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Mit C. G. Jung sich selbst verstehen -  Dieter Schnocks

Mit C. G. Jung sich selbst verstehen (eBook)

Acht Erkenntnisaufgaben auf unserem Individuationsweg
eBook Download: EPUB
2020 | 2. Auflage
169 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-036814-9 (ISBN)
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Through the concept of individuation, C. G. Jung's analytical psychology offers a solidly based and timely approach to engaging with what constitutes the fulfilment of one's own personality on an individual path through life. The book introduces the foundations of analytical psychology and provides readers with a kind of checklist of eight insight tasks with which they can explore the dimensions of their own individuation and implement impulses in a meaningful way. The conceptual world of C. G. Jung is presented at a high specialist level but at the same time clearly, with many examples drawn from everyday life.

Dieter Schnocks is a qualified psychologist and psychological psychotherapist with his own practice, and is also a lecturer and teaching analyst. He is the First President of the C. G. Jung Institute in Stuttgart and coordinator of the German-speaking C. G. Jung Societies.

Dieter Schnocks is a qualified psychologist and psychological psychotherapist with his own practice, and is also a lecturer and teaching analyst. He is the First President of the C. G. Jung Institute in Stuttgart and coordinator of the German-speaking C. G. Jung Societies.

 

 

»Individuation bedeutet: Zum Einzelwesen werden, und, sofern wir unter Individualität unsere innerste, letzte und unvergleichbare Einzigartigkeit verstehen, zum eigenen Selbst werden. Man könnte Individuation darum auch mit Verselbstung oder Selbstverwirklichung übersetzen« (GW 7, § 266).

 

 

 

1


Das Individuationskonzept


1.1       Was bedeutet Individuation?


Die Analytische Psychologie verwendet den Begriff Individuation, um damit eine moderne Form der Selbstverwirklichung zu beschreiben. Man könnte also meinen, Selbstverwirklichung habe heutzutage ausgedient, sie wird durch einen moderneren Begriff ersetzt.

Jung setzt den wissenschaftlichen Begriff Individuation mit der umgangssprachlichen Selbstverwirklichung gleich. Aber gleichzeitig geht Individuation für ihn darüber hinaus.

Sein Konzept ist komplex: Auf der einen Seite versteht Jung unter Individuation ein Selbstwerden, Selbstentwickeln, Selbstentfalten der menschlichen Persönlichkeit im bewussten Aufnehmen möglichst vieler unbewusster und bewusster Anteile, die die Persönlichkeit konstituieren. Demnach wäre Individuation ein psychologisch fassbarer und erforschbarer Mechanismus der Psyche (vgl. Sauer in Müller, 2003, S. 194). Wie das im Einzelnen zu verstehen ist, wird im Verlauf dieses Buches noch deutlich werden.

Auf der anderen Seite handelt es sich laut Jung bei der Individuation auch um geheimnisvolle Vorgänge, die der psychologischen Forschung noch Rätsel aufgeben; um Lebensvorgänge, persönlichkeitsbildende Zentrierungsvorgänge im Unbewussten, die zwar wahrnehmbar sind, sich aber überwiegend symbolisch ausdrücken. Jung ist daher der Ansicht, dass ihnen mit dem rationalen Verstand nicht ganz beizukommen sei. Es ist wohl eher das Erlebnis«, so Jung, »welches in die Nähe des Verstehens führt« (GW 12, § 564).

Ein Definitionsversuch: Individuation


Der Begriff ist abgeleitet von Individuum, lat. das Ungeteilte, das Einzelwesen. C. G. Jung benutzt den Terminus Individuation, ein zentrales Konzept seiner Tiefenpsychologie, seit 1910. Individuation bezeichnet den Prozess der Selbstverwirklichung, der Entfaltung der Persönlichkeit, den Weg hin zum Einzelwesen. Unterscheiden kann man den normalen und den durch eine analytische Psychotherapie besonders geförderten Individuationsprozess.

Der Begriff Individuation wird von anderen psychologischen Richtungen durchaus abweichend verstanden. Der psychoanalytische Ich-Psychologe Erik H. Erikson beispielsweise definiert Individuation als Identitätsentwicklung aus der Abfolge psychosozialer Krisen des Lebens (vgl. Erikson, 1980).

Die psychoanalytische Konzeption der Freudnachfolgerin Margret Mahler spricht von einer Individuationsphase in der frühen Kindheit, in der Entwicklung in der Dynamik von Nähe und Distanz in der Mutter-Kindbeziehung entsteht (vgl. Mahler, 1972).

1.1.1     »Erkenne dich selbst« und »Werde, der du bist«


Individuation ist also der moderne Begriff für etwas, das seit jeher die Menschen beschäftigt. So findet Jung für sein Individuationskonzept Anregungen bereits in der griechischen Philosophie. Die Aufforderungen der alten Griechen »Erkenne dich selbst« und »Werde, der du bist« lassen sich als zentrale Grundlage einer modernen Vorstellung von Selbstverwirklichung verstehen.

Als humanistisch Gebildeter seiner Zeit war C. G. Jung nicht nur bewandert im Wissen der Antike. Er richtete in seinem ganzen schöpferischen Leben sein Augenmerk auf das alte Wissen der Menschheit, weil er hier einen unermesslichen Erfahrungsschatz an tiefer, allzeit gültiger Weisheit entdecken konnte.

Die Lebensweisheit der Griechen


»Erkenne dich selbst« prangte der Überlieferung zufolge als Mahnung für die Eintretenden über dem Eingang des Orakeltempels von Delphi. Dies ist aus schriftlicher Überlieferung bekannt. Platon beispielsweise lässt in Phaidros und im Symposion den Philosophen Sokrates über die Bedeutung dieser Inschrift referieren. In der Antike waren es noch die Götter, die die Menschen zur Auseinandersetzung mit sich selbst aufriefen. Auch, um sie zur Einsicht ihrer eigenen Nichtigkeit gegenüber dem Göttlichen zu bringen.

»Werde, der du bist« – dieses Zitat stammt vom griechischen Dichter Pindar (ca. 522 bis ca. 445 v. Chr.), aus seiner zweiten pythischen Ode (Pyt II, 72). Bei Aristoteles finden wir dazu: »Gut ist es für den Menschen, sich so sehr wie möglich zu verwirklichen und zur Vollendung zu bringen, was er vom Wesen her ist.«

•   Erkenne dich selbst bedeutet für das Individuationskonzept C. G. Jungs den Aufruf zur Selbsterkenntnis im Sinne von: »Reflektiere dich selbst und erkenne auch die Wirkungen, die dir aus dem kollektiven Unbewussten, dem archetypischen Bereich, entgegenkommen.« Idealziel wäre ein Mensch, der sich weitgehend selbst erkennt, der sich auf wunderbare Weise reflektiert und mit absoluter Sicherheit weiß: »Das bin ich.«

•   Werde, der du bist bedeutet in der Jung’schen Denkweise zuerst einmal den Aufruf, sich zu entschließen, den Weg der Individuation zu beschreiten. Die Erfüllung der Aufforderung, zu dem zu werden, der man ist, bedeutet aus tiefenpsychologischer Sicht, möglichst viel von dem, was an Unbewusstem in mir wirksam und lebendig ist, dem Bewusstsein anzuschließen. Daraus gilt es dann Schlüsse für mein Leben zu ziehen. Was kann ich für meine Individuation tun? Welchen Beitrag muss ich bewusst leisten, welche Aufgaben erfüllen, um meine Individuation zu fördern?

1.1.2     »Werde ganz, der du bist«


Wer sich selbst verwirklichen will, muss also zunächst versuchen, sich so weit wie möglich selbst ganzheitlich zu erkennen. Dies mit dem Ziel, zu mehr Übereinstimmung mit sich selbst zu kommen. Man könnte mit Jung also – in Abwandlung der zuvor genannten Imperative – als Individuationsaufgabe formulieren: »Werde ganz, der du bist.«

Ganzheit bedeutet hier nicht Vollkommenheit, sondern eine Ganzwerdung im Sinne von Vollständigkeit, bei der viele Anteile und Gegensätze der Persönlichkeit miteinander verbunden sind. Vollständig-Sein ist aber nicht nur ein »Weise-Sein« mit entsprechendem Wohlgefühl. Denn auch die dunklen oder »eigenartigen« Teile der Persönlichkeit gehören dazu, um das Ganze vollständig zu machen. Eine besondere Individuationsherausforderung. Denn diese Teile bleiben oft auch nach deren grundsätzlicher Akzeptanz schwer zu ertragen. Grundsätzlich könnte man sagen, dass die Tiefenpsychologie C. G. Jungs eine Erwachsenenpsychologie ist, die einen spezifischen Weg zum Ganzwerden und zur Selbstverwirklichung der menschlichen Existenz anbietet.

Man könnte sagen, dass die Ganzheit ein Modell der Bezogenheit der psychischen Systeme und Funktionen aufeinander ist. Dabei gibt es eine starke Tendenz einen Zustand von Vollständigkeit zu erreichen. Hinter diesem Prozess vermutet die Analytische Psychologie einen steuernden Archetypus der Ganzheit, das Selbst.

Die Analytische Psychologie geht davon aus, dass die menschliche Psyche einen ganz speziellen Aufbau besitzt ( Abb. 2.1, Anschauungsmodell der Psyche)

Innerhalb der Psyche wirken die verschiedenen Einheiten zusammen. Ein wichtiger Motor für die Individuation ist hier vor allem das »Selbst«. An dieser Stelle soll nur kurz auf diesen wichtigen Teil der psychischen Struktur eingegangen werden. Im folgenden Kapitel ( Kap. 1.2) findet sich dazu mehr.

Das Selbst ist die entscheidende Instanz beim Individuationsprozess. Alle tiefer gehenden Impulse für die Individuation sowie die Gottesbilder entstehen aus dieser Schicht der Psyche.

C. G. Jung sieht das Selbst als ein wegweisendes Prinzip, das unsere Entwicklung bewirkt. Als eine Art Trieb zur Selbstwerdung ist es das eigentliche Agens des gesamten Entwicklungsprozesses, der Motor und Regulator der Individuation. Als apriorisches Gestaltungsprinzip steuert das Selbst auch den Aufbau der Ich-Instanz. Zudem ist es Ursache für die Selbstregulierung der Psyche. Einseitigkeiten der Persönlichkeit werden durch Impulse des Selbst kompensiert. Die Integrität der Gesamtstruktur der Persönlichkeit wird durch Ausgleichen der Einseitigkeiten reguliert.

Ganzheit ist das angestrebte Ziel des Individuationsprozesses. Dies wirklich zu erreichen – wirklich ganz zu werden, der man ist –, dürfte jedoch für die meisten eine Utopie bleiben. Darum ist es vielleicht menschlicher zu wünschen:...

Erscheint lt. Verlag 22.4.2020
Zusatzinfo 11 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Analytische Psychologie • Individuation • Libido • Selbsterkenntnis • Selbstverwirklichung • Sinnfrage • Tiefenpsychologie
ISBN-10 3-17-036814-1 / 3170368141
ISBN-13 978-3-17-036814-9 / 9783170368149
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