Praxisbuch Reteaming (eBook)
192 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-6479-8 (ISBN)
1. Die Geschichte von Reteaming - Ben Furman
Die Anfänge
Machen wir eine Zeitreise zurück in die 90er Jahre. Zusammen mit meinem Kollegen Tapani Ahola arbeite ich als Lehrer des ersten Kurztherapie-Ausbildungsprogramms in Finnland überhaupt. Ich bin frisch promovierter Psychiater und Tapani ist Sozialpsychologe. Wir sind begeistert von Familientherapie, Kurztherapie und vor allem von der damals aufregenden neuen Methode, der lösungsfokussierten Therapie.
Tapani hatte viel Erfahrung mit Vorträgen und Workshops für Unternehmen und Organisationen zu den Themen Führung, Problemlösung und Teamarbeit. Auch ich hatte nebenbei etwas in diesem Bereich gearbeitet. Ich hatte Vorträge über Stressbewältigung und die Verbesserung des Arbeitsklimas gehalten und war auch als psychologischer Berater für das arbeitsmedizinische Team einer großen finnischen Bank tätig. Es gab ein wachsendes Interesse an dem, was wir darüber zu sagen hatten, wie die lösungsfokussierte Psychologie zur Verbesserung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung der Führungsfähigkeiten von Managern eingesetzt werden könnte.
Wir waren zu dem Schluss gekommen, dass sich viele der Prinzipien der lösungsfokussierten Therapie gut für die Teamentwicklung und die Verbesserung von Arbeitsplätzen eignen. Dem Feedback nach zu urteilen, das wir bekamen, schienen auch unsere Firmenkunden so zu denken. Einige große finnische Unternehmen, darunter Finnair, unsere nationale Luftfahrtgesellschaft, Neste, der Name unserer damaligen nationalen Ölgesellschaft, und Sonera, ein großes Telekommunikationsunternehmen, traten mit dem Wunsch an uns heran, lösungsfokussierte Ideen auf allen Ebenen des Unternehmens zu verbreiten. Uns war sofort klar, dass wir, zwei Vollzeit-Lehrer für lösungsfokussierte Psychotherapie und Beratung, niemals die Zeit haben würden, solche riesigen Projekte persönlich zu betreuen. Daher beschlossen wir, ein Selbsthilfe-Handbuch zu entwickeln, das es jedem Team ermöglichen würde, seine Arbeitsweise mit Hilfe eines lösungsfokussierten Protokolls selbständig und ohne externen Coach zu verbessern.
Wir beschlossen, die Selbsthilfe-Selbstverbesserungsmethode für Teams „Reteaming" zu nennen, und wir beauftragten sogar eine Werbeagentur, uns bei der Ausarbeitung eines beeindruckenden, spiralgebundenen, farbenfrohen Handbuchs mit Cartoons zu unterstützen. So sollten die Teams in einfacher Weise verstehen, wie sie die Funktionsweise ihres Teams verbessern können. Das Handbuch basierte auf Fragen, die die Teammitglieder gemeinsam erörtern sollten. Bei den Fragen handelte es sich größtenteils um lösungsorientierte Standardfragen wie z. B.
- "Wie soll Ihr Team in Zukunft funktionieren?"
- "Welche Ziele haben Sie?"
- "Welche Fortschritte haben Sie bereits gemacht?"
- "Welche Ressourcen sehen Sie bei sich und anderen, die es Ihnen ermöglichen, Ihre Ziele zu erreichen?"
Am Ende entstand ein Protokoll mit zwölf Schritten –
oder nützlichen Fragen, wenn Sie so wollen –, dass sich nicht nur für das Coaching von Teams, sondern für alle Gruppen von Menschen, die ihre Arbeitsweise verändern oder weiterentwickeln wollen, als nützlich erwiesen hat.
Was war das Neue am Reteaming?
In vielen Organisationen haben die Menschen sehr viel Erfahrung mit problemorientierten Gesprächen und Besprechungen. Diese Gespräche werden durch die verantwortliche Führungskraft oder auch durch einen externen Moderator geleitet. Ziel ist es, die Probleme auf den Tisch zu bringen und diese in der Gruppe zu diskutieren. Solche Diskussionen gehen ein hohes Risiko ein, sich um Schuldzuweisungen zu drehen. Grund ist die Tatsache, dass viele Menschen davon ausgehen, der beste Weg zur Problemlösung gehe über die Problemanalyse, um so die Ursache des Problems zu identifizieren. Die Suche nach der Ursache führt dann zu Erklärungen, die sehr häufig als Anklagen verstanden werden, da jede Erklärung für die Problemursachen im Team immer mit Menschen verbunden ist. Das führt nicht nur zu einem ganz natürlichen Verteidigungsverhalten, sondern sehr häufig zu Gegenerklärungen (Gegenschlägen) und einer Eskalation. Keiner möchte als Ursache für ein Problem verantwortlich gemacht werden.
Der Lösungsfokussierte Ansatz vermeidet diese unglückliche Konstellation von anklagender Erklärung, Verteidigung und Gegenklage. Liegt der Fokus nicht mehr auf den Problemen und dem Versuch die Problemursache zu finden, ändert sich die Atmosphäre des Gesprächs deutlich. „Wie soll unsere Zukunft im Team aussehen?“ ist eben eine ganz andere Frage als „Was läuft nicht und warum läuft es nicht?“. Menschen bevorzugen es, über die erwünschte Zukunft zu sprechen. Es weckt bei den Beteiligten Hoffnung. Sie hören einander besser zu, wenn es um die Träume des Gegenübers geht anstatt um dessen Probleme. Hören sich Team-Mitglieder erst einmal gegenseitig zu, werden sie auch offener dafür, Ressourcen im anderen zu sehen und zeigen mehr Interesse an den Ideen und Vorschlägen des Gegenübers.
Der Lösungsfokussierte Ansatz erzeugt eine positive Energie im System, die zu neuen kreativen Ideen und Formen der Zusammenarbeit führt. Der Ansatz fokussiert die die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, bereits gemachte Fortschritte, Ressourcen innerhalb und außerhalb des Teams, kleine Schritte zur Veränderung, Versprechen zur positiven Veränderung beizutragen und einem Nachhalten von Fortschritten – dieser Fokus setzt die positive Energie frei. Reteaming kann als eine Methode zur Problemlösung angesehen werden, die sich besonders für die gemeinschaftliche Problemlösung eignet. Es ist ein pragmatisches Werkzeug für Teams und Gruppen, die gemeinsam auf der Suche nach einer konstruktiven Problemlösung und/oder Wegen zu einer verbesserten Zusammenarbeit sind.
Reteaming und die Begründer der Lösungsfokussierten Therapie
Anfänglich war die lösungsfokussierte Gemeinschaft noch klein, und wir hatten Kontakt zu vielen lösungsfokussierten Kollegen auf der ganzen Welt, darunter Steve de Shazer und Insoo Kim Berg, die als die Begründer des Ansatzes bekannt sind. Ich erinnere mich, dass ich Insoo Kim Berg während eines ihrer Besuche in Finnland einen Entwurf unseres Reteaming-Handbuchs zeigte. Sie sah es sich gründlich an und machte eine Bemerkung. Sie sagte, um das Protokoll für Organisationen glaubwürdig zu machen, brauche es einen Schritt, der sich mit Rückschlägen befasst. Sie meinte damit Fragen wie "Welche Hindernisse können wir vorhersehen?" und "Wie sollen wir uns darauf vorbereiten?" In Teams und Organisationen gibt es immer einige Personen, die berechtigte Vorbehalte gegenüber Veränderungen haben. Es ist nicht so, dass sie sich gegen Veränderungen sträuben, wie man Managern oft weismachen will. Das Wort "Widerstand" wird im lösungsfokussierten Sprachgebrauch vermieden und meist durch Begriffe wie "begründete Vorbehalte" ersetzt. Wir bedankten uns bei Insoo für ihre aufschlussreiche Bemerkung und überarbeiteten unsere Vorlage, um alle "begründeten Vorbehalte" zu berücksichtigen, die Teammitglieder während des Prozesses haben könnten.
Natürlich war, wie Sie sich sicher denken können, unsere ursprüngliche Idee – die Vorstellung, dass Teams sich Zeit nehmen würden, um zusammenzusitzen und ihre Arbeitsweise mit Hilfe eines schönen, spiralgebundenen Selbsthilfehandbuchs zu entwickeln – unrealistisch. Eine schöne Idee vielleicht, aber wie man im Englischen sagt: "In your dreams!". Teams sind bereit, an der Verbesserung ihrer Arbeitsweise zu arbeiten, aber in den meisten Fällen wollen sie einen Coach, der sie im Prozess unterstützt, sei es ihr eigener Chef oder ein externer Coach.
Die Weiterentwicklung des Reteaming
Es stellte sich heraus, dass Reteaming nicht als Selbsthilfeinstrument funktionierte, sondern eine nützliche lösungsfokussierte Struktur für Coaches bot, die mit Teams arbeiteten oder irgendeine Art von Organisationsentwicklung durchführten. Als wir das Reteaming-Workbook unseren lösungsfokussierten Kollegen im Ausland vorstellten, zeigten sie Interesse daran. Die Idee, lösungsfokussierte Ideen auf Unternehmen und Organisationen anzuwenden, war noch neu und es gab noch nicht viele Vorschläge, wie man das machen könnte. Wir übersetzten das Handbuch in mehrere Sprachen, und ich, der für unsere internationalen Aktivitäten verantwortlich war, reiste häufig in andere Länder, um Workshops über Teambildung und Organisationsentwicklung unter Verwendung des Reteaming-Protokolls zu geben. Die Idee verbreitete sich organisch, weil wir in mehreren Ländern Enthusiasten wie uns selbst fanden, die bereit waren, die Methode zu lehren und sich der kleinen internationalen Gemeinschaft von Reteaming-Coach-Trainern anzuschließen. In Österreich zum Beispiel wurde der bekannte Psychologe Harry Merl zum Sprecher von Reteaming und inspirierte einen seiner Schüler und Kollegen Willi Geisbauer, ein aktives Reteaming-Ausbildungsinstitut in Scharnstein, Österreich, zu gründen, dass bis heute eine...
| Erscheint lt. Verlag | 3.2.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie |
| ISBN-10 | 3-7693-6479-1 / 3769364791 |
| ISBN-13 | 978-3-7693-6479-8 / 9783769364798 |
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