische Einheit.

Noch vor sechzig Jahren war normativ klar, dass die Heirat einer Schwangerschaft vorauszugehen und eine gemeinsame Haushaltsgründung erst nach der Heirat zu erfolgen habe. Verstöße gegen diese Normen wurden heftig sanktioniert. Das spielt heute kaum noch keine Rolle.

Was Familie ausmacht, ist ihre Dualität. Als soziale Institution richten sich kulturelle Normen und gesellschaftliche Erwartungen auf sie, und sie ist durch Gesetze geregelt. Als individuell gestaltetes und gelebtes Beziehungsgeflecht ist sie täglich neu herzustellen. Es entsteht ein widersprüchlich anmutender Doppelcharakter von Familie: Jede Familie ist besonders, dennoch sind sich viele Familien sehr ähnlich.

Familie und Familienklischees im Wandel


Mit dem Wort Familie wird in der Regel eins von zwei Bildern assoziiert: entweder das einer Drei-Generationen-Großfamilie auf dem Land oder das einer bürgerlichen Kernfamilie in der Stadt. In der deutschen Sprache ist Familie ein vergleichsweise neuer Begriff, der sich erst im 17. Jahrhundert allmählich verbreitet und denjenigen des »Ganzen Hauses« (oikos) abgelöst hat. Das ganze Haus war eine Organisation zur Selbstversorgung und umfasste Eltern, Kinder, Verwandte, Gesinde, das Vieh, das Land, das Gebäude und das bewegliche Inventar. Es war streng patriarchal organisiert und beruhte auf der Unterordnung der Individuen unter das Kollektiv und unter die väterliche Autorität.

Oft ist von der ›traditionellen Familie‹ die Rede. Sie gilt als Symbol der guten alten Zeit, bildhaft verkörpert in der Großfamilie, in der drei Generationen harmonisch unter einem Dach zusammenleben. Die sozialhistorische Forschung hat nachgewiesen, dass es diese Familienform in größerer Verbreitung nie gegeben hat. Stattdessen existierte bereits vor der industriellen Revolution eine große Vielfalt an Familienformen. Als Schöpfer der Legende der ›traditionellen Familie‹ gilt Wilhelm Heinrich Riehl mit seinem 1855 erstmals erschienenen Buch »Die Familie«[1]. Darin beklagt er die Zerstörung der idyllischen patriarchalen Großfamilie durch die Industrialisierung und die einsetzende Verstädterung. Sein Buch, über vierzig Jahre lang neu aufgelegt, wurde zu einem der meistgelesenen Bücher in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es nahm erheblichen Einfluss auf die Formulierungen des bürgerlichen Ehe- und Familienrechts aus dem Jahre 1899, das in Teilen auch heute noch gilt.

Es ist kein Zufall, dass dieses Buch so erfolgreich war. Seine Bedeutung erklärt sich daraus, dass es in Zeiten des raschen und krisenhaften Übergangs zur Industriegesellschaft dem vermeintlichen Sittenverfall in den Städten eine Art Rest an Stabilität und »natürlicher Sittlichkeit« entgegenstellte.

Die andere Imago der traditionellen Familie ist die bürgerliche Kernfamilie. Ihre Merkmale sind die eheliche Beziehung eines Mannes und einer Frau, die zusammen mit ihren gemeinsamen Kindern unter einem Dach wohnen, sowie die strikte Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Der Mann ist für die materielle Absicherung und das Außenleben hauptverantwortlich, die Frau für Erziehung, Haushaltsführung und die Beziehungspflege im Innern. Eine besondere Ausprägung dieser Familienform entwickelte sich im Großbürgertum des 19. Jahrhunderts: Dort kamen noch...

Erscheint lt. Verlag 26.8.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Bewerbung / Karriere
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
Sozialwissenschaften Pädagogik
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte artgerecht • Attachment Parenting • Bedürfnisorientierte Erziehung • Bindungsorientiert • bindungsorientierte Erziehung • Bindungsstile • Eltern • Elternabend • Elterngespräche in der Kita • Eltern Kind • Elternratgeber • Elternschaft • Eltern werden • Entwicklungspsychologie • Erwartungsdruck bei Kindererziehung • Erziehung • Erziehung als Herausforderung • Erziehungsbuch • Erziehungsprobleme • Familie • Familienkonflikte • Familienpsychologie • Frühkindliche Bindung • Gelassenheit • Geschenk für Eltern • Gesellschaft • Gestresste Eltern • gewaltfrei • Grenzen setzen • Grenzen und Gelassenheit • hilfe bei erziehungsproblemen • Individuum • Jesper Juul • Kinder • Kinderentwicklung • Kindererziehung • kinder und social media • Kleinkind • Kommunikation • Mit Klarheit und Herz • Oje ich wachse • optimale Erziehung • Patchworkfamilie • Perfekte Eltern • Psychologie • Regeln • Remo Largo • Resilienz • Tipps • überforderte Eltern • Überfürsorge • Umgang mit social Media • Wutanfälle
ISBN-13 9783749908363 / 9783749908363
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