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Agonistik (eBook)

Die Welt politisch denken
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
180 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-73607-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Agonistik -  Chantal Mouffe
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Die SPD wirbt mit »Das Wir entscheidet«, die CDU mit »Gemeinsam erfolgreich« - die Wahlplakate unterstreichen, wie politischer Wettbewerb heute meist aussieht: konsensorientiert und ohne klare Alternativen. Der Ansatz Chantal Mouffes zielt in die entgegengesetzte Richtung: Der agonistische Wettstreit der Ideen ist ein fundamentaler Bestandteil des Politischen. Daher plädiert Mouffe für einen radikalen Pluralismus: Wir müssen sicherstellen, dass unterschiedliche Modelle präsentiert und diskutiert werden können - und zwar auf der nationalen, der europäischen und der globalen Ebene. Was das konkret bedeutet und welche Lehren die Linke daraus ziehen muss, erläutert die Politikwissenschaftlerin im Nachfolgeband zu ihrem vielbeachteten Buch 'Über das Politische'.

Chantal Mouffe ist emeritierte Professorin f&uuml;r Politische Theorie an der University of Westminster. Sie lehrte und forschte an diversen Universit&auml;ten Europas, Nord- und S&uuml;damerikas und ist korrespondierendes Mitglied des Coll&egrave;ge International de Philosophie in Paris. Ihr gemeinsam mit dem argentinischen Politikwissenschaftler Ernesto Laclau verfasstes Buch <em>Hegemonie und radikale Demokratie </em>gilt als ein Grundlagentext des Postmarxismus. Mouffe und Laclau entwickeln darin ein Modell der &raquo;agonistischen Politik&laquo;, das Mouffe in<em> &Uuml;ber das Politische</em> weiter ausarbeitete. In der Auseinandersetzung mit Ulrich Becks <em>Konzept der Subpolitik</em> und Anthony Giddens&rsquo; <em>Programm des Dritten Wegs</em> kommt Mouffe zu dem Ergebnis: &raquo;Ich behaupte, es ist nicht nur konzeptionell falsch, sondern auch mit politischen Gefahren verbunden, wenn das Ziel demokratischer Politik in Begriffen von Konsens und Vers&ouml;hnung anvisiert wird. Das Streben nach einer Welt, in der die Wir-Sie-Unterscheidung &uuml;berwunden w&auml;re, basiert auf fehlerhaften Pr&auml;missen, und wer sich diese Vision zu eigen macht, mu&szlig; die tats&auml;chliche Aufgabe demokratischer Politik zwangsl&auml;ufig verkennen.&laquo;

[Cover] 1
[Informationen zum Buch / zur Autorin] 2
[Impressum] 4
Inhalt 5
Motto 7
Vorwort 9
Einführung 11
1. Was bedeutet »agonistische Politik«? 21
2. Welche Demokratie für eine multipolare, agonistische Welt? 45
3. Ein agonistischer Ansatz für die Zukunft Europas 77
4. Radikale Politik heute 107
5. Agonistische Politik und künstlerische Praktiken 133
6. Schlussfolgerungen 161
Anhang: Und jetzt, Frau Mouffe? 191

11Einführung


Die in diesem Band versammelten Essays untersuchen die Relevanz des von mir in meinen bisherigen Büchern ausgearbeiteten agonistischen Ansatzes für eine Reihe von Fragen, die ich für das linke Projekt als bedeutsam erachte. Jedes Kapitel widmet sich einem anderen Thema, doch mein Ziel ist dabei stets, mich dem Problem aus politischer Sicht zu nähern. Politisch zu denken erfordert, wie Ernesto Laclau und ich in Hegemonie und radikale Demokratie argumentiert haben, sich die ontologische Dimension der radikalen Negativität bewusst zu machen.[1] Aufgrund der Existenz einer Form von Negativität, die dialektisch nicht auflösbar ist, kann einhundertprozentige Objektivität niemals erreicht werden, und der Antagonismus ist eine stets präsente Gefahr. Die Gesellschaft ist von Kontingenz durchdrungen, und jede Ordnung ist hegemonialer Natur, das heißt, sie ist Ausdruck von Machtverhältnissen. Für den Bereich der Politik bedeutet das, dass wir die Suche nach einem Konsens ohne jede Exklusion einstellen und die Hoffnung auf eine ganz mit sich versöhnte und harmonische Gesellschaft fahrenlassen müssen. Folglich kann das emanzipatorische Ideal nicht im Sinne einer Verwirklichung irgendeiner Form von »Kommunismus« formuliert werden.

Die hier dargelegten Überlegungen orientieren sich an der Kritik des Rationalismus und des Universalismus, die ich entwickelt habe, seit ich in The Return of the Political ein Demokratiemodell auszuarbeiten begann, das ich als »agonistischen Pluralismus« bezeichne.[2] Um die Dimension der radikalen Negativität in die Sphäre des 12Politischen einzubeziehen, habe ich in jenem Buch zwischen dem »Politischen« und der »Politik« unterschieden. Während ich »das Politische« auf die ontologische Dimension des Antagonismus beziehe, bezeichne ich mit »Politik« das Ensemble von Praktiken und Institutionen, deren Ziel die Organisation der menschlichen Koexistenz ist. Diese Praktiken operieren jedoch stets auf einem konflikthaften Terrain, das vom »Politischen« geprägt ist.

Die Kernthese des »agonistischen Pluralismus« habe ich später in Das demokratische Paradox weiter ausgeführt.[3] In diesem Buch habe ich argumentiert, eine zentrale Aufgabe demokratischer Politik bestehe darin, für Institutionen zu sorgen, die die Möglichkeit eröffnen, dass Konflikte eine »agonistische« Form annehmen, bei der die Opponenten nicht Gegner sind, sondern Kontrahenten, zwischen denen ein konflikthafter Konsens besteht. Mithilfe dieses agonistischen Modells wollte ich aufzeigen, dass eine demokratische Ordnung selbst dann vorstellbar ist, wenn man von der These der Unauslöschlichkeit des Antagonismus ausgeht.

Nichtsdestotrotz ist es wahr, dass politische Theorien, die diese These bejahen, letztlich als einzigen Weg, den Ausbruch eines Bürgerkriegs zu verhindern, in der Regel eine autoritäre Ordnung verteidigen. Daher meinen die meisten Politikwissenschaftler, die sich der Demokratie verschrieben haben, sie müssten sich für die Möglichkeit einer rationalen Lösung für politische Konflikte einsetzen. Ich dagegen argumentiere, dass die autoritäre Lösung keine notwendige logische Konsequenz eines solchen ontologischen Postulats ist und dass die Unter13scheidung zwischen »Antagonismus« und »Agonismus« die Entwicklung eines Demokratiemodells ermöglicht, das die Existenz radikaler Negativität nicht leugnet.

Als ich im Lauf der vergangenen Jahre über weltweite politische Entwicklungen nachgedacht habe, hat sich mir die Frage aufgedrängt, welche Konsequenzen mein Ansatz für die internationalen Beziehungen haben könnte. Was bedeutet die These, dass jede Ordnung hegemonialer Natur ist, auf der internationalen Ebene? Heißt das, dass es zur derzeitigen unipolaren Welt und allen damit einhergehenden negativen Folgen keine Alternative gibt? Von der Illusion einer kosmopolitischen Welt jenseits von Hegemonie und Souveränität müssen wir uns ohne Zweifel verabschieden. Doch ist das nicht die einzig denkbare Lösung, denn es ist auch eine andere vorstellbar: eine Pluralisierung der Hegemonien. Meines Erachtens könnte ein multipolarer Ansatz, der auf Beziehungen zwischen regionalen Polen auf Augenhöhe setzt, ein Schritt hin zu einer agonistischen Ordnung sein, in der Konflikte zwar nicht aus der Welt geschafft, aber mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine antagonistische Form annehmen würden.

Ein weiterer Aspekt meiner Überlegungen betrifft die Konsequenzen, die sich aus dem hegemonialen Ansatz für radikale Projekte ergeben, deren Ziel eine andere gesellschaftliche und politische Ordnung ist. Wie kann man eine solche neue Ordnung herbeiführen? Welche Strategie sollte man dabei verfolgen?

Vom traditionellen revolutionären Ansatz hat man sich weitgehend verabschiedet, er wird jedoch zusehends durch einen anderen ersetzt, der, wenn auch auf ande14re Weise, unter der Bezeichnung »Exodus« viele Mängel des Ersteren reproduziert. In diesem Buch wende ich mich gegen die kompromisslose Ablehnung der repräsentativen Demokratie durch jene, die eine Strategie der Abkehr von politischen Institutionen befürworten, anstatt eine Umgestaltung des Staates durch einen agonistischen Kampf um die Hegemonie anzustreben. Ihr Glaube an die Realisierbarkeit einer »absoluten Demokratie«, in der die Multitude in der Lage sein soll, sich selbst zu organisieren, ohne dass es eines Staates oder politischer Institutionen bedürfte, zeugt von einem mangelnden Verständnis dessen, was ich als »das Politische« bezeichne.

Sicherlich, die Verfechter dieser Position stellen die These der zunehmenden Homogenisierung des »Volkes« unter der Kategorie des »Proletariats« infrage und betonen stattdessen die Vielfalt der »Multitude«. Die Existenz radikaler Negativität zur Kenntnis zu nehmen impliziert jedoch nicht nur anzuerkennen, dass das Volk mannigfaltig, sondern auch, dass es gespalten ist. Diese Gespaltenheit kann nicht überwunden, sie kann nur auf unterschiedliche Weise institutionalisiert werden, wobei manche Formen egalitärer sind als andere. Meinem Ansatz zufolge besteht radikale Politik aus einer Vielzahl von Schritten auf einer Vielfalt institutioneller Terrains, die der Konstruktion einer neuen Hegemonie dienen. Es ist ein »Stellungskrieg«, dessen Ziel nicht der Aufbau einer Gesellschaft jenseits von Hegemonie, sondern der Prozess der Radikalisierung der Demokratie ist – der Aufbau demokratischerer, egalitärerer Institutionen.

Und noch einem weiteren Thema habe ich, haupt15sächlich aufgrund zahlreicher Einladungen durch Kunsthochschulen, Museen und Biennalen, in den vergangenen Jahren besondere Aufmerksamkeit geschenkt: Kann ein agonistischer Ansatz Künstlern dabei helfen, den Charakter ihrer Interventionen im öffentlichen Raum theoretisch zu fassen? Welche Rolle können artistische und kulturelle Praktiken im Rahmen des Ringens um die Hegemonie spielen? Im derzeitigen postfordistischen Stadium des Kapitalismus kommt dem kulturellen Terrain eine strategische Position zu, weil die Produktion von Affekten eine immer wichtigere Rolle spielt. Da es für den Prozess der kapitalistischen Verwertung von entscheidender Bedeutung ist, sollte dieses Terrain ein zentraler Ort für Interventionen durch gegenhegemoniale Praktiken sein.

Um auf diese sehr unterschiedlichen Themen eingehen zu können, ist dieses Buch wie folgt gegliedert. Das erste Kapitel rekapituliert in groben Zügen den agonistischen Ansatz, den ich im Lauf der Jahre in einer Reihe von Büchern ausgearbeitet habe. Zugleich grenzt es meinen Zugang von anderen agonistischen Theorien ab. Um die antagonistische Dimension zu betonen, die die Sphäre des Politischen kennzeichnet, gilt mein Augenmerk insbesondere der Unterscheidung zwischen ethischen und politischen Zugängen sowie der Notwendigkeit, dass agonistische Theorien den Zusammenhang zwischen Agonismus und Antagonismus zur Kenntnis nehmen, anstatt die Realisierbarkeit eines »Agonismus ohne Antagonismus« zu postulieren.

Nachdem ich meine theoretische Problematik dargelegt habe, wende ich mich in den darauffolgenden Ka16piteln einer Reihe unterschiedlicher Themen zu: einem agonistischen Ansatz für die internationalen Beziehungen, Integrationsmodellen für die Europäische Union, unterschiedlichen Sichtweisen radikaler Politik und schließlich dem Verhältnis zwischen Politik und kulturellen sowie künstlerischen Praktiken. Im zweiten Kapitel setze ich mich mit einigen Fragen auseinander, die das Konzept einer multipolaren Welt aufwirft. Ein Thema aufgreifend, das ich bereits in Über das Politische behandelt habe, wo ich verschiedene kosmopolitische Projekte kritisiert und mich für eine multipolare Welt ausgesprochen habe, untersuche ich nunmehr, welche Implikationen es mit sich bringt, die Welt als ein Pluriversum zu sehen. Dabei weise ich die Position zurück, Demokratisierung setze Verwestlichung voraus, und verteidige die These, dass das demokratische Ideal in verschiedenen Kontexten unterschiedlich umgesetzt werden kann.

Einige Leser werden möglicherweise überrascht sein von meiner Kritik an der Art und Weise, wie Soziologen und Politologen das Wort »modern« benutzen, um westliche Institutionen zu beschreiben. Habe ich nicht selbst das westliche Modell wiederholt als »moderne Demokratie« charakterisiert? Tatsächlich habe ich das in jüngeren Schriften nicht mehr getan und vermeide es jetzt, von »moderner Demokratie« zu sprechen. Mir ist bewusst geworden, dass ich damit meiner Behauptung vom kontextualistischen Charakter der liberalen Demokratie widerspreche, wonach diese kein fortgeschrittenes Stadium in der Entwicklung der Rationalität oder Moralität...

Erscheint lt. Verlag 19.5.2014
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Schlagworte Agonistik • edition suhrkamp 2677 • ES 2677 • ES2677 • Pluralismus • Politische Philosophie
ISBN-10 3-518-73607-8 / 3518736078
ISBN-13 978-3-518-73607-4 / 9783518736074
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