Inspiration 2/2024 (Doppelnummer) (eBook)
96 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06731-1 (ISBN)
Clarissa Vilain, Dipl.-Theologin, lehrt an der Katholischen Hochschule Mainz im Fachbereich Praktische Theologie.
Clarissa Vilain, Dipl.-Theologin, lehrt an der Katholischen Hochschule Mainz im Fachbereich Praktische Theologie.
Anna Kraml
Feuerflammen sprühend und säuselnd im Wind - Die Vielfalt der Stimme Gottes in der Bibel
Gott spricht in vielfältiger Weise und immer wieder zu seinem Volk, bzw. zu uns. Wie aber klingt die Stimme Gottes? Die Bibel nähert sich dem Klang Gottes in vielfältigen Bildern an. Verstehen können wir die Stimme Gottes wohl, Voraussetzung dafür aber ist unser offener Verstand und das hörende Herz. Wie unterschiedlich Gott uns anspricht, erörtert Anna Kraml, Fachreferentin für Bibelpastoral der Diözese Innsbruck.
Wie klingt rauschendes Wasser? Oder das Knistern von Feuer? Wie der Wind und wie der Flügelschlag eines Cherubs? Was haben die Posaune und die Harfe gemeinsam? Klingt das bedrohliche Donnern als Vorbote eines Gewitters nach Macht und Majestät? Oder haben Sie schon einmal das Brüllen der Löwen vernommen und an Gott gedacht? Wie hört sich Jubel oder Schweigen an? Und wann empfinden wir eine Stimme als ›süß‹?
Die biblischen Sprachbilder, die die Stimme Gottes beschreiben sind vielfältig. So ist von lautem Getöse (Dan 10,6), Donner (Dtn 5,24) oder Brüllen (Am 1,2; Joel 4,16) ebenso die Rede, wie vom Säuseln (1 Kön 19,12–13) oder dem Schweigen in Liebe (Zef 3,17). Der folgende Beitrag beschreibt nicht umfassend alle Facetten der Stimme Gottes, sondern konzentriert sich auf vier besondere Momente: Von besonderem Interesse für die Frage nach dem Klang der göttlichen Stimme ist Ps 29, der die intensivste und vielfältigste Beschreibung dieser Stimme aufzeigt. Ebenso wird 1 Kön 19, Zef 3,17 und das metaphorische Bild des göttlichen Brüllens für diesen Artikel herangezogen.
Die Stimme
Im Hebräischen bedeutet (qol) die Stimme. Es kann aber auch jegliche andere Form der Lautäußerung oder des Geräusches beschreiben. So wird qol verwendet um das Tosen des Meeres (Ps 93,4), das Geräusch von Schritten (1 Kön 14,6) oder auch den Klang von Musikinstrumenten (u. a. Ez 26,13; Ijob 21,12; 2 Chr 5,13) zu bezeichnen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.1 In den griechischen Texten des Alten und Neuen Testaments wird für die Stimme üblicherweise der Begriff phōnē verwendet.2
Nicht zu vergessen ist, dass die göttliche Stimme bzw. ihr Klang nicht nur dort beschrieben wird, wo dezidiert das Wort ›Stimme‹ verwendet wird. Es gibt zahlreiche Passagen, in denen Gott spricht, ohne dass explizit auf eine göttliche Stimme verwiesen wird.
Am Anfang steht Gottes Stimme
Einen kurzen Gedanken möchte ich meinem Beitrag voranstellen. Gottes Stimme ist von Anfang an da. Bereits der dritte Vers des ersten Kapitels der Genesis verweist auf die göttliche Stimme: Das Sprechen Gottes kommt in Gen 1,1–2,3 wiederholt vor (Gen 1,3.6.9.11.14.20.22.24.26.28.29). Die Stimme Gottes begleitet die Schöpfung von Beginn an. Sie ist es, die alles ins Leben ruft3 und in der verdeutlicht wird, dass Gott eine enge persönliche Beziehung zu seiner Schöpfung hat – er spricht sie direkt an, wie sich auch in Gen 3,9 zeigt.
Die Beobachtung, dass die göttliche Stimme bzw. die Sprache Gottes am Beginn der Bibel steht, sagt relativ wenig darüber aus, WIE diese Stimme denn nun klingt. Festhalten lässt sich, dass in der göttlichen Sprache Schöpfungsmacht liegt. Allein durch das göttliche Wort können sich Umstände verändern und Leben entstehen.
Die Beobachtung, dass die göttliche Stimme bzw. die Sprache Gottes am Beginn der Bibel steht, sagt relativ wenig darüber aus, WIE diese Stimme denn nun klingt.
Die Kraft der Stimme Gottes
In elf Versen wird in Ps 29 die Stimme Gottes auf vielfältigste Art und Weise beschrieben – es gibt wohl keinen weiteren biblischen Text, der der reichhaltigen Beschreibung der göttlichen Stimme ähnelt. Das Hebräische qol wird siebenmal im Psalm verwendet (v 3.4.5.7.8.9). Die Beschreibungen dieser Stimme sind vielfältig:
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Sie ist über den Wassern (v3)
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Sie donnert (v3)
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Sie ist voller Kraft und Majestät (v4)
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Sie zerbricht Zedern (v5)
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Sie sprüht flammendes Feuer (v7)
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Sie lässt die Wüste beben (v8)
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Sie lässt Hirschkühe kreißen (v9)
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Sie reißt Wälder kahl (v9)
Dabei fallen thematische Verbindungen zu anderen Bibelstellen auf, die die göttliche Stimme zu beschreiben versuchen: das Motiv des Wassers begegnet ebenso in Ez 43,2. Das Donnern wird biblisch häufiger in Verbindung zur Stimme Gottes verwendet: Ex 19,16; Dtn 4,33 oder im NT in Joh 12,29. Das Motiv des Feuers im Zusammenhang mit göttlicher Rede ist aus Ex 3–4 und Ex 19 bekannt. Die beschriebene Stimme Gottes in Ps 29 hat eine enorme Wirkmacht: sie verändert die Welt, indem sie Bäume zerbrechen und zerstören kann, die Wüste zum Beben bringt oder gar die Tiere zum Werfen ihrer Jungen bewegt.
In Ps 29 wird die Stimme Gottes nicht als liebevoller, sanfter Klang, sondern vielmehr als mächtige und imposante Kraft beschrieben,4 die Einfluss auf die Wirklichkeit des Menschen nimmt und im Stande ist, diese zu verändern. Darin zeigt sich auch eine Parallele zur Beschreibung der göttlichen Schöpfungsmacht in Gen 1,1–2,3.
Gott der Sturm oder das Säuseln?
Der Prophet Elija befindet sich in einem Ausnahmezustand. Er flieht vor König Ahab und dessen Frau Iesebel (1 Kön 19,1–3) in die Wüste, wo ihm ein Engel erscheint, ihn versorgt, sodass Elija gestärkt zum Berg Horeb wandern kann (1 Kön 19,4–8). In einer Höhle am Berg Horeb begegnet Elija Gott (1 Kön 19,9–14) und dieser beauftragt ihn Elischa zu seinem Nachfolger zu salben (1 Kön 19,15–18). Elija befolgt diesen Auftrag (1 Kön 19,19–21). Für die Frage nach dem Klang der göttlichen Stimme sind die v9–14 von besonderer Bedeutung.
Elija benennt vor Gott den Grund für seine Flucht in die Höhle am Horeb: Er muss um sein Leben fürchten (v 10). Gott antwortet dem Propheten und ordnet ihm an, vor die Höhle zu treten. Es folgt ein gewaltiger Sturm und ein ebenso gewaltiges Erdbeben – doch Gott begegnet dem Propheten weder im Sturm noch im Erdbeben. Es folgt ein Feuer. Doch auch dort ist Gott nicht.5 Auf das Feuer folgt ein »sanftes, leises Säuseln« (v 12). Erst als Elija dieses Säuseln hört, verhüllt er sein Gesicht und tritt vor die Höhle hinaus (v 13) und vernimmt schlussendlich die Stimme Gottes.
1 Kön 19,12 steht in deutlichem Kontrast zu Ps 29. Die Stimme Gottes erscheint nicht mehr in Naturgewalten und hat auch nicht die Mächtigkeit zu zerstören. Sie ist sanft und klein – beinahe unscheinbar. (demāmāh), das an dieser Stelle verwendet wird, um die Stimme Gottes zu beschreiben, begegnet im Alten Testament neben 1 Kön 19,12 nur in Ijob 4,16 und Ps 107,29.6 Alle drei Stellen haben gemeinsam, dass mit ein besonders leises, sanftes Geräusch gemeint ist.
Der Klang von Gottes Stimme ist somit nicht zwingend gewaltvoll und erschreckend. Er kann sanft und leise sein. Ein Geräusch, das wir beinahe überhören.7
Schweigen vor Liebe?
Eine völlig andere Facette des Klang Gottes bietet Zef 3,17. Die Freude Gottes wird in Zef 3,17 mit mehreren Lautäußerungen und dem Fehlen eines Lautes beschrieben: »Jhwh, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein starker Mann, der rettet. Er freut sich über dich mit Freude. Er schweigt in seiner Liebe.8 Er jauchzt über dich mit Jubel.«
Zwei wichtige Erkenntnisse über Gott bzw. den Klang seiner Stimme lassen sich aus Zef 3,17 ziehen. Einerseits ist der biblische Gott ein Gott, der sich laut am Menschen (und seiner ganzen Schöpfung) freut. Diese Freude äußert sich in der vielfältigen Verwendung verschiedener Lexeme der Freudenäußerung in v 17. Der biblische Gott ist ein zutiefst emotionaler Gott.9 Der Klang seiner Stimme kann sich auch in Jubel oder Jauchzen ausdrücken. Die zweite Erkenntnis bezieht sich auf das Schweigen Gottes in seiner Liebe. In meiner Dissertation vergleiche ich diese Beschreibung mit der Unfähigkeit überbordende Emotionen verbal auszudrücken.10 Der Klang der göttlichen Stimme kann somit auch völlig still ausfallen oder verstummen – nicht, weil der Mensch sich falsch verhalten hätte oder bestraft werden müsse, sondern weil die göttliche Liebe keinen verbalen Ausdruck findet.
Ein brüllender Löwe?
Eine gänzlich andere Beschreibung der göttlichen Stimme begegnet in den Büchern Hosea, Amos und Joel. In diesen Stellen wird auf das Hebräische (sha’ag) zurückgegriffen. wird auch für das Brüllen eines Löwen (Ri 14,5; Jes 5,29 oder Jer 51,38) verwendet.11 In Hos 11,10, Joel 4,16 und Am 1,2 ist dieses Brüllen (eines Löwen) Beschreibung für die göttliche Stimme.
Der Löwe dient biblisch mehrfach als Vergleich für Gott oder sein Verhalten (Jes 31,4; Hos 5,14; 13,8; Joel 1,6; Ijob 10,16). Dabei kann dieser Löwe einerseits Furcht auslösen, sich andererseits aber auch für sein Volk einsetzen.12 In der Antiken Literatur und Mythologie ist der Löwe vielfach ein Tier, das einerseits Faszination und andererseits Furcht auslöst. Beispiele hierfür sind der Nemeische und der...
| Erscheint lt. Verlag | 1.1.2025 |
|---|---|
| Verlagsort | Würzburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
| Schlagworte | Christentum • Glaube • Leben • Lebensführung • Religion • Spiritualität |
| ISBN-10 | 3-429-06731-6 / 3429067316 |
| ISBN-13 | 978-3-429-06731-1 / 9783429067311 |
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