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Geschichte der deutschen Privatbibliotheken -  Björn Seidel-Dreffke

Geschichte der deutschen Privatbibliotheken (eBook)

Ausgewählte Aspekte von den Anfängen bis zum 21. Jahrhundert
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
200 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-8060-0 (ISBN)
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Der Autor, der Slawist Dr. Björn Seidel-Dreffke, publizierte im Band 6 der Schriften des Mathilde-Wesendonck-Verbandes den Aufsatz "Ausgewählte Aspekte zur Geschichte der deutschen Privatbibliotheken von den Anfängen bis zum 21. Jahrhundert", der hier als separater Druck veröffentlicht wird. Dieses hier vorliegende Buch gibt einen historischen Überblick zur Entstehung und Entwicklung der Privatbibliotheken von den Anfängen bis heute. Dabei werden vor allem für das 19., das 20. und das 21. Jahrhundert ausführlichere Darstellungen mit unterschiedlichen Akzenten gesetzt. Das 19. Jahrhundert thematisiert die Vielfalt der Arten von Privatbibliotheken, wobei der Wesendonck-Bibliothek als Schwerpunkt des Bandes 6 der SdMWV natürlich besondere Aufmerksamkeit gilt. Im 20. Jahrhundert sind es vor allem die Privatbibliotheken jüdischer Intellektueller, die als Repräsentanten für das Schicksal zahlreicher Bibliotheken in diesem Zeitraum (an Familientradition gebundenes Sammeln, Zerstreuung, erneutes Zusammenfinden) besonders hervorgehoben werden. Für das beginnende 21. Jahrhundert werden Privatbibliotheken als Zeichen der Bewahrung historischen Wissens fokussiert.

Dr. phil. habil., geboren 1963, wohnhaft in Berlin, 1978-1982 Besuch der Russischspezialschule Wickersdorf, 1982-1987 Studium der russischen Literatur in Kasan, UdSSR, ab 1987 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der DDR im Projekt Russische Literatur des 19. Jahrhunderts bei Prof. Dieckmann, ab 1990 Universität Potsdam, Institut für Slawistik, Gastseminare an der Universität Rostock, 1991 Dissertation zu "Die Haupttendenzen der internationalen Gogol'forschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (deutschsprachiges Gebiet, USA, Großbritannien, Sowjetunion)" in Rostock, 2004 Habilitation zu "Die russische Literatur Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Theosophie E. P. Blavatskajas. Exemplarische Untersuchungen. (A. Belyj, M. A. Voloshin, V. I. Kryzanovskaja, Vs. S. Solov'ev)" in Halle, habilitierter Slawist (Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte), 2004 wissenschaftlicher Dokumentar mit Feldseminaren beim SWR Baden-Baden, Bundesarchiv Filmarchiv (Bundesfilmarchiv) mit der Abschlussarbeit zu "Überlegungen zur Erarbeitung eines kontrollierten Vokabulars für den russischsprachigen Dokumentarfilmbestand im Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin" in Potsdam, 2006 DEFA-Stipendium "100 Jahre Hans Klering. DEFA-Direktor und Vorstandsvorsitzender, Regisseur, Darsteller und Sprecher, Autor und Grafiker" in Berlin, seit 2004 Privatdozent und freiberuflicher Autor, Übersetzer, Dolmetscher und Lektor, Autor zahlreicher Bücher, Aufsätze, Lexikonartikel und Internetbeiträge (seidel-dreffke.blogspot.com/p/bibliografie.html), seit 2013 Projektleiter der Mediengruppe Arge IAVM in Berlin-Hohenschönhausen, seit 2013 2. Vorsitzender des Mathilde-Wesendonck-Verbandes, zurzeit im Ruhestand.

Privatbibliotheken im 19. Jahrhundert


Da die Privatbibliothek WESENDONCK sozusagen ein „Kind“ des 19. Jahrhunderts ist, soll diesem Zeitraum auch eine ausführlichere Darstellung gewidmet sein, die es ermöglicht, bestimmte Besonderheiten der Bibliothek und der Ausrichtung dieser Sammlung nachzuvollziehen. Ein weiterer Grund besteht darin, dass das 19. Jahrhundert zweifellos, was die stattgefundenen Veränderungen und Entwicklungen betrifft, aus allem, was davor und danach kam, herausragt.

Das betrifft die industrielle und die geistige Entwicklung gleichermaßen. Daher sollen dieser Zeit auch, bevor es speziell um Privatbibliotheken im 19. Jahrhundert geht, einige ausführlichere Zeilen gewidmet werden.

Das 19. Jahrhundert
Umwälzungen auf allen Gebieten

In diesem Jahrhundert kommt die industrielle Revolution in Deutschland zum Durchbruch. Damit entstehen neue gesellschaftliche Verhältnisse und auch neue Gruppen / Klassen betreten sichtbar die Bühne der Geschichte. Die eher feudalistisch geprägten Zustände der vergangenen Jahrhunderte, in denen Manufaktur, Handwerk und das bäuerliche Leben die wichtigsten Produktivkräfte darstellten, wurden nun abgelöst von kapitalistischen Produktionsverhältnissen.

Maßgebend sind hier zum Beispiel wichtige Erfindungen wie die Dampfmaschine, der mechanische Webstuhl, die Spinnmaschine u. a. Das war vor allem für Deutschland wichtig, das im 19. Jahrhundert immer mehr zu einem Zentrum der Textilproduktion avancierte.

Weitere Entwicklungen wie das Dampfschiff und die Eisenbahn steigerten die Mobilität der Bevölkerung und führten dazu, dass man sich nun schneller durch eigene Anschauung auch andere Kulturen erschließen konnte. Auch der Welthandel nahm Fahrt auf. Natürlich betraf dies umso mehr dann auch den Binnenhandel. Der elektromagnetische Telegraph führte zu einer Intensivierung des Informationsaustausches.

Es entwickelten sich nun auch stürmisch wie nie zuvor die Naturwissenschaften und die Technik. Dies wiederum führte zu Wandlungen im Bewusstsein der Menschen. Das betraf unter anderem überkommene Vorstellungen von Raum und Zeit, bestimmte Standards des Zusammenlebens.

Massive Häuser mit großen Fenstern, neuen Öfen wurden gebaut, fließendes Wasser eingerichtet, die Nähmaschine hielt Einzug im bürgerlichen Haushalt, der auch schon über künstliches Eis verfügte. Die Wachskerze wurde von der Stearinkerze verdrängt, die Öl- und Petroleumlampe vom Leuchtgas. Bis 1824 war der Feuerstein im Gebrauch, dann trat das Streichholz seinen Siegeszug an.52

Neben der das Bewusstsein der Menschen bis dahin vor allem prägenden Religion kamen nun sogenannte „materialistische Vorstellungen“ auf. Man sah den Menschen nun in der Lage, direkt durch Wissenschaft und Technik auf die Natur einwirken zu können und die Naturgesetze zu beherrschen. Nicht alles musste nun mehr als „gottgegeben“ hingenommen werden. Revolutionär schließlich DARWINS53 Theorie von der Entwicklung der Arten, nach dem nun der Mensch von den Affen abstammen sollte.

Das Denken der Menschen wurde quasi auch revolutioniert, was sich wiederum auf die gesamte kulturelle Produktion auswirkte. Kultur wurde nun zunehmend zu einem Vermarktungsobjekt. Die Unterhaltungsindustrie bekam einen massiven Schub und es entwickelten sich stürmisch Genres wie Posse, Schwank, Operette, Kriminal- und utopische Literatur.

Tatsächlich standen sich nun zwei Klassen antagonistisch gegenüber – nämlich Bourgeoisie und das aufkommende Industrieproletariat, wobei nicht nur die überkommenen feudalistischen Kräfte darum kämpfen, ihre Macht zu erhalten. Das Bürgertum als „neue Kraft“ versucht in manchen Dingen eben rein äußerlich kulturell auch vorherige Zustände zu kopieren, da man sich so entsprechende gesellschaftliche Anerkennung erhoffte. Dies kommt zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in der Mode zum Ausdruck, bis man sich dann gegen Ende des Jahrhunderts eines den neuen Arbeits- und Lebensbedingungen entsprechenden Stils bediente. In Mode kam zum Beispiel der Zylinder als Ausdruck, dass man zur gutbürgerlichen Gesellschaftsschicht gehörte, im Gegensatz zum „demokratischen“ Schlapphut, dem sogenannten „HECKER54- Hut“, der nach der Revolution im Jahre 1849 sogar zeitweise verboten wurde. Sportliche Betätigung kam in Mode und das Fahrrad begann seinen „Siegeszug“. Aber all dies nur am Rande.

Die in Europa sich durchsetzende industrielle Revolution hatte allerdings weltpolitisch wiederum für andere Länder und Gesellschaften eher traurige Auswirkungen. So wurden Afrika und Indien massiv weiter kolonialisiert. Es bildete sich ein „eurozentrisches Weltbild“ heraus, von dem sich Europa trotz aller Bemühungen bis heute nicht ganz lossagen konnte.

Allerdings interessierte sich der „bemühte“ Bürger durchaus auch für die anderen Kulturen, in Bezug auf Afrika meist aus einer eher überheblichen Perspektive, wobei zum Beispiel die ägyptische Kultur eine Ausnahme bildete. Diese wurde studiert.

Aus Asien schwappten nun Versatzstücke anderer Religionen nach Europa und damit auch nach Deutschland, Beispiel hierfür buddhistische Ideen oder die Theosophische Lehre der H. P. BLAVATS-KY55, einer gebürtigen Russin.

Höhepunkt der nun neu aufkeimenden gesellschaftlichen Konflikte war die Revolution von 1848/49. Diese sollte auch noch lange eine tragende Rolle im gesamtgesellschaftlichen Bewusstsein spielen. Die WESENDONCK-Familie war besonders mit dieser Revolution verwoben, daher sollen ihr an dieser Stelle auch ein paar mehr Zeilen gewidmet werden. HUGO WESENDONCK56 war Mitbegründer des sogenannten ersten Frankfurter Parlaments57 und musste, um einer

Todesstrafe nach Zerschlagung der Revolution zu entgehen, nach den USA auswandern.

Das nun aufstrebende Bürgertum schätzte aus Büchern gewonnenes Wissen durchaus sehr hoch ein. Daher stieg im 19. Jahrhundert die Zahl der Privatbibliotheken sprunghaft an. Dazu eben später mehr. Ihre Arten waren sehr unterschiedlich. Der Bürger aber, der etwas auf sich hielt, hatte zumindest einige Ausgaben klassischer Autoren mit Goldschnitt zu Hause.

Auf jeden Fall führten die technischen Innovationen nun dazu, dass es zu einer nie dagewesenen Steigerung der Buch- und Zeitschriftenproduktion kommen konnte.

Die Schnelldruckpresse, die 1811 von FR. KOENIG58 erfunden worden war, steigerte die Druckkapazität bis 1840 um mehr als das Zehnfache gegenüber dem Handdruckverfahren. Die nur wenige Jahre später in Betrieb genommene Papiermaschine (ab 1818) ermöglichte dann eine Verdoppelung der Produktion. Ab 1873 wurde dann schon damit begonnen, Papier vorwiegend aus Holz als bis dahin üblich aus Textilien herzustellen. Auch raschere Vertriebsmöglichkeiten, zum Beispiel durch die Eisenbahn, forcierten das Wachstum größerer Verlagsunternehmen. So wurde das Buch nun für breitere und vor allem neue soziale Schichten erschwinglich. So wurde auch nach und nach ein nationaler Literaturmarkt geschaffen.

Natürlich bedurfte es nun, um eine größere Leserschaft zu erreichen, auch mehr lesefähiges Publikum. Einen großen Anteil daran, dass dies auch erreicht wurde, hatte die schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in fast allen deutschen Gebieten eingeführte Schulpflicht. Allerdings war in den sogenannten „Volksschulen“ das Bildungsniveau doch recht gering. Meistens erlangten die Schüler nur ganz elementare Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen. Auch die Interessen, was den Schülern vermittelt werden sollte, waren recht verschieden. Auch galt weiter in oberen Gesellschaftsschichten die Meinung, ein relativ „dummes Volk“ ließe sich doch viel besser regieren. Die Bourgeoisie hingegen war durchaus in gewissem Maße an gebildeten Bürgern interessiert. Aber auch das vor allem in Bezug darauf, einigermaßen für die neuen industriellen Bedingungen geschulte Arbeiter zu gewinnen. Das Ideal von A. HUMBOLDT, welches vor allem eine allseitig gebildete Persönlichkeit vorsah, war hier daher fehl am Platz.

Dennoch muss man trotz aller Mängel den allgemeinen Schulzwang als eine durchaus positive Erscheinung ansehen. So stieg nun auch die Zahl der Buchhandlungen. Für den Deutschen Bund und die Schweiz zusammengenommen lässt sich feststellen, dass die Zahl der deutschen Buchhandlungen von 519 im Jahr 1820 auf 1.340 im Jahr 1840 gestiegen war. Es gab auch zahlreiche Gründungen neuer Verlage. Dazu gehören solche bis heute als bestimmend und renommiert geltende Unternehmen wie Reclam, Hoffman & Campe und der schon existente Brockhaus Verlag, die sich zu einem kapitalistischen Großunternehmen mausern konnten. Neben einem Erstarken der Privatbibliotheken, auf die speziell noch einzugehen sein wird, waren es vor allem Leihbibliotheken oder sogenannte Lesehallen, wo interessierte Personen ihr Leseinteresse stillen konnten. Dort angefertigte Statistiken über das Lektüreinteresse belegen, dass vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-7583-8060-X / 375838060X
ISBN-13 978-3-7583-8060-0 / 9783758380600
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