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Besser grübeln (eBook)

Philosophische Hilfe bei Gedankenschleifen und Overthinking

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
173 Seiten
Kösel-Verlag
978-3-641-32715-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Besser grübeln - Judith Werner
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'Ein erhellender Streifzug durch die geballten Denk-Hacks der Philosophiegeschichte, der uns hilft, klüger zu denken.' Laura Fröhlich
AUSGEGRÜBELT: Was wirklich gegen overthinking hilft

Grübelschleifen rauben Kraft und sind ungesund. 'Gedankenstopp' heißt da das Wundermittel, das uns der Self-Help-Markt verordnen will. Doch wenn wir auf Knopfdruck aufhören könnten im Kreis zu denken, würden wir das nicht ohnehin tun? Und viel mehr noch: Sollten wir das überhaupt?

Philosophin Judith Werner sagt nein. Denn alles stummzuschalten, was die Gedanken kreisen lässt, hält uns nur vom Lösen unserer Probleme ab. Und das hat nicht zuletzt auch eine gesellschaftliche Dimension. Wir sollten lieber lernen besser, statt weniger zu denken - und genau damit das Overthinking in Schach halten.

  • Mit stoischer Gelassenheit gegen Grübelattacken
  • Deepthinking statt Overthinking: Philosophische Lebenshilfe at its best


Dr. Judith Werner, geboren 1983, studierte Philosophie, Politologie und Germanistik. Nach ihrer Promotion über den Antisemitismus im Werk Martin Heideggers arbeitete sie als stellvertretende Intendantin am Stadttheater Ingolstadt und Dozentin für Dramaturgie. Heute ist sie im Bereich nachhaltige Digitalisierung und als Publizistin tätig.

Warum Eskapismus zwar Spaß macht, aber keine Lösung ist

Einfach auf und davon. Tapetenwechsel.

Dass wir mit einer Veränderung der Landschaft um uns herum auch unser Inneres verändern können, ist weder neu noch weit hergeholt. Egal ob Urlaub oder Umzug: Wohin wir unseren Körper bewegen, macht auch mental etwas mit uns. Dabei ist es egal, ob es sich »nur« um eine hedonistische Reise handelt, also zum Beispiel um einen Aufenthalt im Wellness-Hotel im Nachbarort, oder um eine sogenannte eudämonisch motivierte. Eudaimonie bedeutet in etwa »von einem guten Geist beseelt«. Der altgriechische Begriff war zunächst religiös konnotiert, verlagerte sich in der Zeit der Vorsokratiker aber in den inneren Bereich des Menschen, genauer in seine Seele. Aristoteles nutzte ihn, um einen Zustand zu beschreiben, in dem der Mensch Erfüllung in seinem Streben nach einem höchsten Gut findet. Was dieses höchste Gut genau ist, ob ein tugendhaftes Leben oder andere »ideelle Werte«, wurde viel diskutiert – das Spannende für uns ist, dass Aristoteles dieses Streben immer als einen »Modus des Tätigseins« versteht. Es geht also nicht nur um innere Haltung oder Charaktereigenschaften, sondern auch um das ganz lebenspraktische Handeln.25 Dieser Aktivitätsaspekt kommt auch bei der eudämonisch motivierten Reise zum Tragen. Bei ihr spielen das Verlangen nach Ferne, die Neugier auf Neues und Abenteuer – sprich: der Unterschied zum Alltag – die größere Rolle.26 Ihr emotionaler Nachhall nach der Rückkehr ist meist lang anhaltender. Doch selbst der schönste Urlaub dauert ohne Lottogewinn oder Millionenerbe nicht ewig. Sogar für einen tatsächlichen Wohnortwechsel gilt: Irgendwann kehren Normalität und Alltag wieder ein. Damit kommen dann meist auch die Gedanken zurück, die man geglaubt oder wenigstens gehofft hatte, zurückgelassen zu haben.

Obwohl wir das alle irgendwie wissen, kann man nicht leugnen, dass die Idee, vor den Problemen um einen herum und auch vor denen im eigenen Kopf einfach wegzurennen, unheimlich attraktiv ist. Die schnelle und gern auch mal radikale Lösung ist anziehend, denn sie verspricht Mühelosigkeit. Stress und Aufwand haben wir ja schließlich alle schon genug. Also warum es nicht mal mit ein bisschen Weltflucht versuchen?

Der Terminus technicus dafür lautet: Eskapismus. In der Neuzeit hat ein Autor diesen Begriff wesentlich geprägt, der den meisten allerspätestens seit den großen Peter-Jackson-Filmen bekannt ist: J.R.R. Tolkien, Schöpfer von Der Herr der Ringe. In seinem Aufsatz On Fairy Stories spricht er von einem Menschen in Gefangenschaft, der – wenn er nicht physisch ausbrechen kann – dies doch wenigstens in seiner Fantasie tun könne. Dies sei natürlich eine Art von Weltflucht, aber sicherlich keine, die zu verurteilen sei.27 Kritiker*innen warfen Tolkien zu seinen Lebzeiten vor, dass er seine Lesenden in andere Welten entführe und sie damit der Realität entfremde. Für Tolkien hingegen war Mittelerde, das magische Land von Elben, Zwergen und Hobbits eine Form der Alltagsbewältigung, die eben gerade im Abstand zu den realen Begebenheiten funktionierte. Wie nah dieses Fantastische aber ohnehin an der ihn umgebenden Welt orientiert war, macht ein Blick auf die Biografie des Autors und den Entstehungszusammenhang deutlich.

Tolkien war im Ersten Weltkrieg als Offizier in der Schlacht an der Somme im Einsatz. Zeithistorische Dokumente zu den Zuständen in den Schützengräben sind der Beschreibung von Mordor nicht unähnlich. Die düsteren Mächte in Mittelerde sind in Teilen eine Verarbeitung des industrialisierten Massenabschlachtens im Stellungskrieg, das der Autor selbst miterleben musste. Wer sich gegen seine eskapistische Literatur positionierte, in dem sah Tolkien die Repräsentation eines gefühllosen Gefängniswärters.28 Mit seinem Schreiben und dem Schaffen eines eigenen, wenn auch in eine andere, fantastische Welt übertragenen Narrativs betreibt Tolkien auch ein Aufbegehren gegen Totalitarismus und Denkideologien – denn mit dem Erzählen der eigenen Geschichte werden die Erzählenden zu den Autor*innen ihrer eigenen Lebensläufe.29 Dass dies natürlich nur bis zu einem gewissen Grad als Verarbeitungs- oder Selbstbehauptungsprozess funktioniert und dass eine komplette Abkopplung von der Realität wiederum zu ganz anderen Problemen führt, nämlich dem Heraufbeschwören von alternativen Realitäten, steht auf einem anderen Blatt, zu dem wir später noch kommen.

WELTFLUCHT LEICHT GEMACHT: VON VERKAUFSTÜCHTIGEN ELFEN UND PANTHEISTISCHEN WALDAUSFLÜGEN

Feen- und Zauberhaftes begegnet einem nicht nur auf literarischen Pfaden, sondern auch auf sozialen Plattformen. Mit dem entsprechenden Algorithmus wird der Feed schnell von ihnen hier bevölkert: Blonde Damen in floralen Rüschenkleidern, die durch verwunschene Waldlandschaften schweben. Dampfender Tee, der in handgetöpferte Tassen gegossen wird. Gepresste Blumen, die in alten Holzrahmen arrangiert und an die Wand gehängt werden. Nichts davon ist per se außergewöhnlich, aber alldem scheint ein Hauch von Magie innezuwohnen. (Ein Schelm, wer denkt, dass das wohl am passend gewählten Instagram-Filter liegt.)

Solche Inhalte tragen oft den Hashtag cottagecore. Dabei handelt es sich um eine Internetästhetik, die in diesen Bildern und Videos als kompletter Lifestyle zelebriert wird. Der Kern des Ganzen: eine Feier des einfachen Lebens, gerne auf dem Land, sehr gerne mit Tieren und Wildblumenwiese. Leitgefühl: Nostalgie. Vintagekleidung, Vintagemöbel, Vintagegeschirr. Nicht wirklich gebraucht versteht sich. Es soll ja nur so aussehen. Alles fürs gute Feeling gewissermaßen – ob die Vergangenheit wirklich so aussah (Spoiler: tat sie nicht), ist dabei nebensächlich.

Manche dieser Accounts haben Hunderttausende oder gar Millionen von Followern und machen mit ihrem Content ordentlich Kohle. Kanäle wie CottageFairy beispielsweise stellen das romantische Hüttenleben in den Mittelpunkt. Paola Merrill, die Frau hinter der Fee, zeigte über Jahre auf Youtube ihr Leben in einem pittoresken Tal im Bundesstaat Washington, bis sie 2024 ihren Kanal stilllegte. In ihren Aquarellen und Zeichnungen, die sie auf verschiedenen Plattformen verkauft, spielen Elfen, Trolle und andere mystische Wesen eine wesentliche Rolle. In ihren Videos mäandert sie barfuß über Waldlichtungen. Die Message: Eins sein mit der Natur. Manchmal wirkt das fast schon spirituell und auch die eingeblendeten Sprüche und Voice-Overs verleihen dem Ganzen einen esoterischen Touch. Im Zentrum steht die Idee einer belebten und beseelten Natur.

Keine neue Erfindung, denn dieser philosophische Grundgedanke zog sich durch die Jahrtausende. In der europäischen Geistesgeschichte findet er sich bei den schon eingangs erwähnten Vorsokratikern. Einer von ihnen hieß Xenophanes und war ein bekannter Rhapsode, sozusagen der Herbert Grönemeyer des 6. Jahrhunderts vor Christus. Ihm werden in seinen lyrischen Texten auch philosophische Ideen zugeschrieben, wie die eines ewigen, unveränderlichen Seins. Diese Form der Gottesvorstellung unterschied sich radikal von der antiken Göttermythologie: Zeus, Aphrodite und der Rest des Olymps sahen in den Kunstwerken der Zeit nicht nur wie Menschen aus, sie verhielten sich auch so – meist sogar noch eine Spur wüster. Damit konnte Xenophanes nicht das Geringste anfangen:

[Herrscht doch] nur ein einziger Gott, unter Göttern und Menschen der größte, weder an Aussehen den Sterblichen ähnlich noch an Gedanken.

Ganz sieht er, ganz denkt er, ganz hört er.30

Seine Vorstellung von Göttlichkeit war immateriell und sie drückte sich nicht in einer Ähnlichkeit zum Menschlichen, sondern gerade in der Vielgestaltigkeit der uns umgebenden Welt aus. Das bedeutete für Xenophanes im Umkehrschluss, dass die Natur und alles in ihr beseelt und insofern göttlich war. Diese Allgöttlichkeit wird als Pantheismus bezeichnet und taucht auch in Philosophien und Religionen aus anderen Teilen der Welt auf.

Die Cottagecore-Bewegung nimmt daran Anleihe, freilich ohne das in aller Regel groß zu thematisieren. Der wahrscheinlich gewünschte Effekt: Das Ganze kommt deutlich tiefsinniger daher, als es bei einer kritischen Betrachtung aussähe. In der Vermarktung verkümmert vieles zu einer Pseudospiritualität, die so vage bleibt, dass sie möglichst anschlussfähig für alles und jeden ist.

Beim Stichwort Marketing wären wir dann auch wieder bei unseren Influencer*innen. Das Einssein mit der Natur wird hier vor allem als Rückzug von der modernen Welt verstanden, die mit ihrer Schnelligkeit und ihren Ansprüchen überfordert. Die erlösende Flucht in die Natur findet inhaltlich, aber vor allem auch ästhetisch Niederschlag: Ob das Tempo der Schnitte, die Musik oder die in erdigen Farben gefilterten Insta-Stories – alles ist langsam und sanft als Kontrast zur feindlichen Außenwelt mit ihren Rushhours und Karrierehamsterrädern. Kontemplation und Kunsthandwerk stehen gleichberechtigt neben häuslichen Tätigkeiten vom Obsteinwecken bis zum Gemüseanbau. Die Followerschaft honoriert es mit Klicks und Likes.

Man kann das entspannend und heilsam finden oder es als lahm und irrelevant abtun. Wobei man bei der negativen Wertung kritisch hinterfragen könnte, welche Kriterien es sind, die eine Form des Entertainments wertvoll und die andere weniger hochwertig erscheinen lassen....

Erscheint lt. Verlag 25.6.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
Schlagworte Achtsamkeit • Alltagsphilosophie • analytisches Denken • andrea weidlich • Balance & Gelassenheit • Bewusstsein • deep thinking • deep thinking • Denkstrategien • der kleine alltagsstoiker • eBooks • Entschleunigung • Gedankenkontrolle • gedankenschleife • Gwendoline Smith • hayley morris • Innerer Frieden • mark manson • Mental Detoxing • Mentaltraining • nick trenton • overthinking • Philosophie • Philosophische Lebenshilfe • Positives Denken • Problemlösung • Psychologie • Resilienz • rumorieren • Selbsthilfe • Stoa • Stoizismus • Stressbewältigung • toxische Positivität • Überdenken • Umgang mit Emotionen
ISBN-10 3-641-32715-6 / 3641327156
ISBN-13 978-3-641-32715-6 / 9783641327156
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