Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
"Ist das eine Supervision - oder wird hier nur geplaudert?" -  Eva Koch-Klenske

"Ist das eine Supervision - oder wird hier nur geplaudert?" (eBook)

Als Beraterin in den Heiligenfeld Kliniken, in Schulen und Familien
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
250 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-9942-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
(CHF 10,70)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Was passiert eigentlich in einer Supervision? Niemand kontrolliert, wie effizient diese Art beruflicher Beratung bzw. Weiterbildung ist: Psychoanalytiker, die Supervision anbieten und dann während einer mehrstündigen Arbeitssitzung mit einem Team kein einziges Wort sagen, hauptberufliche Supervisoren, die ihr eigenes Arbeitskonzept nicht erklären können ... Beide werden für das, was sie tun (oder nicht tun) gut bezahlt. Das geht auch anders, behauptet die Autorin. Dreißig Jahre als selbständige Beraterin unterwegs, mußte sie wiederholt erleben, daß einige zentrale soziale Störungen in zahllosen Supervisionen gar nicht angesehen werden und schildert, was passieren kann, wenn man sich als Beraterin auch für diese brisanteren Themen zuständig fühlt.

Eva Koch-Klenske, Jahrgang 1950, ist Politikwissenschaftlerin, M.A., und promovierte Soziologin im Bereich Frauenforschung. Nach einer mehrjährigen Dozentur an der Freien Universität Berlin begann sie 1990 als Supervisorin und Beraterin in eigener Praxis zu arbeiten. Im Jahr 2000 wurde sie als externe Supervisorin und Führungskräfte-Coach von den Heiligenfeld Kliniken in Bad Kissingen engagiert. Neben ihrer übrigen Beratungstätigkeit arbeitete sie bis 2022 in allen Häusern dieses vielfach ausgezeichneten Unternehmens in der gesamten Bundesrepublik. Eva Koch-Klenske lebt in Berlin, sie hat einen Sohn.

Einleitung


Supervision1 – eine unnütze Geldausgabe?

Was unterscheidet eigentlich eine gute von einer schlechten oder einfach nur wirkungslosen Supervision? Für viele Menschen ist das eine Frage wert, wie ich weiß. All jene, die in Berufen arbeiten, zu denen Supervision als Weiterbildungselement gehört, dürften sich diese Frage schon einmal gestellt haben – insbesondere, wenn sie mit dem Ergebnis einer mehrstündigen berufsbegleitenden Beratung nicht zufrieden waren.

Auch für mich war dies eine zentrale Frage, denn sie hat über Jahrzehnte mein berufliches Denken und Handeln geleitet. Der Einblick, den ich in dreißig Jahren Praxis als selbständige Supervisorin und Beraterin in mein eigenes Berufsfeld erhielt, läßt mich vermuten, daß dort so einiges im Argen liegt. Das wäre noch keine Zeile wert, denn in allen Berufen gibt es schließlich sehr gute, gute und ebenso mittelmäßige oder gar schlechte Leistungen, weil Menschen nun einmal verschieden sind und auch unterschiedlich geeignet für ihre Tätigkeit.

Ich möchte allerdings behaupten, daß es sich bei einem großen Teil beruflicher Supervisionen um wirklich schlechte Beratung handelt, oder anders gesagt: Viele Supervisionen für berufliche Teams stellen schlicht eine unnütze Geldausgabe dar, weil dabei zu wenig herauskommt.

Wieso diese etwas pauschale Kollegenschelte?

Nun, sobald Sie als Supervisorin oder Supervisor einen neuen Auftrag beginnen, bekommen Sie von den Teams die Erfahrungen mit den Vorgängern erzählt …

Und natürlich lernt man auch etliche Kolleg/innen selbst kennen. Vielen von ihnen fehlt es, wie ich erfuhr, nicht nur an einem sozialen Ordnungskonzept, das ihnen als Richtschnur für angemessenes Rollenhandeln im Beruf dient. Ich habe darüberhinaus auch noch guten Grund zu der Annahme, daß einige zentrale Probleme, um die es in der Berufswelt geht, gar nicht richtig diagnostiziert und folglich auch nicht effektiv und gewinnbringend bearbeitet werden.

Zwei zentrale Störmuster im Berufssektor lassen sich hier benennen, die meines Erachtens zu wenig Raum in zahlreichen Supervisionen finden: die hohe Kränkungsbereitschaft vieler Angestellter heute und ein in etlichen Berufsgruppen verbreitetes, grundsätzlich kritisches Verhältnis zu Vorgesetzten oder höherrangigen Personen. Beide Problemlagen sollten in Supervisionen hinterfragt werden, denn ihr soziales Störpotential in der Berufswelt ist erheblich.

Statt diese beiden emotional heißeren Themen in ihrer beratenden Arbeit aufzugreifen, folgen viele Supervisor:innen offenbar lieber unkritisch den vordergründigen Themenwünschen der beruflichen Teams, die sie weiterbilden sollen. Dabei halten sie sich selbst zurück und setzen insofern nur wenige eigene Akzente als Beratende.

Gern wird diese Haltung auch noch als professionelle Neutralität des Supervisors mißverstanden, und das ist meines Erachtens ein ziemlicher Skandal. Denn so entsteht ein fataler Kreislauf: Fehlen mir gute konzeptionelle Arbeitsinstrumente zur Diagnose und Klärung sozialer Probleme am Arbeitsplatz und habe ich dazu womöglich noch Unlust, mich gelegentlich mit meiner Kundschaft anzulegen, so kann ich weder frei und klar diagnostizieren noch authentisch arbeiten. Folglich werden brisante, schwierigere Themen oft gar nicht berührt. Stattdessen konzentrieren sich etliche Kolleginnen und Kollegen auf andere, leichter zu besprechende Themen. »Machen wir eine Gestalt-Übung zu …« Dies führt zwar häufig nicht zur Lösung der zentralen Problemlagen, aber wenigstens findet etwas »Kreatives« statt (und die Zeit geht dabei auch herum, nicht wahr?).

Zugegeben, der letzte Satz ist ein bißchen böse formuliert. Zumindest kann ich mir eine gewisse Ironie nicht verkneifen, denn sonst würde ich richtig ärgerlich über das, was da offenbar viel zu viele Supervisoren gegen gutes Geld leisten: Bunte Zettelchen an den Wänden sind schön – aber tiefergehende Erkenntnisse über einige äußerst spannungsreiche Probleme in der Berufswelt wären besser. Ein Berater, der in einer mehrstündigen Arbeitssequenz kaum fünf Sätze sagt? Solcherart ergebnisarme Abläufe wurden mir in einer Häufigkeit von Menschen erzählt, mit denen ich arbeitete, daß ich es anfangs kaum glauben mochte. Allerdings konnte ich mir im Laufe der Jahre auch persönlich zahlreiche Eindrücke kollegialer Arbeitsweisen verschaffen.

  • »Wie arbeiten Sie denn konzeptionell?« fragte ich einen Kollegen, der immerhin auf die fünfzig zuging und schon einige Jahre im Geschäft war. Er konnte auf diese Frage nicht antworten und meinte dann zögerlich: »Also … ich gehe das eher meditativ an … Ich versuche, Empathie für die Menschen zu zeigen, mit denen ich arbeite …« und dann formulierte er noch, daß »starre Konzepte« nicht so sein Fall seien. Starre Konzepte? Was er denn damit meine? Das konnte er aber auch nicht erklären.
  • Ein Psychoanalytiker in einer städtischen Verwaltungsrunde, die einen Auftrag vergeben wollte, nach seinem Arbeitskonzept als Supervisor gefragt, antwortete: »Ich koche den Teams erst mal ein schönes Täßchen Tee.« Dies helfe den beruflich angestrengten Menschen, sich zu entspannen … Und dann höre er sich natürlich ihre Sorgen an. Qualifizierteres über seine Arbeitsweise als Supervisor folgte leider nicht. Das ist nicht erfunden! Ich war dabei und traute meinen Ohren kaum: Vier Supervisoren und ich stellten uns beruflich vor – und keiner der vier Herren konnte die eigene Beratungsarbeit fachlich qualifiziert erläutern.
  • Eine Gruppe von Gestalttherapeut/innen, die eine zweijährige, berufsbegleitende Weiterbildung mit Abschluß »Supervisor/in« machte, fragte an fast jedem Ausbildungswochenende nach gestaltpädagogischen Übungen für Supervisoren – den kreativen Methoden der Gestaltarbeit. Hinter diesem explizit formulierten Lernwunsch fand sich die unausgesprochene Frage, wie ich als Supervisor:in eine berufliche Gruppe oder ein Arbeitsteam über mehrere Stunden so beschäftigen kann, daß bei den Teilnehmenden das Gefühl entsteht, es passiere etwas Zielführendes, gar Effizientes. Es ging also mehr um die Sorge, ob die eigenen Kompetenzen wirklich für eine qualifizierte Beratung im beruflichen Sektor reichen – und taugen würden.
  • Auch der Ausbilder der Gruppe, mit dem ich zeitweise im kollegialen Austausch stand, hatte dazu nicht allzu viel zu sagen. Er meinte übrigens, als wir uns einmal über unsere Arbeit unterhielten: »Konflikte? Da gehe ich nicht ran. Ist mir zu anstrengend.«

Ist mir zu anstrengend? Ich war schockiert, denn er verweigerte sich damit einer der wichtigsten Anforderungen unseres Berufes. Genau darum geht es doch bei einer guten, ergebnisreichen Beratung beruflicher Teams: die Fehlläufe, die Lücken, die Blindheiten, die Abwehr heikler Fragen, das Nicht-Funktionierende, kurz: den Kern sozialer Störungen zu finden und neue Bearbeitungswege einzuführen.

Und sehr oft geht es sogar darum, das von einem Team vorgebrachte Thema daraufhin zu durchleuchten, ob es wirklich zum Kern des Problems führt oder ein bedeutsameres, oft psychisch unangenehmeres Thema nur verdeckt. Wir sollten also emotionale Chiffrierungen und deren soziale Folgen diagnostizieren können – und aufzudecken wagen.

Ich selbst arbeitete in den vergangenen dreißig Jahren als Supervisorin und Beraterin mit einem Konzept sozialer Ordnung und systemischer Grundregeln, also mit einer regelorientierten Berufsrollen-Schulung, wobei ich in den Arbeitsprozeß auch einen großen Teil meiner eigenen Persönlichkeit einbrachte; meine professionellen und ethischen Haltungen zu den verschiedenen Themen und Problemlagen waren also jeweils klar formuliert und wurden damit Teil des Prozesses. Dies bot den Teilnehmenden der jeweiligen Supervision die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen und zu entscheiden, ob sie sich von meinem Fachwissen und den dazu gehörigen Argumenten anregen und überzeugen ließen oder eigene Vorstellungen und Handlungspläne beibehalten beziehungsweise neu entwickeln wollten. Diese Art aktiver Beratung für Teams schien jedoch ungewöhnlich zu sein. Begann ich einen neuen Auftrag, so erhielt ich – zunächst zu meiner eigenen Überraschung – wieder und wieder die Rückmeldung, daß das aktive Beratungskonzept, mit dem ich arbeitete, und meine eigenen professionellen Einordnungen der Team-Probleme zwar ungewohnt, aber sehr viel hilfreicher seien als die permanente Zurückhaltung und soziale Vorsicht, mit der zahlreiche Kolleg:innen offenbar ihre Sitzungen durchführten. Immer wieder kam es bei einem neuen beruflichen Einsatz zu der gleichen Kernaussage von Teilnehmer/innen:

  • »So kannte ich Supervision noch nicht. Das ist ja richtig hilfreich, was Sie uns über ‚soziale Ordnung‘ erläutert haben. Die anderen Supervisoren lassen uns nur reden und ab und zu werfen sie mal einen Satz ein oder...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
ISBN-10 3-7568-9942-X / 375689942X
ISBN-13 978-3-7568-9942-5 / 9783756899425
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 343 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich