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Kultur unterm Hakenkreuz (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
560 Seiten
wbg Theiss (Verlag)
978-3-8062-4202-7 (ISBN)
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Der renommierte Zeithistoriker Michael H. Kater schreibt die erste moderne Gesamtschau zu Kunst und Kultur im »Dritten Reich«: Wie die Nationalsozialisten sie bevormundeten und reglementierten; welche Kunst 1933-1945 entstand und welche verboten und vernichtet wurde; wie Kultur als Propaganda eingesetzt wurde. Breit wird das Thema der Entfernung jüdischer Kunst und der Ausgrenzung jüdischer Künstler thematisiert sowie der Bereich der Zwangs-Emigration von jüdischen wie oppositionellen Künstlern. Auch die Rolle der Emigranten, der »inneren Emigranten« wie der vermeintlichen Widerständler nach 1945 wird behandelt. Das längst überfällige Gesamtpanorama der Kultur in einer kulturfeindlichen Zeit und »Pflichtlektüre für alle, die sich für die Nazizeit interessieren« (The Sunday Times).

Michael H. Kater ist Distinguished Research Professor Emeritus of History an der York University, Toronto. Mit Büchern zur Sozial-, Medizin- und Kulturgeschichte des Dritten Reiches ist er auch in Deutschland bekannt geworden: 'Die mißbrauchte Muse. Musiker im Dritten Reich' (1998), 'Ärzte als Hitlers Helfer' (2000), 'Hitler-Jugend' (2005). Er ist Guggenheim Fellow und Konrad-Adenauer-Preisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Michael H. Kater ist Distinguished Research Professor Emeritus of History an der York University, Toronto. Mit Büchern zur Sozial-, Medizin- und Kulturgeschichte des Dritten Reiches ist er auch in Deutschland bekannt geworden: "Die mißbrauchte Muse. Musiker im Dritten Reich" (1998), "Ärzte als Hitlers Helfer" (2000), "Hitler-Jugend" (2005). Er ist Guggenheim Fellow und Konrad-Adenauer-Preisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Vorwort 8
11. Die Zerschlagung der Moderne 13
Die Weimarer Kultur wird gesäubert 22
Der Expressionismusstreit 45
»Entartete« Kunst und Musik werden ausgestellt 58
22. Nationalsozialistische Vorkriegskultur 72
Das Propagandaministerium und die Kultur 79
Literatur 84
Presse und Rundfunk 97
Film und Bühne 105
Musik 119
Bildende Kunst und Architektur 133
Zwischenbilanz 145
33. Juden im NS-Kulturbetrieb 153
Antijüdische Maßnahmen 159
Der Jüdische Kulturbund 164
Antisemitismus in der NS-Kunst 176
Menschliche Tragödien 192
44. Der Krieg in der Öffentlichkeit: Propaganda und Kultur 201
Die Funktion von Filmen: Orientierung, Indoktrinierung, Ablenkung 215
Die Kunst der Kommunikation: Rundfunk, Presse, Wochenschau 227
Musik und Theater im Dienste des Kriegs 241
Buch und Schwert 253
Kunst und Architektur 264
Die Kultur an die Front! 275
55. Künstler im Exil 286
Politische, wirtschaftliche und psychologische Hindernisse 291
Falsche Flüchtlinge? 310
Der Fall Thomas Mann 321
66. Mai 19451945: Stunde null? 340
Die Abwertung der Kultur im NS-Staat 345
Keine Stunde null 349
Erfundenes Märtyrertum 359
Die »inneren Emigranten« 364
Erheuchelter Widerstand 367
Schlussbemerkung: Kultur in drei Tyranneien 375
Anhang 387
Abkürzungen 389
Anmerkungen 391
Archive 454
Literatur 456
Personenregister 521
Bildnachweis 533

Kapitel 1
Die Zerschlagung der Moderne


Nach ihrer Machtübernahme am 30. Januar 1933 gingen die Nationalsozialisten überall in Deutschland systematisch daran, der Kunst die Moderne auszutreiben. Sie wollten Platz für ihre eigene Art von Kultur schaffen. Geplant hatten sie dies schon seit Jahren. Sie wünschten sich eine deutsche Kultur, in der sich die zentralen Werte der NS-Ideologie niederschlagen sollten: gegenständlich, nicht abstrakt, klar und sauber, nicht krumm und schief, inspiriert von den vermeintlichen Tugenden der »nordischen Rasse«. Die natürliche Schönheit der Landschaft war rühmend hervorzuheben gegen die Hässlichkeit von Industriestädten; die Kultur sollte Stärke und Selbstvertrauen eines »reinrassigen« germanischen Volkes verströmen, scharf abgegrenzt gegen fremde und insbesondere jüdische Einflüsse. Diese Kultur galt es größtenteils neu zu erschaffen; was in der Vergangenheit als nützlich sich erwiesen hatte, mochte geschickt integriert werden, sofern die Traditionen der Vorfahren für die aufstrebende Generation als dienlich erachtet wurden.

Doch zunächst musste jene moderne Kunst getilgt werden, die für das kulturelle Leben der Weimarer Republik (1918–1933) charakteristisch war, auch wenn deren Schöpfer nur eine Minderheit darstellten. Ihre oft kühnen Bestrebungen ließen sich nicht zuletzt als Reaktion auf die Schrecken des Ersten Weltkriegs verstehen, für den die alte Ordnung unter Kaiser Wilhelm II. und den spießbürgerlichen Eliten verantwortlich gemacht wurde. Parallel zur modernen Kunst entstand daher auf politischer Ebene eine demokratische Republik, die in gewissem Sinne ebenso ein Experiment war wie die Kultur. Manche modernen Kunstformen wie der Expressionismus in der Malerei oder die Opern Elektra und Salome eines Richard Strauss stammten allerdings schon aus der Vorkriegszeit, und längst nicht alle Vertreter der Moderne waren republikanisch oder politisch links eingestellt.1 Umgekehrt setzten auch der Konvention verpflichtete Künstler durchaus Vertrauen in eine neue, demokratische Regierungsform.

Nach dem Waffenstillstand vom November 1918 waren, so Peter Gay, »alle oder doch fast alle Künstler von dem quasi-religiösen Eifer ergriffen, alles neu zu machen«.2 Waghalsige Experimente sollte es geben, mit neuen Formen und Inhalten, sei es bezogen auf Kunstobjekte oder Verfahrensweisen. Künstler wie Bertolt Brecht, Kurt Weill, Alban Berg, Paul Hindemith und Walter Gropius fanden in der »Novembergruppe« zusammen und verkündeten im Dezember 1918: »Die Zukunft der Kunst und der Ernst der jetzigen Stunde zwingt uns Revolutionäre des Geistes (Expressionisten, Kubisten, Futuristen) zu Einigung und engem Zusammenschluss.«3

Im Gefolge kam es schon kurz nach Ausrufung der Republik 1918 zur künstlerischen Herrschaft der Bauhaus-Bewegung. Die Kunstschule sollte der Weimarer Ära in kultureller Hinsicht ihren Stempel aufdrücken. Unter der Leitung von Walter Gropius konzentrierten sich die Künstler und Künstlerinnen am Bauhaus auf neue Formen in Gestaltung und Malerei, zunächst ab April 1919 in Weimar selbst, dann ab 1925 in Dessau, wo die Architektur in den Mittelpunkt rückte. Das dort errichtete Schulgebäude verkörperte mit seinen klaren, rechtwinkligen Linien und dem Flachdach geradezu lehrbuchhaft Gropius’ Ideen.4

Im Spätsommer 1923, noch in Weimar, veranstaltete das Bauhaus eine Ausstellung mit Vertretern praktisch jeder wichtigen künstlerischen Disziplin. Die Musik und journalistische Musikkritik repräsentierte Hans Heinz Stuckenschmidt, ein Anhänger der Zwölftonmusik, die zu jener Zeit mit Arnold Schönberg als ihrem Pionier entstand. Stuckenschmidt beteiligte sich in Weimar an einem »Musikalischen Cabaret«, für das er eine von Dada inspirierte, avantgardistische Partitur geschrieben hatte. Hermann Scherchen, der neben Otto Klemperer progressivste Dirigent der Weimarer Zeit, leistete ebenso einen Beitrag dazuwie Paul Hindemith, der seinen kurz zuvor komponierten Liedzyklus Marienleben – Ausdruck seiner neuen Vorliebe für die Polyphonie – zur Erstaufführung brachte. Auch Ernst Krenek, dessen Jazzoper Jonny spielt auf 1927 die deutschen Opernbühnen erobern sollte, ließ sich sehen.5

Das Bauhaus hatte eine eigene Jazzkapelle, und Jazz, der, aus den USA kommend, bereits in England und Frankreich Furore gemacht hatte, wurde auch in Deutschland ein Hit. Dass das – für dieses Land – typisch überbetonte Schlagzeugspiel an Marschmusik erinnerte, änderte daran nichts. Gespielt wurde Jazz in den Zwanzigern in den Großstädten, hauptsächlich in Berlin, von deutschen Combos in darauf spezialisierten Klubs wie dem Rio Rita oder dem Moka Efti, aber auch in großen Musik- und Varieté-Theatern wie der Scala oder dem Wintergarten, die Adolf Hitler und sein Propagandafachmann Joseph Goebbels bisweilen ebenfalls aufsuchten (allerdings wegen der Operetten, die dort zur Aufführung kamen). Schließlich gab es Jazz in Cabarets, wo Stars und Sternchen aus Film und Operette, etwa die junge Trude Hesterberg, auftraten. Auch im Film konnte man Jazz hören, so zum Beispiel im ersten bedeutenden deutschen Tonfilm Der blaue Engel (1930), für den der Jazzpianist Friedrich Hollaender die Musik geschrieben hatte. Hollaender sollte später in Hollywood Karriere machen; Marlene Dietrich wiederum, die mit diesem Film berühmt wurde, hatte in Weimar Geige studiert, als das Bauhaus dort seinen Anfang nahm.6

Filmschaffende als solche waren zwar nicht auf der Bauhaus-Ausstellung von 1923 vertreten, aber einige der Künstler waren an Film oder Fotografie interessiert, etwa der Maler und Designer László Moholy-Nagy, zu dessen neu entwickelten Techniken die Herstellung von Fotogrammen gehörte, die entstehen, wenn man Objekte direkt auf einem unbelichteten Film platziert, der dann belichtet wird. Drei herausragende Filme aus der Zeit der Weimarer Republik sind bis heute als Großkunstwerke der Avantgarde berühmt: Das Cabinet des Dr. Caligari (1920), Metropolis (1927) und Mädchen in Uniform (1931). Die Handlung im Cabinet des Dr. Caligari spielte in Räumen mit verzerrter Optik: Der Hintergrund war verwinkelt, es gab schräge Wände und schiefe Decken. Die Protagonisten wirkten zwielichtig, waren moralisch gut oder böse oder beides zugleich; der Zuschauer war verwirrt, überall lauerte der Horror. Auch in Fritz Langs Metropolis spielte der Gegensatz von Gut und Böse eine wichtige Rolle; hier schlüpfte ein böser Roboter namens Maria in die Rolle eines an Körper und Seele schönen Mädchens, das ebenfalls Maria hieß. Die Handlung von Mädchen in Uniform enthält Andeutungen lesbischer Liebe, ein Zeugnis für die vergleichsweise tolerante Haltung der Republik in Fragen der Sexualität. Zugleich kritisiert der Film kaum verhohlen die autoritär-hierarchischen Verhältnisse an Privatschulen als hartnäckige Überbleibsel einer vergangenen Zeit.7

Unter den Malern, die an der Ausstellung von 1923 teilnahmen, waren auch die Bauhaus-Künstler Wassily Kandinsky und Paul Klee. Kandinsky hatte schon um 1910 die ersten abstrakten Bilder gemalt und schuf in Weimar 1923 unter anderem ein Ölgemälde mit dem Titel Auf Weiß II: Vor einem abstrakten Hintergrund aus gelben und rötlichen Dreiecken, einem schwarzen Kreis und weiteren geometrischen Gebilden auf weißer Leinwand kreuzen sich zwei schwarze, lanzenförmige Spitzen. Klee malte etwas weniger geometrisch und abstrakt, aber häufig kleinformatig. Sein 1921 entstandenes Bild Der Angler ist fein ziseliert; die Figur steht auf einem dünnen Brett über dem Wasser und handhabt, vor einem zartblauen und weißen Hintergrund, elegant eine Angelschnur.8

Ein früher Theaterfachmann am Bauhaus war Lothar Schreyer. Der vielseitige Gelehrte, der nicht nur malte, Prosa verfasste und eine Kunstzeitschrift herausgab, sondern zudem an der Universität Heidelberg in Jura promoviert hatte, schrieb und inszenierte ein Mondspiel, das Anfang der zwanziger Jahre in Weimar auf die Bühne kam, aber leider nur wenig Aufmerksamkeit erregte. Oskar Schlemmers Triadischem Ballett war später mehr Erfolg beschieden. (Schlemmer war, wie Klee und Kandinsky, Maler am Bauhaus.) In Berlin spielte nach wie vor Max Reinhardt eine wichtige Rolle, obwohl er als Theaterdirektor bereits vor dem Weltkrieg den ersten Höhepunkt erreicht hatte. Nun war er vorwiegend als Lehrer tätig. Seine berühmtesten Kollegen als Dramaturgen waren Leopold Jessner und Erwin Piscator, beides entschiedene Sozialisten, die wie der marxistische Stückeschreiber Bertolt Brecht die Notwendigkeit betonten, dass das Theater den Massen – und damit der Gesellschaft – dienen müsse.9 Als Schauspieler machte Mitte der...

Erscheint lt. Verlag 28.4.2021
Übersetzer Michael Haupt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Adolf Hitler • Alfred Rosenberg • Arno Breker • Auschwitz • Drittes Reich • Emigration • Entartete Kunst • Ernst Jünger • Expressionismus • Gerhart Hauptmann • Gustav Gründgens • Hermann Göring • Innere Emigration • Joseph Goebbel • Juden • Leni Riefenstahl • Machtergreifung 1933 • Nationalsozialismus • NSDAP • Propaganda • Propagandaministerium • Richard Strauss • SA • SS • Stalingrad • Thomas Mann • Weimarer Republik
ISBN-10 3-8062-4202-X / 380624202X
ISBN-13 978-3-8062-4202-7 / 9783806242027
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