Mut zur Zuversicht (eBook)
222 Seiten
Remote Verlag
978-1-960004-32-1 (ISBN)
Vera Starker ist Autorin, Wirtschaftspsychologin, Senior Coach, MBA in systemischer Organisationsentwicklung, Keynote-Speakerin und Co-Founderin des Berliner Think Tanks Next Work Innovation, der zu New Work forscht und berät, sowie Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht. Als Coach begleitet sie Führungskräfte namhafter Unternehmen, ihre Organisationen erfolgreich zu transformieren. Zuvor war sie als Personalleiterin und Geschäftsleitungsmitglied in Konzernen tätig, sie kennt daher auch die Innenperspektive von Unternehmen. Als Keynote-Speakerin und Autorin beleuchtet sie die neue Arbeitswelt und deren Entwicklungsmöglichkeiten sowie soziokulturelle Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeit. In ihrem Buch baut die arrivierte Transformationsgestalterin die Brücke zwischen persönlicher und gesellschaftlicher Transformation. Dr. Katharina Roos ist promovierte Pädagogin, systemischer Coach, Mediatorin und führende Expertin für kollaborative Mitarbeiterbefragungen. Schon sehr früh hat sie sich auf das Thema Befragungen spezialisiert, hierzu geforscht und als Führungskraft und Prokuristin in Unternehmensberatungen anspruchsvolle Befragungsprojekte begleitet. Als Unternehmerin und Geschäftsführerin der Netzwert Partner GmbH entwickelt sie innovative Beteiligungsprozesse für die Arbeitswelt der Zukunft. Als Bürgerrätin für Bildung und Lernen setzt sie sich öffentlich für eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft ein und engagiert sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wie in ihrer Arbeit verbindet sie in diesem Buch Menschlichkeit mit Wissenschaft, nimmt persönliche und systemische Perspektiven ein - und das mit Herz, Passion und wissenschaftlichem Anspruch.
Willkommen in der Geisterbahn – have a scary trip!
Bestimmt sind Sie schon mal Geisterbahn gefahren. Eventuell sogar mit einer Geisterbahn älteren Jahrgangs. Noch während Sie in der Warteschlange standen, hörten Sie das Anrauschen der Wagenschlange, die – dem fortgeschrittenen Alter der Kirmesattraktion geschuldet – etwas ruckelig um die Ecke bog, einfuhr und schließlich zum Halten kam. Die Bügel hoben sich, und einige ziemlich blasse Menschen stiegen aus den kleinen Wagen. Sie wiederum suchten sich Plätze aus, stiegen ein, und Ihr Adrenalinspiegel stieg bereits an durch Ihre Vorfreude aufs Gruseln. Sie setzten sich, die Bügel klappten herunter – ein untrügliches Signal: Aus dieser Nummer komme ich nicht mehr raus. Die Wagen ruckten an, langsam kam das Ganze ins Rollen, unerbittlich in Richtung des Tunneleingangs, geschmückt mit bunten Fratzen und Totenköpfen – und los ging die Fahrt ins Grauen, untermalt von Gespenstergeheul und hämischem Hexengelächter.
»Eine Geisterbahn dient dem Zweck, ihre Besucher und Fahrgäste gegen ein Eintrittsgeld zu erschrecken«, definiert Wikipedia den Begriff ein wenig lakonisch. 1931 gab es die erste Geisterbahn auf dem Hamburger Dom – eine Sensation. Seit damals fallen die Geisterbahnen auf jeder Kirmes sofort auf, denn sie stechen durch ihre auffällige Aufmachung heraus, und die Menschen bezahlen viel Geld, um sich erschrecken zu lassen und den Stoß des Adrenalins zu spüren.
Die Frage lautet jetzt: Was haben Geisterbahnen in einem Buch über Zuversicht verloren?
Der Wahnsinn hat System
Steig ein und dreh eine Runde mit mir!
Im Leben treffen wir immer wieder auf Menschen, die zwar psychisch gesund sind, sich aber ständig ärgern, übermäßig viel jammern und grundsätzlich jedes Glas für halb leer erklären. Vielleicht werden Sie mittlerweile auch das Gefühl nicht los, dass die Zahl dieser Leute in den letzten vier Jahren zugenommen hat. Diese stets jammernden Menschen ordnen wir hier – ausnahmsweise wollen wir mal in Kategorien denken – der Kategorie eins zu. Dann gibt es die Menschen der Kategorie zwei, diejenigen, die ebenfalls psychisch gesund sind, aber davon profitieren, wenn andere sich ärgern, jammern und Kraft verlieren. Auf letztere Kategorie werden wir hier noch mehrmals zu sprechen kommen. Und schließlich haben wir noch die Kategorie drei, zu der eventuell auch Sie gehören. Das sind nämlich die Menschen, die versuchen, die Leidenden, Jammernden zu trösten und zu stabilisieren, möglichst ohne selbst dabei unterzugehen. Diese Unterteilung ist sehr grob, für das folgende Gedankenspiel aber hilfreich.
Professor Robert Sapolsky von der Universität Stanford konnte nämlich zeigen, dass Menschen, die chronisch jammern (Kategorie eins), negative körperliche Auswirkungen ihres Jammerns erleben. Durch die ständige Wiederholung von schlechten, traurigen, wütenden und ohnmächtigen Gefühlen können, so Sapolskys Studienergebnisse, die Neurotransmitter im Gehirn eine neuronale »Neuverdrahtung« durchlaufen, die negative Gedankenmuster verstärkt. Ein ständiger Kreislauf negativer Gedanken kann sogar Schäden am Hippocampus verursachen, dem wichtigen Teil des Gehirns, der für Problemlösungen und kognitive Funktionen zuständig ist.2 Wir geraten in eine emotionale Höllenspirale, wie es Stefan Kölsch, Professor für Biologische Psychologie, erklärt.3
Geteiltes Leid ist nicht halbes Leid,
sondern doppeltes Leid.
Chronische Nörgler übertragen – teils natürlich unbewusst – ihre negativen Gefühle auf andere, ein Phänomen, das sich projektive Identifikation nennt. Viele Menschen arbeiten sich nämlich daran ab, diese Nörgler zufriedenzustellen und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen, eine Arbeit, die jedoch oft dem Versuch gleicht, Wasser mittels eines Siebs zu schöpfen. Und das bringt die Helfenden schließlich selbst in Gefahr, weil sie über ihre empathische Begleitung der Nörgler beginnen, ihren Fokus ebenfalls auf das Schlechte zu richten.
Angst, Ärger und Wut lösen Hilflosigkeit aus.
Positive Gefühle hingegen stärken uns und machen uns handlungsfähig.
– Prof. Dr. Maren Urner,
Neurowissenschaftlerin und Autorin
Forschungsergebnisse unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen belegen überdies, wie der Prozess der Aufmerksamkeitsfokussierung – also wohin wir unsere innere Taschenlampe richten – menschliches Erleben mental und physiologisch beeinflusst: Forschende gaben einer Gruppe von Menschen die Aufgabe, aus bestimmten Wörtern einen Satz zu bilden. Dann sollten sie für eine zweite Aufgabe in einen anderen Raum am Ende eines Korridors gehen. Nun wurde gemessen, wie viel Zeit die Probanden für die Gehstrecke benötigten. Die eine Hälfte der Versuchspersonen, die Experimentalgruppe, hatte Wortlisten bekommen, die Begriffe wie Florida, vergesslich, Glatze, grau oder Falte enthielten – also Wörter, die mit alten Menschen assoziiert werden.
Diese Gruppe ging tatsächlich deutlich langsamer als die Kontrollgruppe, die eine Liste mit neutralen Wörtern bekommen hatte. Die Probanden gingen natürlich davon aus, dass ihr Verhalten ihrer bewussten Kontrolle unterlag. Tatsächlich aber wurden sie unwillkürlich in ihrem Verhalten beeinflusst – allein durch das Lesen bestimmter Begriffe. 4
Wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken –welche Stellen wir also mit unserer inneren Taschenlampe anleuchten –, entscheidet darüber, wie wir uns fühlen und wie wir physiologisch reagieren.
Kommen wir zurück zur Geisterbahn. Natürlich haben wir hier in Deutschland und in der Welt mit einer ganzen Reihe großer Herausforderungen zu kämpfen. Daran gibt es nichts zu deuteln. Vermittelt werden uns diese Krisen in der Regel als »Ist so!«, mit einer fatalen Betonung der statischen Unveränderbarkeit. Und das löst bei vielen Menschen und bei Ihnen vielleicht auch Gefühle von Hilflosigkeit, Empörung und Ohnmacht aus. Wenn das in einer Gruppe geschieht, erleben deren Mitglieder sogar eine (tröstliche) Bindung, gestiftet durch gemeinsame Betroffenheit. Auch abwertendes Reden über bzw. Beschimpfen von anderen Menschen oder Gruppen erfüllt einen verwandten Zweck: Dies alles dient der Identitätssicherung und sorgt für Bindung über die Ingroup-Outgroup-Logik (ich bin bei denen, die schimpfen, also gehöre ich dazu, und die, über die wir gemeinsam schimpfen, gehören nicht dazu). Und wenn Sie dann nach Hause kommen und sich dort am besten noch einmal über das aufregen, was Sie an diesem Tag über sich ergehen lassen mussten, wird Ihre Psyche mit negativen Gefühlen nachgerade geflutet.
Sollten Sie jetzt noch auf die Idee kommen, den Fernseher anzuschalten und die Nachrichten zu schauen, werden Sie gar nicht anders können, als mit Ihrer inneren Taschenlampe die Katastrophen dieser Welt auszuleuchten. Mit anderen Worten: Sie absolvieren eine Runde in der Geisterbahn und noch eine und noch eine … Und während Ihr Körper sich noch damit abmüht, die Stresshormone wieder abzubauen, macht sich eine tiefe Erschöpfung breit.
Selbst wenn Sie ein in der Regel positiv gestimmter Mensch sind, haben Sie derzeit vielleicht manchmal das Gefühl, dass Ihnen – insbesondere seit der Corona-Pandemie, sehr viele Einladungen zur Geisterbahnfahrt unter die Nase gehalten werden. Die Mitmenschen der Kategorien eins und zwei winken Ihnen aus ihren Geisterbahnwagen zu und laden Sie ein, mit ihnen gemeinsam eine weitere Fahrt zu wagen. Allzu oft steigen Sie ein, nicht wahr? Dann werden die Bügel heruntergeklappt – und los geht die wilde Fahrt zu neuer Empörung, schäumender Wut und schließlich zur Frustration und Hilflosigkeit. Und darauf reagiert natürlich auch unser Walter. Moment … Walter?
Wer ist eigentlich Walter?
Wer denkt, ist nicht wütend.
– Theodor W. Adorno, Philosoph und Soziologe
Machen wir es kurz: Walter ist der Chef Ihrer körpereigenen Alarmanlage, zu der unter anderem die Amygdala gehört. Sie ist ein Teil des sogenannten limbischen Systems, einer sehr wichtigen Hirnregion, zuständig für unser Erleben von Stress und Angst. Beschreiben kann man die Amygdala als einen kleinen, mandelförmigen Komplex von Nervenzellen im unteren Bereich des Gehirninneren. Das limbische System ist ein Verbund verschiedener Hirnstrukturen, der eine große Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt.
Die Amygdala steuert – zusammen mit anderen Hirnregionen – unsere psychischen und körperlichen Reaktionen auf Stress und Angst auslösende Situationen. Treffen bei ihr Signale ein, die höhere Aufmerksamkeit erfordern, zum Beispiel, wenn etwas neu oder gefährlich ist, dann feuern ihre Nervenzellen Impulse ab und wir werden wacher und aufmerksamer. Dies geschieht übrigens bereits, bevor wir die Gefahr bewusst erkennen. Ab einer bestimmten Schwelle der Nervenaktivität setzt die Amygdala eine Stressreaktion in Gang und aktiviert so unsere Kampf-oder-Flucht-Reaktion. In Notfällen schlägt Walter also mit der Faust auf den roten Alarmknopf und sorgt so dafür, dass die Alarmanlage aktiviert und in nur Bruchteilen von Sekunden eine Notfall- und Stressreaktion in Ihrem Körper ausgelöst wird.
Wir haben im Gehirn ein Angstsystem,
das auf der Stufe eines Huhns ist.
– Professor Borwin Bandelow,
Psychiater und Angstexperte, Universität Göttingen
Diese Notfall- und Stressreaktion ist ein sehr alter...
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Entwicklungspsychologie |
Wirtschaft ► Allgemeines / Lexika | |
ISBN-10 | 1-960004-32-8 / 1960004328 |
ISBN-13 | 978-1-960004-32-1 / 9781960004321 |
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Größe: 2,9 MB
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