Wissen, Glaube, Mathematik (eBook)
136 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-9535-8 (ISBN)
Dipl.-Ing. (Univ.) der Elektrotechnik. Staatsexamen (Religion, Mathematik). Lehrtätigkeit in schulischen und akademischen Bereichen. Geboren in Flensburg.
Ich-Welt-Mathematik
Nachfolgend werden ausgehend von einigen Grundüberzeugungen unserer Kultur Hinweise bezüglich der Bedeutung mathematischer Beschreibungen für das wissenschaftliche Weltverständnis gegeben.
1 Ich und ‚cogito ergo sum’
„Die Philosophie begrenzt das bestreitbare Gebiet der Naturwissenschaft.“
Wittgenstein 1983, Satz 4.113.
Mit Descartes erfolgte eine explizite Hinwendung zu den menschlichen Erkenntnismöglichkeiten. Ausgehend von einem universellen Zweifel fand er die unhintergehbare Einsicht, dass sich mit dem Akt der Bezweiflung ein Subjekt verbindet, das diesen Zweifel denkt. Das Subjekt wurde von ihm (naiv) mit dem realen Ich verknüpft: „cogito ergo sum“. Dieses ‚ergo’ ist, da im Vorfeld auch die Gültigkeit der logischen Regeln bezweifelt wurde, nicht als logischer Schluss, sondern eher als eine meditative (Selbst-)Vergewisserung zu verstehen. Von der Vorstellung eines allerrealsten und vollkommenen Wesens konnte er mit seinem (ontologischen) Gottesbeweis einen Bezugspunkt außerhalb des Ichs beweisen. Ein vollkommenes Wesen, das existiert, ist nach ihm vollkommener als ein Wesen, das nur gedacht wird.
Kant hat diese Figur in der ‚Kritik der reinen Vernunft’ (KrV) zurückgewiesen: „Hundert wirkliche Taler enthalten nicht das mindeste mehr als hundert mögliche.“ (Kant 1976, B 627.) In Nähe zu nominalistischen Einsichten folgt er einer kritisch-realistischen Weltsicht. Das Geflecht von Realismus und (sprachlicher) Relativierung und das Gelände zwischen Ich und Welt sind komplex zu orten. Kant hat die (transzendentalen) Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis näher untersucht. Leitfragen zu unserem Selbstverständnis wurden von ihm formuliert: 1. ‚Was kann ich wissen?’ 2. ‚Was soll ich tun?’ 3.
‚Was darf ich hoffen?’ 4. ‚Was ist der Mensch?’. Diese Fragen führten in der weiteren Entwicklung (Herder, Peirce, Wittgenstein) zum Bedenken der Abhängigkeit der Erkenntnis von der Sprache. Wittgenstein, der zuerst eine ‚atomistische’ Beziehung zwischen Wörtern und der Realität bedachte, erkannte in seiner Spätphilosophie eine Verwobenheit von Sprache und Tätigkeiten, die er ‚Sprachspiel’ nennt (siehe Wittgenstein 1971, S. 17 (8)). „Wenn wir anfangen, etwas zu glauben, so nicht einen einzelnen Satz, sondern ein ganzes System von Sätzen“ (Wittgenstein 1970, S. 45 (141)). Und: „Das Spiel des Zweifels selbst setzt schon die Gewissheit voraus.“ (Ib., S. 39 (115).) Dies berührt die Fragen zum Grund unseres Denkens und Lebens: „Die Schwierigkeit ist, die Grundlosigkeit unseres Glaubens einzusehen“ (Ib., S. 51 (166)). Für uns stellen sich auch diese Fragen: Was muss ich wissen? - Was darf ich tun? - Was soll ich hoffen?
2 Welt, Mathematik und Wissen
Die Welt ist uns nicht klar und deutlich gegeben. Auch agiert der Mensch nicht instinktsicher. Doch wir besitzen die Möglichkeiten zur Erkundung und zur Entscheidung. Diese basiert auf naturwissenschaftlichen und technischen Einsichten und ethischen Orientierungen. Das Interesse besteht, gesichertes Wissen zu erlangen. Für Kant ist „die Vernunfterkenntnis durch Konstruktion der Begriffe mathematisch“ und „eine reine Naturlehre über bestimmte Naturdinge (Körperlehre und Seelenlehre)“ ist „nur mittels der Mathematik möglich, und, da in jeder Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen wird, als sich darin Erkenntnis a priori befindet, so wird Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft enthalten, als Mathematik in ihr angewandt werden kann“ (Kant 1978, S. 15 (A IX)). Dies hebt die Bedeutung der mathematischen Beschreibungen für die äußeren und inneren (‚Seelenlehre’ (!)) Dinge hervor. Es öffnet sich die Frage nach dem Wesen und der Dinghaftigkeit der Seele. Für Wittgenstein wäre diese „ein Unding“. „Eine zusammengesetzte Seele wäre nämlich keine Seele mehr“ (Wittgenstein 1983, Satz 5.5421). Es ergibt sich eine Spannung zwischen dem ‚physikalischen Objektivismus’ und dem ‚transzendentalen Subjektivismus’. Siehe Husserl (1992, S. 18-104 (§§ 8-27): „Die Ursprungsklärung des neuzeitlichen Gegensatzes zwischen physikalischem Objektivismus und transzendentalem Subjektivismus“). Wie ist der ‚Gegensatz’ zu denken und wo existieren Möglichkeiten zur Überwindung? Hegel überlegt, inwiefern „das Absolute“, „wenn es nicht schon an und für sich bei uns wäre und sein wollte, (…) dieser List spotten“ würde (Hegel 1973, S. 56). Die Bestimmbarkeit des Wissens wurde historisch unterschiedlich aufgelöst. Harari verweist auf folgende Beziehungen: (A) „Wissen = Schriften x Logik“, (B) „Wissen = empirische Daten x Mathematik“ und (C) „Wissen = Erfahrung x Sensibilität“. Die Konzeption unter (A) prägte das Verständnis im Mittelalter und die unter (B) das der „wissenschaftlichen Revolution“. Der Humanismus bezieht sich auf die Position unter (C). (Vgl. Harari 2017, S. 365-367.) In der Philosophie wird über das Verhältnis von Wissenschaft, Mathematik, Logik und Normen nachgedacht: Vgl. z. B. Quine (1979).
Dies betrifft auch formale und inhaltliche Aspekte der einzelnen wissenschaftlichen Sachgebiete. Welche Modelle sind für die äußere Welt – Zeit, Raum, Energie, … – sinnvoll? Welche Mathematik ist für die Seelenlehre geeignet?
In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach der Bedeutung der (subjektiven) Bewusstseinszustände für die ‚objektiven’ Erkenntnisse gestellt.
Husserl hat bzgl. der Denk- und Weltansätze die Unterscheidung zwischen der endlichen und der unendlichen Welt betont: Die „alte Mathematik überhaupt kennt nur endliche Aufgaben, ein endlich geschlossenes Apriori. (…) Die Konzeption dieser Idee eines rationalen unendlichen Seinsalls mit einer systematisch es beherrschenden rationalen Wissenschaft ist das unerhört Neue“ (Husserl 1992, S. 19). Im Rahmen „der Vervollkommnungspraxis“ treten nach ihm „überall Limes – Gestalten“ auf (Ib.). (Welche Lösung geht mit S = 1 – 1 + 1 – 1 + 1 … einher? S = 0 oder 1 oder ½? (S = 0, da S = (1 – 1) + (1 – 1) + … = 0 + 0 + 0 …; S = 1, da S = 1 – (1 – 1) – (1 – 1) … = 1 – 0 – 0 …; S = ½, da S = 1 – S, also: 2S = 1. Dies führt in der Physik zur Problematik von ‚singulären Ausdrücken’.) Am Beispiel von Nietzsche wird deutlich, dass diese Überlegungen bzw. Annahmen relevant für eine Philosophie sein können. Der Gedanke der ‚Ewigen Wiederkehr des Gleichen’ ergibt sich, wenn sich eine endliche Materie in einer unbegrenzten Zeit immer wieder neu konstituiert und entfalten muss. Diese physikalischen Einsichten hatten – so Yalom – Nietzsche geleitet: „Nietzsches Beweis stützte sich auf zwei metaphysische Grundsätze: dass die Zeit unendlich sei und dass die Energie (der Urstoff des Universums) endlich sei“ (Yalom 2009, S. 515). Nietzsche hat so ausgehend von der Physik ethische Konsequenzen bedacht.
3 Einschub: Begriff und Anschauung etc.
„Ich nenne Wissenschaft gern die Kunst gemäß der Tanzschule der Logik.“
Weizsäcker 1992, S. 958.
Nach Kant sind Gedanken ohne Inhalt leer und Anschauung ohne Begriffe blind (Kant 1976, B 75). Dies führt in der KrV zur Unterscheidung von reinen und empirischen Anschauungen etc. Wobei sich letztlich nach Kant „alle Begriffe (…) auf data zur möglichen Erfahrung“ beziehen (Ib., B 298). Damit öffnet sich folgerichtig die Betrachtung den sprachanalytischen, symbol- und zeichenorientierten Denkansätzen. „Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen kann, so muss die Möglichkeit im Ding bereits präjudiziert sein“ (Wittgenstein (1983), Satz 2.012). Durch die Verknüpfung von Anschauung und Begriff wird Erkenntnis möglich. (Wobei dies aber selbst schon eine Modellannahme ist. Mit dieser Annahme gehen Ideen zur Verknüpfung von Logik, Ethik und Gesetzen einher. So zum Beispiel, dass naturwissenschaftliche Gegebenheiten (zum Beispiel Licht (→ Photon)) einer entsprechenden (gesetzlichen) Begrifflichkeit unterworfen sind und somit zureichend erfasst werden können. Dies berührt den Skeptizismus. Bereits in der Antike hatte Pyrrhon von Elis zehn skeptische Tropen (→ Behauptungen, Gesichtspunkte, Gründe, Thesen) gegen eine sichere Erkennbarkeit der Welt aufgeführt. Ausgehend von individuellen Besonderheiten und Verschiedenheiten der Dinge und der Menschen wurde eine skeptische Weltsicht begründet. Siehe Buhr (1976, S.1107ff.). Und zum skeptischen und unglücklichen Bewusstsein siehe Hegel (1973, S.121ff.).
Hinter dem Skeptizismus verbirgt sich gemäß Nagel oftmals ein nicht aufgeklärter Subjektivismus, der durchaus mit einem (strengen) Platonismus einhergehen kann (vgl. Nagel 1999, S. 11). Wie viel Anschauung verbindet sich mit dem Begriff? Wie viel Begrifflichkeit verbirgt sich in der Anschauung?
Dies ist zu fragen, da es eine Verknüpfung (Synthesis) zwischen beiden Größen geben muss: „Ein...
| Erscheint lt. Verlag | 18.2.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Erkenntnistheorie / Wissenschaftstheorie |
| Schlagworte | Exakte Belege • Fachübergreifend • Glaube • Handlung und Zeit • Inspirierende Gestaltung • Knappe und präzise Darlegung • Mathematik • Offenbarung • Philosophie • Psychologiäzise • Vernunft • Vielfältige Querbezüge • Wissen • Wissenschaft |
| ISBN-10 | 3-7693-9535-2 / 3769395352 |
| ISBN-13 | 978-3-7693-9535-8 / 9783769395358 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich