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Im Namen der Thora (eBook)

Die jüdische Opposition gegen den Zionismus

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
464 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783758360596 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Namen der Thora - Yakov M. Rabkin
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Im Namen der Thora Die jüdische Opposition gegen den Zionismus

Yakov M. Rabkin ist Professor für Geschichte an der Universität von Motreal. Von der Wissenschaftsgeschichte bis hin zur jüdischen und israelischen Geschichte hat er auf verschiedenen Gebieten gewirkt. Als Berater hat er für unterschiedliche internationale Organisationen gearbeitet, darunter auch für die UNESCO und die OECD. Seine Arbeiten und Kommentare werden international rezipiert und veröffentlicht unter anderem in der RAZ und Süddeutschen Zeitung.

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Der erste zionistische Kongress fand im Jahre 1897 in Basel statt. Wenigen dürfte bekannt sein, dass die Wahl dieses Ortes zustande kam, weil mehrere große jüdische Gemeinden in Deutschland sich mit Petitionen an die Behörden gewendet und darum gebeten hatten, die Durchführung des Kongresses in München zu verbieten. Insofern verweist Basel, der Geburtsort des Zionismus an der Wende zum 20. Jahrhundert, auf den scharfen Konflikt, den diese neue politische Bewegung unter den Juden hervorrief. Das vorliegende Buch ist eine Geschichte dieses folgenschweren innerjüdischen Konflikts, der bis heute andauert.

Mehr als ein Jahrzehnt musste vergehen, bis dieses Buch auf Deutsch erschien. Davor wurde es in vierzehn andere Sprachen übersetzt. Als vor einigen Jahren die hebräische Ausgabe publiziert wurde, geriet das Buch in eine Debatte über den Zionismus und den zionistischen Staat, der in den israelischen Medien mit großer Lebhaftigkeit geführt wurde. Anlass für diese Debatte war die wachsende Sorge um die Zukunft der Juden, auch jener in Israel, eine Sorge, die auch mich dazu bewegte, mich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Tatsächlich ist die Idee zu dieser Arbeit in Israel entstanden, im Laufe eines Seminars über jüdisches antizionistisches Denken. Die meisten Teilnehmer auf diesem Seminar waren religiöse Juden und engagierte Zionisten, einige von ihnen wohnten in den von Israel im Jahre 1967 besetzten Gebieten. Sie wollten verstehen, warum der Zionismus, den sie ganz selbstverständlich als etwas grundsätzlich Positives und Jüdisches betrachteten, von den meisten Rabbinern und jüdischen Religionsgelehrten abgelehnt wurde. Wir verbrachten mehrere Monate mit dem Studium der rabbinischen Kritik am Zionismus und der klassischen Quellen des Judentums, dem Talmud, dem Midrasch und der rabbinischen Rechtsprechung (Responsa), auf die sich diese Kritik stützt. Auf einer anderen Ebene war meine Teilnahme an diesem Seminar Teil meines kontinuierlichen Thora-Studiums, dem ich als religiöser Jude seit fast einem halben Jahrhundert in Israel, Frankreich und Kanada nachgehe. Mein Arbeitgeber, die Université de Montréal, ermöglichte es mir, mehrere Sabbatjahre in Israel zu verbringen (zwei meiner Töchter wurden dort geboren, eine der beiden hat sich inzwischen dort niedergelassen). Es war das lebhafte intellektuelle Klima Israels, das mich dazu inspirierte, ein Buch über die jüdische Opposition gegen den Zionismus zu schreiben, über ein Phänomen, das vielen deutschen Lesern sicherlich paradox erscheinen mag, sogar ein Oxymoron. Wie jede Revolution rief der Zionismus Widerstand hervor, der sich bis heute hartnäckig hält. Der am klarsten formulierte Wider- stand kommt von Juden, unter ihnen viele Rabbiner, die sich gut in der Thora auskennen. Sie stehen vor schwierigen Entscheidungen. Die Infragestellung des Zionismus, wie generelle Kritik an der Politik Israels, kann ihnen den Vorwurf des Verrats, des Selbsthasses und sogar des Antisemitismus einbringen. Die Rabbiner der »Liberal Jewish Synagogue« in London haben die Frage- stellung klar formuliert:

Wir scheinen wählen zu müssen zwischen Loyalität gegenüber unserem Volk und Loyalität gegenüber Gott. Haben die Propheten etwa nicht ihr Volk geliebt? Dennoch tadelten sie seine Führung heftig. Hat irgendjemand das jüdische Volk leidenschaftlicher geliebt als Jeremia? Doch genau aus diesem Grund und verurteilte er dessen Sünden umso leidenschaftlicher.

Als ich nach Israel reiste, um die hebräische Ausgabe dieses Buches zu bewerben, hatten sich zufällig gerade am Tag meiner Ankunft mehr als eine halbe Million religiöser Juden vor den Toren der Stadt Jerusalem versammelt, um gegen ein neues Gesetz zu protestieren, das viele von ihnen verpflichtet hätte, in der Armee zu dienen. Sie leben zwar in dem Land Israel, aber viele von ihnen sprechen dem zionistischen Staat und seinen Gesetzen Legitimität ab. So ist es nicht verwunderlich, dass der israelische Verlag dieses Buch mit dem Untertitel Die Geschichte eines andauernden Kampfes versehen hat. Keine andere Frage spaltet die Juden so stark wie die »Israelfrage«, die aus dem Versuch der Zionisten entstand, die »Judenfrage« zu lösen. Aber diese Spaltung ist höchst aufschlussreich. Um ein Lied von Leonard Cohen (19342016), einem in Montreal geborenen Juden, zu zitieren: »There is a crack in everything – this is how the light gets in«. (»Es gibt in allem einen Riss – so kommt das Licht herein«).

Warum sollte diese innerjüdische Debatte, so faszinierend sie in intellektueller Hinsicht auch sein mag, deutsche Leser interessieren? Zumindest aus zwei Gründen: Erstens konzentriert sich das aktuelle deutschsprachige Narrativ über die Juden auf die Dichotomie zwischen Kosmopoliten (wie dem Emigranten Herbert Marcuse) und Nationalisten (wie dem Zionisten Gershom Scholem). Diese duale Vorstellung erkennt die traditionellen Juden nicht als Europäer an und wird zugleich dem jüdischen Pluralismus nicht gerecht. »Es muss ein Raum geöffnet und neue Konzepte für die jüdische europäische Geschichte erdacht werden, um das traditionelle Judentum zu integrieren« (Hacohen, 14).

Mein Buch öffnet diesen Raum, indem es den deutschen Leser in einen Konflikt einführt, der sowohl kosmopolitische als auch traditionelle Juden involviert. Zweitens klärt dieses Buch die weit verbreitete Verwechslung von Juden und Israel auf. In beispielhafter Weise brachte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel diese Verwechslung in einer Rede vor dem israelischen Parlament zum Ausdruck: »Deutschland und Israel sind und bleiben durch die Erinnerung an den Holocaust in besonderer Weise verbunden.« Viele Deutsche meinen es gut, wenn sie Juden, die wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit im Holocaust gelitten haben, mit dem Staat Israel verwechseln, der als Ethnokratie für die Juden begriffen wird. Auf Grund dieser Verschmelzung von Juden und Israel betrachtet man in Deutschland den Staat Israel als kollektiven Überlebenden des Holocaust und gewährt ihm außergewöhnliche politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung. Dies wiederum wirft nicht nur Fragen hinsichtlich der Gestaltung der deutschen Außenpolitik auf, sondern widerspricht auch dem Traum der Gründerväter des zionistischen Staates, nämlich dass Israel eine normale Nation werden und als solche behandelt werden sollte.

Hannah Arendt, die als Jüdin vor den Nazis in die Vereinigten Staaten floh, war fest davon überzeugt, dass mörderische Amoralität nicht auf eine Nation oder eine Ideologie beschränkt ist. Arendt und 25 andere jüdischen Intellektuelle, unter ihnen Albert Einstein, warnten in einem offenen Brief an die New York Times vor der inhärenten Gefahr des exklusiven ethnischen Nationalismus der Zionisten. Im Dezember 1948, knapp ein halbes Jahr nach der einseitigen Proklamation des Staates Israel, bezeichneten sie den Vorläufer von Netanyahus Likud als »eine politische Partei, die in ihrer Organisation, ihren Methoden, ihrer politischen Philosophie und ihrer sozialen Anziehungskraft den nationalsozialistischen und faschistischen Parteien sehr ähnlich ist«.

Dieser Brief enthält zwar Vergleiche, die im heutigen Deutschland möglicherweise illegal sind, veranschaulicht aber auch, dass nicht nur ultra-orthodoxe Rabbiner den exklusiven ethnischen Nationalismus ablehnten. In der Folge des NS-Völkermords glaubten etliche deutsche Juden, dass ein demokratischer Staat, der Diskriminierung aufgrund von Ethnizität und Religion verbietet, die Zukunft der Juden am besten sichern würde, sei es im Heiligen Land oder anderswo. Diejenigen, die die zionistische Bewegung kontrollierten, zogen jedoch aus dem NS-Genozid eine andere Lehre: Für sie war er eine Folge der Schwäche der Juden. Diese zionistischen Führer erdachten die Vision eines neuen »Muskeljuden« und verwandelten einigen höchst erfolgreichen Militäraktionen Hunderttausende arabischer Bewohner Palästinas in Flüchtlinge, womit sie alle egalitären Hoffnungen für diese Region zunichtemachten. Das Ergebnis ist ein Zustand von permanenten Konflikten und Gewalt.

Das im Sommer 2018 verabschiedete neue Staatsangehörigkeitsgesetz erklärt Israel zur Heimat aller Juden. Israels Raison d‘être beruht auf dem Glauben, dass der Antisemitismus universell und ewig sei. Viele Juden, auch in Israel, teilen diesen Glauben keineswegs, weshalb sie, wenn sie dazu die Möglichkeit haben, friedliche pluralistische Demokratien dem zionistischen Staat vorziehen. Berlin hat inzwischen die höchste Konzentration von Israelis in Europa. Hunderttausende ehemaliger sowjetischer Juden ließen sich um die Jahrhundertwende in Deutschland nieder, obwohl Israel alles tat, um dies zu verhindern.

Darüber hinaus spielen Juden eine wichtige Rolle in politischen Kampagnen, die gegen die israelische Behandlung der Palästinenser protestieren, wie beispielsweise die weltweite BDS-Bewegung (»Boycott, Disinvestment and Sanctions«, zu Deutsch »Boykott, Investitionsentzug und Sanktionen«). Die Entscheidung des Bundestages vom Mai 2019, den kommerziellen Boykott...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Judentum
Schlagworte Antizionismus • Israel • Messianismus, Nationalismus • Nicht-Zionismus • Thora, Judentum, Oppostition gegen den Zionismus
ISBN-13 9783758360596 / 9783758360596
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