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Alles Leben ist Problemlösen (eBook)

Über Erkenntnis, Geschichte und Politik
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
336 Seiten
Piper Verlag
9783492970679 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alles Leben ist Problemlösen -  Karl R. Popper
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Karl Popper, einer der einflußreichsten Denker dieses Jahrhunderts, hat an diesem Buch bis zu seinem Tod gearbeitet. In den 16 Texten dieser Auswahl kommen noch einmal die großen Themen zur Sprache, die sein Lebenswerk beherrscht haben.

Karl R. Popper, geboren am 28. Juli 1902 in Wien, gestorben am 17. September 1994 bei London. Er emigrierte 1937 nach Neuseeland, wo er am University College in Christchurch lehrte. Von 1946 bis 1969 war er Professor an der London School of Economics. 1965 wurde er von Königin Elizabeth II. geadelt. Von seinen zahlreichen Büchern liegen auf deutsch unter anderem vor: »Das Ich und sein Gehirn« (mit John C. Eccles), »Auf der Suche nach einer besseren Welt« und sein in Deutschland erfolgreichstes Buch »Alles Leben ist Problemlösen«. Zuletzt erschien »Die Welt des Parmenides. Der Ursprung des europäischen Denkens«.

Karl R. Popper, geboren am 28. Juli 1902 in Wien, gestorben am 17. September 1994 bei London. Er emigrierte 1937 nach Neuseeland, wo er am University College in Christchurch lehrte. Von 1946 bis 1969 war er Professor an der London School of Economics. 1965 wurde er von Königin Elizabeth II. geadelt. Von seinen zahlreichen Büchern liegen auf deutsch unter anderem vor: »Das Ich und sein Gehirn« (mit John C. Eccles), »Auf der Suche nach einer besseren Welt« und sein in Deutschland erfolgreichstes Buch »Alles Leben ist Problemlösen«. Zuletzt erschien »Die Welt des Parmenides. Der Ursprung des europäischen Denkens«.

Vorwort


Die vorliegende Sammlung von Aufsätzen und Reden kann als eine Fortsetzung meines Buches Auf der Suche nach einer besseren Welt angesehen werden, das gleichfalls bei Piper in München erschienen ist. Beide Bücher enthalten Beiträge, die stark naturwissenschaftlich orientiert sind, und andere, die historisch oder politisch orientiert sind. Der Titel dieses Buches, Alles Leben ist Problemlösen, ist auch der Titel seines 12. Kapitels – eines Kapitels, das die kurze, aber sachlich wichtige »Zusammenfassung als Vorwort« stark beeinflußt hat, die ich jenem früheren Sammelband vorangestellt habe.

Ich habe mich bemüht, auch dem Vorwort zum gegenwärtigen Sammelband mehr Gewicht zu geben, als Vorworte gewöhnlich haben.

Die Auswahl der Kapitel ist das gemeinsame Werk von meiner Assistentin, Mrs, Melitta Mew, und von Dr. Klaus Stadler vom Piper Verlag. Ich bin beiden zu größtem Dank verpflichtet.

I


»Fragen der Naturerkenntnis« heißt der erste Teil des gegenwärtigen Buches. Es ist hauptsächlich die Biologie, an die ich hier denke, und der unfaßbare Reichtum der Formen des Lebens.

Je tiefer wir in eines der vielen Gebiete der Biologie eindringen – von welcher Seite auch immer –, um so unfaßbarer erweist sich der Formenreichtum der biologischen Strukturen auf jeder Ebene und um so wunderbarer ihr harmonisches Zusammenspiel.

Das letzte Kapitel des ersten Teils ist Johannes Kepler gewidmet, dem großen Sucher nach den Harmonien im physischen Schöpfungswerk Gottes und dem großen Finder der drei Keplerschen Gesetze, die die Bewegungen der Planeten in höchst abstrakter, aber auch höchst harmonischer Weise bestimmen. Unter den drei Geistesriesen – den Zeitgenossen Galilei und Kepler und ihrem Nachfolger Newton –, die zusammen (und mit anderen) unsere Naturwissenschaft geschaffen haben, ist Kepler vielleicht der größte. Sicher ist er die anziehendste, offenste und bescheidenste Persönlichkeit. Alle drei waren leidenschaftliche Sucher und unermüdliche Arbeiter; alle drei leisteten schwerste Arbeit, oft für lange Zeit enttäuschende Arbeit, aber sie wurden reich belohnt durch das große Glück des Entdeckers, der die Welt in einem neuen Licht sieht: anders, schöner, harmonischer und auch besser als irgendein Mensch vor ihm – und der dann weiß, daß seine schwere Arbeit von Glück gesegnet war, von fast unverdientem Glück, denn es hätte ja so leicht ganz anders kommen können.

Kepler allein, unter diesen drei Größten, hat alles nicht nur durchgemacht, sondern auch mit Fleiß und Offenheit niedergeschrieben. Und er verstand auch wie kein anderer, daß es ursprünglich die griechischen Denker der Vorzeit waren, von Thaies bis Aristoteles, Aristarchus und Ptolemäus, die ihre kühnsten Ideen an Keplers Vorbild, Kopernikus, vermacht hatten.

Seine große Bescheidenheit half Kepler – mehr als den anderen beiden – immer wieder, sich seiner Fehler bewußt zu werden und aus seinen Fehlern zu lernen; Fehlern, die nur mit den größten Schwierigkeiten zu überwinden waren. Jeder der drei Geistesriesen war, in seiner besonderen Weise, tief in einem Aberglauben befangen. (»Aberglaube« ist ein Wort, das wir nur mit größter Vorsicht verwenden dürfen: mit dem Wissen, wie wenig wir wissen und wie sicher es ist, daß wir selbst, ohne es zu wissen, in verschiedenen Formen des Aberglaubens befangen sind.) Galilei war zutiefst befangen im Glauben an eine natürliche Kreisbewegung – genau dem Glauben, den Kepler nach langen Kämpfen in sich und in der Astronomie besiegte. Newton schrieb ein großes Buch über die traditionelle (hauptsächlich biblische) Geschichte der Menschheit, die er nach ganz offensichtlich vom Aberglauben geleiteten Prinzipien in ihren Jahreszahlen korrigierte. Und Kepler war nicht nur ein Astronom, sondern auch ein Astrolog – er wurde deshalb von Galilei abgelehnt, und ebenso von vielen anderen,

Aber die Astrologie – Keplers Aberglaube – wurde von ihm selbst in ihren dogmatischen Formen bekämpft: Er war ein selbstkritischer Astrolog. Er lehrte, daß das Schicksal, vorweggenommen in den Sternen, nicht unüberwindlich ist, sondern durch unseren sittlichen Willen überwunden werden kann. Eine wichtige Konzession an die Kritiker der Astrologie. Vielleicht war er von jenen drei Großen in seinem Aberglauben am wenigsten dogmatisch.

II


Der zweite Teil dieses Buches heißt »Gedanken über Geschichte und Politik«. Er besteht aus Gelegenheitsarbeiten. Er produziert keine Ratschläge oder Rezepte – am wenigsten unfehlbare –, aber er vertritt eine Einstellung der Verantwortlichkeit.

Selbstverständlich bin ich für Demokratie – aber nicht im Sinne der meisten ihrer Vertreter. Winston Churchill sagte: »Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, mit der alleinigen Ausnahme aller anderen Regierungsformen.« Wir haben nichts besseres als Mehrheitsbeschlüsse. Eine Mehrheitsregierung ist verantwortlich, eine Koalitionsregierung schon viel weniger und eine Minderheitsregierung noch weniger.

»Demokratie« im Sinne von »Volksherrschaft« hat es so gut wie nie gegeben, und wenn es sie gab, war sie eine unverantwortliche Diktatur der Willkür. Eine Regierung kann und soll dem Volk verantwortlich sein. Eine Volksherrschart kann das nicht und ist unverantwortlich.

Ich bin also für eine demokratisch gewählte konstitutionelle Regierung: etwas ganz anderes als eine Volksherrschaft. Und für eine verantwortliche Regierung: verantwortlich in erster Linie gegenüber ihren Wählern; aber auch, und vielleicht noch mehr, moralisch verantwortlich gegenüber der Menschheit.

Nie gab es so viele und so furchtbare Waffen in so vielen unverantwortlichen Händen. Tausendmal mehr als nach den beiden Weltkriegen. Daß es so ist und daß unsere führenden Politiker es hinnehmen, dafür sind sie uns gegenüber verantwortlich. Dafür müssen wir sie alle anklagen.

Die meisten unserer führenden Politiker würden es ja gerne ändern. Aber sie haben die durch das Wettrüsten der Bandenführer sich dauernd verschlechternde Weltsituation schon von ihren Vorgängern übernommen; und sie scheinen sich – wenn auch ungern – damit abgefunden zu haben. Auch scheint eine Intervention zu riskant und zu schwierig zu sein. So redet man darüber so wenig wie möglich.

Nach den Kriegen redete man: über Abrüstung. Die westlichen Demokratien haben ziemlich weitgehend abgerüstet. Sie allein. Es war die große Idee des Völkerbundes und später, nach dem Zweiten Weltkrieg, der Vereinten Nationen, daß diese durch ihre moralische und militärische Übermacht verpflichtet seien, den Frieden zu sichern, bis die anderen ihre Pflicht erkannt und erlernt haben.

Niemand kann bezweifeln, daß wir im Begriff sind, uns aus dieser Position zurückzuziehen. Den Wählern erklären wir dies nicht, wir fürchten uns davor, Opfer zu bringen. Wir lassen uns lieber auf keine Abenteuer ein: Wir nennen »Abenteuer«, was unsere Pflicht ist.

III


Wenn ich versuche, unsere europäische und amerikanische Geschichte zu betrachten, so komme ich zu einem Ergebnis, das ähnlich lautet wie eine schon manchmal von mir zitierte Zusammenfassung des englischen Historikers H. A. L. Fisher: »Auf den Seiten der Geschichte ist die Tatsache des Fortschritts klar und deutlich geschrieben. Aber der Fortschritt ist kein Naturgesetz. Das, was von einer Generation errungen wurde, kann von der nächsten wieder verloren werden.«

Jedem der drei Sätze, die Fisher hier ausspricht, kann und muß ich zustimmen. Aber worin besteht der »Fortschritt«, von dem er spricht und von dem er mit Recht sagt, daß die Geschichte uns von ihm berichtet, aber auch, daß er unverläßlich ist, und verloren gehen kann?

Die Antwort auf diese Frage ist ebenso klar wie bedeutsam: Der Fortschritt, den Fisher meint und den wir alle meinen, ist ein ethischer, ein moralischer Fortschritt. Er ist auf den Frieden auf Erden hin gerichtet, den schon das Neue Testament versprach: darauf, daß in den Staaten – und zwar im Inneren und in den...

Erscheint lt. Verlag 29.2.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Erkenntnis • Feinde • Gesellschaft • Karl Jaspers • Liebe
ISBN-13 9783492970679 / 9783492970679
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