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Das Christentum (eBook)

Für Einsteiger und Insider
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
320 Seiten
Gabriel Verlag
978-3-522-63063-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Christentum -  Christian Nürnberger
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Informative Einführung ins Christentum von Bestsellerautor Christian Nürnberger. Kann die christliche Botschaft heute noch Berge versetzen? Christian Nürnberger spürt dieser spannenden Frage nach, indem er zunächst zurückgeht zu den Ursprüngen des Christentums, zum Fundament. Er zeigt, welche Wirkung es über die Jahrhunderte entfaltet hat und schält den Kern der christlichen Botschaft heraus, der heute noch so aktuell ist wie damals. Ein informatives Buch sowohl für Glaubenseinsteiger als auch für praktizierende Gläubige.

Christian Nürnberger (Jahrgang 1951) ist ein hochkarätiger Autor. Der Journalist studierte Theologie, arbeitete als Reporter bei der Frankfurter Rundschau, als Redakteur bei Capital, und als Textchef bei Hightech. Seit 1990 arbeitet er als freier Autor. Für 'Mutige Menschen - Widerstand im Dritten Reich' wurde er mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2010 ausgezeichnet. Seine Luther-Biografie 'Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten' stand monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste

Überm Dorf stand ein Regenbogen, und mein Vater sagte, ich solle mit einem Eimer zum Regenbogen rennen und die Farben einsammeln, die links und rechts heruntertropfen. Ich weiß nicht mehr, ob ich fünf, sechs oder sieben Jahre alt war damals, ich weiß nur: Ich holte einen Eimer und rannte zu dem Regenbogen, querfeldein, durch den Wald, über Äcker, Wiesen und Bahngleise, stundenlang, immer weiter, bis ich den Regenbogen plötzlich nicht mehr sah, und ich rund zehn Kilometer von zu Hause entfernt irgendwo an der Bahnstrecke zwischen Henfenfeld und Hersbruck dachte: Werden wohl die blöden Henfenfelder oder Hersbrucker schon alles eingesammelt haben.

Es dämmerte bereits. Die Mondsichel erschien am Himmel. Ich kehrte um, lief mit meinem leeren Eimer an der Bahnstrecke entlang bis Ottensoos, von dort wieder querfeldein nach Hause, es war schon lange dunkel, als ich die warme Stube betrat und den Eltern erzählte, woher ich komme. Da machte meine Mutter meinen Vater zur Sau.

Heute würde sich eine Mutter wahrscheinlich von dem Vater scheiden lassen, der so etwas tut.

Ich aber war ganz vergnügt, denn ich hatte ein schönes Abenteuer hinter mir und beschloss, beim nächsten Regenbogen mit allen Freunden viel schneller hinzurennen, um wirklich alle Farben einzusammeln, denn das größte Problem, das mich während meines Regenbogenmarsches beschäftigte, war die Frage, für welche Farbe ich mich entscheiden sollte mit meinem einzigen Eimer, denn ich wollte sie nicht vermischen.

Hatte ich denn gar keine Angst damals, so allein im dunklen Wald? Nein, hatte ich nicht. Ich war zwar als Kind eher unbehütet, vor allem unbeaufsichtigt, aber fühlte mich geborgen in meinem kleinen fränkischen Dorf. Heutige Kinder sind eher überbehütet und dauerbeaufsichtigt, aber oft ungeborgen. Das scheint mir der größte und für die Zukunft unseres Landes bedeutsamste Unterschied zu sein zwischen meiner Kindheit und heutigen Kindheiten.

Dass ich mich nicht fürchtete im dunklen Wald, hat damit zu tun, dass mir meine Mutter, eine einfache Bäuerin, drei Sorten von Geschichten erzählte: wahre, halbwahre und unwahre. Die unwahren Geschichten, das waren die Märchen. Sagen und Legenden über Heilige, die Nibelungen, Ritter und Helden zählten zu den halbwahren, aber die biblischen Geschichten, die waren wirklich wahr, denen konnte man glauben, denn das in ihnen Berichtete sei wirklich passiert, behauptete meine Mutter. Darum habe ich wirklich geglaubt, dass Jesus über Wasser laufen konnte, den Sturm gestillt, Kranke geheilt, Wasser in Wein verwandelt und Tote auferweckt hat.

Ich hörte diese wahren Geschichten auch im Kindergottesdienst und im Religionsunterricht. Eine öffentliche Bibliothek gab es nicht in dem Dorf, in dem ich aufwuchs. Auch noch kein Fernsehen. Mein Fernsehen waren diese Geschichten.

Auch mir wurde erzählt: Der liebe Gott sieht alles. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Müttern, die ihren Kindern damit ein Straf- und Aufpasser-Gottesbild einpflanzten, hat meine Mutter gesagt: Er muss alles sehen, damit er dich beschützen kann. Er sieht dann zwar auch, was du alles anstellst, aber erstens vergibt er dir, wenn du es hinterher bereust, und zweitens kann er bei kleinen Jungs auch mal fünfe gerade sein lassen. Kinder müssen lernen, und zum Lernen gehört, dass man Fehler macht, aus ihnen lernt man am meisten, und darum sollen Kinder sogar Fehler machen. Darum sind sie aber auch immer gefährdet, und deshalb muss der liebe Gott auf Kinder besonders gut aufpassen.

Der liebe Gott war mir daher tatsächlich ein lieber Gott, kein Kontrolleur, kein Angstmacher, sondern ein Beschützer, ein gütiger Großvater, mit dem ich ständig in Kontakt stand, und wortlos betend alles besprach, was es zu besprechen gab. Als der Vater eines Freundes von mir wegen eines Herzinfarktes ins Krankenhaus kam, betete ich für ihn. Erfolgreich. Der Mann blieb noch viele Jahre fröhlich am Leben, und immer, wenn ich ihm begegnete, dachte ich bei mir: Wenn du wüsstest, wem du das zu verdanken hast.

Dass Gott meine Existenz wollte, er mich mit meinem Namen kennt, auf mich schaut, und mit mir etwas vorhat, war für mich ein selbstverständliches Faktum, schließlich kennt er jeden Erdenwurm persönlich. Meine Mutter hat mir die Stelle in der Bibel gezeigt: Kein Spatz wird von Gott vergessen, und die Haare auf deinem Kopf sind gezählt, dein Schicksal lässt Gott nicht gleichgültig, deshalb kümmert er sich um dich, denn er hat einen Plan mit dir, und deine Aufgabe besteht darin, herauszufinden, was der Plan ist, und dann danach zu leben.

Darum war ich ein vor Selbstbewusstsein strotzendes Kind, das keine Angst kannte – Furcht in konkreten Situationen schon, aber auch in solchen Situationen sagte ich mir: Du musst dich jetzt gar nicht besonders fürchten, denn entweder haut dich der liebe Gott hier raus, oder er braucht dich im Himmel, dann musst du halt jetzt sterben, das wird schon so schlimm nicht werden.

Einen Keiler, dem ich einmal allein im Wald begegnet bin, und der bedrohlich auf mich zukam, habe ich furchtlos mit einem Prügel vertrieben. Kläffende Hunde, die wütend auf mich zuschossen, brachte ich mit lautem Gebrüll, aber vor allem furchtlosem Auftreten zum Rückzug. Daher hatte ich auch keine Angst damals, als ich allein mit meinem Eimer durch den Wald zum Regenbogen lief.

Auch mein Vater war sorglos und dachte sich nichts dabei, als er mich zum Regenbogen schickte. Meine Eltern verschlossen nie die Haustür, wenn sie aufs Feld fuhren. In der Dorfschule, die ich besuchte, gab es keine abschließbaren Spinde, denn einem anderen den Anorak zu klauen, hätte sich nicht gelohnt. Wir waren alle gleichermaßen ärmlich angezogen. Die Gleichheit erzeugte Sicherheit.

Um sich sicher und geborgen zu fühlen, müssen einem die Menschen, mit denen man es zu tun hat, persönlich bekannt sein. Vertraute Klassenräume, vertraute Wege und Trampelpfade, auf denen man immer wieder denselben Menschen begegnet auf der Straße, den Feldern, in der Kirche, dem Fußballplatz, im Wirtshaus, in der Dorfschule. Ich war Teil einer überschaubaren, funktionierenden Gemeinde, einem kleinen Kosmos, der mir sinnvoll und geordnet erschien.

Ich vertraute darauf, dass Gott diese Welt gewollt und mit dieser Welt einen Plan hat. Ich vertraute darauf, dass unrechtes Tun spätestens vor dem göttlichen Weltgericht zur Sprache kommen wird, dass Menschen, die kein schönes Leben auf Erden haben, ein umso schöneres im Himmel haben werden, und sich nach dem Tod alle Verwandten, Freunde und Bekannten und auch die Tiere wiedersehen würden.

Die Kindheit verging, die Pubertät kam – und mit ihr die Fragen, die Zweifel, die Unsicherheiten, und auf einmal war von der alten Geborgenheit und dem alten Kinderglauben nichts mehr da. Lange habe ich dem verlorenen Glauben nachgetrauert, sogar Theologie studiert, um herauszufinden, ob ein erwachsener Glaube möglich sei, mit dessen Hilfe die Geborgenheit hinübergerettet werden kann ins Erwachsenenleben.

Schon im ersten Semester lernte ich: Das mit den Wundern – Verwandlung von Wasser in Wein, fünf Brote und zwei Fische machen Tausende satt, eine drei Tage alte Leiche wird wieder lebendig: alles nicht wahr. Abraham? Hat wahrscheinlich nie gelebt. Jungfrauengeburt? Eine in der Antike weit verbreitete Mythe, eine Art Mindeststandard für besondere Menschen, Gottessöhne, Halbgötter oder Götter. Da mussten die Christen mithalten, um bei den Heiden zu punkten. Und die Auferstehung? Nun ja, es ist kompliziert.

Es war ein Schock, und er hatte einen Namen: Rudolf Bultmann, der die »wahren Geschichten« meiner Mutter »erledigt« hatte. Die Höllen- und Himmelfahrt Christi: erledigt. Die Wunder: erledigt. Erledigt auch die Vorstellung von einer unter kosmischen Katastrophen hereinbrechenden Endzeit, erledigt die Erwartung des auf den Wolken des Himmels kommenden Menschensohnes, erledigt der Geister- und Dämonenglaube.

Als Bultmann diese Hammer-Thesen im Jahr 1941 erstmals vorgetragen hatte, blieb noch alles ruhig. Man war im Krieg. Als er sie 1957 wiederholte, wäre beinahe er erledigt worden. Einer Verurteilung durch die Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) entging Bultmann nur knapp. Danach setzte er sich durch. Seine These, dass die biblischen Geschichten in das Kleid des Mythos gehüllte Glaubensaussagen seien, ist heute eine theologische Selbstverständlichkeit, an der kein wissenschaftlicher Theologe vorbeikommt.

Während jenes Erstsemesters Theologie hatte mich meine Mutter plötzlich gefragt: Und? Was ist jetzt mit den biblischen Geschichten? Stimmen sie?

Nein, sagte ich.

Ach, hab ich es mir doch gleich gedacht, sagte sie mit einer wegwerfend-resignierenden Handbewegung. Dann fragte sie: Warum studierst du dann weiter? Und warum trittst du nicht aus der Kirche aus?

Weil es so einfach auch wieder nicht ist, antwortete ich, und erzählte ihr vom Theologen Gerd Lüdemann, der behauptet hatte, Jesus sei in seinem Grab verwest wie jede andere Leiche. Und dass dieser Theologe die gleiche Frage stellte: Wenn er recht hätte – könnten wir noch Christen sein?

Und geantwortet hatte: Ja, Christen könnten Christen bleiben, auch wenn sie »nicht an die Wiederbelebung eines Leichnams glauben«. Dem Christen helfe, »wenn er fortan vom wenigen lebt, was er wirklich glaubt, nicht vom vielen, was zu glauben er sich abmühen musste«.

Na, das ist aber ein kümmerlicher Rest, sagte meine Mutter. Darauf kann ich dann auch verzichten.

Meine Professoren jedoch behaupteten fröhlich...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2019
Mitarbeit Designer: Irmela Schautz
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Sachbücher Religion / Philosophie / Psychologie
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte 10 Gebote • Christen • Christentum • Christentum Symbol • Der rebellische Mönch • Jugendbücher • Konfirmation • Petra Gerster • Religion
ISBN-10 3-522-63063-7 / 3522630637
ISBN-13 978-3-522-63063-4 / 9783522630634
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