Enzyklika Ecclesia Eucharistia (eBook)
88 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-6946-5 (ISBN)
EINLEITUNG
1. Die Kirche lebt von der Eucharistie. Diese Wahrheit drückt nicht nur eine alltägliche Glaubenserfahrung aus, sondern enthält zusammenfassend den Kern des Mysteriums der Kirche. Mit Freude erfährt sie unaufhörlich, dass sich auf vielfältige Weise die Verheißung erfüllt: »Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28, 20). In einzigartiger Intensität erfreut sie sich dieser Gegenwart jedoch in der heiligen Eucharistie, bei der Brot und Wein in Christi Leib und Blut verwandelt werden. Seitdem die Kirche, das Volk des Neuen Bundes, am Pfingsttag ihren Pilgerweg zur himmlischen Heimat begonnen hat, prägt dieses göttliche Sakrament unaufhörlich ihre Tage und erfüllt sie mit vertrauensvoller Hoffnung.
Mit Recht hat das Zweite Vatikanische Konzil verkündet, dass das eucharistische Opfer »Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens«1 ist. »Die heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben«.2 Deshalb ist der Blick der Kirche fortwährend auf den Herrn gerichtet, der gegenwärtig ist im Sakrament des Altares, in dem sie den vollkommenen Ausdruck seiner unendlichen Liebe entdeckt.
2. Während des Großen Jubiläums des Jahres 2000 durfte ich die Eucharistie im Abendmahlssaal in Jerusalem feiern, dort, wo sie nach der Überlieferung zum erstenmal von Christus selbst vollzogen wurde.
Der Abendmahlssaal ist der Ort der Einsetzung dieses heiligsten Sakramentes.
Dort nahm Christus das Brot in seine Hände, brach es und gab es seinen Jüngern mit den Worten: »Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird« (vgl. Mt 26, 26; Lk 22, 19; 1 Kor 11, 24). Dann nahm er den Kelch mit Wein in seine Hände und sagte zu ihnen: »Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden« (vgl. Mk 14, 24; Lk 22, 20; 1 Kor 11, 25). Ich bin dem Herrn Jesus dankbar, dass ich an diesem Ort in Gehorsam gegenüber seinem Auftrag »Tut dies zu meinem Gedächtnis!« (Lk 22, 19) die Worte wiederholen durfte, die er vor zweitausend Jahren gesprochen hat.
Haben die Apostel, die beim Letzten Abendmahl teilnahmen, den Sinn der Worte aus dem Mund Christi verstanden? Wahrscheinlich nicht. Diese Worte sollten erst am Ende des Triduum sacrum, des Zeitraums vom Donnerstagabend bis zum Sonntagmorgen, ganz klar werden. In diese Tage ist das mysterium paschale eingeschrieben, in sie ist auch das mysterium eucharisticum eingeschrieben.
3. Aus dem Ostermysterium geht die Kirche hervor. Genau deshalb steht die Eucharistie als Sakrament des Ostermysteriums schlechthin im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens. Das sieht man bereits an den ersten Bildern für die Kirche, die uns in der Apostelgeschichte überliefert werden: »Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten« (Apg 2, 42). Im »Brechen des Brotes« ist die Eucharistie angedeutet. Nach zweitausend Jahren verwirklichen wir noch immer dieses ursprüngliche Bild für die Kirche.
Und während wir dies in der Eucharistiefeier tun, richten sich die Augen unserer Seele auf das österliche Triduum: auf das, was sich während des Letzten Abendmahls am Gründonnerstag ereignete, und was danach folgte. Die Einsetzung der Eucharistie nahm in der Tat auf sakramentale Weise die Ereignisse vorweg, die sich, beginnend mit der Todesangst in Getsemani, kurz darauf zutragen sollten. Wiederum sehen wir Jesus, der den Abendmahlssaal verlässt und mit seinen Jüngern in das Tal hinabsteigt, um den Bach Kidron zu überqueren und zum Garten am Ölberg zu gelangen. In diesem Garten sind noch heute einige uralte Olivenbäume. Vielleicht waren sie Zeugen der Ereignisse, die sich an jenem Abend in ihrem Schatten zugetragen haben, als Christus im Gebet von Todesangst ergriffen und sein Schweiß »wie Blut« wurde, »das auf die Erde tropfte« (Lk 22, 44). Das Blut, das er kurz zuvor im Sakrament der Eucharistie der Kirche als Trank des Heiles übergeben hatte, begann vergossen zu werden. Das Vergießen seines Blutes sollte sich dann auf Golgota vollenden, um das Werkzeug unserer Erlösung zu werden: »Christus [...] ist gekommen als Hoherpriester der künftigen Güter; [...] er ist ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen, nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt« (Hebr 9, 11-12).
4. Die Stunde unserer Erlösung. Obgleich unsagbar geprüft, flieht Jesus nicht vor seiner »Stunde«: »Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen!« (Joh 12, 27).
Er möchte, dass die Jünger bei ihm bleiben, muss aber Einsamkeit und Verlassenheit erfahren: »Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet« (Mt 26, 4041). Nur Johannes bleibt mit Maria und den frommen Frauen unter dem Kreuz. Die Todesangst in Getsemani hat die Todesangst des Kreuzes am Karfreitag eingeleitet: die heilige Stunde, die Stunde der Erlösung der Welt. Wenn man die Eucharistie am Grab Jesu in Jerusalem feiert, kehrt man in fast greifbarer Weise zu seiner »Stunde« zurück, zur Stunde des Kreuzes und der Verherrlichung. An diesen Ort und in diese Stunde kehrt in geistlicher Weise jeder Priester zurück, der die heilige Messe feiert, und mit ihm die christliche Gemeinde, die daran teilnimmt.
»Gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten«. Die Worte des Glaubensbekenntnisses finden ein Echo in den Worten der Betrachtung und der Verkündigung: »Ecce lignum crucis in quo salus mundi pependit. Venite adoremus«. Diese Einladung richtet die Kirche am Nachmittag des Karfreitags an alle Menschen. Während der Osterzeit nimmt sie ihren Gesang wieder auf und verkündet: »Surrexit Dominus de sepulcro qui pro nobis pependit in ligno. Alleluia«.
5. »Mysterium fidei! – Geheimnis des Glaubens!«. Auf diese Worte, die vom Priester gesprochen oder gesungen werden, antworten die Mitfeiernden: »Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit«.
Mit diesen oder ähnlichen Worten weist die Kirche auf Christus im Geheimnis seines Leidens hin und offenbart darin auch ihr eigenes Mysterium: Ecclesia de Eucharistia. Wenn die Kirche mit der pfingstlichen Gabe des Heiligen Geistes ans Licht tritt und sich auf die Straßen der Welt begibt, so ist ein entscheidender Moment ihrer Entstehung sicherlich die Einsetzung der Eucharistie im Abendmahlssaal. Ihr Fundament und ihre Quelle ist das gesamte Triduum paschale. Dieses aber ist in der eucharistischen Gabe gewissermaßen gesammelt, vorweggenommen und für immer »konzentriert«. In dieser Gabe übereignete Jesus Christus der Kirche die immerwährende Vergegenwärtigung des Ostermysteriums. Mit ihr stiftete er eine geheimnisvolle »Gleichzeitigkeit« zwischen jenem Triduum und dem Gang aller Jahrhunderte.
Dieser Gedanke weckt in uns ein großes und dankbares Staunen. Im Ostergeschehen und in der Eucharistie, die es durch die Jahrhunderte hindurch gegenwärtig macht, liegt ein enormes »Potential«, in dem die ganze Geschichte als Adressat der Erlösungsgnade enthalten ist. Dieses Staunen muss die Kirche immer ergreifen, wenn sie sich zur Feier der Eucharistie versammelt. Aber in besonderer Weise muss es den Spender der Eucharistie begleiten. Dank der Gnade, die ihm durch das Sakrament der Priesterweihe verliehen wurde, kann er die Wandlung vollziehen. Er spricht mit der Vollmacht, die ihm von Christus aus dem Abendmahlssaal zukommt: »Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird... Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch vergossen wird...«.
Der Priester spricht diese Worte und stellt seinen Mund und seine Stimme jenem zur Verfügung, der diese Worte im Abendmahlssaal gesprochen hat, und der wollte, dass sie von Generation zu Generation von all denen wiederholt werden, die in der Kirche durch die Weihe an seinem Priestertum teilhaben.
6. Dieses »Staunen« über die Eucharistie möchte ich mit der vorliegenden Enzyklika neu wecken, und zwar in Fortführung jenes Erbes des Jubiläums, das ich der Kirche mit dem Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte und mit seiner marianischen Krönung Rosarium Virginis Mariae übergeben wollte. Das Antlitz Christi betrachten und es mit Maria betrachten, ist das »Programm«, auf das ich die Kirche...
| Erscheint lt. Verlag | 26.4.2023 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
| ISBN-10 | 3-7578-6946-X / 375786946X |
| ISBN-13 | 978-3-7578-6946-5 / 9783757869465 |
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