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Geschichte und Erbe der Etrusker -  Luciana Aigner-Foresti

Geschichte und Erbe der Etrusker (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
307 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-042519-4 (ISBN)
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In der Antike wurde das nördliche Mittelitalien von den Etruskern besiedelt, deren kulturelle und technische Errungenschaften auch den Erfolg der Römer entscheidend begründeten. Wer waren diese Menschen, die ihr Leben im Laufe eines Jahrtausends unter dem Druck mächtiger Nachbarn immer wieder neu organisieren mussten, bis ihre identitätsstiftenden Merkmale aus heutiger Sicht - Sprache und Religion - nach und nach verschwanden? Der vieldiskutierte Ursprung der Etrusker, die faszinierende Blüte ihres Landes, ihr Niedergang und schließlich ihr Erbe bilden den Rahmen dieser Darstellung. Luciana Aigner-Foresti bietet einen Überblick über die historische Entwicklung der Etrusker anhand von antiken Texten, Inschriften und archäologischen Quellen und ordnet die Forschungsergebnisse der letzten zwei Jahrzehnte in einen größeren historischen Zusammenhang ein.

Prof. Dr. Luciana Aigner-Foresti lehrte bis 2001 Etruskologie und Italische Altertumskunde am Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an der Universität Wien und ist Mitglied der Prähistorischen Kommmission an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Prof. Dr. Luciana Aigner-Foresti lehrte bis 2001 Etruskologie und Italische Altertumskunde am Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an der Universität Wien und ist Mitglied der Prähistorischen Kommmission an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

2Frühe Gemeinschaften in Südetrurien (zweite Hälfte des 2. Jahrtausends)


Etrurien war bereits in der Steinzeit besiedelt. Kupfer wurde seit der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends in Mittel- und Norditalien sowie auf Lipari und Sardinien bearbeitet.1 Im 3. Jahrtausend betrieb man in Etrurien Bergbau, wie das aus Etrurien stammende Kupfer des Beiles des Mannes vom Similaun-Gletscher in Südtirol (sog. »Ötzi«) bestätigte.2 In Südetrurien gab es nach der Mitte des 2. Jahrtausends kleine Ansiedlungen an Seeufern, an Flüssen, an der Meeresküste und im offenen Gelände sowie auf leichten und gegenüber feindlichen Angriffen gesicherten Anhöhen mit günstigen Anbauflächen für die Landwirtschaft. In den Tolfa-Bergen Nordlatiums und auf einer Anhöhe mit einer Fläche von etwa 5 ha am Zusammenfluss dreier Bäche lag die Siedlung Luni sul Mignone. Reste von Getreidesorten und Hülsenfrüchten sowie Knochen von Groß- und Kleinvieh aus dem 14.–12. Jh. sprechen für Sesshaftigkeit und spiegeln die Ernährungsgrundlagen der Bewohner, nämlich Acker- und Weidewirtschaft, wider.3

Die Landwirtschaft setzte als saisonbedingte Tätigkeit weitere Aktivitäten in Gang, die nicht immer mit der Sicherstellung der Ernährung zusammenhingen; z.B. den Bau besserer Wohnstätten oder handwerkliche und häusliche Tätigkeiten, darunter Spinnen, Weben, Holzsammeln, Herstellung von Waffen und sonstigem Gerät usw. Etwa 10 km Luftlinie von Luni sul Mignone entfernt lagen in den Tolfa-Bergen weitere Ansiedlungen (Allumiere, Elceto, Monte Rovello und San Giovenale) mit ähnlichen wirtschaftlichen Grundlagen wie Luni. Kerne des wilden Ölbaumes (oleaster) in Vicarello am Bracciano-See weisen auf Olivenanbau hin.4

Horte, d.h. Bodenvertiefungen bzw. Gruben als Aufbewahrungsorte von Metallen, bezeugen im 14.–12. Jh. im Tolfa-Gebiet und in den Territorien von Grosseto, Siena und Livorno den systematischen Abbau von Metallen.5 Bronzeabfälle und Metallbruchstücke sprechen für die Wiederverwertung der Metalle. Arbeitsgeräte, z.B. Beile verschiedenen Typs sowie Pickel für das Herausschlagen des Erzgesteins und Schaufeln erleichterten und beschleunigten die Ausbeutung und den Abtransport der Metallerze. Gusskuchen aus überschüssigem Metall im Raum von Montemerano (Provinz Grosseto) wurden für den Abtransport vorbereitet. Monte Rovello und Scarceta di Manciano (Provinz Grosseto) verfügten im 13. Jh. über ein eigens für eine Schmelzhütte reserviertes Gelände.6 Die Trennung der Schmelzanlage von den Wohnräumen setzt eine getrennte Organisation von privatem Leben und Arbeitswelt voraus. Reste von Schmelzöfen, Schmelztiegeln und Gussformen in Räumlichkeiten von einer Fläche bis 167 m2 in Scarceta und bei Pitigliano (Provinz Grosseto) sprechen etwa im 11. Jh. für eine bedeutende ›Metallindustrie‹, wahrscheinlich auch mit ortsansässigen Metallurgen – in Scarceta gab es auch Werkstätten für die Bearbeitung von Knochen, aus denen man unter anderem kleine Sicheln für die Landwirtschaft herstellte. Waffen (Dolche) und Schmuck (Ringe, Fibeln usw.) wurden etwa im 12. Jh. im Hort Piano di Tallone (Provinz Grosseto) vergraben und nicht mehr geborgen, wohl ein Hinweis auf eine Krisenzeit. Eine Einfriedungsmauer aus großen Bruchstücken von Tuff wurde etwa im 13.–12. Jh. bei San Giovenale errichtet, wenngleich sich der Ort auf einer Anhöhe und nicht unbedingt in einer geographisch besonders gefährdeten Lage befand. Auch die Befestigungen von Luni und Elceto weisen auf die Bedeutung der Siedlungen in unsicheren Zeiten und auf den Verteidigungswillen der Bewohner hin.7

Metallbearbeiter pflegten im letzten Viertel des 2. Jahrtausends von Südetrurien aus Kontakte zum östlichen Mittelmeerraum über Sardinien, dessen großangelegte Produktion von Bronzegegenständen von Zypern beeinflusst war.8 Auf Verbindungen des Gebietes des (späteren) Caere zu Ungarn, Griechenland und Kreta weist gegen Ende des 12. Jh. die getriebene Schale aus dem Hort Coste del Marano bei Caere hin, die in jenem Gebiet hergestellt wurde.9 Mit der Zeit ersetzten Äxte, gebogene Sicheln sowie kleine Sensen aus Bronze die für den Getreideschnitt fragilen Geräte aus Bein: Diese moderneren landwirtschaftlichen Geräte erhöhten den Ertrag von landwirtschaftlichen Produkten. Waffen zum Angriff und zur Verteidigung aus mehreren Ortschaften Etruriens (und Latiums) wurden mit der Zeit typologisch variantenreicher, was sich an der Verschiedenartigkeit der Gussformen ablesen lässt, und technologisch besser.10

Etwa im 14.–13. Jh. wurden in Luni sul Mignone drei eingetiefte, nebeneinanderliegende Räume von 42, 20 und 7 m Länge und etwa 4 m Breite angelegt, mit Wänden aus Trockenmauern, einem Boden aus Lehm und Estrich sowie sorgfältig strohüberdachten Eingängen, welche die Ausgräber als große Wohnhütten interpretierten.11 Solche Räume bezeugen zweifellos eine neue, höhere Wohnqualität gewisser Personen im Vergleich zu den einfachen Behausungen anderer Bevölkerungsgruppen. Ähnliche große Wohnstätten waren damals nicht auf Luni beschränkt. In Monte Rovello entstand zwischen dem 13. und dem Beginn des 12. Jh. eine eingegrabene Hütte von beträchtlichen Ausmaßen (15 × 8 m). Damals oder schon früher wurden bei Crostoletto di Lamone im Fiora-Tal mit Steinen abgegrenzte, bis zu 14 m Durchmesser messende und etwa 1,5 m hohe Hügelgräber für Körper- und Urnenbestattungen angelegt, die mit den zeitgenössischen kleineren Gräbern an Aufwand nicht vergleichbar sind.12

Die großen, ›modernen‹ Wohnhütten von Luni und Monte Rovello sowie die Errichtung der Befestigung in San Giovenale und die Hügelgräber von Crostoletto di Lamone zeigen exemplarisch das Hervortreten von Gruppen oder Familien im Laufe von zwei bis drei Jahrhunderten, die ein großes Gelände für ihre Gräber und Wohnstätten in Anspruch nahmen, unweit der Metallfelder wohnten und über Arbeitskräfte verfügten, welche wiederum Waffen, Schmuck und kostbare Gefäße für den Besitzer und seine Angehörige herstellten. Essgeschirr beim gleichzeitigen Fehlen von Transportgefäßen und technisch qualitätsvolles Geschirr legen eine ständige Niederlassung kleiner, in sich geschlossener Gruppen nahe.13 Wie diese Familien oder Einzelpersönlichkeiten zu Ansehen, Autorität und Einfluss kamen, wissen wir im Einzelnen nicht. Es liegt jedoch nahe, dass einige Männer aufgrund ihrer militärischen und organisatorischen Fähigkeiten in der Landwirtschaft, in der Metallgewinnung und im Tauschhandel sowie in der Verteilung von Nahrung besonderes Ansehen in der Gemeinschaft gewannen, eine herausragende Rolle spielten und daher Druck auf andere Bewohner ihrer Siedlung ausüben konnten. Sie übernahmen mit der Zeit eine privilegierte Stellung und schließlich eine Machtposition innerhalb selbst kleiner Gemeinschaften, denn mit den Einkünften hatten sie die Möglichkeit, ganze Mannschaften mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Krieger und Metallarbeiter wurden wohl vorrangig verpflegt und mit der Zeit zu Abhängigen und Anhängern der lokalen Machtträger. Der Erfolg mancher Menschen ließ sie selbst und die ganze Gemeinde annehmen, dass sie von höheren Kräften besonders beschützt waren. Nun war der weitere Schritt mancher dieser Träger von Macht und Einfluss zum Führungsanspruch und zur Führungsrolle klein.

Woher diese Führungsschicht die notwendigen Arbeitskräfte für die aufwendige Errichtung der großen Bauten von Luni, Monte Rovello und San Giovenale, für die bergbaulichen Arbeiten und für das Waffenhandwerk rekrutierten, lässt sich nur vermuten: in Frage kommen freie Siedlungsbewohner, Immigranten oder Unfreie, in der Nachbarschaft oder in der Fremde geraubte oder gekaufte Menschen. Es liegt nahe, dass die Knappen nur für die Besitzer der Minen und nicht auch für sich selbst arbeiteten, da die Minenbetreiber kein Interesse haben konnten, ihren Arbeitskräften freie Hand zu geben und sich so Konkurrenz einzuhandeln. Auch Frondienst ist anzunehmen, da es galt, mühevolle Arbeit auf sich zu nehmen, was ohne Zwang kaum vorstellbar ist. Die Anzahl der männlichen Mitglieder einer Siedlung war damals nicht sehr hoch – Kriege und auszehrende Tätigkeiten trugen dazu bei, dass die Leute nicht älter als 40–50 Jahre wurden, wie Skelettfunde zeigen. Knochenfunde ergeben, dass auch die Kindersterblichkeit sehr hoch war: Die Ortschaften waren wohl dünn besiedelt.

Inwieweit die kleinen Ansiedlungen in den Tolfa-Bergen voneinander ›politisch‹ unabhängig waren, lässt sich lediglich vermuten; wahrscheinlich bildeten sie immer wieder temporäre, zweckgebundene Zusammenschlüsse bei militärischen Unternehmungen gegen andere Gruppen. Doch es gab in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends in diesen Ansiedlungen keine Zentralgewalt mit Herrschaftsorganen, keine zentralisierte Instanz und keine architektonischen Spuren einer planmäßig angelegten Siedlung als Sitz einer ständigen Führung sowie keine Spuren von öffentlichen Räumen, wie beispielweise von einem Platz, der für gemeinsame Entscheidungen und Konfliktregelungen reserviert gewesen wäre.

In zwei Wohnhütten von Luni sowie in Monte Rovello und San Giovenale, Scarceta und Vaccina fanden sich Fragmente mykenischer bzw. ägäischer Keramik aus der Zeit 1300–115014 Sie zeigen Verbindungen zu Süditalien (Kampanien) bzw. zum ägäischen Raum, die von der günstigen Lage Vaccinas unweit vom Meer erleichtert wurden. Diese feine, teilweise mit der Töpferscheibe hergestellte Keramik gehört unterschiedlichen Epochen an und galt wohl als Prestigeware, die auch vererbt, gekauft oder verschenkt bzw. gegen begehrte Rohstoffe eingetauscht wurde, in erster Linie mit Metallen, wie Kupfer und Blei aus den...

Erscheint lt. Verlag 19.12.2023
Zusatzinfo 20 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Altertum / Antike
Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie Altertum / Antike
Schlagworte Alte Geschichte • Antike • Etrusker • Italien • Kultur • Römisches Reich
ISBN-10 3-17-042519-6 / 3170425196
ISBN-13 978-3-17-042519-4 / 9783170425194
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