Der Falsche Philosoph (eBook)
206 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783756865390 (ISBN)
Der Philosoph als Geschäftsmann
Platons und Aristoteles‘ Kritik an den Sophisten
„Nur ein eingebildetes Wissen über alles besitzt also,
wie sich uns gezeigt hat, der Sophist,
und nicht die Wahrheit.“
Platon
Erste ausführliche Stellungnahmen von Philosophen zu den Haltungen anderer „Philosophen“ gegenüber der Philosophie und ihrem unphilosophischem Vorgehen, finden sich, wie erwähnt, bereits in der Antike bei Platon und Aristoteles. In einer Zeit des politischen Umbruchs, in der die alte Aristokratie in Griechenland einen sozialen und politischen Absturz erlebte und besonders Athen sich in Richtung einer Demokratie entwickelte, traten Mitte des 5. Jahrhunderts. v. Chr. philosophisch unterrichtete Gelehrte in die Öffentlichkeit, die philosophische Expertise (Logik, Rhetorik, Ethik) sowie Fach- und Allgemeinwissen „zum Verkauf“ anboten – die Sophisten. Diese auch als „Wanderlehrer“ bezeichneten Intellektuellen verdienten ihren Lebensunterhalt als Lehrer, Erzieher, Ausbildner, Berater, öffentliche Redner oder als Rechtsbeistand bei Gerichtsverfahren. Auch vertraten sie eigene philosophische Thesen und Positionen. Innerhalb der Philosophie zählen zu ihren bedeutendsten Vertretern unter anderem Gorgias, Protagoras, Lykophron, Thrasymachos und teilweise Sokrates (welcher jedoch auch Kritiker der Sophisten war). Die Sophisten waren jedoch mehr eine temporär auftretende Kulturerscheinung als eine eigenständige und einheitliche philosophische Schule, weshalb sie zwar durchaus wertvolle Beiträge für die Philosophie leisteten – wie etwa Protagoras mit seiner These: „Aller Dinge Maß ist der Mensch“ oder durch die Entwicklung der Rhetorik –, jedoch keine ausgeklügelte philosophische Theorie oder ein philosophisches System entwickelten. Nichtsdestotrotz waren sie besonders in der „Rede“ Meister ihres Fachs, verstanden philosophische Fertigkeiten als in der gesellschaftlichen Praxis einzusetzende Werkzeuge und erwarben dadurch Ansehen und Einfluss besonders in der attischen Polis.
Unabhängig dieser Fakten ist über die Sophisten allerdings nicht allzu viel bekannt, weil die Quellenlage hauptsächlich auf Fragmente, Zitate sowie, in Bezug auf die Philosophen, auf Platon und Aristoteles zurückgeht. Wie wir sogleich sehen werden, hatten diese gegenüber den Sophisten allerdings keine neutrale und unvoreingenommene Haltung. Da meine Intention jedoch ohnehin darin liegt, jene Merkmale darzulegen, weshalb Philosophen anderen „Philosophen“ absprechen, echte Philosophen zu sein, ist jenes Manko vernachlässigbar. Denn ob die Sophisten tatsächlich jene negativen Eigenschaften sowie in jener Stärke, wie Platon und Aristoteles sie schildern, aufwiesen, ist für meine hier verfolgten Zwecke sekundär und schmälert auch nicht die wertvollen Beiträge der Sophisten für die Philosophie.5 Wichtig ist, welche Merkmale Platon und Aristoteles anführen, um andere Denker als „Nichtphilosophen“ bzw. um die einen als echte Philosophen, und die anderen, in diesem Fall die Sophisten, als falsche Philosophen zu deklarieren. Doch bevor ich zu Platons und Aristoteles‘ Ansichten über die philosophischen Makel der Sophisten komme, zuerst ihre Auffassungen über die Eigenschaften wahrer Philosophen.
Der wahre Philosoph (Platon & Aristoteles)
Platons Auffassung darüber, worin er einen wahren Philosophen sieht, findet sich ausführlich in seiner Politeia („Der Staat“). In der idealen Vorstellung eines Staates, die er darin beschreibt, sollen die Philosophen die beste Staatsform entwickeln, ihre Gesetze aufstellen sowie als Herrscher und Hüter des Staates fungieren. Dazu gehört auch, zu bestimmen, was einen echten Philosophen, im Vergleich zu einem Hochstapler oder Taugenichts, ausmacht, damit nur dieser sich jenen Aufgaben widmet. Platon erwähnt hierfür zahlreiche Eigenschaften, auf die ich kurz eingehen möchte.
Echte Philosophen sind für Platon zuerst einmal Weisheitsliebende, Freunde der Weisheit oder wie er sie auch bezeichnet: „Liebhaber des Seienden“ (Pol., S. 281). Das Seiende zu lieben bedeutet für ihn nach einer durch begriffliche Reflexionen eruierten Einsicht, d.h. nach der Idee, dem Wesen oder der „Urgestalt“ eines Gegenstandes zu streben, zum Beispiel nach dem Schönen oder dem Guten. Diese Einsichten zu verbreiten und zu bewahren, gehört ebenfalls zu diesem Streben. Ein wahrer Philosoph ist für Platon deshalb kein Wissenschaftler (auch wenn jener über wissenschaftliches Wissen verfügt), denn dieser weist Voraussetzungen auf, welche er nicht hinterfragt, sondern als gegeben an- bzw. hinnimmt. Der Philosoph hingegen möchte, kraft seines Denkvermögens, zum Zustand vor allen Voraussetzungen, „zum Anfang“ eines Gegenstandes und auf diese Art zur Einsicht über diesen kommen. Platons Verständnis von Weisheit bzw. Einsicht ist zwar streng mit Wahrheit und Erkenntnis verknüpft, da für ihn niemand die Weisheit ohne die Wahrheit lieben kann. Es beruht jedoch nicht auf der Wahrheit von partikularen Fakten, wie sie Wissenschaftler suchen, sondern auf der Wahrheit des „Ganzen.“ So sagt er selbst, dass der Philosoph nicht nur nach einem Teil der Weisheit strebt, „sondern nach der ganzen“ (Pol., S. 243). Deshalb ist Einsicht für Platon der höchste Zustand, der erreicht werden kann, und diesen erstrebt kraft seines vernünftigen bzw. diskursiven Denkens (Dialektik) ein wahrer Philosoph. Ein Antrieb, welcher ihn schlussendlich vom Zustand der Meinung zum Zustand der Einsicht führt.6 Echte Philosophen sind somit einerseits jene, die Freude am „Seienden“ haben, andererseits jedoch auch das Vermögen besitzen, „erfassen [zu] können, was sich allezeit in bezug auf dasselbe gleich verhält [...]“ (Pol., S. 253). Wir haben es hier zum einen mit einem Gefühl, welches gleichzeitig ein motivationales Verlangen ist, und zum anderen mit kognitiven Fähigkeiten zu tun.7 Sowohl die richtige Motivation als auch die richtigen Kompetenzen sind für Platon entscheidend, um die Natur eines Sachverhaltes herauszufinden. Die Verwirklichung epistemischer Ziele, wie Wahrheit und Erkenntnis, ist für Platon zwar etwas Erstrebenswertes, d.h. etwas Gutes, doch selbst nicht das höchste Gut, das ein Philosoph erreichen kann. Dieses liegt vielmehr im Begriff, in der Idee des Guten selbst, wovon Wahrheit und Erkenntnis „nur“ Erscheinungsweisen bzw. Spielarten sind. Das höchste zu erreichende Gut eines Philosophen liegt in der Einsicht über die Natur des Guten selbst.
Die Ergebnisse der reflexiven Analyse beispielsweise des Guten verbleiben jedoch anschließend nicht als Druckerschwärze auf Papier oder als mentale Zustände in den Köpfen der Philosophen. Ein wahrer Philosoph imitiert, sobald er Einsicht über einen Gegenstand erwarb, zum Beispiel das Gute und wird dadurch selbst gut, oder wie Platon es überspitzer ausdrückt:
„Indem also der Philosoph mit dem Göttlichen und Wohlgeordneten verkehrt, wird er selbst wohlgeordnet und göttlich, soweit das einem Menschen möglich ist.“ (Pol., S. 279)
Auch wenn das Streben nach der begrifflich-eruierten Wahrheit des Ganzen, das ein Gut darstellt, essentiell für einen echten Philosophen ist, so reicht dieses alleine für Platon noch nicht aus, wenn nicht andere zu dem Streben oder der bloßen Einsicht dieses Guts gehörende Eigenschaften hinzukommen. Ein wahrer Philosoph verkörpert deshalb auch die Eigenschaften des Guten, d.h. moralische Merkmale, und weist nicht nur ihre intellektuelle Einsicht auf. Jene liegen für Platon etwa in Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Großzügigkeit, in einem Sinn für Gerechtigkeit, in Milde, Bescheidenheit, Mut sowie in einem edlen Gemüt. Moralische Eigenschaften sind für einen echten Philosophen auch deshalb zentral, weil die meisten Menschen für Platon nichts von der Philosophie halten, und der Philosoph deshalb ständig Gefahr läuft, Einflüssen ausgesetzt zu sein, die der Philosophie abträglich und verderblich sind. Ein wahrer Philosoph bleibt philosophischen Tugenden jedoch auch in solchen Umständen treu. Ebenso bleibt er der vernünftigen, auf Begriffsanalysen beruhenden Methode treu und vermeidet es „stets nur von persönlichen Dingen [zu] reden“ (Pol., S. 279); auch wenn persönliche Erfahrungen für Platon durchaus zu den Bedingungen gehören, ein echter Philosoph zu werden. Die Ergebnisse der philosophischen Untersuchung, d.h. die Inhalte der Einsicht umzusetzen, betrifft jedoch nicht nur den Charakter und die Handlungen des Philosophen selbst, sondern auch, insofern es notwendig wird, wie Platon meint, sie in seine Umgebung zu implementieren, zum Beispiel, indem die beste Staatsform eingesetzt wird – falls der Philosoph dazu in der Lage ist.
Aristoteles hat meines Erachtens die gleiche Auffassung von genuiner Philosophie wie Platon, weshalb ich nur ein paar Sätze dazu anmerke. Auch für ihn ist das Streben nach...
| Erscheint lt. Verlag | 9.9.2022 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften |
| ISBN-13 | 9783756865390 / 9783756865390 |
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