Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Fiehlunas Reise (eBook)

Eine wahre Geschichte von Mut und Überlebenskampf
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
348 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-7439-3636-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fiehlunas Reise -  Fiehluna Assungwa
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
(CHF 7,80)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Die bewegende Lebensgeschichte einer jungen Frau. Von Kamerun nach Deutschland. Fiehluna wächst mit ihrem sehr strengen Vater und vielen Geschwistern in Kamerun auf. Nicht nur ist er der ganzen Familie gegenüber gewalttätig, sondern er hält sie auch als Gefangene. Sein Jähzorn kennt keine Grenzen. Doch das hält Fiehluna nicht davon ab, sich heimlich mit Freunden zu treffen und wie ein ganz normales Mädchen aufzuwachsen. Sie ist fest davon überzeugt, dass ihr Vater die falsche Erziehungsmethode anwendet, sie will ihn stoppen. Als Fiehluna 18 Jahre alt ist, stellt sie sich schließlich gegen ihren Vater.

Fiehluna Assungwa, geboren 1981 in Kamerun, hat Betriebswirtschaftslehre studiert, wohnt und arbeitet seit 2002 in Deutschland.

Fiehluna Assungwa, geboren 1981 in Kamerun, hat Betriebswirtschaftslehre studiert, wohnt und arbeitet seit 2002 in Deutschland.

Verlassen


Es ist 6 Uhr morgens. Meine Geschwister machen sich fertig, um das Haus zu verlassen, sie müssen in die Schule. Meine Schwester Sandy drängt und fordert die anderen auf, sich zu beeilen. Sie ist die Älteste und übernimmt wie gewöhnlich die Mutterrolle, wenn es nötig ist. Sandy ist ein sehr vernünftiges und verantwortungsbewusstes Mädchen, das sich immer gut um uns kümmert, wenn Mutter nicht bei uns ist. An diesem Morgen ist meine Mutter aber da.

Obwohl ich erst vier Jahre alt bin, spüre ich, dass etwas nicht stimmt. Das ist kein Tag wie jeder andere. Mutter ist sehr traurig. Ich sehe es ihr an, und ich fühle es. Sie drückt mich lange an sich, hält mich fest und streichelt mich zärtlich. Als sie sich wiederaufrichtet, sehe ich den Schmerz in ihren Augen und bekomme Angst. Ich habe die gepackten Koffer gesehen und gehört, dass sie eine Freundin zu uns gebeten hat. Sie will uns verlassen. Meine kleine Schwester Hilda schaut auf mich herab. Mutter trägt sie in einem Tuch auf dem Rücken, sie wird Hilda mitnehmen. Wir anderen bleiben zurück. Mutter beginnt zu beten. Ihre Augen sind feucht, immer wieder verstummt sie und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Schließlich versagt ihr die Stimme. Sie schluchzt und weint minutenlang - so sehr, dass ich glaube, sie sei krank.

„Mama, hast du Schmerzen?“, frage ich sie und greife mit meiner kleinen Hand nach ihren Fingern. Sie schaut mich an, versucht zu lächeln und schüttelt den Kopf.

„Nein“, antwortet sie. „Es ist alles gut.“ Ich glaube ihr nicht. Ich weiß, dass etwas geschehen ist, wie so oft in den letzten Monaten. Woche für Woche habe ich sie weinen gesehen. Sie hat es nie vor uns zu verbergen versucht, es wäre auch sinnlos gewesen.

Selbst ich habe längst begriffen, was in unserer Familie vor sich ging. Meine älteren Geschwister wissen ohnehin Bescheid. Aber an diesem Morgen weint sie aus einem anderen Grund. „Gott sei mit euch“, sagt sie mit tränenerstickter Stimme zu uns allen. Dann nimmt sie mich noch einmal ganz fest in den Arm. „Ich mache das hier wirklich nicht gerne, meine Kleine, aber ich habe keine andere Wahl, ich muss es tun.“ Sie sieht mir fest in die Augen, „ich muss euch jetzt verlassen“, ihre Hände zittern, ich kann es fühlen. „Ihr seid immer in meinem Herzen, denn ich liebe euch über alles, vergesst das niemals. Ich liebe euch. Daran wird sich nie etwas ändern. Aber ich muss gehen und mir ein besseres Leben suchen. Ich kann so nicht mehr weitermachen.“ Sie geht zu ihren Koffern. „Ich werde euch regelmäßig besuchen. Das verspreche ich.“ Wieder schluchzt sie, als sie jeden von uns noch einmal ansieht. „Das ist ein Versprechen!“, wiederholt sie noch einmal. Erst in diesem Moment wird mir klar, dass sie wirklich gehen wird. Ich laufe zu ihr und klammere mich an ihre Hand. Ich halte sie, fest entschlossen, sie nicht mehr loszulassen.

„Mama, wohin gehst du?“, rufe ich weinend. „Hat Vater dich wieder geschlagen? Er ist doch gar nicht da. Ich habe nichts gehört. Letzte Nacht ist doch nichts passiert. Hat er dir etwas getan?“ Meine Mutter versucht ganz vorsichtig, meine Hand von der ihren zu lösen. Sie redet beruhigend auf mich ein, aber ich kann sie nicht verstehen. Ich weine und rufe immer wieder verzweifelt nach ihr, obwohl sie direkt vor mir steht. „Mama! Mama!“ Als sie sich aus meinem Griff befreit hat, fasse ich ihr Kleid und ziehe mit aller Kraft daran. „Mama! Nein! Du darfst nicht gehen!“ Sie geht hinaus auf die Terrasse, wo ihre Freundin bereits wartet. Ich hänge an ihr und versuche, sie aufzuhalten.

„Cecilia, es ist Zeit“, sagt ihre Freundin. „Wir müssen los.“ Die Freundin sieht mich an, es ist ein Blick voller Mitleid und Verständnis. Sie weiß, was in mir vorgeht. „Wir sollten uns wirklich beeilen“, fügt die Freundin hinzu. Ich verstehe sie nicht. Wieso tut sie mir das an? Wieso nimmt sie mir meine Mutter weg, obwohl sie sieht, wie ich weine?

„Mama, nein!“, schreie ich und stürze mich erneut auf meine Mutter, aber ihre Freundin hält mich fest. Nun weinen auch meine Geschwister. Sandy drückt mich an sich, als Mutter davonfährt. Wir alle schreien, obwohl es sinnlos ist. Selbst als das Auto bereits außer Sichtweite ist, stehen wir noch da und rufen nach ihr. Man hört uns in der ganzen Nachbarschaft, aber niemand kommt vorbei. Die Leute sind solchen Lärm von uns gewöhnt.

Bei uns zu Hause gab es ständig Streit, die Nachbarn haben uns jeden Tag brüllen und weinen gehört. Oft haben sie sogar sehen können, wie Mutter geschlagen worden ist. Am Anfang hat der eine oder andere noch versucht, meine Mutter in Schutz zu nehmen. Vater hat jedem, der es gewagt hat, sich für meine Mutter einzusetzen, mit der Polizei gedroht. Für ihn sind das Familienangelegenheiten, in die sich die Nachbarn nicht einzumischen haben. Das ist seine Privatsphäre, und die haben sie gefälligst zu respektieren. Andernfalls wird er sie anzeigen. Die Nachbarn lassen ihn jetzt in Ruhe und überlassen meine Mutter schweren Herzens ihrem gewalttätigen Ehemann. Sie alle wissen, dass es sinnlos ist, sich mit meinem Vater anzulegen. Er ist reich. Und wer in Kamerun Geld hat, bekommt, was er will - auch von der Polizei. Hätte einer der Nachbarn die Polizei angerufen, wären diese nicht gekommen. Sie hätten nur meinem Vater Bescheid gesagt und ihm den Namen des Anrufers genannt. Das hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Ihn selbst anzeigen, hätte auch nichts genutzt. Das Gesetzt erlaubt Körperstrafe in Familien. Damals auch noch in allen Schulen. Des Öfteren werden Opfer wie Denunzianten und Verräter behandelt. Meine Mutter hält es an diesem Morgen des Jahres 1985 nicht mehr aus. Sie ist mit ihrer Kraft am Ende, sieben Mal schon hat sie uns verlassen, sieben Mal ist sie vor meinem Vater davongelaufen. Immer hat er sie wieder zurückgebracht, manchmal erst nach drei oder vier Wochen, aber jedes Mal ist sie zurückgekehrt.

„Mutter kommt nicht wieder“, sagt meine Schwester Sandy an diesem Nachmittag zu mir, als wir aus der Schule zurück sind. „Vater darf nichts davon erfahren, hörst du? Kein Wort.“ Ich nicke. Natürlich werde ich tun, was Sandy sagt. Sie ist diejenige, die sich um mich und meine Geschwister kümmert, ich habe es nie anders kennen gelernt. Meine Mutter ist sehr oft krank gewesen. Oft ist sie wochenlang nicht in der Lage gewesen, sich um uns zu kümmern, dann hat Sandy sie unterstützt. Sie ist dreizehn Jahre alt, aber für mich ist sie wie eine Mutter. Um 15 Uhr kommt mein Vater von der Arbeit. Kaum ist er im Haus, höre ich seine Stimme.

„Wieso steht kein Essen auf dem Tisch? Wo ist eure Mutter? Wo ist Hilda?“, brüllt er wie ein Wahnsinniger. „Cecilia!“

„Mutter ist nicht da“, sagt Sandy vorsichtig. „Sie hat nichts gekocht. Vielleicht ist sie ins Krankenhaus gefahren, seit gestern geht es ihr nicht gut.“

„Das glaubst du doch selbst nicht!“, schreit mein Vater. Er ist außer sich vor Wut. „Und wo ist Hilda?“

„Mutter muss sie mit ins Krankenhaus genommen haben. Ich habe sie nicht gesehen, als ich aus der Schule gekommen bin.“ Sandys Stimme klingt ruhig, als sie meinen Vater anlügt.

„Du bist genauso verrückt wie deine Mutter!“, tobt mein Vater. „Du lügst doch wie gedruckt! Sag die Wahrheit! Sofort!“ Sandy schweigt, mein Vater verliert völlig die Beherrschung. Natürlich weiß er auch so, was geschehen ist. Er braucht Sandy nicht weiter zu fragen. Sie wird Mutter nicht verraten, das hat sie noch nie getan. Vater weiß das, deswegen schreit er noch lauter. Ich sehe Sandy an, voller Angst. Auch sie fürchtet sich. Dennoch gibt mir ihr Schweigen Kraft.

Vaters zweite Frau Pauline sitzt die ganze Zeit in ihrer Wohnung und hört, wie mein Vater brüllt. Es interessiert sie nicht, es hat sie nie interessiert, was bei uns in der Wohnung geschieht. Sie ist hochschwanger und ganz mit sich selbst beschäftigt. Seit Pauline im Haus ist, haben sich die Probleme zwischen meinen Eltern vervielfacht. Vater verbringt so viel Zeit bei ihr wie möglich. Für uns bleibt kaum etwas übrig. Er will nicht einmal mehr bei uns essen. Vater hat Angst, dass meine Mutter ihn vergiften könnte. Das ist lächerlich, aber ihm ist es bitter ernst damit. Er zwingt meine Mutter, von allem zu kosten, was sie auf den Tisch stellt. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man beinahe darüber lachen. Er nimmt einen Löffel oder eine Gabel und rührt in jeder Schüssel herum, alles wird gründlich vermischt, dann muss Mutter probieren. Immer wieder und wieder. Erst wenn sie das getan hat, isst auch er. Dieses demütigende Schauspiel wiederholt sich jeden Tag.

In Kamerun ist es normal, dass jede Frau jeden Tag für ihren Mann kocht und ihm das Essen serviert. Es spielt keine Rolle, wie viele Frauen er hat. Für meinen Vater steht also jeden Tag sowohl bei uns als auch bei Pauline Essen bereit, wenn er von...

Erscheint lt. Verlag 23.6.2017
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Sonstiges Geschenkbücher
Geisteswissenschaften
Schlagworte Alkohol trinken • Arbeit • Aufmunterung • Belletristik • Beruf • Beziehung • Bildung • Brustbügeln • Drama • Erziehung • Familie • Franken • Freund • Freunde • Freundin • Freundschaft • Geduld • Genitalverstümlung • Geschenk • Geschenkbuch • Geschichte • Geschwister • geselschaft • Gesundheit • Gewalt • Glaube • Hilfe • hohes Fieber • Jugend • Kindheit • Klan • Klasse • Kleid • Korruption • Kultur • Liebe • Misshandlung • Monarchie • Mut • Nachbarn • Natur • Pflicht • Poligamy • Politik • politische Unruhen • Primary school • Reise • Schwanger • Schwanz • Schwester • Tasche • Tradition • Überlebenskampf • ungewollt schwanger • Unterdrückung • Unterstützung • Verhalten • Verständnis • Vertrauen • Voodoo • wenig Geld • Widerstandskraft • Wohnung • Zauber
ISBN-10 3-7439-3636-4 / 3743936364
ISBN-13 978-3-7439-3636-2 / 9783743936362
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Adobe DRM)

Kopierschutz: Adobe-DRM
Adobe-DRM ist ein Kopierschutz, der das eBook vor Mißbrauch schützen soll. Dabei wird das eBook bereits beim Download auf Ihre persönliche Adobe-ID autorisiert. Lesen können Sie das eBook dann nur auf den Geräten, welche ebenfalls auf Ihre Adobe-ID registriert sind.
Details zum Adobe-DRM

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID und die Software Adobe Digital Editions (kostenlos). Von der Benutzung der OverDrive Media Console raten wir Ihnen ab. Erfahrungsgemäß treten hier gehäuft Probleme mit dem Adobe DRM auf.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID sowie eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Atempausen für Mamas

von Katharina Gelke

eBook Download (2025)
Gerth Medien (Verlag)
CHF 10,70
Ein Buch für alle, Sängerinnen wie Zuhörer, denn Singen bewegt | Vom …

von Stefan Moster

eBook Download (2025)
Insel Verlag
CHF 16,60