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Am Anfang war das Huhn. Geschichte eines Charaktertiers (eBook)

Trendtier Huhn | Das perfekte Geschenk für alle Hühnerfans | Unterhaltsames Hintergrundwissen und Infos über die interessantesten Arten
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0649-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Am Anfang war das Huhn. Geschichte eines Charaktertiers -  Sally Coulthard
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Willkommen in der wundersamen Welt der Hühner

Das Huhn kann nur wenige Meter weit fliegen, und dennoch hat es als einziger Nachfahre der Dinosaurier die Welt erobert. Auf der Erde leben heute mehr als zwanzig Milliarden Hühner. Auf jeden Menschen kommen drei. Vielleicht verkörpert das Huhn deshalb unser widersprüchliches Verhältnis zu Tieren am besten: Es ist sowohl geliebtes Haustier als auch Produkt einer ausgeuferten Massentierhaltung.

»Am Anfang war das Huhn« erzählt von der jahrtausendealten Beziehung zwischen Mensch und Huhn: von seiner kultischen Verehrung im Alten Ägypten bis zu seinem Einzug in unsere Vorstadtgärten während der Coronapandemie. In allen Epochen waren wir und die Hühner gemeinsam unterwegs. Doch was wissen wir wirklich über unsere eierlegenden Gefährten? Welche Geschichten erzählen uns Rassen wie das uralte Bankivahuhn, der kämpferische Malaie oder das in königlichen Gärten pickende Cochin-Huhn?

Unterhaltsam wie erkenntnisreich bringt uns die Anthropologin Sally Coulthard die schillernde Vielfalt der Hennen und Hähne näher.



Sally Coulthard ist britische Bestsellerautorin zahlreicher Design-, Garten- und Naturliebhaberbücher. Nach einem Studium der Archäologie und Anthropologie in Oxford und einem kurzen Ausflug in die Welt der Fernsehproduktionen, zog es sie zurück nach Yorkshire. Sie betreibt mit ihrer Familie eine kleine Farm und schreibt ihre Bücher vorzugweise im Schuppen ihres Obstgartens.

2.
Kämpfer


Ring frei!

Malaien

In den 1970er-Jahren stieß man am Stadtrand von Wien auf eine alte Begräbnisstätte. Dort fanden die Archäologinnen und Archäologen mehr als 800 awarische Gräber von Männern, Frauen und Kindern. Die Awaren waren ein Furcht einflößendes Volk von Kriegern und Hirten, die aus der asiatischen Steppe stammten, im 6. Jahrhundert Richtung Westen wanderten und dabei unablässig plünderten und Gefangene nahmen. So beeindruckend ihr Leben war, so prachtvoll inszenierten sie ihren Tod mit Gräbern voller kostbarer Waffen, Gewänder und Schmuckstücke. Das Interessanteste daran waren jedoch die Überreste von Hühnern, die man in beinahe der Hälfte aller Grabstätten fand.

Anfangs ordnete man die Funde als Speiseopfer ein, da es verbreitete Praxis war, den Toten Proviant für ihre Reise ins Jenseits mitzugeben. Spätere Analysen der Knochen und Gräber offenbarten allerdings ein auffälliges Muster. Die Grabbeigaben waren geschlechtsspezifisch: Männer begrub man mit Hähnen, Frauen mit Hennen. Darüber hinaus zeigte die Knochenuntersuchung Parallelen in der Qualität der Ernährung: Hühner, die nahrhaftes Fressen bekommen hatten, waren mit ähnlich wohlgenährten Menschen begraben, das heißt, Individuen mit hohem Prestige besaßen offenbar Hühner, denen es nicht an Futter mangelte. Umgekehrt waren den Menschen mit niedrigem sozialen Rang Tiere zuzuordnen, deren Mahlzeiten frugaler ausgefallen sein mussten.

Viele der Hähne von hohem Rang waren zugleich überraschend alt (was man aus der Länge des Sporns am Fuß und anderen Eigenschaften des Skeletts schließen kann). Dies deutet darauf hin, dass sie von ihren Besitzern viel Zuwendung bekamen. Insbesondere einer der Hähne schien besser genährt als viele andere. Aus all den Auffälligkeiten schlossen die Forschenden eines: Da Grabfunde in der Regel den Wert widerspiegeln, den Menschen bestimmten Objekten und Tieren im Alltag schenkten, mussten die Awaren einen besonderen Bezug zu Hühnern gehabt haben. Welcher genau, ist schwer zu ergründen, doch er scheint sich von dem Verhältnis des Bauern zum selbst erzeugten Nahrungsmittel abzuheben.

Wir wissen ausgesprochen wenig über die Art und Weise, wie sich das Huhn nach seiner Domestizierung in Südostasien über die ganze Welt verbreitete. Es handelt sich um einen Vogel, der sich, geht es nach ihm selbst, nicht weit bewegt. Hühner fliegen nicht über längere Distanzen, und auch wenn sie im Wasser nicht sofort untergehen, sind sie nicht fürs Schwimmen gemacht.*1 Für die Allgegenwart des Huhns rund um den Globus muss der Mensch allein verantwortlich sein. Darüber hinaus müssen vor allem den Hähnen, nicht den Hennen, das erste Interesse des Menschen gegolten haben. Auch wenn man nicht genau weiß, wie männliche Hühner eingesetzt wurden, vermutet die Archäologie, dass sie aufgrund ihres natürlichen Kampfinstinkts und des farbenprächtigen Federkleids vor allem für zeremonielle und rituelle Zwecke eingsetzt wurden sowie als Kämpfer begehrt waren, weniger als Proteinquelle.

Bei Grabungen im heutigen Pakistan wurden viele Schätze einer der ältesten großen Städte der Induskultur, Mohenjo-Daro, zutage gefördert. Besonders bedeutend sind Siegel, die man in feuchten Ton drückte. Vermutlich dienten sie der Kennzeichnung von Eigentum im Handel oder als Unterschriftenstempel hochstehender Persönlichkeiten. In jedem Fall zeigen die Abbildungen darauf oft wundersame Kreaturen, Gottheiten oder mythische Tiere, die den Status des Eigentümers bekräftigten oder als machtvolles Amulett dienten. So sagen auch die Tiere auf diesen Siegeln etwas über die Menschen und ihren Glauben aus. Es handelt sich vor allem um starke Tiere: Stiere, Nashörner, Elefanten, Tiger, Krokodile und, wichtig für unser Thema: Hähne. In der Linguistik wird sogar spekuliert, der alte Name der Stadt Mohenjo-Daro könne Kukkut arma, »Stadt der Hähne«, gelautet haben und damit von der Prominenz und möglichen spirituellen Bedeutung des männlichen Vogels zeugen.

Genauere Details der langen Reise des Huhns von Südost- nach Westasien, in den Mittelmeerraum und bis nach Nordeuropa bleiben im Dunkeln. Anhand archäologischer Funde sind die Tiere im Nahen Osten (Iran, Syrien, Anatolien) im 3. Jahrtausend vor Christus nachweisbar, in Westeuropa um 1000 vor Christus, möglicherweise mitgebracht von den seefahrenden Phöniziern auf ihren Handelsrouten entlang der Küste. 1

Alles deutet darauf hin, dass das Huhn dort, wo es nachweisbar ist, als exotische Seltenheit galt. Im alten Ägypten, wo man höchst gewissenhaft Buch über sämtliche Tiere führte, die man hielt, verzehrte und jagte, ist das Huhn bis zum 4. Jahrhundert vor Christus auffallend abwesend und wird kaum erwähnt. Erst danach beginnt man, Geflügel wegen des Fleischs und der Eier zu halten (dazu später mehr). Eine der wenigen und frühesten Bezugnahmen findet sich auf einem Ostrakon*2, einem winzigen Stück Kalkstein, das man in der Nähe des Grabs von Ramses IX. gefunden hat. Es zeigt die schlichte stilisierte und zugleich lebendige Zeichnung eines Hahns aus dem 12. Jahrhundert vor Christus. Etwa zur selben Zeit wird der Vogel in einer Inschrift auf dem Gebiet des heutigen Syriens als Tribut genannt, ein spezielles Geschenk als Zeichen des Bundes und der Unterordnung. 2 Eine solche Gabe kann nur dann von Wert gewesen sein, wenn das Huhn kein Alltagsvogel war.

Hahnenkämpfe waren bereits in der griechischen Antike ein beliebter und symbolträchtiger Zeitvertreib und auf Münzen, Töpferwaren und Denkmälern abgebildet. Die Griechen waren eine kämpferische und wettbewerbsorientierte Kultur, eine Neigung, die sie mit dem stolzen und streitlustigen Vogel verband. Vom athenischen Feldherrn Themistokles wird erzählt, ihn habe der Anblick zweier zankender Hähne beflügelt. Vor einer entscheidenden Schlacht gegen die Perser habe er »zwei kämpfende Hähne erblickt und sein Heer angewiesen, sie sich anzusehen. Er hielt dazu die folgende Ansprache: ›Schaut nur, die beiden kämpfen weder für ihre Hausgötter noch für die Denkmäler ihrer Vorfahren, nicht für Ruhm, Freiheit oder die Sicherheit ihrer Kinder, sondern nur, weil der eine dem anderen nicht nachgeben will.‹ Dies machte den Griechen so viel Mut, dass sie unermüdlich kämpften und den Sieg über die Perser errangen.« 3 In der Schlacht verpassten die Griechen ihren Gegnern eine solche Abreibung, dass der Hahnenkampf von da an zum Sinnbild militärischer Tapferkeit und des Sieges um jeden Preis wurde. Einige Jahrhunderte später verglich Plinius d. Ä. die griechische Begeisterung für den Hahnenkampf mit der römischen für Gladiatorenkämpfe: »Zu Pergamon wird alle Jahre ein öffentliches Kampfspiel zwischen Hähnen, gleichsam ein Gladiatorenspiel, veranstaltet.« 4 Auch der Schriftsteller Älian beschrieb einen jährlichen Hahnenkampf in Erinnerung an Themistokles’ Sieg.

Die Griechen assoziierten Hähne mit dem Kriegsgott Ares und mit Athena, der Schutzgöttin Athens. Sie fanden die Brutalität und Spannung des tödlichen Kampfs nicht einfach nur unterhaltsam, er stand für das, wonach jeder männliche Bürger streben sollte. Junge Männer waren verpflichtet, zum Zweck der Ausbildung Hahnenkämpfe anzuschauen 5, und der Philosoph Chrysippus staunte, wie nützlich Hähne seien, um Soldaten für den Krieg zu begeistern und in ihnen das Streben nach Tapferkeit zu erwecken. 6 Das griechische Wort für Hahn, alektor*3, bedeutete zugleich »Verteidiger« oder »Abwender des Bösen«. 7

Der Satiriker Lukian machte sich im 2. Jahrhundert nach Christus in seinem Werk Anacharsis ein wenig über die griechische Obsession für Hahnenkämpfe lustig: »Was würdest du aber erst sagen, wenn du unsere Wachtel- und Hahnengefechte sähest, und die ernste Aufmerksamkeit, die wir ihnen schenken? Du würdest uns auslachen, zumal wenn du hörtest, daß sie in Folge eines Gesetzes gehalten werden, welches allen Erwachsenen befiehlt, dabei zugegen zu seyn, und zu sehen, wie diese Thiere bis zur äußersten Ermüdung mit einander kämpfen. Und doch ist auch darin nichts Lächerliches. Denn unvermerkt wird in den Gemüthern der Trieb rege, jeder Gefahr zu trotzen, um sich nicht an stolzem Muthe und Kühnheit von Hähnen übertreffen, und sich weder von Wunden, noch von Erschöpfung, noch von irgend einer andern Schwierigkeit zu längerem Widerstande untüchtig machen zu lassen.« 8

Auch in der Malerei und Skulptur sowie auf Rüstungen wurden Hähne als Symbole des Muts eingesetzt, sie finden sich außerdem als Vorbilder unstillbarer Kampfeslust auf Schilden der griechischen Soldaten ebenso wie auf speziellen Amphoren, die bei den Panathenischen Spielen als Trophäen überreicht wurden. Umgekehrt war der besiegte Hahn, wenn er denn überlebte, ein Versager und würde nie wieder krähen, so glaubte man. Denn Unterwerfung war der schlimmste vorstellbare Ausgang, und die griechische Formulierung »wie ein geschlagener Hahn« bedeutete ein schrecklicheres Schicksal als den Tod: ein Leben in Sklaverei.

Im antiken Griechenland gehörten Gewalt und Männlichkeit zusammen. Der Kampf zweier Hähne war mit Symbolik aufgeladen, sie bezog sich nicht nur auf den Wettbewerb, sondern auch auf die enge Verbindung von Liebe und Leid. Der Hahn stand für vier Eigenschaften, die der Grieche an sich selbst am meisten schätzte: »Kampfeslust, Stolz, sexueller...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2024
Übersetzer Andrea Kunstmann
Sprache deutsch
Original-Titel Fowl Play
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik
Geisteswissenschaften Geschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Auf dem Land • Ausbeutung • Bankivahuhns • Bücher über Tiere • Buch Geschenk • Das Buch des Regenwurms • Ei • Eier • Evolution • freilaufende Hühner • Gallus • Geflügel • Geflügelhaltung • Geflügelmast • Glucke • Hahn • Haushuhn • Haustier • haustier huhn • Henne • Hühner • Hühner Buch • Hühnergarten • Hühner halten • Hühner im Garten • Hühnerliebe • Hühnerliebhaber • Ich wollt’, ich wär ein Huhn • Kleintierhaltung • Küken • Legehenne • Legehennen • Natur • Naturbeobachtungen • Nature writing • Naturschutz • Nuggets • Nutztier • ornis • Ornithologie • Ostern • Ramelsloher • Tierschutz • Urzwerge • Vögel Buch • Vogelliebhaber • Vorwerkhuhn • Zwerghuhn
ISBN-10 3-7499-0649-1 / 3749906491
ISBN-13 978-3-7499-0649-9 / 9783749906499
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