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Waterloo (eBook)

Napoleons letzte Schlacht
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-67660-4 (ISBN)

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Waterloo -  Johannes Willms
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Waterloo - keine andere Schlacht der Weltgeschichte ist so sprichwörtlich geworden wie jenes Debakel in einem Dorf südlich von Brüssel, das Napoleons Schicksal endgültig besiegelte. Zum 200. Jahrestag erzählt Johannes Willms noch einmal die Vorgeschichte und den dramatischen Verlauf der Schlacht. Lebendig und dicht geschrieben, ist sein Buch nicht nur für Liebhaber der Militärgeschichte eine mitreißende Lektüre. Lange Zeit schien Napoleon unbesiegbar zu sein. Doch im Juni 1815 kämpft der Kaiser um sein politisches Überleben. Von Elba zurückgekehrt, hat er sich in den berühmten '100 Tagen' zwar erneut in Windeseile in Frankreich an die Macht gebracht, doch noch muss er die gegnerische Koalition zerschlagen und ihren Truppen eine empfindliche Niederlage beibringen. Im Lager seiner Feinde warten auch der britische Herzog von Wellington und der preußische Marschall Blücher auf ihre historische Stunde. Im Morgengrauen des 18. Juni ist es soweit. Napoleons letzte Schlacht beginnt.

Johannes Willms ist Historiker und Publizist. Er lebt in München. Bei C.H.Beck ist von ihm zuletzt erschienen Tugend und Terror. Geschichte der Französischen Revolution (2014).

Johannes Willms ist Historiker und Publizist. Er lebt in München. Bei C.H.Beck ist von ihm zuletzt erschienen Tugend und Terror. Geschichte der Französischen Revolution (2014).

ZWEITES KAPITEL


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DER VOL DE L’AIGLE


Die in Frankreich vermeintlich wachsende Unzufriedenheit mit dem neuen Regime war nur ein Anlass für Napoleons Entschluss, Elba zu verlassen und den tollkühnen Versuch zu wagen, die Macht zurückzuerobern. Ein zweiter war, dass die Bourbonen ihm die zugesicherten 2 Millionen nicht auszahlten.[1] Der Vertragsbruch drohte seinem Zaunkönigtum, dessen Erträge auch nicht annähernd ausreichten, um die Ausgaben zu decken, die materielle Basis zu entziehen.[2] Also galt es, dem drohenden Bankrott zuvorzukommen. Hinzu kam noch ein dritter, für Napoleon sehr charakteristischer psychologischer Aspekt, denn er weigerte sich hartnäckig, die eigene Verantwortung für die Niederlage, in deren Folge er nach Elba gekommen war, anzuerkennen. Jedem seiner Besucher versicherte er, allein Verrat habe ihm dieses Schicksal verhängt. Ausführlich wird diese Sicht durch die Schilderungen eines Vertrauten dokumentiert, der, als er Mitte Februar 1815 auf Elba erschien, mit seinen Berichten über die in Frankreich herrschende Stimmung nachdrücklich dazu beitrug, Napoleons bislang noch eher vage Absichten zum Entschluss reifen zu lassen.

Dieser Besucher war ein junger, ehemaliger Auditeur im Conseil d’Etat, der in der letzten Phase des Kaiserreichs als sous-préfet in Reims tätig gewesen war und der als glühender Bonapartist anlässlich der Rückkehr Louis’ XVIII an die Macht diesen Posten quittiert hatte. Aus freien Stücken fasste er den Entschluss, nach Elba zu reisen. Im Januar 1815 suchte er deshalb Napoleons einstigen Kabinettsdirektor Hugues-Bernard Maret, Duc de Bassano, zu einer längeren Unterredung auf, der ihn autorisierte, deren Inhalt Napoleon mitzuteilen.[3] Das verschaffte Fleury den Zugang und das Vertrauen Napoleons, als er ihn Mitte Februar aufsuchte. Was Fleury berichtete, fügte Napoleon mit den ihm von anderen Besuchern zugetragenen mehr oder weniger bruchstückhaften Informationen zu einem Bild, das die Lage in Frankreich für seine Absichten sehr vorteilhaft erscheinen ließ. Vor allem elektrisierte ihn, dass nicht nur die Bonapartisten, als deren Emissär sich Fleury dank der Unterredung mit Maret legitimiert hatte, seiner harrten, sondern dass auch die Liberalen und die einstigen Jakobiner, die ihm zwar herzlich abgeneigt waren, sich gleichwohl einfach deshalb gewinnen lassen würden, weil sie keinen eigenen Kandidaten vorweisen konnten, mit dem sich die verhassten Bourbonen ersetzen ließen. Deren Unterstützung musste er also gewinnen. Das war eine Herausforderung, der er sich gewachsen glaubte.

Während ihrer ersten Unterhaltung hütete sich Napoleon jedoch, diesen Gedanken auch nur aufblitzen zu lassen. Vielmehr beschied er sich damit, den Besucher seiner Zufriedenheit darüber zu versichern, wie zutreffend seine Sicht auf die Lage in Frankreich bereits gewesen sei, in der er sich nun bestätigt sehe. «Das Geschlecht der Bourbonen ist nicht mehr in der Lage zu regieren. Ihre Herrschaft taugt nur für die Priester, die Adeligen und die alten Comtessen von damals. Der gegenwärtigen Generation bedeuten sie gar nichts. Das Volk hat sich dank der Revolution daran gewöhnt, eine Rolle im Staat zu spielen; es wird deshalb niemals damit zufrieden sein, in die alte Bedeutungslosigkeit zurückzufallen und wieder das Mündel von Adel und Klerus zu werden. (…) Die Könige vermögen sich nur durch die Liebe oder die Furcht ihrer Völker zu behaupten. Die Bourbonen werden weder geliebt noch gefürchtet; sie werden sich selbst um ihren Thron bringen, auf dem sie sich aber noch für lange Zeit behaupten können. Die Franzosen verstehen sich nicht auf Verschwörungen.» Schließlich wollte er wissen, ob Maret denn glaube, die Bourbonen könnten sich noch länger an die Macht klammern, worauf ihm Fleury antwortete: In Frankreich sei man weithin davon überzeugt, die Regierung gehe unweigerlich ihrem Untergang entgegen. Ihre einzigen Stützen seien Priester und Emigranten, während alle Aufrechten und patriotisch Gesinnten zu ihren Gegnern zählten. – Wie dies dann alles enden würde, wollte Napoleon wissen, glaube man etwa, dass es eine neue Revolution geben werde? – Die Erbitterung, so die Antwort, sei derart, dass auch nur die kleinste Unruhe einen allgemeinen Aufruhr provoziere. – Was werde man aber machen, wenn man die Bourbonen verjagt habe? Würde wieder eine Republik proklamiert werden? – Nein, an die Republik denke niemand. Vielleicht würde man eine Regentschaft installieren. – Darauf Napoleon mit Heftigkeit und sichtlich überrascht: «Eine Regentschaft! Warum? Bin ich etwa tot? – Aber, Sire, Sie sind nicht zugegen (…) – Meine Abwesenheit tut nichts zur Sache. Binnen zwei Tagen werde ich in Frankreich sein, sollte die Nation mich rufen (…) Glauben Sie, ich handelte richtig, wenn ich zurückkehrte?» Darauf versetzte Fleury, dass Maret und er der Auffassung seien, das Volk wie die Armee empfingen ihn als Befreier und würden mit Begeisterung seine Sache unterstützen. – Sei also Maret der Ansicht, er solle zurückkehren? – Mit dieser Frage hätten sie gerechnet, weshalb ihm dieser aufgetragen habe, Napoleon zu sagen, dass er sich außer Stande sehe, eine derart wichtige Frage zu entscheiden. Andererseits könne Napoleon aber versichert sein, dass die augenblickliche Regierung vom Volk wie der Armee abgelehnt werde. Der deswegen herrschende Unmut nähere sich unweigerlich dem Siedepunkt. Auch habe Maret ihn beauftragt zu sagen, dass die Wünsche von Armee und Nation dem Kaiser gälten. Vor diesem Hintergrund müsse der Kaiser in seiner Weisheit allein entscheiden, was zu tun sei.[4]

Damit endete das erste Gespräch Napoleons mit Fleury de Chaboulon, den er für den nächsten Tag zu einer weiteren Unterredung bat. Diese eröffnete Napoleon mit dem Eingeständnis, er habe zwar damit gerechnet, dass in Frankreich eine Krise herrsche, aber nicht geglaubt, dass diese derart akut sei. Seine Absicht sei im Übrigen gewesen, sich nicht mehr in die Politik einzumischen; nach dem, was er höre, habe er jedoch seinen Entschluss geändert. «Ich allein bin schuldig am Unglück Frankreichs, das ich wiedergutmachen muss.» Bevor er eine Entscheidung treffe, müsse er erst die Lage genau geschildert bekommen. Fleury solle ihm also noch einmal wiederholen, was er bereits am Vortag ausgeführt habe. Der tat, wie ihm geheißen, und nachdem er geendet hatte, fragte Napoleon: «Glauben Sie also, dass Frankreich von mir seine Rettung erwartet, dass es mich als seinen Befreier begrüßen wird?» Nachdem Fleury dies zweimal versichert hatte, äußerte Napoleon die Furcht, die Emigranten würden, sobald er in Frankreich gelandet sei, sofort alle Patrioten ermorden. – Dazu würde es nicht kommen, denn diese seien in der Überzahl und auch die Tapfereren. – Nun gut, aber wenn man die Patrioten in die Gefängnisse werfe, dann könne man sie dort leicht ermorden. – Das Volk werde das nicht zulassen. – «Wenn Sie sich da nur nicht täuschen! Im Übrigen jedoch werde ich so schnell in Paris erscheinen, dass sie keine Zeit haben werden, sich dazu zu besinnen. Ich werde ebenso schnell zur Stelle sein wie die Nachricht von meiner Landung (…) Ja, ich habe mich dazu entschlossen (…) Ich habe Frankreich die Bourbonen angeschafft; ich werde das Land auch wieder von ihnen befreien (…) Das ist ein gewaltiges, ein schwieriges und auch gefährliches Unterfangen, allein es überfordert meine Kräfte nicht. Das Glück war mir bei den großen Fragen immer hold (…) Ganz Frankreich ist für mich. Ich gehöre ihm ganz. Mit Freuden bringe ich ihm meine Ruhe, mein Blut und mein Leben zum Opfer.» Niemand werde es wagen, ihm den Weg zu verlegen. Allein sein Name würde alle in die Flucht schlagen. Auch die Nationalgarden machten davon keine Ausnahme. Schließlich: «Die Armee, das ist gewiss, wird nicht zögern, sich zwischen der weißen Fahne [i. e. der Fahne der Monarchie] und der Trikolore, zwischen mir, der sie mit Wohltaten und Ruhm überhäuft hat, und den Bourbonen, die sie nur zu entehren trachteten, zu entscheiden. (…) Frankreich ist der Bourbonen überdrüssig; es verlangt seinen alten Souverän; die Armee und der peuple werden zu uns stehen; die ausländischen Mächte werden stillhalten; wenn nicht, werden wir ihnen Bescheid zu geben wissen. Da haben Sie in Zusammenfassung unsere augenblickliche und künftige Situation. Machen Sie sich auf den Weg; sagen Sie Maret, dass Sie mich gesehen haben, dass ich entschlossen bin, alles zu wagen, um den Wünschen Frankreichs zu willfahren und um es von den Bourbonen zu befreien (…) Zum 1. April werde ich von hier mit meiner Garde aufbrechen, vielleicht auch schon früher.»[5]

Gleichgültig, ob sich Napoleon in den beiden Gesprächen, die er mit dem Besucher führte, wortwörtlich oder nur dem Sinne nach so geäußert hat, wie von Fleury de Chaboulon in extenso überliefert. Bedeutsam sind diese Unterredungen deswegen, weil sie den psychologischen Verlauf des Prozesses anschaulich machen, der in Napoleons tollkühnen Entschluss einmündete, von dessen Unvermeidlichkeit er sich mit...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2015
Zusatzinfo mit 15 Abbildungen, 1 Grafik und 6 Karten
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Neuzeit bis 1918
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte 1815 • 19. Jahrhundert • Blücher • Frankreich • Geschichte • Gneisenau • Kaiser • Krieg • Militär • Militärgeschichte • Napoleon • Niederlage • Preußen • Schlacht • Wellington • Weltgeschichte
ISBN-10 3-406-67660-X / 340667660X
ISBN-13 978-3-406-67660-4 / 9783406676604
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