Ramakrishna (eBook)
362 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783756299898 (ISBN)
Gabriele Ebert ist die Autorin von Biografien über Sarada Devi, Vivekananda, Ramana Maharshi, Nisargadatta Maharaj und weiteren spirituellen Persönlichkeiten.
GADADHARS ELTERN
ABBILDUNG 1: KAMARPUKUR
Im Hugli-Distrikt in der Provinz Bengalen liegt Kampukur, ein typisches Dorf in der ländlichen Gegend, unberührt von der Stadt. Dort wurde Ramakrishna geboren. Die Häuser sind meist aus Lehm gebaut und mit Stroh bedeckt. Zwischen ihnen liegen schmale, ungepflasterte Gassen. Es gibt Reisfelder, Palmen und Banyanbäume. Ein Mangohain schützt die Reisfelder, sodass im Herbst, wenn die Setzlinge austreiben, das Wasser gehalten wird und Kamarpukur wie eine tropische Insel in einem Pflanzenmeer aussieht. Wenn die Reisfelder im Winter stopplig und ausgetrocknet sind und der Staub der roten Erde über das Land fegt, gleicht der Ort dagegen einer halben Wüste.
Im Dorf gibt es drei oder vier Wasserspeicher, von denen der größte der Haldarpukur ist. Zudem gibt es viele kleine Teiche, zwei Verbrennungsplätze und den Amodar-Fluss. Der örtliche Tempel ist der Göttin Visalakshi geweiht. Kamarpukur liegt an der Straße, die nach Puri führt und von vielen Pilgern benutzt wird.
Ramakrishnas Vater Khudiram Chattopadhyaya wurde vermutlich 1775 geboren. Nach dem Tod seines Vaters erbte er dessen Landbesitz im Dorf Derepur, zwei Meilen westlich von Kamarpukur gelegen. Er hatte früh geheiratet, aber seine Frau starb jung. Mit fünfundzwanzig heiratete er zum zweiten Mal. Seine Braut war Chandra Devi, die in der Familie nur Chandra genannt wurde. Sie stammte aus dem Dorf Saratimayapur, war ein einfaches, gutaussehendes Mädchen und dem Dienst für die Götter und heiligen Männer hingegeben. Sie war tiefgläubig, hatte ein gütiges Wesen und war bei allen beliebt. Vermutlich wurde sie 1791 geboren und war bei ihrer Hochzeit 1799 acht. Ihr erster Sohn Ramkumar wurde bereits 1805 geboren. Fünf Jahre später folgte die Tochter Katyayani.
Etwa 1814 klagte Ramananda Roy, der Grundherr von Derepur1, einen Mann aus dem Ort fälschlicherweise vor Gericht an und bat Khudiram, ein falsches Zeugnis für ihn abzulegen, da er im Dorf von allen respektiert wurde und man ihm somit Glauben schenken würde. Der aufrichtige Khudiram war schockiert und weigerte sich. Dadurch erzürnt brachte Ramananda auch gegen ihn eine Anklage vor, gewann den Fall, indem er sich falsche Zeugen besorgte, und Kudiram verlor seinen ganzen väterlichen Besitz und was er im Laufe der Zeit dazugewonnen hatte, insgesamt etwa 50 Morgen Land. Die Leute im Dorf fühlten großes Mitleid mit ihm, wagten aber aus Furcht vor dem Grundherrn nicht, ihm zu helfen. Khudiram, der zu dieser Zeit etwa vierzig Jahre alt war, hatte alles verloren, was er besaß. Er nahm Zuflucht bei seiner Familiengottheit Raghuvir2 und dachte darüber nach, wie er dem Grundbesitzer entkommen konnte.
Sukhlal Goswami aus Kampukur war eng mit Khudiram befreundet. Als er von dessen Missgeschick hörte, räumte er einige Hütten in seinem Gehöft und bot seinem Freund an, dort dauerhaft zu wohnen. Khudiram nahm das Angebot dankbar an und zog mit seiner Familie nach Kamarpukur. Er erhielt von seinem Freund auch etwa einen Morgen fruchtbares Land geschenkt, sodass er seine Familie ernähren konnte. Trotzdem kam es anfangs vor, dass nichts zu essen im Haus war. Wenn Chandra Devi sich Sorgen machte, sagte Khudiram zu ihr: „Mach dir nichts draus. Wenn Raghuvir fasten will, warum sollten wir dann nicht auch fasten?“ Beide gaben sich ganz dem Willen ihrer Familiengottheit hin. Doch allmählich brachte das Stück Land, das Sukhlal ihnen gegeben hatte, reichlich Frucht, sodass es mehr als nur die Familie ernährte.
ABBILDUNG 2: RAGHUVIRS SCHREIN IN KHUDIRAMS HAUS
Auf diese Weise vergingen zwei oder drei Jahre. Khudiram gab sich ganz in Raghuvirs Hände und hatte hin und wieder göttliche Visionen. Morgens und abends wiederholte er das Gayatri mit solch tiefer Frömmigkeit und Konzentration, dass seine Brust rot wurde und ihm Tränen der Liebe aus den geschlossenen Augen rannen. Die Dorfbewohner erkannten instinktiv seine hohe Spiritualität und verehrten ihn wie einen Rishi. Jedes Mal, wenn sie ihn kommen sahen, unterbrachen sie ihre belanglosen Gespräche, erhoben sich und grüßten ihn respektvoll. Sie zögerten, in den Wasserspeicher zum Baden zu gehen, wenn sie ihn dort baden sahen, und warteten, bis er fertig war.
Chandra Devi wurde wegen ihres freundlichen Wesens als Mutter betrachtet. Die Armen wussten, dass sie bei ihr nicht nur zu essen bekamen, sondern auch ein herzliches Willkommen und Zuneigung. Für heilige Männer, die von Almosen lebten, stand ihre Tür immer offen.
Später sagte Ramakrishna über seine Eltern: „Meine Mutter war eine ehrliche und offene Seele. Sie wusste nicht viel über die weltliche Lebensart. Sie konnte nichts verheimlichen und sagte, was sie dachte. Mein Vater verbrachte die meiste Zeit mit Verehrung und Meditation und mit seiner Gebetsschnur. Jeden Tag schwoll seine Brust beim Beten und erstrahlte mit göttlichem Glanz, und es rannen ihm Tränen über die Wangen. In seiner Freizeit, wenn er nicht mit Andachten beschäftigt war, wand er Girlanden für Sri Rama. Die Dorfbewohner respektieren ihn als einen Weisen.“
Der älteste Sohn Ramkumar wurde mit sechzehn verheiratet und beendete das Studium der Grammatik und Literatur in einer Sanskritschule in Dorfnähe. Anschließend studierte er die Hindugesetze. Nach drei weiteren Jahren nahm er die Verantwortung auf sich, die Familie zu unterhalten. Er war ein hervorragender Sanskritgelehrter geworden und verdiente inzwischen Geld, indem er jenen Rat gab, die irgendeinen Punkt aus den Schriften geklärt haben wollten. Er hatte auch gelernt, wie man besondere Riten ausübt, die Krankheit und anderes Unglück abwenden.
Durch seine Übungen hatte Ramkumar sich übernatürliche Kräfte erworben und konnte kommende Ereignisse vorhersagen. Dadurch kam es gelegentlich zu dramatischen Situationen. Als er zum Beispiel einmal geschäftlich in Kalkutta zu tun hatte, wollte er im Ganges baden. Da kam ein reicher Mann mit seiner Familie zum Bade-Ghat. Die Frau des reichen Mannes versuchte, sich ihre Privatsphäre zu erhalten. Sie saß in einer mit Vorhängen versehenen Sänfte, die von ihren Dienerinnen ins Wasser getragen wurde, damit sie drinnen ihr Bad nehmen konnte. Ramkumar staunte nicht schlecht. Da konnte er durch die Vorhänge einen kurzen Blick auf das Gesicht der schönen Dame im Innern werfen. Sofort erkannte er, dass sie am nächsten Tag sterben würde. Diese Erkenntnis machte ihn so traurig, dass er vor sich hinmurmelte: „Heute so viele Vorkehrungen, um diesen Körper in der Privatsphäre zu waschen – und morgen werden sie ihn als eine Leiche, die jeder sehen kann, zurück zum Fluss bringen!“ Unglücklicherweise hörte ihr Ehemann diese Worte. Schockiert und verärgert beschloss er, diesen jungen Unheilspropheten zu bestrafen, sobald seine Vorhersage sich als falsch erwiesen hatte. Mit äußerster Höflichkeit bestand er darauf, dass Ramkumar sie nach Hause begleiten sollte. Aber in der folgenden Nacht wurde die scheinbar gesunde Frau tatsächlich plötzlich krank und starb.
Ramkumar sagte auch voraus, dass seine eigene Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes sterben würde. Er war sehr erleichtert, als sie viele Jahre kinderlos blieb. Aber sie starb tatsächlich 1849, im Alter von fünfunddreißig, als sie ihren Sohn Akshay gebar, der später noch eine Rolle spielen wird.
Doch zurück zu Khudiram. Dadurch, dass Ramkumar jetzt die Familie unterhielt, war er von seinen Pflichten befreit. Er sehnte sich danach, auf Pilgerreise zu gehen. Etwa 1824 machte er sich zu Fuß auf den Weg nach Rameswar. Nach etwa einem Jahr auf dieser Reise durch Südindien kehrte er nach Hause zurück. 1826 gebar Chandra Devi einen weiteren Sohn. In Erinnerung an seine Pilgerreise nannte Khudiram ihn Rameswar.
1835 spürte Khudiram erneut ein großes Verlangen, auf Pilgerreise zu gehen. Diesmal wollte er nach Gaya, um dort die Riten für die Erlösung der Geister seiner Ahnen zu begehen. Er war bereits sechzig. Trotzdem zögerte er nicht, zu Fuß zur heiligen Wohnstatt Vishnus zu pilgern. Im Winter 1835 besuchte er Benares und im darauffolgenden Frühjahr Gaya.3 Kudiram blieb einen Monat in Gaya.
Nachdem er alle Schreine besucht hatte, ging er zuletzt zum heiligsten Schrein, dem Haupttempel, der den Fußabdruck Vishnus enthält. Er brachte für seine Ahnen die üblichen Opfergaben dar, Klöße, die aus gekochtem Reis mit Ghee und Weizen- oder Gerstenmehl bestehen und Pindas genannt werden. Nachts hatte er im Schlaf eine Vision. Er sah sich selbst im Vishnu-Tempel die Opfergaben darbringen, wie er es tags zuvor getan hatte. Dann sah er, wie seine Ahnen seine Opfergaben annahmen und ihn segneten, wobei sie Vishnu verehrten, der in ihrer Mitte thronte. Der göttliche Herr sah Khudiram liebevoll an, winkte ihn herbei und sagte: „Khudiram, deine große Hingabe hat mich sehr glücklich gemacht. Die Zeit ist für mich gekommen, um erneut auf Erden geboren zu werden. Ich werde als dein Sohn geboren werden.“
Khudiram protestierte. Die Ehre war zu groß für ihn. Er war arm und unwürdig....
| Erscheint lt. Verlag | 26.4.2022 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Ramakrishna und seine Schüler |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
| Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Hinduismus | |
| Schlagworte | Bhakti • Brahmananda • Hinduismus • Indien • Ramakrishna • Ramakrishna-Orden • Sarada Devi • Vivekananda |
| ISBN-13 | 9783756299898 / 9783756299898 |
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