Die Staufer (eBook)
391 Seiten
Kohlhammer Verlag
9783170353657 (ISBN)
Prof. Wolfgang Stürner is the editor of Monumenta Germaniae Historica für die Konstitutionen Friedrichs II.
Prof. Wolfgang Stürner is the editor of Monumenta Germaniae Historica für die Konstitutionen Friedrichs II.
3 Der Kampf um die Königswürde. Friedrichs Scheitern und Lothars Wirken als Herrscher
3.1 Dauer und Wandel: Gesellschaft und Herrschaft in der nachsalisch-staufischen Epoche
Die gesellschaftlichen Entwicklungen, die im letzten Abschnitt der Salierzeit als neu und bemerkenswert auffielen, behielten meist auch in den Jahrzehnten nach 1125 Gewicht und Bedeutung, ja sie entfalteten vielfach erst jetzt ihre prägende Wirkung.1 Das gilt zunächst für das gewachsene Selbstbewusstsein der Fürsten und ihren Anspruch auf Mitverantwortung für das Reich an der Seite des Herrschers. Stolz auf ihre hohe adlige Herkunft achteten die Herzöge, Mark- und Pfalzgrafen oder sonst herausragenden weltlichen Großen streng auf die Anerkennung ihres Ranges und ihrer Vorrechte, und die Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte der großen Klöster sahen es überdies als ihre besondere Pflicht an, ihre im Zuge der Kirchenreform gewonnene Unabhängigkeit zu verteidigen, um frei ihre geistlichen und seelsorgerlichen Pflichten erfüllen zu können.
Alle diese fürstlichen Aktivitäten und Anstrengungen intensivierten sich indes im 12. und 13. Jahrhundert noch erheblich, was zu einem guten Teil daran lag, dass sich die Bevölkerung wie überall in Europa nun auch in Deutschland stark vermehrte. Zwar beruhen präzise Angaben, nach denen sich die Einwohnerzahl hier zwischen 1100 und 1300 von vier auf zwölf Millionen erhöhte, auf höchst unzuverlässigen Grundlagen. Dennoch können wir mit aller Vorsicht von einer Zunahme der Bevölkerung während der genannten Zeitspanne um ungefähr das Drei- bis Dreieinhalbfache ausgehen. Einigermaßen ausreichend ließ sie sich nur dann ernähren, wenn man die landwirtschaftlich genutzte Fläche deutlich erweiterte, und dies geschah mit anhaltender Intensität. In großem Umfang kam es zur Rodung von Wäldern und zur Gründung neuer Siedlungen auf dem so gewonnenen Land.
Diese Erschließungsmaßnahmen erforderten zunächst beachtliche Vorleistungen. Vorwiegend die Angehörigen der Führungsschicht, also eben der hohe Adel, Bischöfe oder Äbte, setzten denn auch derartige Unternehmungen in Gang. Sie besaßen das nötige Land und Geld und sie verfügten in Deutschland insbesondere im Kreis ihrer Dienstleute, der Ministerialen, über das unentbehrliche sachkundige Personal. Zweifellos verbesserten sich die Lebensbedingungen der Bauern, die einen derartigen Neubeginn wagten. Sie genossen eine gewisse existentielle Sicherheit und konnten auf ihrem Land selbständig wirtschaften. Freilich hatten sie einen Pachtzins an den Grundherrn zu zahlen, dieser beanspruchte mancherlei sonstige Abgaben, und seine Dienstleute kontrollierten die dörfliche Verwaltung und Gerichtsbarkeit.
So zogen die Initiatoren auf Dauer erheblichen Nutzen aus ihren Bemühungen um den zeitgemäßen Ausbau ihrer Lande. Sie erhöhten auf diese Weise nicht nur ihre Einnahmen ganz beträchtlich, die Herrschaft über eine große Zahl von Untertanen erweiterte zudem ihre Handlungsmöglichkeiten, vergrößerte ihren Einfluß und mehrte ihr herrscherliches Ansehen.
Manche Fürsten wie Sachsens Herzog Heinrich der Löwe oder Albrecht der Bär, der künftige Markgraf von Brandenburg, richteten ihren Blick deshalb bald auch auf die von Slawen bewohnten, doch nur äußerst dünn besiedelten Territorien östlich von Elbe und Saale und suchten ihre Siedlungspläne dort nicht selten mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Spätestens in den 1140er Jahren setzte die deutsche Ostsiedlung in nennenswertem Maße ein und sie ging im 13. Jahrhundert eher noch verstärkt weiter, jetzt in aller Regel ohne militärischen Druck, sondern getragen von den slawischen Fürsten Mecklenburgs, Pommerns oder Schlesiens, die sich, inzwischen durchweg christlichen Glaubens, von ihren Projekten gleichfalls – und meist mit Recht – die Erhöhung ihrer Einkünfte wie die Steigerung ihrer Macht und ihres Ansehens versprachen.
Nicht wenige Menschen erhofften sich jedoch eine echte Verbesserung ihrer Situation vom Neuanfang in einer Stadt, als Bauer, als Handwerker, als kleiner Händler oder gar als Kaufmann. In der Tat wuchsen die bestehenden Städte außerordentlich und überdies entstanden neue städtische Zentren in großer Zahl. Italien ging dabei voran. Bereits im 11. Jahrhundert setzte dort die Blüte der Städte ein, begünstigt durch den lebhaften Zuzug der Landbevölkerung und vor allem durch die engen Wirtschaftsbeziehungen zum westlichen wie noch vordem zum östlichen Mittelmeerraum. Fast überall in den großen Zentren nahmen statt der vom Kaiser belehnten bischöflichen Stadtherren die Vertreter der wohlhabenden Aufsteigerschicht der Kaufleute und Bankiers zusammen mit Angehörigen des grundbesitzenden Adels immer selbständiger das Stadtregiment in die Hand. Zu einem ähnlich bedeutsamen Aufschwung kam es in Frankreich, und in Flandern bildete sich, konzentriert um Gent und Brügge, geradezu ein Netz wirtschaftlich außerordentlich reger Städte.
Einzelne Städte Italiens und Frankreichs gewannen früh auch herausragende Bedeutung als Zentren des höheren Bildungswesens. Bald genoss Paris mit seiner Kathedralschule, den zahlreichen anderen Abtei-, Stifts- und Privatschulen und den dort wirkenden Gelehrten großes Ansehen, während gleichzeitig die auf das Studium des römischen Rechts und später zusätzlich des Kirchenrechts konzentrierten Rechtsschulen zu Bologna als führende Ausbildungsstätten für angehende Juristen galten.
In Deutschland entfaltete sich das Städtewesen mit einem gewissen Verzug im Laufe des 12. Jahrhunderts. Nun aber wuchsen auch hier die bestehenden Städte recht stürmisch; zugleich setzte eine wahre Neugründungswelle ein. Der Prozess erfasste zunächst den Westen, den Raum am Niederrhein mit dem Zentrum Köln, der für lange Zeit die wirtschaftlich führende Region Deutschlands bleiben sollte. Allerdings verhalf die staufische Territorialpolitik dem Reichslandgebiet gleichfalls zu einer großen Zahl neuer städtischer Zentren und zum Anschluss an das hohe niederrheinische Niveau.
Wie beim Landesausbau generell taten sich auch als Gründer und Förderer von Städten bis weit ins 13. Jahrhundert hinein vorwiegend die Könige und Kaiser sowie die geistlichen und weltlichen Fürsten hervor. Sie partizipierten als Stadtherren an den in ihren Städten erwirtschafteten Erträgen und sie nutzten die städtischen Zentren zugleich als wertvolle administrative und militärische Schwerpunkte. Eine kleine Elite vertrat ihnen gegenüber für gewöhnlich die Bürgerschaft. Der entscheidende Schritt zur Autonomie gelang indessen erst mit der Einführung der Ratsverfassung im Laufe des 13. Jahrhunderts.
Den Herrschenden brachte der intensive Ausbau ihrer Lande neben unbestreitbaren Vorteilen auch manche Schwierigkeit. Sie standen in einem harten Konkurrenzkampf mit ihren fürstlichen Nachbarn, der oft genug zu schweren Zerwürfnissen und militärischen Auseinandersetzungen führte. Doch auch die komplizierter gewordenen Aufgaben der Territorialverwaltung erforderten in weit größerem Umfang als früher Engagement sowie immer wieder erhebliche Geldmittel, dazu ebenso sachkundige wie zuverlässige Spitzenkräfte, die in Deutschland überwiegend aus der Ministerialität stammten. Obwohl streng rechtlich als Unfreie an ihren Herrn gebunden, waren die Ministerialen ihrer fachlichen Qualitäten wegen unentbehrlich und sie wussten dies durchaus. Geschlossen und entschlossen traten sie ihren Herren entgegen, um ihre Forderungen durchzusetzen und ihre Privilegien zu sichern.
Gewiss gab es unter den Großen des Reichs eine im Laufe der Stauferzeit wachsende Neigung, ihr Engagement für das Reich zurückzustellen, um sich ganz der Entwicklung ihrer eigenen Lande widmen zu können. Gerade die führenden Repräsentanten des hohen Adels jedoch waren nach den Erfahrungen der letzten salischen Jahrzehnte nicht bereit, auf die aktive und durchaus dem allgemeinen Frieden dienende fürstliche Mitwirkung bei der Lösung der im Reich anstehenden zentralen Fragen zu verzichten, sie beanspruchten diese Partizipation am Reichsregiment neben dem König und im Einvernehmen mit ihm nun vielmehr geradezu als eine Selbstverständlichkeit.
Angesichts dieser Lage der Dinge stand jeder Herrscher künftig vor schwer lösbaren Aufgaben. Wollte er sich neben den effizient ihre Territorien ausbauenden Fürsten behaupten, musste er selbst gleichfalls die Möglichkeiten nützen, die sich auf diesem...
| Erscheint lt. Verlag | 30.10.2019 |
|---|---|
| Zusatzinfo | 13 Abb. |
| Verlagsort | Stuttgart |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Mittelalter |
| Schlagworte | Dynastie • Herrschaft • Hochmittelalter • Kaiser Friedrich I. Barbarossa |
| ISBN-13 | 9783170353657 / 9783170353657 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich