Mythen - Sagen - Volksglaube - Brauchtum (eBook)
228 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783769347463 (ISBN)
Texte
Lippert 1956 und 1965
(Volkskundliche Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe; VoKo)
Der Waldmüller als Werwolf
In früheren Zeiten führte von Borlinghausen unterm Heidelberge her zur Waldmühle, ehemals eine Kornmühle, die zum Kloster Willebadessen gehörte, der Mühlenweg. Er ist jetzt verschwunden, aber in Resten noch erkennbar. Auf ihm brachten die Borlinghauser Bauern auf Wagen oder Eseln das Brotgetreide zum Mahlen zu der genannten Mühle, da die kleine Borlinghauser Gutsmühle das zusätzliche Getreide nicht verarbeiten konnte. Von dem Waldmüller aber erzählte man sich allerlei wundersame Dinge. So konnte er sich in einen Werwolf verwandeln. Dazu bediente er sich eines besonderen Riemens, den er sich fest um den Leib schnallte. Dann lief er bis in die Nähe des Kuhkampes und legte sich dort auf die Lauer, um die Leute, die aus seiner Mühle Mehl geholt hatten, zu überfallen und zu zerreißen. Seine Opfer fraß er auf und so hatte er dann das Mahlgeld und das Mehl noch obendrein. Eines Tages kam wieder ein Bauer von Borlinghausen zur Mühle und holte Mehl. Wieder lauerte der Werwolf beim Kuhkampe. Doch als er auf den Mann zuspringen wollte, ergriff dieser schnell einen Feuerstein und warf ihn über das Untier. Sofort stand der Müller in seiner wahren Gestalt da. Jetzt wurde er von dem Überfallenen ordentlich durchgeprügelt. Seitdem ist der Werwolf dort verschwunden und man hat zeitlebens nichts mehr von ihm gehört.
Der Schäfer als Werwolf
Vor langer Zeit wohnte in Borlinghausen ein Schäfer, der sich in einen Werwolf verwandeln konnte. Er tat dies, indem er sich mit einem Fell bekleidete, welches er mit einem Gürtel mit einer sonderbaren Schnalle befestigte. Sobald er auf die Schnalle drückte, fiel der Pelz ab und er nahm wieder seine gewöhnliche Gestalt an. Das gleiche geschah auch, wenn ein anderer auf die Schnalle drückte. Als Werwolf fiel der Schäfer auch Menschen an, wobei er besonders im Kreuzlingen und unterm Langenberg sein Unwesen trieb. Nach einiger Zeit war es so schlimm, dass sich Jedermann fürchtete, in diese verrufene Gegend zu gehen. Niemand aber wusste, wer der Werwolf war. Eines Tages brachte die Schäferfrau ihrem Mann, der am Waldrand seine Herde hütete, das Mittagessen. Als er sich nach dem Mahl niederlegte, um ein wenig zu ruhen, sah die Frau zwischen seinen Zähnen ein paar Wollfäden, die von ihrem Kleiderrock stammten. Sie war kurz vorher von einem Untier angegriffen worden und es wurde ihr zu ihrem großen Schrecken bewusst, dass ihr Mann der von allen gefürchtete Werwolf war.
Das zerrissene Fohlen
Zwischen Willebadessen und Borlinghausen liegt der vor langer Zeit untergegangene Ort Albaxen. Einst war er eine blühende Bauerschaft, in der die Menschen fleißig und geschäftig ihr Tagwerk verrichteten. Seit einiger Zeit geht es an diesem Ort nicht mehr mit rechten Dingen zu. Ein Werwolf trieb hier sein Unwesen und Rinder, Pferde und Schafe verschwanden auf wundersame Weise von den Weiden. Eines Nachts war wieder ein Fohlen verschwunden. Am folgenden Morgen hatte ein Mann in Helmern, einem kleinen Dorf bei Willebadessen, schreckliche Leibschmerzen und stöhnte entsetzlich. Die Leute, die schon seit längerer Zeit munkelten, dass der ein Werwolf sei, sagten ihm frei ins Gesicht, er könne wohl Bauchschmerzen haben, habe er doch das Fohlen gefressen. Der Mann aber rollte ganz unheimlich mit den Augen und sagte hämisch: „Seid still, sonst fresse ich euch auch noch.“ Jene aber waren ganz bestürzt und wagten es künftig nicht mehr, darüber zu sprechen.
Der Grenzstein
Es war am späten Abend; unheimlich heulte der Wind auf dem Hoddenberge, und im nahen Walde schrien die Käuzchen. Da kam ein Bauersmann aus Borlinghausen, der im Städtchen Peckelsheim ein Rind verkauft hatte und nun auf dem Rückwege war, den Hoddenberg hinunter. Schon befand er sich im Alsen, einem ausgegangenen Weiler, als plötzlich sein Fuß stockte; sein Haar sträubte sich vor Entsetzen; denn deutlich erkannte wenige Schritte vor sich eine dunkle Gestalt, die auf ihren Schultern einen mächtigen Grenzstein trug. Klagend rief der Geist – denn ein solcher war es – : „Wo sall ick en denn loten? Wo sall ick en denn loten?“ Der Bauer fasste sich ein Herz und sagte: „Wo ne hernommen häst!“ Da sagte der Geist: „Upp dat Wauert hawwe ick oll lange tofft!“ Ein tiefes Aufatmen, als wenn jemand von einer schweren Last befreit ist, und Geist und Grenzstein waren verschwunden für immer.
Der Geist am Weidekampe
Der verstorbene Baron v. Wendt hat den Leuten in Borlinghausen viel Gutes getan; er ließ ihnen auch ein schönes Kirchlein bauen. Eines Nachts im Jahre 1877 ist er dann plötzlich, vom Schlage gerührt, gestorben und wurde in Hardenberg begraben. Doch er konnte auch im Tode sich noch nicht vom lieben Borlinghausen trennen. Oben am Weidekampe unterm Walde geht er oft des Abends, wenn tiefe Dämmerung hereingebrochen ist, auf und ab; viele Leute haben ihn schon dort gesehen.
Der schwarze Hund im Kreuzlingen
In stockfinstrer Nacht musste ein Bewohner Borlinghausens nach Bonenburg. Als er am Kreuzlingen vorbeikam, sah er auf einmal einen großen, schwarzen Hund. Hell leuchteten dessen faustgroße Augen. Stumm folgte der Hund dem zu Tode erschrockenen Mann bis auf Meggers Bühl. Dort verschwand der Hund wie von der Erde verschlungen. Mancher hat schon das Tier gesehen; es hat zwar noch keinem etwas zuleide getan, aber ein starkes Gruseln überkommt den, der noch spät am Kreuzlingen vorbei muss.
Das Armenbrot
Seit alter Zeit war es Sitte, dass die Armen des Dorfes sich vom Gute umsonst Brot holen durften. Der vorletzte Freiherr von Spiegel schaffte diesen frommen Brauch ab. Als er starb, hörte die Frau eines Gutstagelöhners eines Nachts kurz vor der Mitternachtsstunde ein sonderbares Klopfen an ihrer Haustür. Sie ging hinaus und sah plötzlich den verstorbenen Baron vor sich stehen im weißen Haar, das ein blasses Gesicht umschloss. Er bat sie flehentlich, zum neuen Schlossherrn zu gehen, und ihn bitten, das Armenbrot wieder einzuführen; er fände sonst keine Ruhe im Grabe. Dann war die Erscheinung verschwunden. Am folgenden Morgen ging die Frau zum Gutsbesitzer und erzählte ihm die seltsame Begebenheit. Doch der wollte von all dem nichts wissen und wies die Frau von der Schwelle; an Spuke mochte und wollte er nicht glauben. Die Frau ging zurück. Als sie ihre Haustür hinter sich schloss, fühlte sie sich todkrank, legte sich hin und war am andern Tage tot. Das steinharte Herz des Alten im Schloss hatte sie nicht erweichen können, die Bitte des Toten nicht erfüllen können, und das Armenbrot wurde nicht wieder eingeführt.
Eine seltsame Erscheinung
Eines Abends in der Dämmerung kam ein Bauersmann von Borlinghausen mit einem Wagen von Bonenburg zurück. Bei ihm saß ein Knecht. Plötzlich sah der Bauer dort, wo man früher von der Landstraße links zum Burgweg abging und Gelhaus Kreuz stand, eine schlanke dunkle Gestalt langsam quer über den Weg gehen. Schon stand sie fast vor den Pferden, und im nächsten Augenblicke musste sie unter deren Hufe kommen. Der Mann wollte rufen, doch der Schrei blieb ihm im Halse stecken. Deutlich erkannte er die Gestalt und Gesichtszüge einer schon längst verstorbenen, die unter dem Namen Tante Berta bekannt war. Einen Augenblick dauerte noch die Erscheinung, dann war sie verschwunden.
Der Geisterzug um Böls Kreuz
Alte Sitte ist es in Borlinghausen, am ersten Ostersonntag in Prozession nach Böls Kreuz oben am Burgweg zu ziehen. Mit der Zeit aber vernachlässigte man diesen frommen Brauch mehr und mehr, und als in einem Jahre das Wetter nicht besonders gut war, ließ man die Prozession einfach ausfallen, holte sie auch nicht an den nächsten passenden Sonntagen nach. Als im nächsten Jahre dasselbe geschah, sah man dort oben zur altgewohnten Zeit etwas höchst Sonderbares. In langsamem Zuge schritten viele, viele Geister schweigend, in schneeweiße Gewänder gehüllt, dreimal um das Kreuz, dann verschwanden sie. Die Borlinghauser verstanden die Mahnung und hielten den alten Brauch wie ehedem.
Nach dem zweiten Weltkrieg jedoch wurde die Beteiligung an der Prozession wieder lauer, ja, 1949 unterließ man sie ganz. Da brachte der Sommer ein fürchterliches Unwetter! Hagel zerschlug die Gartenfrüchte, das Obst und das meiste Getreide. Viele waren der Ansicht, dass dies eine Strafe sei für die Vernachlässigung der Prozession, die seitdem wieder treu gehalten wird.
Das Geldfeuer
Böse Zeiten waren es, als der schreckliche Dreißigjährige Krieg in unserer Gegend wütete. Die Leute hatten furchtbares zu leiden. Ihre Häuser wurden geplündert und in Brand gesteckt, und mancher konnte froh sein, wenn er sein nacktes Leben rettete. Viele versteckten beim Herannahen der Feinde ihr Geld und ihre Kostbarkeiten und vergruben es in der Erde. Wenn ruhigere Zeiten kamen, wollte man es wieder hervorholen. Doch lange dauerte der Krieg, und mancher wurde erschlagen oder starb, ohne dass er den vergrabenen Schatz gehoben oder das Versteck einem andern gewiesen hatte. So ruht auch jetzt noch mancher Schatz in der Erde....
| Erscheint lt. Verlag | 17.2.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften |
| ISBN-13 | 9783769347463 / 9783769347463 |
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Größe: 524 KB
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