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Berlin. Das Rom der Zeitgeschichte (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3489-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Berlin. Das Rom der Zeitgeschichte - Hanno Hochmuth
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Eine topografische Zeitreise durch Berlin.

Die Stadt Berlin rückte im 20. Jahrhundert nur allzu oft ins Zentrum des Geschehens. Berlin war eine demokratische, eine faschistische und eine sozialistische Hauptstadt. Von hier aus wurden zwei Weltkriege in die Welt getragen, die mit großer Wucht auf die Stadt zurückfielen. In Berlin erlebte der Kalte Krieg seine Zuspitzung, bevor er hier sein symbolisches Ende fand. Die Stadt stand im Mittelpunkt der Weltgeschichte wie Rom vor zweitausend Jahren. Deshalb gilt Berlin als das Rom der Zeitgeschichte. 

Hanno Hochmuth nähert sich der Geschichte und der Gegenwart Berlins auf topografische und fotografische Weise. Ausgehend von populären Zuschreibungen der Stadt begibt er sich an  51 ausgewählte Erinnerungsorte und erzählt so die Geschichte Berlins im 20. Jahrhundert.

'In diesem Buch durch Berlin und seine Geschichte zu gehen, ist nicht nur faszinierend und bewusstseinserweiternd, sondern auch ein großes Abenteuer.' Marion Brasch.



Hanno Hochmuth, geboren 1977 in Ost-Berlin, studierte Geschichte in Berlin und Minneapolis, Promotion an der Freien Universität Berlin. Er ist Historiker am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) und lehrt Public History an der FU Berlin. Veröffentlichungen zur Zeitgeschichte Berlins und zur Public History, u.a. 'Kiezgeschichte. Friedrichshain und Kreuzberg im geteilten Berlin' (Göttingen 2017), 'Stadtgeschichte als Zeitgeschichte. Berlin im 20. Jahrhundert' (Hg. mit Paul Nolte, Göttingen 2019), 'Traum und Trauma. Die Besetzung und Räumung der Mainzer Straße 1990 in Ost-Berlin' (Mithg., Berlin 2020).

Der Parvenü der Großstädte


Vor zweitausend Jahren, als Rom auf dem Höhepunkt seiner Macht stand, sagten sich an der Spree noch Fuchs und Hase gute Nacht. Damals lebten die elbgermanischen Semnonen in den waldreichen Hochebenen des Barnim und des Teltow. Die Germanen zogen im 4. und 5. Jahrhundert weiter Richtung Süden, ehe sich im 7. Jahrhundert die slawischen Sprewanen im Gebiet um Havel und Spree niederließen. Als die beiden Städte Berlin und Cölln Anfang des 13. Jahrhunderts gegründet wurden, waren Paris und London längst Hauptstädte. Während in Köln bereits im Mittelalter mehr als 60 000 Menschen lebten, zählte Berlin bis Mitte des 17. Jahrhunderts kaum mehr als 6000 Einwohner. Erst unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm und seinen Nachfolgern nahm die Entwicklung Berlins Fahrt auf. Entscheidend war, dass die Stadt 1701 die Hauptstadt des Königreichs Preußens wurde. Jedoch dauerte es bis zum Jahr 1877, dass Berlin zur Millionenstadt wurde. Das war Rom schon in der Antike gewesen.

Berlin entwickelte vor diesem Hintergrund einen ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex, welchen die Stadt bis heute nicht ganz abgelegt hat. Aus dem Gefühl verspäteter Größe entstand ein extremer Geltungsdrang, der die neue Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs von 1871 in starkem Maße prägte. Wilhelm II. trachtete danach, seine Hauptstadt in den Rang der anderen Metropolen zu erheben, und prägte das wilhelminische Berlin mit repräsentativen Bauten, die die Architektur Roms nachahmten. Besonders deutlich wird dies am Berliner Dom, den der Kaiser 1905 anstelle des schlichten Vorgängerbaus am Lustgarten neu errichten ließ. Die riesige Kuppel war dem Petersdom in Rom nachempfunden, und der üppige Figurenschmuck erinnert eher an eine römisch-katholische Kirche als an ein evangelisch-lutherisches Gotteshaus. Hier stand nicht das Wort Gottes im Mittelpunkt, sondern der Monarch. Die Architektur des Doms zielte auf Weltgeltung. Kaiser, Reich und Hauptstadt waren in ihrem Drang nach Anerkennung untrennbar miteinander verwoben. Das wilhelminische Berlin wollte es allen beweisen.

Ein scharfsinniger Beobachter dieses Strebens nach Größe war Walther Rathenau. Der Industrielle und spätere Außenminister erklärte Berlin 1899 zum Parvenü der Großstädte und zur Großstadt der Parvenüs.8 So wie Berlin ein Emporkömmling unter den europäischen Metropolen war, war es zugleich eine Stadt der Emporkömmlinge. Hier bauten »Selfmademen« wie August Borsig und Werner Siemens ihre Firmenimperien auf. Auch Walther Rathenaus Vater Emil Rathenau gehörte als Gründer der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, bekannt geworden unter der Abkürzung AEG, in die Riege der Großindustriellen, die ihr Glück in Berlin gemacht hatten und es nun aller Welt zeigen wollten (siehe auch Abschnitt 4). Das »Parvenupolis an der Spree« demonstrierte um 1900 seine neue politische und wirtschaftliche Macht. Dabei spielte der Fluss, an dem Berlin emporgewachsen war, eine fast mythisch verklärte Rolle. Am Ufer der Spree versuchten Berliner Industrielle, eine Weltausstellung durchzuführen, auch wenn es letztlich nur zu einer Gewerbeausstellung reichte. Etwas weiter flussabwärts entstand vor dem Berliner Schloss das riesige Nationaldenkmal für Wilhelm I., der als Reichseiniger kultisch verehrt wurde. Ihm wurde auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg gewidmet, die wie kaum ein anderes Bauwerk das Streben nach Größe und das spätere Scheitern verkörpert.

1 Die verhinderte Weltausstellung. Der Treptower Park


Die Archenhold-Sternwarte im Treptower Park. Aus dem Gebäude ragt der Riesenrefraktor der Gewerbeausstellung von 1896 hervor.

Der Aufstieg Berlins beruhte zu großen Teilen auf der wirtschaftlichen Stärke der Stadt, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur wichtigsten deutschen Industriemetropole aufgestiegen war. Der 1879 gegründete Verein Berliner Kaufleute und Industrieller war stolz auf die boomende Berliner Wirtschaftskraft und wollte das auch nach außen demonstrieren. Seit der ersten World Fair 1851 in London rangen die westlichen Metropolen um Anerkennung, Aufmerksamkeit und Aufträge, indem sie riesige Weltausstellungen ausrichteten.9 1889 hatte zuletzt Paris eine aufsehenerregende Ausstellung präsentiert, bei der unter anderem der Eiffelturm eingeweiht worden war. Da wollte der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller nicht nachstehen und plante die Ausrichtung einer Weltausstellung in Berlin. Doch Wilhelm II. machte einen Strich durch die Pläne des Berliner Vereins. Obwohl repräsentativen Großereignissen gegenüber nicht abgeneigt, war ihm das bürgerliche Selbstbewusstsein suspekt. Der Kaiser erteilte dem Unternehmen Weltausstellung eine klare Absage, indem er schroff mitteilte: »Ausstellung is nich, wie meine Herren Berliner sagen«.10

Dennoch fand im Sommer 1896 eine große Ausstellung in Berlin statt. Zwar war es keine offizielle Weltausstellung, sondern lediglich eine Berliner Gewerbeausstellung. Aber die Schau hatte durchaus die Dimensionen einer Weltausstellung. Der gesamte Treptower Park vor den Toren Berlins verwandelte sich vom 1. Mai bis zum 15. Oktober 1896 in ein riesiges Expo-Gelände mit 3780 Ausstellern. Mit einer Fläche von 90 Hektar übertraf Berlin alle bisherigen Weltausstellungen, was die Veranstalter nicht müde wurden zu betonen. Wilhelm II. erklärte sich schließlich doch noch bereit, die Exposition persönlich zu eröffnen. Da das Gelände direkt an der Spree lag, kam er zur Eröffnung mit seiner kaiserlichen Yacht. Das passte gut zum maritimen Weltmachtstreben der Hohenzollern, dem auf der Ausstellung mit Marineschauspielen gehuldigt wurde. In der Treptower Gewerbeausstellung verdichteten sich die chauvinistischen Wesenszüge des wilhelminischen Berlins wie in einer Nussschale.

Das Ausstellungsplakat zeigt eine Faust, die aus dem märkischen Sand hervorbricht und stolz einen Hammer in die Höhe reckt. Im Hintergrund sind die Siegessäule, der Reichstag und das Rote Rathaus zu erkennen. An den Seiten finden sich zwei römisch anmutende Säulen, die mit Tieremblemen geschmückt sind. Die linke Säule wird von einer Eule getragen, die für den Erfindungsreichtum der Berliner Industrie steht. Die rechte Säule ruht auf drei Bienen, die den Fleiß der Berliner Gewerbetreibenden symbolisieren sollen. Ganz oben thront auf beiden Säulen der Berliner Bär. Ludwig Sütterlin, der 1914 die nach ihm benannte deutsche Schreibschrift entwickelte, gestaltete das Ausstellungsplakat als Allegorie der Berliner Wirtschaftskraft. Passend dazu präsentierten sich im Haupt-Industrie-Gebäude der Gewerbeausstellung sämtliche großen Berliner Industrieunternehmen von der Metall- bis zur Elektroindustrie. Mehrere elektrische Straßenbahnlinien führten zum Treptower Gelände, wo die Besucher unter anderem die neuesten Röntgengeräte am eigenen Leib testen konnten. Berlin präsentierte sich stolz als moderne Weltstadt.

Zugleich inszenierte die Gewerbeausstellung Alt-Berlin. Zwei Stadttore, ein Rathaus und mehr als hundert weitere auf alt getrimmte Bauten riefen die vormoderne Stadt um 1650 in Erinnerung und luden die Besucher zum Bummel durch das historische Berlin ein. Das war nichts Ungewöhnliches, denn auch bei den Weltausstellungen hatte es vergleichbare Attraktionen gegeben. Die Inszenierung kompensierte den Verlust der tatsächlichen historischen Altstadt. Während Alt-Berlin im Treptower Park aus Pappmaché wiedererrichtet wurde, verschwand das echte Alt-Berlin allenthalben aus dem Stadtbild. Für den Bau des Roten Rathauses war ein ganzes mittelalterliches Häuserviertel abgerissen worden. Für die neue Kaiser-Friedrich-Straße musste sogar ein Teil des Berliner Stadtschlosses weichen. Mietshäuser und Geschäftsgebäude ersetzten die barocken Palais in der Friedrichstadt. Überall hielt die Moderne Einzug. Für das gesteigerte Repräsentationsbedürfnis der Reichshauptstadt war jedoch auch eine historische Altstadt wichtig, und diese wurde in Gestalt von Alt-Berlin im Treptower Park neu erfunden.

Gleich neben Alt-Berlin fand im Rahmen der Gewerbeausstellung die erste deutsche Kolonialausstellung statt. Sie sollte für die imperialen Ambitionen des...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 750-Jahr-Feier • Ackerstraße • AEG • Alexanderplatz • Ampelturm • Amsterdamer Str. • Anarchie • Babylon • Bartholomäuskirche • Bebelplatz • BER • Bernauer Straße • Bethanien • Britz • Bunker • Checkpoint Charlie • Choriner Straße • Civis romanus sum • East Side Gallery • Fernsehturm • Flughafen Berlin-Brandenburg • Flughafen Tempelhof • Freie Universität • Friedrichsfelde • Gedächtniskirche • Gedenkstätte Berliner Mauer • Gedenkstätte der Sozialisten • Georg-von-Rauch-Haus • Gesundbrunnen • Gewerbeausstellung • Gladow-Bande • Hellersdorf • Hermannplatz • Holocaust-Mahnmal • Hufeisensiedlung • Humboldt Forum • Ischtar-Tor • John F. Kennedy • Jüdischer Friedhof • Karl-Liebknecht-Haus • Karstadt • Kottbusser Tor • Kreuzberg • Kurfürstendamm • Leipziger Straße • Mainzer Straße • Mauer • Meyer’s Hof • Niemandsland • Nikolaiviertel • Normannenstraße • Oberschöneweide • Pasteurstraße • Potsdamer Platz • Reichskanzlei • Reichstag • Rote Insel • Schlossfreiheit • Schöneberg • Schreinerstraße • Schwerbelastungskörper • Siegessäule • Skulpturenboulevard • Stalinallee • Stasi-Zentrale • Stolpersteine • Teufelsberg • Topographie des Terrors • Treptower Park • Ullstein-Haus • Unterwelten • WBS 70 • Weißensee • Yorckbrücken • Zeitgeschichte • Zollernhof
ISBN-10 3-8412-3489-5 / 3841234895
ISBN-13 978-3-8412-3489-6 / 9783841234896
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