Heinrich der Löwe (eBook)
496 Seiten
wbg Theiss (Verlag)
9783806243796 (ISBN)
Joachim Ehlers ist einer der bedeutendsten Mediävisten seiner Generation. Nach seiner Professur an der Universität Frankfurt am Main und der Technischen Universität Braunschweig war er bis 2001 Ordinarius für Mittelalterliche Geschichte an der Freien Universität Berlin. Er ist ausgewiesener Experte für das westeuropäische Früh- und Hochmittelalter und der beste Kenner zur Figur Heinrichs des Löwen sowie Hugo von St. Viktor.
Joachim Ehlers ist einer der bedeutendsten Mediävisten seiner Generation. Nach seiner Professur an der Universität Frankfurt am Main und der Technischen Universität Braunschweig war er bis 2001 Ordinarius für Mittelalterliche Geschichte an der Freien Universität Berlin. Er ist ausgewiesener Experte für das westeuropäische Früh- und Hochmittelalter und der beste Kenner zur Figur Heinrichs des Löwen sowie Hugo von St. Viktor.
Prolog: Annäherungen 11
Die Welfen, Sachsen und das Reich 21
Die Familie 21
Heinrich der Schwarze 31
Kaiser Lothar III. 36
Heinrich der Stolze 41
Der Erbe und seine Leute 47
Erste Jahre 47
Das Land nördlich der Elbe 59
Die Güter der Grafen von Stade 65
Nordöstlicher Kreuzzug 70
An der Schwelle zur Macht 75
Die größere Welt 79
Im Gefolge des Königs 79
Italienzug 88
Herzog von Bayern 96
Zwischen Dänemark und Rom 101
Herzog 115
Herrschaft in Sachsen 115
Bischöfe, Fürsten und Herren 130
Der sächsische Krieg 141
Das neue Land 149
Der neue Herr 157
Ein Herzog für Bayern? 162
Reichsfürst 173
Krise der Kirche 173
Englische Heirat 185
Die Reise nach Jerusalem 197
Zentrum und Peripherie 212
Chiavenna 220
Hof und Herrschaft 229
Kernhof und Außenhöfe 229
Klerus, Hofkapelle und Kanzlei 237
Adel und Dienstleute 243
Braunschweig 249
Die Bilder des Löwen 257
Patron und Stifter 269
Eine ritterliche Welt 269
Die Intellektuellen 278
Wissenschaft 285
Dichtung 294
Das Haus Gottes 301
Der Sturz 317
Der Friede von Venedig 317
Philipp von Heinsberg 323
Der Prozeß 330
Der Krieg des Kaisers 337
Exil 345
Der Gastgeber und sein Reich 345
Normandie 354
England 361
Die Welfenkinder 367
Tod und Gedächtnis 375
Zehn letzte Jahre 375
Sepultura memorabilis 388
Ein Fürst in Deutschland 398
Dank 408
Anmerkungen 409
Quellen und Literatur 424
Zeittafel 466
Personenregister 467
Ortsregister 483
Bildnachweis 496
Prolog: Annäherungen
Für den 4. März des Jahres 1152 erwartete Frankfurt am Main eine mächtige Versammlung der Großen des Reiches. Sie sollten einen neuen König wählen, den Nachfolger des Staufers Konrad III., der am 15. Februar in Bamberg gestorben war. Vom Ausgang dieser Wahl erhoffte man sich endlich inneren Frieden, der seit einem Vierteljahrhundert immer wieder durch schwere Kämpfe gestört worden war, weil Konrads Herrschaft niemals auf einem breiten Konsens geruht hatte. Zeitlebens war er Vertreter der Opposition geblieben, die ihn 1127 als Gegenkönig neben den erst zwei Jahre zuvor gewählten Lothar von Süpplingenburg gestellt hatte. Die Staufer sahen sich als Angehörige des salischen Kaiserhauses, das 1125 mit Heinrich V. in männlicher Linie ausgestorben war, und sie empfanden die Erhebung des sächsischen Herzogs Lothar zum König als Verletzung der begründeten Anwartschaft eines der Ihren auf die Krone. Der Konflikt hatte mit Lothars Tod im Jahre 1138 kein Ende gefunden, ja, er verschärfte sich, weil eine kleine, aber entschlossene Fürstengruppe um den Erzbischof Albero von Trier Konrad jetzt nochmals zum König wählte und damit die Ansprüche des damals mächtigsten deutschen Fürsten beiseite schob: Heinrich der Stolze aus dem Haus der Welfen, Herzog von Sachsen und Bayern, war als Schwiegersohn Kaiser Lothars von seinem gottgegebenen Recht auf dessen Nachfolge überzeugt. Zwar entlastete Heinrichs überraschend früher Tod schon im Jahr darauf Konrad III., doch die Welfen setzten während dessen gesamter Regierungszeit ihren Widerstand in Sachsen und Bayern ausdauernd fort.
In der Tat war die Wahl nur ein Teil der Königserhebung, oft als Bestätigung der gleichsam natürlichen Vorausbestimmung von Kandidaten durch das Erbrecht oder der Empfehlung eines Nachfolgers durch den Vorgänger (Designation), so daß sich verschieden ausgerichteten Kräften ein weites Betätigungsfeld öffnete. Grundsätzlich sollten Königswahlen auf möglichst allgemeinen Versammlungen stattfinden, doch bis zum Ende des 12. Jahrhunderts blieb der Kreis der wahlberechtigten Laien unbestimmt. Die moderne Geschichtswissenschaft hilft sich ebenso wie die mittelalterlichen Autoren mit Umschreibungen wie »die mächtigsten Fürsten« (summi principes), ohne im Einzelfall sagen zu können, wer damit gemeint ist. Diese Offenheit ist weniger erstaunlich, wenn man bedenkt, daß selbst die Papstwahl ihren frühesten und noch dazu erfolglosen Regelungsversuch 1059 mit dem Papstwahldekret erfahren hat; erst 1179 legte eine Dekretale Alexanders III. fest, daß nur die Kardinäle wahlberechtigt sein und mindestens zwei Drittel der Stimmen für den Gewählten abgegeben werden sollten. Entsprechende Versuche zur präzisen Definition und Festlegung eines Königswählergremiums finden sich als parteitaktische Argumente erst am Ende des 12. Jahrhunderts, im Zusammenhang mit der Doppelwahl des Jahres 1198. Der Weg zum Kurfürstenkolleg war noch lang.
Unter solchen Voraussetzungen war es 1152 schwer, den Streit zu schlichten und den Krieg zu beenden, denn dafür mußte die Nachfolge König Konrads möglichst einvernehmlich geregelt werden. Deshalb traf sich Ende Februar auf Einladung Erzbischof Heinrichs von Mainz ein ausgewählter Kreis geistlicher und weltlicher Herren. Von den Teilnehmern kennen wir außer dem Gastgeber den Erzbischof Arnold von Köln, die Bischöfe Gebhard von Würzburg und Gunther von Speyer, mehrere Pröpste bedeutender Stiftskirchen und vier Grafen, besonders gut aber Herzog Friedrich III. von Schwaben aus dem staufischen Haus und seinen Vetter, den jungen, damals wohl achtzehnjährigen Herzog Heinrich von Sachsen.1 Auf ihn kam es bei der folgenden Konferenz besonders an, und deshalb machte ihm der Herzog von Schwaben bedeutende Versprechungen, um Heinrich den Verzicht auf eine eigene Bewerbung nahezulegen und ihn als Wähler für sich zu gewinnen. Dieser ersten entscheidenden Begegnung der beiden Verwandten sollten fortan viele weitere gemeinsame Aktionen folgen, mit denen sie als Kaiser Friedrich Barbarossa und Herzog Heinrich der Löwe die Geschichte des Reiches so lange bestimmten, bis der Herzog sich eines Tages dem Kaiser verweigerte und daraufhin einer großen Koalition seiner Gegner preisgegeben wurde.
Am 4. März fanden sich am traditionellen Wahlort Frankfurt die wichtigsten Fürsten des Reiches zum Beraten und Entscheiden ein, »denn dieses Recht, daß nämlich die Königswürde sich nicht nach der Blutsverwandtschaft vererbt, sondern daß die Könige durch Wahl der Fürsten eingesetzt werden, beansprucht das römische Reich als sein besonderes Privileg«.2 Mit diesem Hinweis auf das ungeschriebene Grundgesetz des Reiches begann Bischof Otto von Freising als Geschichtsschreiber der ersten Königs- und Kaiserjahre seines Neffen Friedrich Barbarossa den Bericht von der Wahl, und er hob darin den allgemeinen Wunsch der Großen nach Frieden durch Ausgleich zwischen Staufern und Welfen hervor. Nur weil Friedrich durch seine welfische Mutter beiden Familien angehörte, habe er gewinnen können und sei zum »Eckstein« (angularis lapis) der Versöhnung geworden.3
Ganz so einvernehmlich, wie der Freisinger Bischof glauben machen wollte, ist es gewiß nicht abgelaufen, denn Konrad III. hatte seinen damals wohl achtjährigen Sohn Friedrich von Rothenburg für die Nachfolge vorgesehen, und erst mit großen Wahlversprechungen, die das Kind nicht machen konnte, zog der ältere Vetter die entscheidenden Wähler auf seine Seite.4 Mehrere (allerdings erst nach 1180 schreibende) Autoren berichten von weiteren Manipulationen Friedrichs. Gislebert von Mons, Kanzler des Grafen Balduin V. von Hennegau, erwähnt – leider ohne Namen zu nennen – vier Kandidaten, gegen die sich Friedrich mit Absprachen hätte durchsetzen müssen,5 und zu Anfang des 13. Jahrhunderts weiß ein Chronist aus Laon sogar von einer Mehrheit für Heinrich den Löwen, die Friedrich nur mit List und Mühe habe umstimmen können.6 Dieser anonyme Autor, vermutlich ein englischer Kleriker, schrieb seit Mitte des 12. Jahrhunderts weitgehend aus eigener Kenntnis über französische und englische Zeitgeschichte; es könnte demnach sein, daß Heinrich der Löwe diese Version nach 1182 während seines Exils in England verbreitet hat. Die den Welfen nahestehende Chronik des Lüneburger Benediktinerklosters St. Michael wies zwischen 1229 und 1233 darauf hin, daß der Kaiser Heinrich dem Löwen Gutes mit Bösem vergalt, als er ihn aus seinen Herzogtümern vertrieb, denn Heinrich habe ihm doch einst zum Königtum verholfen.7
Wie es sich hier im einzelnen auch verhalten haben mag: Sicher ist, daß bei der Wahl eine Gruppe von weltlichen Fürsten maßgeblich für Friedrich eintrat, die ihren eigenen Aufstieg betrieben und konkrete Ziele ins Auge gefaßt hatten. Sie sahen dabei über Deutschland hinaus und planten im größeren Rahmen des Kaiserreiches, hatten also auch Oberitalien und Burgund im Blick. Unter ihnen ist an erster Stelle der Onkel Heinrichs des Löwen und Friedrichs I. zu nennen, Welf VI., der sich vom künftigen König die Einsetzung als Herzog von Spoleto, Markgraf der Toskana und Fürst von Sardinien versprechen durfte; ferner der bayerische Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und der Markgraf der sächsischen Nordmark Albrecht der Bär, die auf königliche Förderung beim Aufbau eigener Landesherrschaften hofften; ferner Herzog Berthold von Zähringen, der noch in diesem Wahljahr 1152 als Stellvertreter des Königs das Rektorat über Burgund erhalten sollte, und besonders Heinrich der Löwe, der seiner sächsischen Herzogswürde die dem Vater einst entzogene bayerische hinzufügen wollte.8
Heinrich der Löwe war der jüngste dieser Herren, nahezu gleichen Alters wie ein anderer Großer des Jahrhunderts, dem er später persönlich nahestehen sollte. Am 18. Mai 1152, während der Herzog von Sachsen am ersten großen Hoftag des neugewählten Königs Friedrich in Merseburg teilnahm, heiratete in Poitiers der neunzehnjährige Graf Heinrich von Anjou, Herzog der Normandie, die Erbin des Herzogtums Aquitanien, Eleonore, deren Ehe mit dem französischen König Ludwig VII. soeben geschieden worden war. Durch seine Mutter hatte Heinrich Ansprüche auf den englischen Thron, und nach seiner Krönung am 19. Dezember 1154 in London war er mit einundzwanzig Jahren König von England, Herzog der Normandie und von Aquitanien, Graf von Anjou und Maine. Heinrich II. durfte sich als einziger europäischer Herrscher mit dem Kaiser vergleichen, war als König weit mächtiger als dieser9 und unter den europäischen Monarchen eine Ausnahmeerscheinung wie Heinrich der Löwe eine unter den deutschen Fürsten. Vielleicht wußte der Welfe damals schon, daß er in ihrem Kreis ein Außenseiter war und immer bleiben würde. Gewiß...
| Erscheint lt. Verlag | 28.7.2021 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Mittelalter |
| Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Mittelalter | |
| Schlagworte | 12. Jahrhundert • Adalbero von Bremen • Alexander II. • Barbarossa • Biografie • Biographie • Braunschweig • Burg Dankwarderode • Chiavenna • Friedrich Barbarossa • Heinrich der Löwe • Herzog von Bayern • Herzog von Sachsen • Historisches Sachbuch • Jerusalem • Konrad II. • Kreuzzug • Magdeburg • Mittelalter • Slawenkreuzzug • Staufer • St. Blasius • Welfen • Wendenkreuzzug |
| ISBN-13 | 9783806243796 / 9783806243796 |
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