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Himmler privat (eBook)

Briefe eines Massenmörders
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96639-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Himmler privat -  Katrin Himmler,  Michael Wildt
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Als Heinrich Himmler und Marga Siegroth sich 1927 kennenlernen, ist die Zuneigung gegenseitig. Das Paar ist sich einig in seinem Antisemitismus (»das Judenpack«) wie in seinem Traum vom Landleben. Himmler, als Funktionär der NSDAP häufig »mit dem Chef« Hitler auf Reisen, rät seinem »Liebchen« aus der Ferne, den »Holunder als Mus einzumachen«; Marga berichtet ihrem Mann stolz, dass ihr Haus »Treffpunkt aller Nationalsozialisten« sei. Während Himmler nach 1933 zum mächtigsten Mann hinter Hitler aufsteigt und als Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei die »Endlösung der Judenfrage« organisiert, schickt er seiner »kleinen Frau«, die für das Rote Kreuz durch das besetzte Polen reist (»der unbeschreibliche Dreck«) »liebe Gedanken zum Muttertag«, brüstet sich mit der vielen »Arbeit« und legt Fotos von seinen Reisen zu den SS-Einsatzgruppen und Waffen-SS-Einheiten bei. Die Harmlosigkeit der Briefe ist nur scheinbar, hinter der kleinbürgerlichen Fassade werden die Gewalt und der Mangel an Empathie sichtbar, die auch das Privatleben der Himmlers prägten.

Katrin Himmler, geboren 1967 in Dinslaken am Niederrhein, hat Politikwissenschaft studiert und an verschiedenen Projekten zur Zeitgeschichte, zum Thema Rassismus und Interkulturalität mitgearbeitet. Ihr Buch 'Die Brüder Himmler' erschien 2005 erschien 2005 bei S. Fischer. Sie lebt mit ihrem Sohn in Berlin. Michael Wildt, Prof. Dr., geboren 1954 in Essen, gilt als der Star in der deutschen Zeitgeschichtsforschung. Lange Jahre Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung, hat er seit 2009 den in Deutschland wichtigsten Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin inne. Seine Habilitation 'Generation der Unbedingten' über das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes' (2003) zählt nach wie vor zu den Schlüsselwerken in der Forschung zum Nationalsozialismus.

Katrin Himmler, geboren 1967 in Dinslaken am Niederrhein, hat Politikwissenschaft studiert und an verschiedenen Projekten zur Zeitgeschichte, zum Thema Rassismus und Interkulturalität mitgearbeitet. Ihr Buch "Die Brüder Himmler" erschien 2005 erschien 2005 bei S. Fischer. Sie lebt mit ihrem Sohn in Berlin. Michael Wildt, Prof. Dr., geboren 1954 in Essen, gilt als der Star in der deutschen Zeitgeschichtsforschung. Lange Jahre Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung, hat er seit 2009 den in Deutschland wichtigsten Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin inne. Seine Habilitation "Generation der Unbedingten" über das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes" (2003) zählt nach wie vor zu den Schlüsselwerken in der Forschung zum Nationalsozialismus.

Im Sommer 1924 fand Heinrich Himmler nach langem Suchen endlich eine Anstellung – in der verbotenen NSDAP. Der leitende Parteifunktionär Gregor Strasser, der in Landshut eine Apotheke besaß, war im Mai für den Völkischen Block, eine nationalsozialistische Ersatzorganisation, in den Bayerischen Landtag, im Dezember sogar in den Reichstag gewählt worden. Da ihm nunmehr die Zeit fehlte, die Partei in Niederbayern zu organisieren, übernahm der junge Heinrich Himmler die Leitung der Geschäftsstelle der Partei.

An einen Bekannten schrieb er im August 1924 über seine neue Tätigkeit: »Ich habe entsetzlich viel zu tun, habe ich doch die Organisation von ganz Niederbayern zu leiten und auszubauen und zwar in jeder Richtung. Zu einem Arbeiten für mich, dass ich einmal dazukäme, rechtzeitig einen Brief zu beantworten, ist gar kein Darandenken. Die Organisationsarbeit, die ich vollkommen selbständig leite, liegt mir ja gut und die Sache wäre ja einzig schön, wenn man den nahen Sieg oder den nahen Freiheitskampf vorbereiten könnte, aber so ist es ein entsagungsvolles Arbeiten von uns Völkischen, ein Arbeiten, das in der nächsten Zeit niemals sichtbare Frucht bringen wird, immer mit dem Bewusstsein, die Frucht dieser Arbeit wird erst in späteren Jahren aufgehen und heute ist unsere Tätigkeit eine auf einem im Augenblick vielleicht verlorenen Posten.«

So verloren war der Posten nicht. Im Mai hatte der Völkische Block in Bayern 17,4 Prozent der Stimmen erzielt, so viele wie die Sozialdemokraten, und auch bei den Reichstagswahlen hatten die Rechtsextremen überdurchschnittliche Stimmenanteile für sich gewinnen können. Im Dezember 1924 wurde Adolf Hitler aus der Haft entlassen{4} und gründete im Februar 1925 die NSDAP neu, auch wenn ihm selbst noch einige Monate lang ein Redeverbot auferlegt worden war – in Bayern galt dieses sogar bis März 1927 und in Preußen bis November 1928.

Himmler hatte nun die Aufgabe, die etwa 1000 niederbayerischen Parteimitglieder, die in 25 Ortsgruppen organisiert waren, in die neu gegründete NSDAP zu überführen, was angesichts der Umschreibung der Parteibücher, der Mitgliedsbeiträge etc. kein einfaches Unterfangen war.

Das bedeutete auch, dass er viel in Niederbayern unterwegs war, Ortsgruppen besuchte, Vorträge hielt und die organisatorischen Dinge vor Ort klären musste. Allein zwischen November 1925 und Mai 1926 sprach er auf 27 Veranstaltungen in Bayern und zusätzlich auf 20 auswärtigen in Westfalen, Hamburg, Mecklenburg, Schleswig-Holstein und anderswo. Mit der rastlosen Reisetätigkeit unterschied er sich nicht von anderen Parteifunktionären. Auch Joseph Goebbels war 1925/26 unermüdlich unterwegs, um an vielen Orten im Deutschen Reich Vorträge zu halten und nationalsozialistische Ortsgruppen aufzubauen. Unter anderem kam Goebbels im April 1926 auch nach Bayern zu einer Vortragsreise. »Mit Himmler den Nachmittag in Landshut«, notierte Goebbels am 13. April im Tagebuch, »Himmler: ein guter Kerl mit viel Intelligenz. Ich mag ihn gern.«

Auf dem Reichsparteitag der NSDAP im Weimar im Juli 1926 wurde Gregor Strasser zum Reichspropagandaleiter bestimmt, und Himmler folgte wieder nach: Er wurde zum stellvertretenden Reichspropagandaleiter ernannt, wechselte in die Parteizentrale in München und wurde zugleich stellvertretender Gauleiter von Niederbayern. War er bislang vor allem für Bayern verantwortlich gewesen, erweiterte sich sein Tätigkeitsfeld nun auf ganz Deutschland. Da Gregor Strasser als Reichstagsabgeordneter und Parteigröße vollauf beschäftigt war, oblag Heinrich Himmler die alltägliche Propagandaarbeit. Er hatte dafür zu sorgen, dass Propagandamaterial verschickt wurde, hielt Kontakt zu den Ortsgruppen und hatte vor allem den reichsweiten Einsatz der Parteiredner zu koordinieren, an erster Stelle die »Hitlerversammlungen« zu organisieren. Dadurch fiel ihm eine ganz besondere Rolle im Parteiapparat zu, denn zum einen lag es in seiner Hand, welche Ortsgruppe das Privileg eines Hitlerauftritts erhielt, und zum anderen hielt er engen Kontakt mit Hitler, um mit ihm dessen Redetermine abzusprechen. Obwohl mitunter im Nachhinein das Bild von Himmler als blassem Funktionär gezeichnet wird, befand er sich tatsächlich im Machtzentrum der NSDAP und verfügte über sehr gute Kontakte zum »Chef«, wie er nicht nur in Himmlers Briefen genannt wurde.

Auf seinen Reisen las Himmler unter anderem Hitlers Schrift Mein Kampf, die damals noch in zwei Bänden erschien: Der erste Band, der eine politisch stilisierte Autobiografie Hitlers darstellte, war 1925 veröffentlicht worden, der zweite Band, der das politische Programm der Nationalsozialisten umriss, 1927. Gleich nach Erscheinen hatte Himmler sich im Juli 1925 den ersten Band gekauft und offenbar, wie handschriftliche Randnotizen belegen, sofort mit der Lektüre begonnen, diese aber wieder unterbrochen und erst im Februar 1927 zu Ende gelesen, wie der Eintrag in seiner Leseliste zeigt. »Es stehen unheimlich viel Wahrheiten darin«, notierte er. »Die ersten Kapitel über die eigene Jugend enthalten manche Schwäche.« Vielleicht war dies der Grund für die Unterbrechung der Lektüre.

Den zweiten Band kaufte Himmler sich gleichfalls sofort nach Erscheinen. Bis zum 17. Dezember 1927 war er bis zum Ende des dritten Kapitels gekommen und am 19. Dezember, als er bereits seit einem Tag bei Marga in Berlin war, bis zum Ende des achten Kapitels – was darauf hinweist, dass womöglich auch Marga in diesen Tagen in Hitlers Mein Kampf gelesen hat.

Was Himmler – folgt man seinen Markierungen und Unterstreichungen – vor allem interessierte, waren Hitlers Ausführungen zu »Volksgesundheit« und Rassismus. Er unterstrich dessen Satz: »Die Forderung, dass defekten Menschen die Zeugung anderer defekter Menschen unmöglich gemacht wird, ist eine Forderung klarster Vernunft und bedeutet in ihrer planmäßigen Durchführung die humanste Tat der Menschheit« und notierte am Rand: »lex Zwickau«. Damit verwies Himmler auf die Initiative des Zwickauer Arztes Gustav Emil Boeters, der in den 1920er-Jahren, damals noch erfolglos, ein radikales Gesetz zur Zwangssterilisation forderte, das später dann von der Regierung Hitler im Juli 1933 verabschiedet wurde. Zu Hitlers vehementer Warnung vor »Rassenkreuzung« und der Gefahr, die für die »Rassereinen« durch die »Mischprodukte« entstünden, schrieb Himmler: »die Möglichkeit der Entmischung ist vorhanden«. Und Hitlers Forderung nach »Anerkennung des Blutes«, also der »rassenmäßigen Grundlage im allgemeinen«, auch »für die einzelnen Menschen in der Volksgemeinschaft«, die entsprechend ihrer »rassischen Zugehörigkeit« unterschiedlich bewertet werden müssten, kommentierte er mit der Frage: »Werden hieraus s. Konsequenzen gezogen«.

Himmler hob auch Hitlers Programm hervor, die gesamte Erziehung und Ausbildung darauf anzulegen, jedem jungen Deutschen »die Überzeugung zu geben, anderen unbedingt überlegen zu sein. Er muss in seiner körperlichen Kraft und Gewandtheit den Glauben an die Unbesiegbarkeit seines ganzen Volkstums wiedergewinnen.« Himmler notierte dazu: »Erziehung von SS u[nd] SA«.

Weiterhin war er viel auf Reisen, in Bayern wie in ganz Deutschland. Im Januar 1927 hielt er Vorträge in Thüringen, wo eine Landtagswahl bevorstand, im Februar in Westfalen, im April im Ruhrgebiet. Im Mai war er in Mecklenburg und Sachsen, im Juni in Norddeutschland, im Juli in Wien. Auf einer dieser Reisen lernte er im September 1927 im Zug auf der Rückfahrt von Berchtesgaden nach München Marga Siegroth, geb. Boden, kennen.{5}

Marga Siegroth, geb. Boden, hatte eine Woche Urlaub in Berchtesgaden verbracht und blieb noch eine weitere Woche in München, bevor sie nach Berlin zurückkehrte. Sie hatte bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich, die etwa von 1920 bis 1923 dauerte, über ihren ersten Ehemann mit Namen Siegroth ist nichts bekannt. Ihr Vater Hans Boden, ehemaliger Gutsbesitzer in Goncerzewo (Goncarzewy) bei Bromberg (Bydgoszcz) in Pommern hatte für sie im Herbst 1923, auf dem Höhepunkt der Inflation, für 1000 Dollar in Goldanleihe Anteile an einer »Privat-Frauenklinik« in Berlin gekauft. Die Klinik befand sich in einem Wohnhaus in der Münchner Straße 49 im bürgerlichen Stadtteil Schöneberg, wo Marga seitdem als Oberschwester arbeitete und wohnte.

Zweifellos weckte sie nicht nur durch ihre blonden Haare und die blauen Augen, sondern auch durch ihren Beruf Heinrich Himmlers Interesse, zumal sie als Rotkreuzschwester im Ersten Weltkrieg eine in seinen Augen vorbildliche weibliche Aufgabe übernommen hatte. Beide tauschen sich in ihren späteren Briefen mehrfach über den Krieg aus und nehmen Bezug darauf, so etwa wenn Marga einmal schreibt: »Vom Felde her bin ich gewohnt ohne Tisch zu schreiben« (22. 12. 1927).

Als Oberschwester in der Privatklinik führte sie ein selbstständiges, recht angenehmes Leben mit nur wenigen Arbeitsstunden täglich, hatte ein eigenes Dienstmädchen und wurde von der Klinikköchin versorgt. Nachmittags und abends blieb Zeit für Einkäufe in der Stadt und Verabredungen mit Bekannten zu kulturellen Vergnügen. Dennoch scheint sie mit ihrem Leben nicht glücklich gewesen zu sein. Obwohl ihr Arbeitsvertrag noch bis April 1929 lief, überlegte sie immer wieder, ihre Tätigkeit in der Privatklinik vorzeitig aufzugeben oder die Klinik zu wechseln. Ein wichtiger Grund war offenbar, dass sie mit den dortigen Ärzten nicht klarkam: »Wenn nur die unmöglichen Ärzte nicht wären«, klagt sie wiederholt. Möglicherweise sah sie die Arbeit in der Klinik auch eher als Notlösung...

Erscheint lt. Verlag 10.2.2014
Zusatzinfo Mit 28 Fotos und 7 Faksimiles im Text
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Auschwitz • Briefe • Hitler • Holocaust • Judenverfolgung • SS • Vernichtungslager • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-492-96639-X / 349296639X
ISBN-13 978-3-492-96639-9 / 9783492966399
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