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Die Geschichte meines Lebens (eBook)

Die außergewöhnliche Welt der taubblinden Schriftstellerin. Mit einer Chronik zu Leben und Werk. Mit einer Chronik zu Leben und Werk

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
202 Seiten
Unionsverlag
9783293311862 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Geschichte meines Lebens - Helen Keller
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Helen Kellers Welt versinkt in Dunkelheit und Stille, als sie im Kindesalter ihr Hör- und Sehvermögen verliert. Frustriert von der Unfähigkeit, sich mitzuteilen, wird sie zur Gefangenen im eigenen Körper. Erst ihre Lehrerin Anne Sullivan vermag es, ihre Welt wieder zu öffnen: Einfühlsam vermittelt sie ihr Wege, ihre Umgebung wahrzunehmen und ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. In ihrer gefeierten Autobiografie erzählt Helen Keller von gezeichneten Buchstaben in ihrer Handfläche, dem Vibrieren eines nahenden Gewitters und dem Gefühl des Mondlichts auf der Haut. Ihr Weg ins Leben, vom Verstehen des ersten Wortes bis hin zum Abschluss an der Universität, ist ein eindrucksvolles Zeugnis eines unbezwingbaren Willens und bis heute Inspiration für viele.

Helen Keller (1880-1968) verlor bereits als Kleinkind infolge einer Krankheit ihr Hör- und Sehvermögen und erlangte als erste Taubblinde einen Universitätsabschluss. In ihrer viel beachteten Autobiografie Die Geschichte meines Lebens gibt sie Einblicke in ihr außergewöhnliches Aufwachsen. Keller setzte sich für Frauenrechte und Minderheiten ein und gründete eine Stiftung für Blinde und Gehörlose. Ihr Leben wurde in Filmen aufgegriffen und ihr Engagement mit Ehrendoktorwürden geehrt, etwa von der Harvard University. Keller starb in Connecticut.

Helen Keller (1880–1968) verlor bereits als Kleinkind infolge einer Krankheit ihr Hör- und Sehvermögen und erlangte als erste Taubblinde einen Universitätsabschluss. In ihrer viel beachteten Autobiografie Die Geschichte meines Lebens gibt sie Einblicke in ihr außergewöhnliches Aufwachsen. Keller setzte sich für Frauenrechte und Minderheiten ein und gründete eine Stiftung für Blinde und Gehörlose. Ihr Leben wurde in Filmen aufgegriffen und ihr Engagement mit Ehrendoktorwürden geehrt, etwa von der Harvard University. Keller starb in Connecticut.

2


Wie es in den ersten Monaten nach meiner Krankheit weiterging, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich oft bei meiner Mutter auf dem Schoß saß oder mich an ihr Kleid klammerte, während sie ihren Haushaltspflichten nachging. Mit den Händen befühlte ich alle Dinge und verfolgte jede Bewegung, und auf diese Weise lernte ich vieles kennen. Bald spürte ich das Bedürfnis, mich mitzuteilen, und machte unbeholfene Zeichen. Ein Kopfschütteln bedeutete »nein«, ein Nicken »ja«, wenn ich an ihrem Kleid zog, hieß das »komm«, schubste ich sie weg, hieß es »geh«. Wenn ich eine Scheibe Brot wollte? Dann tat ich so, als würde ich von einem Laib eine Scheibe abschneiden und mit Butter bestreichen. Wenn ich wollte, dass meine Mutter Eis machte, tat ich so, als würde ich die Kurbel an der Eismaschine drehen, und zitterte, als wäre mir kalt. Aber auch meiner Mutter gelang es, mir vieles beizubringen. Wenn sie wollte, dass ich ihr etwas holte, verstand ich das, und ich rannte nach oben oder dahin, wo das Gewünschte war. Ihrer Liebe und Weisheit verdanke ich all das, was in meiner langen Nacht hell und gut war.

Ich verstand eine Menge von dem, was um mich herum vorging. Mit fünf Jahren lernte ich, die saubere Wäsche aus der Waschküche zu falten und in den Schrank zu legen, und ich konnte meine eigenen Kleider von denen der anderen unterscheiden. An den Kleidern, die meine Mutter und meine Tante anzogen, erkannte ich, ob sie ausgehen wollten, und jedes Mal bat ich, mitkommen zu dürfen. Immer wenn wir Besuch hatten, durfte ich am Schluss, wenn die Gäste gingen, dabei sein, und ich winkte ihnen zu, weil ich mich vage an die Bedeutung dieser Geste zu erinnern glaubte. Einmal kam eine Gruppe von Besuchern, was ich am Öffnen und Zuschlagen der Haustür und an anderen Geräuschen spürte, mit denen sich ihre Ankunft mitteilte. Einem plötzlichen Impuls folgend, bevor jemand mich hindern konnte, rannte ich nach oben, um mich nach meinen Vorstellungen schön anzuziehen. Ich stellte mich vor den Spiegel, wie ich es früher bei den anderen gesehen hatte, rieb mir Öl ins Haar und strich mir Puder aufs Gesicht. Auf meinem Kopf befestigte ich einen Schleier, der mein Gesicht bedeckte und mir über die Schultern fiel, und um meine schmale Taille band ich eine riesige Tournüre, die hinter mir wie eine Schleppe bis zum Saum meines Kleides herabhing. In diesem Aufzug ging ich wieder nach unten, um die Gäste zu unterhalten.

Ich weiß nicht mehr, wann ich begriff, dass ich anders war als andere Menschen, aber ich verstand es, bevor meine Lehrerin zu uns kam. Ich wusste, dass meine Mutter und meine Freunde nicht, wie ich, Zeichen benutzten, wenn sie etwas mitteilen wollten, sondern mit ihren Mündern sprachen. Manchmal stellte ich mich zwischen zwei Menschen, die im Gespräch waren, und berührte ihre Lippen. Ich verstand nicht, was sie taten, und wurde wütend. Ich bewegte meine Lippen und gestikulierte wild, ohne Ergebnis. Das machte mich so zornig, dass ich um mich schlug und schrie, bis ich ganz erschöpft war.

Ich glaube, ich wusste genau, wenn ich ungezogen war, denn natürlich merkte ich, dass ich Ella, meinem Kindermädchen, wehtat, wenn ich es trat, und sobald mein Zornesausbruch vorbei war, empfand ich so etwas wie Bedauern. Aber ich erinnere mich an keine einzige Situation, in der dieses Gefühl verhinderte, dass ich beim nächsten Mal, wenn ich nicht das bekam, was ich wollte, genauso ungezogen war.

Damals waren Martha Washington, ein kleines farbiges Mädchen, die Tochter unserer Köchin, sowie Belle, eine alte Setter-Hündin, die in ihrer Jugend ein guter Jagdhund gewesen war, meine ständigen Begleiter. Martha Washington verstand meine Zeichensprache, und meistens setzte ich meinen Willen bei ihr durch. Ich mochte es, wenn ich sie mir gefügig machen konnte, und im Allgemeinen unterwarf sie sich eher meiner Herrschsucht, als dass sie es auf einen handfesten Kampf ankommen ließ. Ich war kräftig und willensstark und hatte keine Angst vor Folgen. Ich kannte meinen eigenen Kopf und setzte mich durch, auch wenn ich handgreiflich werden musste. Wir verbrachten viel Zeit in der Küche, wo wir Teig kneteten, beim Eismachen halfen, Kaffeebohnen mahlten und uns stritten, wer die Teigschüssel auslecken durfte; und wir fütterten die Hühner und Truthähne, die vor der Küche herumstolzierten. Viele waren so zahm, dass sie mir erlaubten, sie anzufassen, und mir aus der Hand pickten. Eines Tages schnappte einer der gierigen Truthähne eine Tomate aus meiner Hand und rannte damit fort, und wir, vielleicht von dem Vogel erkühnt, entwendeten einen Kuchen, den die Köchin gerade mit Puderzucker bestreut hatte, und aßen ihn beim Holzstapel vollständig auf. Danach war mir übel, und ich fragte mich, ob auch der Truthahn die Vergeltung zu spüren bekam.

Perlhühner verstecken ihre Nester gern, und mir war es ein großes Vergnügen, im langen Gras nach ihren Eiern zu suchen. Ich konnte Martha Washington nicht sagen, dass ich nach Eiern suchen wollte, aber wenn ich beide Hände ineinanderlegte und über den Boden hielt, was so viel bedeuten sollte wie etwas Rundes im Gras, verstand Martha mich. Hatten wir das Glück, ein Nest zu finden, erlaubte ich ihr nicht, die Eier ins Haus zu tragen, sondern gab ihr mit deutlichen Zeichen zu verstehen, sie könnte hinfallen und die Eier zerbrechen.

Die Scheunen mit den Getreidevorräten, die Ställe, in denen die Pferde untergebracht waren, und der Hof, wo die Kühe morgens und abends gemolken wurden, hatten für Martha und mich eine immerwährende Faszination. Die Melker erlaubten mir, beim Melken meine Hände auf die Kühe zu legen, und oft bekam ich für meine Neugier mit dem Schwanz eine gewischt.

Die Vorbereitungen für Weihnachten waren eine große Freude für mich. Natürlich wusste ich nicht, worum es ging, aber ich mochte die würzigen Düfte, die das Haus erfüllten, und die Leckerbissen, die Martha Washington und ich bekamen, damit wir uns ruhig verhielten. Oft waren wir im Weg, aber das minderte unser Vergnügen keineswegs. Wir durften die Gewürze zerreiben, die Rosinen verlesen und Teiglöffel abschlecken. Weil die anderen es taten, hängte auch ich einen Strumpf am Bettpfosten auf, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, dass die Zeremonie mich besonders interessierte, auch wachte ich nicht voller Aufregung beim Morgengrauen auf, um meine Geschenke in Empfang zu nehmen.

Martha Washington war genauso übermütig wie ich. An einem heißen Nachmittag im Juli saßen zwei kleine Mädchen auf den Stufen der Veranda. Das eine war schwarz wie Ebenholz und hatte krauses Haar, das mit Schnürsenkeln zu kleinen, vom Kopf abstehenden Büscheln gebunden war. Das andere war weiß und hatte lange blonde Locken. Das eine Kind war sechs Jahre alt, das andere zwei oder drei Jahre älter. Das jüngere Kind war blind – das war ich –, und das andere Kind war Martha Washington. Wir waren damit beschäftigt, Anziehpuppen auszuschneiden, aber das machte schon bald keinen Spaß mehr, und nachdem ich alle Schnürsenkel zerschnitten und alle erreichbaren Blätter am Geißblattbusch abgeschnitten hatte, wandte ich meine Aufmerksamkeit Marthas Korkenzieherhaaren zu. Erst weigerte sie sich, doch dann ließ sie mich gewähren. Nach dem Prinzip »Wie du mir, so ich dir« nahm sie mir nach einer Weile die Schere ab und fing an, meine Locken abzuschneiden, und sie hätte jede einzelne abgeschnitten, wäre meine Mutter nicht rechtzeitig eingeschritten.

Unsere Hündin Belle, meine zweite Gefährtin, war alt und träge, und am liebsten schlief sie beim Feuer, statt mit mir herumzutollen. Ich versuchte ihr meine Zeichensprache beizubringen, aber sie war zu dumm und unaufmerksam. Manchmal schreckte sie hoch und zitterte vor Erregung, dann erstarrte sie, wie Hunde es tun, wenn sie einen Vogel erspähen. Ich wusste nicht, warum Belle sich so verhielt, aber ich verstand, dass sie nicht das tat, was ich wollte. Das ärgerte mich, und solche Situationen endeten jedes Mal mit einem ungleichen Boxkampf. Dann erhob Belle sich, streckte sich und schnüffelte verächtlich, bevor sie sich auf der anderen Seite des Kamins wieder hinlegte, worauf ich mich enttäuscht auf die Suche nach Martha machte.

Viele Ereignisse dieser frühen Jahre sind in meinem Gedächtnis verankert, wo sie einzeln, aber klar und deutlich stehen und ein starkes Gefühl von diesem stillen, ziellosen, unstrukturierten Leben heraufbeschwören.

Eines Tages verschüttete ich Wasser über meine Schürze, und ich breitete sie vor dem Feuer aus, das im Kamin des Wohnzimmers brannte. Die Schürze trocknete nicht so schnell, wie ich es mir wünschte, deshalb ging ich näher ans Feuer und warf sie in die heiße Asche. Die Flammen schossen empor und umfingen mich, und im nächsten Moment brannten meine Kleider lichterloh. Ich machte ein großes Geschrei, worauf Viny, meine alte Kinderfrau, herbeieilte. Sie warf eine Decke über mich, unter der ich beinah erstickt wäre, aber sie löschte die Flammen, und abgesehen von ein paar Brandspuren an meinen Händen und meinem Haar trug ich keine Verletzungen davon.

Es war ungefähr um diese Zeit, dass ich die Verwendung von Schlüsseln begriff. Eines Morgens schloss ich meine Mutter in der Speisekammer ein, wo sie drei Stunden lang bleiben musste, weil die Hausangestellten in einem anderen Teil des Hauses arbeiteten. Sie trommelte an die Tür, und ich saß auf den Verandastufen und freute mich, die Vibrationen ihres Klopfens zu spüren. Dieser schlimme Scherz überzeugte meine Eltern, dass ich möglichst schnell Unterricht bekommen müsse. Gleich nachdem Miss...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2025
Übersetzer Susanne Höbel
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Original-Titel The Story of My Life
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft
Schlagworte Anne Sullivan • Biografie • Blinde • Frau • Frauenrechte • Gehörlose • Gesundheit • Kindheit • Kommunikation • Natur • Sprache • USA
ISBN-13 9783293311862 / 9783293311862
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