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Das Stück Brot ist wieder ein Stück Brot -  Sandra Steiner Roth

Das Stück Brot ist wieder ein Stück Brot (eBook)

Wege aus der Essstörung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
208 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-76310-1 (ISBN)
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Essstörungen haben immer vielfältige Ursachen, und es geht darum, dysfunktionalen Gedanken, Glaubenssätzen und inneren Haltungen auf die Spur zu kommen. Das Buch bietet eine Hilfestellung für Betroffene und Angehörige, die aus der langjährigen therapeutischen Arbeit der Autorin mit Frauen und Männern mit Essproblemen entstanden ist. Das Ziel der Autorin ist es, Wege aufzuzeigen, wie Betroffene einen neuen Umgang mit dem Essen finden können und Stück für Stück zu einem gesunden Essverhalten zurückfinden.Das Buch gliedert sich in drei Teile: 1. Grundlegende und immer wiederkehrende Themen und Fragen, die der Autorin im Praxisalltag in den Gesprächen mit den Klient:innen mit Essstörungen begegnen, werden einfach verständlich und fachlich fundiert vorgestellt und erklärt. Begleitend werden die jeweils entsprechenden therapeutischen Interventionen beschrieben. 2. Persönlich verfasste Erfahrungsberichte von Betroffenen, von ehemals Betroffenen, Angehörigen, Partner:innenund Freund:innen, die das Thema aus ihrer persönlichen Perspektive beleuchten. 3. Kurze Fachinformationen zu den verschiedenen Formen von Essstörungen (Magersucht, Bulimie, Binge Eating Disorder). 'Ein wunderbares Buch, das Mut macht, 'den Klippensprung zu wagen', wie eine Betroffene es nennt. Und es macht Hoffnung und zeigt Wege auf, diese Hoffnung in Leben umzusetzen.' Dr. Bärbel Wardetzki, Praxis für Psychotherapie, Supervision und Coaching, München

|31|2  Ursachen der Essstörung ergründen


2.1  Die Essstörung – ein Ausdruck für Konflikte


Eine Essstörung ist ein Symptom, das in einem bestimmten sozialen Kontext entstanden ist und nicht losgelöst von diesem betrachtet werden kann. Alle Menschen des Systems (z. B. Familie, ethnische Gemeinschaft) sind daran beteiligt. Der Fokus liegt bei dieser Betrachtungsweise nicht auf den Menschen als Individuen, sondern auf der Art und Weise, wie sie miteinander umgehen und kommunizieren. Die von der Essstörung betroffene Person wird zur Symptomträgerin, die auf Missstände im System und ihr damit verbundenes Leiden aufmerksam macht. So betrachtet macht ihr Verhalten Sinn, auch wenn dies für die anderen im System nicht ersichtlich ist. Die Ordnung im System wird durcheinandergebracht, ähnlich wie wenn ein Dominostein angestoßen wird und dieser alle anderen Steine im System erfasst.

Es ist daher fatal, allein die Betroffenen als krank und anstrengend abzustempeln oder das Symptom isoliert vom Lebenskontext bekämpfen zu wollen. Es geht darum, das, was anders nicht ausgedrückt werden kann, zu entschlüsseln und Worte dafür zu finden (Schmidt, 2008). In dem Sinn ist ein Symptom immer eine Chance, eingespielte Verhaltens- und Denkweisen im System zu hinterfragen. Um eine dauerhafte Verbesserung der Essstörung zu erreichen, reicht es oft nicht aus, einzig am Essverhalten zu arbeiten, auch wenn dies selbstverständlich von großer Bedeutung für den Heilungsprozess ist. Es geht auch darum, die Sprache des Symptoms mit psychologischer Unterstützung entschlüsseln und verstehen zu lernen. Nur wenn die dahinterliegende Problematik, zu deren Bewältigung das Symptom Essstörung dient, bewusst wird, können in kleinen Schritten Veränderungen erzielt werden, die zu mehr Selbstwirksamkeit und dem Gefühl, den Anforderungen des Lebens besser gewachsen zu sein, führen. Die Symptomatik, |32|einst nützliche und hilfreiche Bewältigungsstrategie, kann zunehmend ihre Funktion verlieren und in den Hintergrund treten.

Interessierst du dich dafür, warum die Essstörung entstanden ist, welchen Sinn sie hat und welches Entwicklungspotenzial darin steckt? Ich ermutige dich zu dieser Reise. Es ist, wie wenn du anfängst, einen Korb mit Wollknäueln zu entwirren, die einzelnen Fäden zu erkennen und die Knäuel aufzurollen. Die Beschäftigung mit Essen schützt dich vor den Anforderungen des Lebens, verhindert aber auch, dass du wichtige Erfahrungen machen und dich emotional weiterentwickeln kannst. Was macht dir Angst? Sind es beispielsweise die schulischen Anforderungen, soziale Ängste, das Gefühl, wertlos zu sein und nicht zu genügen?

Fühlst du dich für die Familienmitglieder verantwortlich? Plagt dich oft ein schlechtes Gewissen? Getraust du dich, deine Bedürfnisse zu spüren und dafür einzustehen? Kannst du nein sagen? Hast du Erfahrung darin, Konflikte auszutragen, zu streiten und zu merken, dass die sozialen Beziehungen dies aushalten? Bist du in der Lage, Zeit mit dir selbst zu verbringen und dies genießen zu können?

Indem du anfängst, dich und die Esssymptomatik zu beobachten und ernst zu nehmen, wirst du auf die Themen stoßen, die die Essstörung verursachen und aufrechterhalten. Lerne, das Symptom zu verstehen, betrachte es weniger als Feind:in denn als Freund:in, der dir Wichtiges mitteilen möchte, wenn du hinhören willst und kannst. Dieser Paradigmenwechsel rückt einiges in ein neues Licht. Stell dir dein Leben und deine sozialen Beziehungen wie ein Theaterstück vor, das du dir auf der Tribüne als Zuschauer:in anguckst. Was siehst du aus der Distanz? Wie findest du das, was sich dir da zeigt? Nun geh auf die andere Seite der Tribüne und beobachte das Theaterstück aus einer neuen, ganz anderen Perspektive. Wenn du genau hinschaust, merkst du vielleicht, dass viele Dinge anders sind, als du lange geglaubt hast, und wie es dir z. B. von deinen Eltern vermittelt wurde. Getraue dich, ehrlich zu dir zu sein, auch wenn es schmerzt, und mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten oder einer Person außerhalb des Systems darüber zu sprechen. Dann nehmen deine Gedanken Gestalt an. Du wirst dadurch in keiner Weise zu einer oder einem Verräter:in, die/den Mitmenschen gegenüber nicht loyal ist. Etwas zu erkennen, bedeutet auch nicht, dass du sofort etwas verändern oder ansprechen musst. Es ist vorerst ausreichend, dass du darum weißt und es nicht mehr verdrängst, ausblendest oder schönredest.

|33|Prägende Verhaltensweisen, Glaubenssätze und Denkmuster werden oft unhinterfragt von Generation zu Generation weitergegeben. Vielleicht ist es deine Aufgabe, die Arbeit zu leisten, die es braucht, um diese zu erkennen und zu verändern, sodass sie nicht mehr oder nur in abgeschwächter Form an die nächste Generation weitergegeben werden. Das Symptom fordert dich dazu auf, zu hinterfragen und neu zu ordnen. Du darfst dich damit auseinandersetzen, wie beispielsweise die Beziehungsmuster in deiner Familie funktionieren und was dich wie geprägt hat. Einige Beispiele: Möglicherweise hast du Traumatisches erlebt, was im Körpergedächtnis gespeichert ist (Levine, 2011). Nicht als die Person, die du bist, gesehen, gehört und ernst genommen zu werden, führt zu tiefen seelischen Verletzungen. Vielleicht wurdest du im Stich gelassen und nicht beschützt, als du Unterstützung gebraucht hättest. Oder du wurdest überbehütet oder musstest sehr früh Verantwortung und Rollen übernehmen, die dich überforderten und nicht angemessen waren. Vielleicht wurden gute Leistung, perfektes Funktionieren in allen Lebensbereichen sowie körperliche Attraktivität als höchst erstrebenswert angesehen, immer im Vergleich mit anderen Menschen. Es kann sein, dass deine Bezugspersonen dies weder mit Absicht noch böswillig getan haben. Sie konnten nicht anders. Das ist keine Entschuldigung, sondern eine Erklärung.

Wenn jemand deine Lieblingstasse auf den Boden fallen lässt, spielt es keine Rolle, ob dies mit oder ohne Absicht geschehen ist, die Tasse ist zerbrochen. Du darfst darüber traurig und wütend sein, auch wenn es keine Schuldigen gibt und keine böse Absicht dahintersteckt. In dem Moment würdest du dir wohl einfach wünschen, dass die Person, die die Tasse zerschlagen hat, sich aufrichtig bei dir entschuldigt und Verantwortung dafür übernimmt, ohne sich selbst in Schuldgefühle zu verstricken. Dass sie dir zugesteht, dass du dich fühlen darfst, wie du dich fühlst. Dies ernst nimmt, ohne zu werten oder zu kommentieren. Vielleicht würde es dir helfen, in den Arm genommen zu werden, über die Tasse weinen zu können und getröstet zu werden. Zu erleben, dass jemand deine Gefühle aushält, ohne in Panik zu geraten. Lass nicht zu, dass sich plötzlich alles nur darum dreht, wie sich die andere Person wegen der von ihr zerbrochenen Tasse fühlt. Und du sogar ein schlechtes Gewissen bekommst, weil du „anstrengend“ bist und sie jetzt „deinetwegen leidet“ und dich dies unter Umständen sogar spüren lässt. Siehst du, wie verdreht das ist? Es geht jetzt um dich. Der Spieß soll nicht umgedreht werden. Es geht um deine Gefühle von Wut und Trauer über die zerbrochene Tasse. Vielleicht spricht diese Geschichte mit der Tasse etwas in dir an.

|34|Es kann sein, dass du mit der Zeit viele Muster erkennen kannst und dass dies zu Veränderungen in deinen Beziehungen führt. Plötzlich fängst du an, dich zu wehren, für dich einzustehen, bei deiner Wahrheit zu bleiben, auch wenn dein Umfeld dies anders sieht. Das ist nicht immer angenehm und kann große Ängste auslösen. Deshalb kann es helfen, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, was dir einen sicheren Rahmen für dich, für deine Gefühle bietet. Du lernst, bildlich gesprochen, eine fremde Sprache, indem du neue Erkenntnisse gewinnst über dein Leben. Wenn du Glück hast, sind die Menschen um dich bereit, diese Sprache ebenfalls zu lernen, damit sie dich verstehen. Dann ist die Möglichkeit gegeben, dass alle einen inneren Prozess durchlaufen und dass neue Beziehungsmuster etabliert werden können. Dies kostet Arbeit, erfordert Energie und ist mit Hinschauen und Schmerz verbunden. Manche Menschen können und wollen das nicht. Sie verfügen nicht über die Ressourcen, die es braucht, um sich der Realität zu stellen und das Schwierige auszuhalten. Selbst wenn dies dir nahestehende...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-456-76310-7 / 3456763107
ISBN-13 978-3-456-76310-1 / 9783456763101
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